Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

3. Wie bewertet die Landesregierung z.B. den vom Ausländerbeauftragten der Landesregierung vorgetragenen Satz: "Die Ängste in Teilen der Bevölkerung vor dem Einfluss vormoderner Kulturen und unaufgeklärter Religionen und damit vor einem Verlust an Humanität (Ängste, die sich aus zahlreichen Briefen kennen) müssen ernst genommen werden; auch dort, wo sie nicht berechtigt erscheinen." (Seite 5 Punkt 7)?

Herr Minister Gnauck, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mündliche Anfrage beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2: Es gehört zu den Pflichten und zur Unabhängigkeit des Amtes eines Ausländerbeauftragten, zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus Position zu beziehen. Dies gilt gerade, wenn ein Meinungsbildungsprozess im Gange ist, den auch die Anhörung des Innenausschusses am 9. November 2000 gefördert hat. Es ist das Recht des Ausländerbeauftragten, im Rahmen seines Auftrags selbständige Meinungen zu haben und sie auch zu äußern. Zu diesem Zweck wurde er zur Anhörung eingeladen.

Zu Frage 3: Wie der Antwort zu den Fragen 1 und 2 zu entnehmen ist, hat die Landesregierung nicht die Absicht, einzelne Sätze der Ausführungen des Ausländerbeauftragten zu bewerten.

Herr Abgeordneter Schemmel, bitte, Sie haben eine weitere Frage.

Herr Minister, der Ausländerbeauftragte ist Beamter der Landesregierung, wenn ich mich nicht täusche, sogar politischer Beamter der Landesregierung. Das heißt, er steht als politischer Beamter in einer besonderen Beziehung zur Landesregierung. Muss man nicht aus dieser besonderen Beziehung auch zumindest im Umkehrschluss den Schluss ziehen dürfen, dass sich der Ausländerbeauftragte der Landesregierung quasi im Benehmen mit der Landesregierung äußern muss, und kann man dann unterstellen, dass die Äußerungen des Landesbeauftragten auch eine Äußerung der Landesregierung darstellen?

Herr Abgeordneter Schemmel, man kann überhaupt nichts unterstellen.

Es gibt eine zweite Nachfrage.

Es ist keine Nachfrage. Ich möchte feststellen, Frau Präsidentin, dass diese Antwort mir nicht gegeben wurde. Es wurden weder die Fragen 1 und 2 ihrem Sinn nach beantwortet noch die Frage 3. Ich möchte bitten, dass das entsprechend so festgestellt wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, der Wortlaut der einzelnen Fragen ist eigentlich relativ eindeutig. Es ist festzustellen, dass die Landesregierung diese Fragen nicht beantwortet hat.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wer sagt denn das? Wer stellt denn das fest?)

Das sage ich gerade, ich stelle das fest als Präsidentin.

Frau Präsidentin, dann müssen Sie mir bitte erklären, wie ich bei den Ausführungen zu den Fragen 1, 2 und 3 die Antwort angeblich nicht gegeben haben soll. Diese Ausführungen würden mich in der Tat interessieren. Es mag sein, dass dem einen oder anderen in diesem Haus die Antwort nicht gefällt, aber die Fragen sind eindeutig beantwortet worden.

Sie haben eine Antwort gegeben, Herr Minister Gnauck, aber keine Antwort auf die gestellten Fragen,

(Zuruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staats- kanzlei: Selbstverständlich!)

und das ist der Unterschied. Gut, da sind wir unterschiedlicher Auffassung. Ich stelle jedenfalls fest, dass die Frage nicht beantwortet worden ist, Herr Minister. Sie haben natürlich noch die Chance, die Frage endgültig zu beantworten, ich stelle Ihnen das frei. Aber wenn Sie keine weiteren Antworten zur Verfügung haben, dann muss ich bei meiner Feststellung bleiben.

Frau Präsidentin, ich widerspreche dem mit Nachdruck. Wir werden das zum Gegenstand der Ausführungen im Ältestenrat machen.

(Beifall Abg. T. Kretschmer, CDU)

Ich bleibe bei meiner Feststellung der Nichtbeantwortung der Fragen. Ich teile Ihnen mit, der Vorstand wird sich sicherlich mit dieser Thematik beschäftigen, aber zunächst erst einmal bleibt die Situation so, dass die Frage nicht beantwortet ist. Falls der Abgeordnete Schemmel diese Frage in Drucksache 3/1103 nicht in eine Kleine Anfrage umwandeln will, dann wird die Frage zur nächsten Plenarsitzung wieder aufgerufen. Also, der Umwandlung ist nicht stattgegeben, dann verfahren wir so.

Sie haben einen Antrag zur Geschäftsordnung, Herr Stauch.

Ja, Frau Präsidentin, nach meinem Wissen gibt die Geschäftsordnung dies nicht her. Nach der Geschäftsordnung ist durch die Präsidentin die Möglichkeit festzustellen, dass eine Frage ausreichend beantwortet ist, aber nicht, dass sie nicht ausreichend beantwortet ist.

Nein, die Geschäftsordnung legt durchaus die Festlegung durch die Präsidentin fest, dass die Fragen nicht beantwortet sind. Ich will mich jetzt auch nicht um des Kaisers Bart streiten, Herr Abgeordneter Stauch. Es ist völlig uninteressant, ob sie nicht ausreichend oder nicht beantwortet sind, sie ist nicht beantwortet. Und wenn sie nur nicht ausreichend beantwortet wäre, wäre es ja sozusagen etwas günstiger sogar, aber sie ist in allen drei Teilen nicht beantwortet worden. Sie können mir widersprechen, Herr Abgeordneter Stauch, aber ich habe das jetzt so festgestellt und alles Weitere wird sich im Vorstand ergeben.

