Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung legt Ihnen heute den Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vor. Das Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist es, die Festsetzungsfrist für Beitragspflichtige, die bis zum 31. Dezember 1997 entstanden ist, bis zum 31. Dezember 2002 zu verlängern. Über die Notwendigkeit, dieses Gesetz zu ändern, wurde in den letzten Wochen nicht nur bei den Aufgabenträgern stark diskutiert, sondern auch in der Öffentlichkeit. Wir können heute feststellen: Die Verlängerung der Festsetzungsfrist ist erforderlich, um den Aufgabenträgern eine ordnungsgemäße Heranziehung aller Anschlussnehmer zu ermöglichen entsprechend den Vorteilen, die ihnen die öffentliche Einrichtung vermittelt hat. Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Die Aufgabenträger, aber auch die Kommunalaufsichtsbehörden mussten sich in den vergangenen

zehn Jahren aufgrund der Sondersituation in den neuen Bundesländern schrittweise auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte einstellen, die sich erst nach und nach herausbildete. Zu dieser Rechtsprechung gehörten zum Teil grundsätzliche Probleme der Beitrags- und Gebührenerhebung hier in Thüringen. Auch der Gesetzgeber selbst musste aufgrund der Rechtsprechung verschiedentlich tätig werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die 1998 getroffene Regelung, die den Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht klarstellte. Auch diese war durch unterschiedliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte veranlasst. Gerade die Rechtsprechung, die nur schrittweise Konturen gewann und gewinnen konnte, hat bei Aufgabenträgern zu Verunsicherungen geführt. Nicht zuletzt waren die Aufgabenträger an einer zügigen Beitragserhebung deshalb gehindert.

Zu den ausschlaggebenden Fragen, meine Damen und Herren, der Beitragserhebung gehört die Heranziehung der so genannten Altanschlussnehmer zu Beiträgen. Ich sage "so genannte Altanschlussnehmer", weil ich den Begriff Altanschlussnehmer für irreführend halte.

(Beifall bei der CDU)

Die Rechtsprechung hat diesen Begriff eher zur sprachlichen Vereinfachung gewählt und sie wollte damit offenbar eine Gruppe von Beitragspflichtigen beschreiben, die vor einem bestimmten Zeitpunkt an eine öffentliche Einrichtung angeschlossen wurde. In der nun geführten Diskussion hat sich jedoch herausgestellt, dass dieser Begriff geeignet ist, Verwirrung zu stiften, und zwar sowohl bei den Aufgabenträgern als auch bei den Bürgern. Keinesfalls kann es in Betracht kommen, nach dem Zeitpunkt zu differenzieren, zu dem eine Anschlussnahmemöglichkeit geschaffen wurde, das heißt eine Differenzierung nach alt und neu angeschlossenen Grundstücken. Wesentlich ist vielmehr, dass die Kommunen nach ihrer Wiederentstehung bzw. die Zweckverbände nach ihrer Gründung allen Grundstückseigentümern erstmalig den rechtlich gesicherten Vorteil bieten, die öffentliche Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Umlegen können sie deshalb konsequenterweise auch nur die ihnen selbst entstandenen Kosten. Wichtig dabei ist: Dieser Vorteil besteht unabhängig vom Zeitpunkt des Anschlusses an die öffentliche Einrichtung.

(Beifall bei der CDU)

Würden wir der Auffassung folgen, wonach die so genannten Altanschlussnehmer nicht zu Beiträgen heranzuziehen seien, würden Anschlussnehmer trotz des gleichen Nutzens, den sie aus der öffentlichen Einrichtung ziehen können, in unterschiedlicher Höhe belastet. Dies ist rechtswidrig und daher stark klageanfällig. Die Beitragspflichtigkeit aller angeschlossenen Grundstücke benachteiligt auch keineswegs Anschlussnehmer, die vor langen Jahren angeschlossen wurden. Vielmehr werden durch die Heranziehung aller Grundstücke die Investitions

