Protokoll der Sitzung vom 17.11.2000

Nun haben Sie sich dann kritisch mit unserer Wirtschaftspolitik beschäftigt. Tatsache ist, Herr Gerstenberger, alle Studien beweisen es, in unserem Lande sind die Wirtschaftsfördermittel mit der höchsten Arbeitsplatzeffizienz eingesetzt worden im Vergleich aller neuen Länder.

(Beifall bei der CDU)

Kein anderes neues Land hat mit den eingesetzten Mitteln so viel zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen bzw. vorhandene stabilisiert. Das ist die Wahrheit, Herr Gerstenberger. Und wenn das so ist, dann sind wir sicherlich noch lange nicht von der Pflicht entbunden, laufend unser Instrumentarium weiterzuentwickeln, aber nicht blindlings, wie Sie dies fordern oder gar aus ideologischen Gründen, wie Sie dies tun, sondern um zu reagieren auf die jeweils wirtschaftliche Lage. Es reicht nicht aus, Herr Gerstenberger, den Begriff Bruttosozialprodukt laufend im Munde zu führen, man muss ihn auch definieren können. Und es reicht

nicht aus, mit dem Instrumentarium zu hantieren, man muss es richtig einsetzen. Man muss die ökonomischen Wirkungszusammenhänge beachten.

Sie haben kritisiert, dass wir immer sehr starkes Gewicht gelegt haben auf die Förderung der GA, auf die Förderung privater Investitionen. Herr Gerstenberger, das haben wir getan, um ein Höchstmaß an Arbeitsplätzen, um ein Höchstmaß an Wachstum zu erreichen. Es wäre doch töricht, mitten in einer Wachstumsphase mit der Wachstumsförderung oder Arbeitsplatzförderung aufzuhören und umzuschalten auf eine stärkere Gewichtung der Infrastruktur.

(Beifall bei der CDU)

Als Sie gefordert haben, wir sollen entkoppeln, haben wir gesagt, dafür ist die Zeit jetzt nicht die richtige. Als wir umgesteuert und ausgekoppelt haben, war die Zeit eine andere. Damals war es notwendig, stärker zu gewichten die Infrastrukturförderung. Also, bitte schön, mit Ihren einfachen Vokabeln und Forderungen kommt man nicht weiter. In der Wirtschaftspolitik muss man die Wirkungszusammenhänge beachten und man muss das jeweils Richtige tun in der jeweils richtigen Situation. So einfach, wie Sie hier argumentieren, so, glaube ich, geht es nicht, so richtet man höchstens Chaos an und darauf war ja der Sozialmus immer programmiert.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Chaos oder Planwirtschaft, was nun?)

Meine Damen und Herren, und dann stellt sich natürlich die Frage, was haben Sie eigentlich vorgeschlagen in Ihrem Beitrag. Sie haben vorgeschlagen, die GA zu einem revolvierenden Fonds umzubauen. Meine Damen und Herren, da kann ich nur sagen, ein Blick in das Gesetzbuch erleichtert die Rechtsfindung. Würden Sie mal in das Gesetz zur Gemeinschaftsaufgabe schauen, würden Sie feststellen, erstens, die Gemeinschaftsaufgabe besteht aus Investitionszuschüssen, nicht aus Darlehen. Die Gemeinschaftsaufgabe sieht nicht rückzahlbare Zuschüsse vor. Das ist bundesgesetzlich geregelt und festgehalten.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Bitte schön.

Herr Minister Schuster, geben Sie mir Recht, dass Gesetze immer Ausdruck eines politischen Willens sind?

Aber dieses Gesetz ist nicht Ausdruck des landespolitischen Willens, sondern wenn, dann des bundespolitischen Willens, Herr Gerstenberger,

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die falsche Bühne gewählt offensichtlich heute Vormittag. Im Übrigen könnte Ihr Vorschlag nur eins bewirken, Herr Gerstenberger, schleunigst dafür zu sorgen, dass die GA-Förderung auf Bundesebene noch weiter zurückgefahren wird nach dem Motto, wenn die schon auf solche Vorstellungen kommen, dann haben sie es offenbar nicht mehr nötig.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Das wissen Sie doch so gut wie ich, dass Sie das beantragen können!)