Ich rufe die Frage in Drucksache 3/1105 auf. Herr Abgeordneter Fiedler, Sie haben das Wort.

Verlauf der Demo am 11. November 2000 in Arnstadt

Gemäß Pressemitteilungen (so u.a. in der Thüringer All- gemeinen, der Thüringischen Landeszeitung, der Ostthü- ringer Zeitung, der Osterländer Volkszeitung und der Süd- thüringer Zeitung jeweils am 14. November 2000) hat sich der Abgeordnete Dittes nach Auffassung des Landeschefs der Gewerkschaft der Polizei, Landesverband

Thüringen, anlässlich der oben genannten Demonstration als "geistiger Brandstifter" disqualifiziert.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie stellt sich der Sachverhalt aus der Sicht der Landesregierung dar?

2. Wie bewertet die Landesregierung das Verhalten des Abgeordneten Dittes aus strafrechtlicher Sicht im Hinblick auf die Pflichten der Staatsanwaltschaft zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen?

3. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung mit Blick auf die Motivation der Polizistinnen und Polizisten im Freistaat Thüringen?

Herr Staatssekretär Brüggen, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: In dieser Sache sind Verfahren anhängig. Aus Respekt vor dem Gericht wird auf eine Kommentierung der streitgegenständlichen Sachverhalte verzichtet. Über den Sachverhalt hinaus ist festzustellen, dass auf der Demonstration in Arnstadt beleidigende Parolen wie, ich zitiere: "Bullen ob grün ob braun, Nazis auf die Fresse haun", gegrölt wurden,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Unerhört, unerhört.)

die die Polizistinnen und Polizisten zutiefst herabwürdigen sowie die Polizei in Redebeiträgen wie, ich zitierte: "Die Ausführenden dieses Rassismus, die Nazis und die Polizeibeamten setzen eine rassistische Gewalt durch!", oder auch Äußerungen wie "Als Nazis Asylbewerber angegriffen haben und die Polizei schaute zu und beteiligte sich daran", zu Unrecht fremdenfeindlicher und rechtsradikaler Verhaltensweisen bezichtigt wird. Herr Abgeordneter Dittes hat die Versammlung angemeldet und ist verantwortlicher Versammlungsleiter gewesen. Er selbst hat zu den Teilnehmern der Demonstration gesprochen und sich in keiner Weise, auch nicht nachträglich, von den die Polizei herabwürdigenden Äußerungen distanziert oder sich insoweit entschuldigt. Jedenfalls ist eine Distanzierung von diesen Äußerungen vor Ort oder später oder gar die schon aus politischen Gründen dringend erforderliche Entschuldigung des Abgeordneten Dittes nicht erfolgt.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Unerhört von dem Menschen!)

Dass Polizeigewerkschaften ein solches Verhalten kritisieren, ist verständlich und geboten.

(Beifall bei der CDU)

Zu Frage 2: Nach Mitteilung der zuständigen Staatsanwaltschaft ist eine Strafanzeige wegen eines unter Umständen in Betracht kommenden Beleidigungsdelikts nicht erstattet worden. Im Hinblick auf das Erfordernis eines Strafantrags gemäß § 194 Strafgesetzbuch bestand bisher für die Staatsanwaltschaft auch keine Veranlassung, ein entsprechendes Vorprüfungsverfahren gegen den Abgeordneten Dittes von Amts wegen einzuleiten. Ein Anfangsverdacht für das Vorliegen eines Offizialdelikts, insbesondere eines solchen nach § 130 Abs. 1 Ziffer 2 Strafgesetzbuch (die Volksverhetzung), ist für die Staatsanwaltschaft aus den dort bekannten Presseberichten nicht ersichtlich geworden. Jedoch teilt die zuständige Staatsanwaltschaft mit, dass dort zwei Strafanzeigen vom 24.11.2000 gegen den Abgeordneten Dittes wegen Verleumdung und anderem eingegangen sind. Die Anzeigeerstatter fühlen sich durch die in der Presse veröffentlichten Äußerungen des Abgeordneten Dittes verleumdet. Die Staatsanwaltschaft hat auf diese Strafanzeige zwei Prüfvorgänge angelegt. Gleichfalls wurde durch die Staatsanwaltschaft am 06.12.2000 ein Prüfvorgang gegen den Abgeordneten Dittes wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.

Zu Frage 3: Die Landesregierung ist der festen Überzeugung, dass die durchgängige positive Motivation der Thüringer Polizistinnen und Polizisten durch Beleidigungen Einzelner nicht erschüttert werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Sie werden auch weiterhin jedermann einschließlich des Abgeordneten Dittes oder anderer Teilnehmer dieser Demonstration gegen Angriffe, von welcher Seite sie auch immer kommen mögen, verteidigen und schützen. Eine ganz andere Frage ist jedoch die Frage der Undankbarkeit. Die Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag aufs Neue unser aller Gesundheit auch bei Gefahr für die eigene Gesundheit und das Leben schützen, haben es nicht verdient, dafür so verunglimpft zu werden und dann noch von Menschen, deren Recht auf Demonstrationsfreiheit sie schützen.

(Beifall bei der CDU)

Solch ein grober Undank derartiger Entgleisung sollten nicht nur von der Landesregierung, sondern vom ganzen hohen Haus und all seinen Mitgliedern klar verurteilt werden.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Nachfrage. Herr Abgeordneter Hahnemann, bitte schön.

Herr Staatssekretär, ist Ihnen nur entgangen, dass die GDP die Vorwürfe gegen Steffen Dittes, was das konkrete Zitat angeht, zurückgenommen hat und das Innenministerium davon auch informiert worden ist, oder schien es Ihnen günstig, diesen Umstand bei Ihrer Antwort zu verschweigen?