kosten, die für die gesamte öffentliche Einrichtung entstehen, gerecht auf alle Anschlussnehmer verteilt. Entgegen einzelner Behauptungen hat die Novelle keinen Einfluss auf die Kosten, die dem Aufgabenträger insgesamt entstanden und somit auf die Abgabepflichtigen umzulegen sind. Vielmehr werden die gleichen Kosten nur anders verteilt, und zwar gleichmäßiger auf die angeschlossenen Grundstücke. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erläutern. Ein Aufgabenträger hat die Investitionskosten in der Globalkalkulation zwar auf alle Grundstücke verteilt, jedoch bisher lediglich von einem Teil der Grundstückseigentümer Beiträge erhoben. Eine gleichmäßige Heranziehung der Grundstückseigentümer zu Beiträgen führt in diesem Fall aufgrund der Berücksichtigung der Beitragszahler in der Gebührenkalkulation regelmäßig zu einer Senkung der kostendeckenden Gebühr. Hat dagegen ein Aufgabenträger bislang die gesamten Investitionskosten lediglich auf einen Teil der bevorteilten Grundstücke umgelegt, so führt die Berücksichtigung aller Grundstücke nun in der Globalkalkulation zu einer Senkung der Beitragssätze.

Was würde hingegen passieren, wenn es nicht zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist käme? Ein Teil der Aufgabenträger wäre dann außer Stande, die o.g. Rechtsprechung noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist umzusetzen. Dies hätte neben der Ungleichbehandlung der Abgabepflichtigen zur Folge, dass auf die Aufgabenträger wegen der nicht versandten Beitragsbescheide Einnahmeausfälle zukommen würden.

Da eine Doppelfinanzierung durch Abwälzung auf die Gebühr nicht nur in hohem Maße ungerecht, sondern auch rechtlich unzulässig ist, müssten Einnahmeausfälle über Umlagen von den Mitgliedsgemeinden bzw. aus den allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werden. Diese Bevorteilung Einzelner würde die Haushalte der betroffenen Gemeinden und Städte auf Jahre hinaus lähmen.

Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, ist die Verlängerung der Festsetzungsfrist für die kommunalen Aufgabenträger von großer Bedeutung. Auch die kommunalen Spitzenverbände haben dies erkannt und unterstützen die vorliegende Gesetzesänderung. Während der Thüringer Landkreistag eine Verlängerung von zwei Jahren als sachdienlich ansieht, fordert der Gemeinde- und Städtebund sogar eine über den ihnen vorgelegten Entwurf hinausgehende Verlängerung der Festsetzungsfrist. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die kommunalen Aufgabenträger bei kontinuierlicher Arbeit in den nächsten Monaten in der Lage sind, innerhalb der nächsten zwei Jahre die noch offen stehenden Beitragsforderungen zu quantifizieren und zu erheben. Bei der konsequenten Umsetzung einer gerechten Abgabenerhebung werden das Thüringer Innenministerium und die Kommunalaufsichtsbehörden in den kommenden zwei Jahren alles tun, um die kommunalen Aufgabenträger aktiv zu begleiten und zu unterstützen. Die entsprechenden Gespräche sollen zu Beginn des kommenden Jahres schon mit den Aufgabenträgern geführt wer

den. Inhalt dieser Gespräche werden insbesondere die Beitrags- und Gebührenkalkulationen sein und somit auch Einzelfragen zur Heranziehung der so genannten Altanschlussnehmer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung zu geben. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Dr. Wildauer, PDSFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Diskussion zum vorliegenden Gesetzentwurf haben wir eingeleitet mit der Aktuellen Stunde vom 16. November. Es war für uns bereits damals absehbar, dass die Landesregierung zum vierten Mal die Festsetzungsfrist für leitungsgebundene Beiträge verlängern wird. Bei der allgemeinen Bewertung der Sach- und Rechtslage erscheint es logisch und folgerichtig sowie im Interesse der Gemeinden und Zweckverbände sinnvoll, die Verjährung nochmals zu verlängern. Und all dies soll geschehen - wie Sie, Herr Althaus, in der "Südthüringer Zeitung" mitteilten -, um die Frage der so genannten Altanschlussnehmer in Ruhe lösen zu können. Herr Minister Köckert sagte Ähnliches eben. Ähnlich argumentierten mir gegenüber auch Vorsitzende von Zweckverbänden und Bürgermeister. Allerdings gibt es auch diametral entgegengesetzte Auffassungen von der gleichen Klientel, wie ein gestern eingegangenes Schreiben von Verwaltungsgemeinschaften aus der Region Pößneck zeigte. Würde die Verjährung für leitungsgebundene Einrichtungen für bis zum 31. Dezember 1996 entstandene Beitragspflichten eintreten, hätten die Zweckverbände und Gemeinden einen unmittelbaren Schaden durch Einnahmeausfälle von 200 Mio. DM.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Mindestens, geschätzt!)