Bei der Arbeitsmarktpolitik haben Sie auch nur ein Rezept, das ist der dritte Arbeitsmarkt. Der dritte Arbeitsmarkt ist nicht geeignet, das Beschäftigungsproblem dauerhaft zu lösen. Er ist nicht geeignet, Wirtschaftswachstum zu lösen. Wenn wir doch einig sind, dass man auf Dauer mehr Beschäftigung nur auf dem ersten Arbeitsmarkt erreichen kann, dann hat es doch keinen Sinn, jetzt auch noch einen dritten Arbeitsmarkt aufzubauen. Sollen wir den ersten Arbeitsmarkt noch mehr schwächen, damit dort noch weniger Arbeitsplätze entstehen, damit sie dann im staatlichen Bereich geschaffen werden sollen? Das kann es doch wohl nicht sein. Herr Gerstenberger, treten Sie heraus aus den Schützengräben des Sozialismus,

(Beifall bei der CDU)

die sind unbrauchbar, die haben sich überlebt.

(Beifall bei der CDU)

Stellen Sie sich mal einer neuen ökonomischen Theorie, der New-Economie, um mal anders zu argumentieren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist dann immer wieder von der Arbeitslosenzahl, von der Erwerbstätigenzahl und der Zahl der sozialversicherten Beschäftigten die Rede. Herr Gerstenberger, es ist richtig, die Zahl der sozialversicherten Beschäftigungsverhältnisse hat abgenommen. Es hat aber gleichzeitig die Zahl der Erwerbstätigen in unserem Lande zugenommen, und zwar nur bei uns, in keinem anderen neuen Land sonst. Und es hat bei uns die Arbeitslosenzahl abgenommen.

(Beifall bei der CDU)

Diese drei Zahlen muss man unterscheiden. Dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse abnimmt, hat damit zu tun, dass wir es mit einem Trend zur Teilzeitbeschäftigung in allen modernen Volkswirtschaften zu tun haben, also auch bei uns. Es wird immer mehr Beschäftigungsverhältnisse geben in Zukunft, die nicht mehr Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse darstellen, sondern Teilzeitverträge, die sogar nicht immer sozialversichert sind, wobei dies eine sehr zwiespältige Entwicklung ist. Das will ich gleich dazusagen,

(Beifall bei der CDU)

dass die Zukunft nicht darin bestehen kann, immer mehr Beschäftigungsverhältnisse zu haben, wo die Sozialversicherungspflicht entfällt.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Selbst wenn es... sind.)

Herr Gerstenberger, die Tatsache, dass bei uns Jahr für Jahr die absolute Zahl der Arbeitsplätze im Bereich von Industrie und Gewerbe zunimmt, das erklären Sie damit, dass immer mehr Leute in Rente gehen. Was ist das für ein blühender Unsinn, Herr Gerstenberger, so zu argumentieren.

(Beifall bei der CDU)

Entscheidend ist, dass bei uns Jahr für Jahr mehr Arbeitsplätze entstehen in Industrie und Gewerbe. Das ist der richtige Trend, den können Sie durch kein Argument hinwegreden, Herr Gerstenberger.

(Beifall bei der CDU)

Dass man dann auch nicht davon ausgehen kann, dass wir das Problem der Arbeitslosigkeit lösen können durch Maßnahmen im zweiten Arbeitsmarkt, das ist sowieso klar. Das spräche aber dafür, dass man die Mittel noch mehr auf die Wirtschaftsförderung konzentriert, um so die wirtschaftlichen Probleme des Landes lösen zu können. Und eins ist auch klar: Wir können durch Wirtschaftsförderung allein die grundlegenden ökonomischen Probleme des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht lösen. Es müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt wieder als gesund gilt. Die Steuerreform, die beschlossen ist, war sicherlich ein wichtiger Schritt in diese Richtung, aber noch kein ausreichender. Wir müssen weiterhin alles tun, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu erhalten. Wir müssen die Abgabenbelastung, die reduziert werden muss, fortfahren in dem Bemühen, gezielt Wirtschaftsförderung zu betreiben. Wir müssen eine Arbeitsmarktpolitik betreiben, die nicht immer weiter wegführt vom ersten Arbeitsmarkt, sondern ihm immer näher kommt. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Redewünsche werden nicht signalisiert. Doch, Frau Abgeordnete Vopel, bitte.