Diese Zahl hat der Innenminister im Rahmen der Aktuellen Stunde benannt. Hinzu kämen mittelbare Einnahmeausfälle, weil Beiträge für die bisherigen Beitragspflichten doch neu kalkuliert werden müssten. Also ist die Verlängerung der Verjährung, wie Sie, Herr Schemmel, sagten, das Sinnvollste. Weshalb also, wird man sich fragen, sträubt sich die PDS-Fraktion gegen eine erneute Verlängerung?

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Machen Sie mal Ihren Eiertanz.)

Will sie diese Verlängerung aus Prinzip nicht? Willigt sie damit sogar ein, dass die Verbandsräte bei nicht Verbescheidung aller Altanschlussnehmer bis 31.12. in Haftung genommen werden, was ja auch nicht wenige PDSVerbandsratsmitglieder träfe?

Ich will noch einmal begründen, meine Damen und Herren, weshalb wir gegen eine weitere Verlängerung der Verjahrungsfrist sind. Ich gehe da auch noch mal ein auf das, was ich schon im November gesagt habe. Die PDSFraktion hat seit 1996 auf den uneinheitlichen Umgang mit den Altanschlussnehmern in Thüringen hingewiesen und Handlungsbedarf angemahnt. Eine Reaktion darauf gab es nicht. Die zwischenzeitliche Rechtsprechung hat die Hinweise unserer Fraktion bestätigt. Auch wenn es noch keine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Thüringen zur Beitragspflicht der Altanschlussnehmer gibt, hätte aus den vorliegenden Gerichtsurteilen anderer Länder und des Verwaltungsgerichts Weimar davon ausgegangen werden müssen, dass der Gleichheitsgrundsatz bei Nichtbeachtung der Altanschlussnehmer verletzt wird. Es war abzusehen, was das für Folgen haben wird.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Und warum sind Sie nun dagegen?)

Das werde ich Ihnen sagen. Meiner Auffassung nach hat hier die Aufklärungsarbeit der oberen Kommunalaufsichtsbehörde kläglich versagt.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Und die wol- len Sie bestrafen?)

Spätestens seit 1998 hätten die Kommunalaufsichten hier mit Konsequenz die Aufgabenträger zum ordnungsgemäßen Handeln zwingen müssen

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Kommen Sie doch mal zum Punkt.)

jawohl, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion -, mit einer Konsequenz, die die Kommunalaufsicht auf anderen Gebieten, wie den Beanstandungen der Personalentscheidung des Gothaer Landrats oder bei der Behinderung des Volksbegehrens "Mehr Demokratie in Thüringen", unter Beweis gestellt hat. Dort ging es. Es glaubt Ihnen niemand, wenn Sie jetzt darauf verweisen, Sie hätten doch informiert und die kommunalen Akteure hätten nur nicht gehandelt. Dabei will die PDS-Fraktion die kommunale Verantwortung überhaupt nicht leugnen. Die Auffassung der PDS-Fraktion zur Rechtslage bei den Altanschlussnehmern und bezüglich der erneuten Verlängerung der Verjährungsfrist habe ich bereits im November ausführlich dargelegt, insofern kann ich mich auf stichpunktartige Darstellungen begrenzen. Wir akzeptieren den organisatorisch-rechtlichen Einrichtungsbegriff, wonach alle Anlagen des Verbandsgebietes als eine Einrichtung anzusehen sind. Am Tag der Einheit 1990 galt keine Einrichtung im Gebiet der damaligen DDR als hergestellt.

Insofern ist für die Herstellung erst nach 1990 die Beitragspflicht entstanden, und zwar für alle Grundstücke. Nicht vergessen werden darf, dass auch erst mit dem Erlass der Kommunalverfassung der DDR am 17. Mai 1990 die Gemeinden neu gebildet wurden. Die Anlagen konnten kommunalrechtlich auch erst ab da entstehen. Diese Sach- und Rechtslage ergibt sich unstrittig aus dem Kommunalabgabengesetz. Es hätte diesbezüglich keiner gerichtlichen Klärung bedurft. Es ist für mich und meine Fraktion nicht nachvollziehbar, weshalb von einigen Aufgabenträgern die Auffassung vertreten wird, dass nur Neuangeschlossene für die Investitionen nach 1990 Beiträge zahlen sollen. Wenn schon Beitragserhebung, dann von allen des jeweiligen Verbandsgebietes und schließlich pofitieren alle Grundstücke von den Investitionen nach 1990. Ein Grund, weshalb Aufgabenträger hier unterschiedlich an die Beitragserhebungen herangegangen sind, hat der Gesetzgeber mit der Dritten Novelle des KAG selbst geschaffen.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU:... Vergan- genheit...)

Doch, ich darf auch manchmal an Vergangenes erinnern. Bis dahin entstand die Beitragspflicht generell erst dann, wenn die Maßnahme beendet war und eine Satzung vorlag. Dies gilt heute noch für Straßenausbaubeiträge. Und bei leitungsgebundenen Einrichtungen hat der Gesetzgeber 1998 im Interesse der Aufgabenträger das Entstehen der Beitragspflicht neu definiert.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das stimmt nicht, das ist sachlich falsch.)

Sie besteht nunmehr nicht mehr mit der Fertigstellung der Maßnahme, sondern bereits dann, wenn ein Anschluss möglich ist. Oder bestreiten Sie das, Herr Böck? Die Aufgabenträger konnten somit seit 1998 viel früher die Beiträge erheben, weil es auf die Fertigstellung der Anlage nicht mehr ankam. Was sich damals als vorteilhaft erwiesen hat, wird heute für die Aufgabenträger zum Hemmnis. Würde heute noch die Regelung vor der Dritten Novelle gelten, stände das Verjährungsproblem nicht in diesem Umfang. Da jetzt die Anschlussmöglichkeiten den Zeitpunkt der Beitragspflicht bestimmen, sind einige Aufgabenträger davon ausgegangen, dass die Grundstücke, die bereits vor 1990 einen Anschluss hatten, beitragsfrei bleiben. Die Kommunalaufsichten haben diese fragwürdige Rechtsauffassung bis hinein ins Jahr 2000 gestützt. Und nun wissen wir, dass hier ein großer Irrtum vorlag.

Meine Damen und Herren, worin besteht der Ausweg aus dieser Situation? Die PDS könnte sich zurücklehnen und sagen, wir haben seit Jahren darauf hingewiesen; wir können sagen, wir sind politisch nicht verantwortlich; wir können sagen, wir haben mit dem Kommunalabgabenentlastungsgesetz einen grundsätzlichen Vorschlag zur Neuausrichtung des Kommunalrechts gemacht.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Frau Dr. Wildauer, ich bitte Sie, das ist doch Müll, was Sie sagen.)

Herr Abgeordneter Böck, mäßigen Sie sich in Ihren Äußerungen.

Also könnten wir sagen, sollen die die Situation klären, die sie herbeigeführt haben. So verantwortungslos, meine Damen und Herren, handeln wir aber nicht. Die PDS will verhindern, dass zum Jahresende ein Schaden für die Gemeinden von 200 Mio. DM entsteht, weil wir die Finanzsituation der Gemeinden kennen. Wir wollen verhindern, dass ab 2001 eine dauerhafte Beitragsungerechtigkeit entsteht, indem einige Grundstücke beitragsfrei bleiben und andere belastet werden.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Dann stimmen Sie doch zu.)

Lassen Sie mich doch erst mal dahin kommen, dass ich Ihnen einen Vorschlag unterbreiten kann; wir haben einen Vorschlag. Aber ich möchte schon die ganze Litanei noch mal aufzeigen. Nur, die Lösung, meine Damen und Herren, die Sie hier präsentieren, die lehnen wir ab. Wir halten sie schlicht für verfassungswidrig. Die Abgabenordnung, meine Damen und Herren, schreibt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren vor. Diese vier Jahre sind ausreichend für eine zeitnahe Verbescheidung durch die Aufgabenträger. Und jedes selbständige Unternehmen, das über Jahre existieren will, benötigt doch ein eindeutiges Management, darüber dürften wir uns alle einig sein. Dazu gehören Führungsqualitäten, verbunden mit kaufmännischen, organisatorischen und psychologisch-pädagogischen Fähigkeiten und Schnelligkeit. Wer es nicht kann und sich nicht die Mühe macht, es erlernen zu wollen, muss eine andere Aufgabe übernehmen. Ich frage hier ganz einfach, auch Herrn Kollegen Althaus; wenn Sie sich auf die Gemeinden und Zweckverbände allein beziehen, ich frage: Was muten wir den Bürgern noch alles zu, woran sollen unsere Menschen eigentlich noch glauben und - besser worauf können sie sich noch verlassen? Wer bis zum Wochenende keinen Beitragsbescheid hatte, ist wohl am 2. Advent davon ausgegangen, dass es ihn nicht mehr trifft, wenn er zur Gruppe derer gehört, die nach der Änderung des Gesetzes von Dezember 1999 bis Ende 2000 ihren Bescheid hätten haben müssen. Die Bürger von Mühlhausen-Stadt, um ein Beispiel zu nennen, müssen sich total verschaukelt vorkommen. Die PDS-Stadtratsfraktion hat mit einem Antrag bewirken wollen, dass die Beitragspflicht der Altanschlussnehmer durch den Verbandsvorsitzenden, dem Oberbürgermeister, nochmals geprüft wird. Das war im Sommer dieses Jahres. Sie hat nicht nur die Ablehnung des Antrags hinnehmen müssen. Sie wurde auch noch von allen Stadtratsmitgliedern der anderen Frak