Ich möchte für meine Fraktion darum bitten, den Bericht, den der Herr Minister gegeben hat, im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik weiterzuberaten.

Ja, das heißt, ich hätte ja vorher die Aussprache zunächst schließen müssen. Ich ziehe das jetzt an dieser Stelle vor, die Aussprache zu schließen, denn es war ja kein Redewunsch, sondern ein Antrag. Sie haben nun beantragt, den Gesamtbericht, der zu beiden Anträgen gegeben worden ist, im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik gemäß 106 Abs. 1 in Verbindung mit § 86 Abs. 2 Satz 2 bis 4 der Geschäftsordnung zu beraten. Wer diesem Antrag zustimmt... Bevor dieser Antrag zugelassen wird, werde ich gerade darauf hingewiesen, brauche ich dazu die Zustimmung der PDS-Fraktion, die das Berichtsersuchen beantragt hat in einem Teil und die Aussprache beantragt hat. Die parlamentarische Geschäftsführerin, bitte.

Ja, wir sind einverstanden.

Die Fraktion ist einverstanden, und wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag. Wer der Fortberatung im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Das ist eine überwältigende Mehrheit. Ich frage nach den Gegenstimmen? Die gibt es nicht. Gibt es Stimmenthaltungen? Die gibt es auch nicht.

Für den heutigen Tag ist damit aber das Berichtsersuchen erfüllt. Gibt es dazu Widerspruch? Das wird nicht signalisiert, und ich stelle das fest und schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 7

Zollfahndungsämter in Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/1074

Die einreichende Fraktion, Herr Stauch, hat keine Begründung signalisiert? Dann kommen wir gleich zur Aussprache und in dieser hat sich der Abgeordnete Dr. Pidde zu Wort gemeldet, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die einreichende Fraktion hat nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht, hier den Antrag mündlich zu begründen. Gestern Abend haben wir lautstarke Vorwürfe aus dem Mittelblock bzw. vom Ministerpräsidenten gehört, warum eine Begründung des Antrags nicht noch einmal erfolgt ist.

Meine Damen und Herren von der CDU, wir lesen die Begründung Ihres Antrags und nehmen sie selbstverständlich auch zur Kenntnis.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, im Rahmen des Programms des Bundes "Moderner Staat - moderne Verwaltung" zur Stärkung der Effizienz und Zukunftsfähigkeit der Verwaltung ist auch eine Veränderung der Strukturen der Bundesfinanzverwaltung vorgesehen. Es wurde das Projekt "Strukturentwicklung Bundesfinanzverwaltung" entwickelt. Inzwischen liegt ein Grobkonzept vor, aus dem für die einzelnen Bereiche bis Mitte 2001 Feinkonzepte entwickelt werden sollen. Die nun entwickelten Konzepte zur Straffung der Bundesfinanzverwaltung führen die noch unter der alten Bundesregierung begonnenen Überlegungen in weiten Teilen fort, werden natürlich durch eigene Akzente der neuen Bundesregierung ergänzt.

Meine Damen und Herren, Strukturveränderungen sind auf allen Ebenen staatlicher Verwaltung ein ständig fortschreitender Prozess, auch auf Landesebene reden wir ja davon. Was Bund und Freistaat Thüringen jedoch derzeit unterscheidet, ist die Qualität, mit der derartige Prozesse vorbereitet werden. Wenn man wie ich im Haushalts- und Finanzausschuss derzeit bei den Anhörungen zum Haushalt 2001/2002 mitbekommt, wie unausgegoren die Überlegungen und Vorschläge der CDU zum Umbau der Landesverwaltung sind, so ist es richtig wohltuend, auch einmal schlüssige Konzepte in die Hand zu bekommen, wie beim beschriebenen Strukturprojekt der Bundesfinanzverwaltung.

(Beifall bei der SPD)