tionen beschimpft und selbst 30-Jährige für 40-jährige SED-Diktatur gemaßregelt. Heute muss Mühlhausen mit Verspätung diese Aufgabe im Zweckverband lösen.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Das stimmt doch gar nicht.)

Da wird der Innenminister aber mit Sicherheit ein Wörtchen mitzureden haben. Unter solchen Gegebenheiten ist es natürlich sinnvoll, wie Herr Kollege Schemmel vermerkte, die Verjährung um zwei Jahre hinauszuschieben. Wir sehen es anders. Nicht nur die PDS-Fraktion, auch die IHK Ostthüringen lehnt die Verlängerung ab. Herr Späth sagt, die Sache ist verjährt; wir sagen, sie ist über Jahre falsch gehändelt worden. Und durch die bereits dreimalige Verlängerung haben Sie das Rechtsgut Verjährung mehr als beschädigt, ja de facto abgeschafft. Gleichzeitig haben Sie das Vertrauen in die Politik untergraben. Bei jeder Verlängerung haben Sie versprochen, es ist die letzte, und die letzte vielleicht dann, wenn wir zum siebenten Mal verlängert haben.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Konzep- tionslose Kommunalpolitik!)

Meine Damen und Herren, kritisieren ist leicht, besser machen ist schwerer. Nach längerem Überlegen und Diskutieren kamen wir - nun müssen Sie aber auch zuhören, Herr Böck - zu der Erkenntnis, dass in der jetzigen Situation die Lösung nicht darin bestehen kann, die Verjährungsfrist erneut zu verlängern, da das Rechtsgut Verjährung wirklich nicht zum Spielball konzeptionsloser Kommunalpolitik verkommen darf. Wir meinen, dass die Lösung vor Ort liegt, und zwar durch Regelungen der örtlichen Satzung. Eine Satzungsregelung schafft endgültige Rechtssicherheit, weil hier Fristverlängerungen aufgrund des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots ausgeschlossen sind. Staatliche Willkür bezüglich der Fristverlängerung durch Gesetze würde hier ins Leere laufen. Auch die Abgabengerechtigkeit könnte dadurch gesichert werden. Rechtsgrundlage für mögliche Satzungsbestimmungen bildet § 7 Abs. 5 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und danach kann die Satzung einen späteren Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht bestimmen.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Damit kom- men Sie zu "7 Tage, 7 Köpfe.")

Diese Regelung dient auch dazu, dass sich die betroffenen langfristig auf die Beitragsentrichtung einrichten können. Wir werden selbstverständlich diesen unseren Lösungsvorschlag in die nachfolgende Innenausschuss-Sitzung einbringen, auch sicher noch einmal eine kurzfristige Anhörung der Spitzenverbände ist machbar.

Sie haben wenig Zeit, meine Damen und Herren, aber noch ausreichende, diese recht unglückliche, wenig Ruhm erntende Gesetzesvorlage entweder zurückzunehmen oder

auch noch grundlegend zu ändern. Danke.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Wenn eine Sache verjährt ist, dann kann ich das nicht in eine Satzung hineinnehmen. Das ist doch Müll.)

Herr Abgeordneter Böck, ich weiß jetzt nicht, ob Sie einen Redebeitrag anmelden wollen. Aber die zusammenhängenden Äußerungen, die Sie während der Rede von Frau Dr. Wildauer von sich gegeben haben, würden fast einen hier vorn ergeben. Als Nächster aber Herr Abgeordneter Schemmel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Wildauer, in dieser vorweihnachtlichen Zeit haben Sie ein ganzes Stück zu meinem Seelenheil beigetragen. Ich darf Sie zitieren. Sie haben nämlich gesagt, Sie könnten zur Lösung dieser Frage auch auf Ihr Kommunalabgabenentlastungsgesetz hinweisen, und haben dann in gleichem Atemzug gesagt, so verantwortungslos handeln wir aber nicht.