Protokoll der Sitzung vom 23.02.2001

Ein dritter Punkt, der natürlich auch zur Nutzung der Babyklappe führt, ist eine erhoffte psychische Entlastung der Mutter, da sie kein Adoptionsverfahren durchstehen muss. Ich denke, dieser Ansatz ist ganz wichtig und den müssen wir auch ernst nehmen. Aber ich denke, dass es für viele Mütter im Nachhinein natürlich viel, viel schwerer ist, damit umzugehen, überhaupt nichts zum weiteren Verbleib ihres Kindes zu wissen.

Noch einen Blick über unseren Tellerrand hinaus: In Frankreich gibt es seit längerem die Möglichkeit, Kinder anonym zu gebären. Dies trifft im Jahr ungefähr 600 Kinder. Trotz allem werden noch Kinder ausgesetzt. Es wird deutlich, dass natürlich eine neue Nachfrage geschaffen wird durch dieses Angebot.

Meine Damen und Herren, ich gebe ehrlich zu, ich weiß in dieser Frage nicht, was der richtige oder falsche Weg ist. Ich denke, alle Optionen haben eine Sicht für sich. Hier ist ein kompliziertes Abwägen verschiedener Aspekte notwendig und, ich denke, dies haben wir bisher zu wenig getan. Ich sage ausdrücklich: Es geht hier nicht um die Interessen der Frauen oder der Kinder, sondern es geht im ganz breiten Maß um ihre gemeinsamen. Lassen

Sie uns die Chance, weiter mit Expertinnen ins Gespräch zu kommen und zu beraten. Wir sollten uns mit dieser unglaublich emotionalen Materie nicht so schnell von unseren Gefühlen leiten lassen, sondern wir sollten uns zugestehen, den Blick auch auf die Schattenseiten von Babyklappen und anonymen Geburten zu werfen. Ich bin mir sicher, dass wir Möglichkeiten finden, allen Seiten besser gerecht zu werden. Lassen Sie uns diskutieren über Möglichkeiten, persönliche Daten beispielsweise geschützt in einem Umschlag abzugeben, welcher sicher aufbewahrt wird, egal ob bei einem Notar oder ähnlichen Einrichtungen, darüber lässt sich diskutieren. Wir sollten diese Aspekte nochmals in Ruhe in den Ausschüssen des Landtags bereden. Ich denke hier nur an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, an den Justizausschuss und auch den Gleichstellungsausschuss. Vielleicht ist es auch möglich, gemeinsam eine Anhörung durchzuführen.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten uns ausführlich dieser Frage widmen, denn ich möchte mir nicht in 2, 5 oder 20 Jahren den Vorwurf machen lassen, unzureichend überlegt und abgewägt zu haben. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete Arenhövel, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Lebensschutz der Menschen und der Schutz der Menschenwürde ist ein Thema, das wir ganzheitlich betrachten müssen. Wir dürfen nicht danach fragen, in welchem Zustand oder in welcher Entwicklungsstufe befindet sich ein Menschenleben, sondern alles Menschenleben muss diesen Schutz des Grundgesetzes genießen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir stellen auch in unserem aufgeklärten Jahrhundert fest, dass es doch hin und wieder zu ungewollten Schwangerschaften kommt und zu Müttern, die so verzweifelt sind, dass sie irgendwo entbinden, dass sie ihre Kinder entweder liegen lassen oder töten. Unsere Aufgabe in solchen Situationen, meine Damen und Herren, muss es doch wohl sein, schnell und wirksam zu helfen, das ist die oberste Priorität, denke ich. Natürlich müssen wir auch mit Sachverstand diese Dinge begleiten. Deswegen bin ich froh, dass es inzwischen zahlreiche Initiativen hier im Land gibt, die dieses Thema bewegt. Ich finde es auch ganz besonders glaubwürdig, wenn man sich finanziell auch dahinterstellt. Das haben die Schwestern vom Guten Hirten getan, die Ordensfrauen, die hier in Erfurt eine Frauenschutzwohnung haben und die eigentlich seit Jahrhunderten schon verzweifelten jungen Frauen

helfen und die für die erste anonyme Entbindung, die hier in Erfurt stattfinden wird, bereits die Mittel zur Verfügung gestellt haben.

Meine Damen und Herren, ich komme aus Großrudestedt. "Wer kann Hinweise geben?" - so ein Aushang in unserem Ort. "Weihnachten, das Fest des Friedens und der Besinnlichkeit, steht vor der Tür, umso betroffener sind wir über den grausigen Fund eines toten Neugeborenen am 8. Dezember 2000 am Flusslauf der Gramme neben der Ortsverbindungsstraße von Groß- nach Kleinrudestedt. Was bringt die bisher unbekannte Mutter zu solch einer Tat? Benötigt sie Hilfe und Beistand? Fragen über Fragen. Zur Klärung brauchen wir dringend auch Ihre Hilfe. Jeden Hinweis, der auf Wunsch auch vertraulich behandelt wird, nehmen wir gern entgegen." Dann folgen die Telefonnummern. Es ist also keine emotionsgeladene Debatte, sondern der Aufruf der Polizei. Ich habe den Einsatz erlebt. Das Gebiet wurde weiträumig abgeriegelt, der Polizeihubschrauber kam. Am Ende dann, als alle Untersuchungen abgeschlossen waren, haben der Ortsbürgermeister und der Pfarrer unserer Gemeinde dieses Kind beerdigt.

Wir wollen Hilfen anbieten, meine Damen und Herren, damit solche Fälle so wenig wie möglich vorkommen. Wir können sie sicherlich trotz aller Hilfsangebote nie ganz ausschließen. Uns ist es auch wichtig deutlich zu machen, dass wir ein gesellschaftliches Klima brauchen, in dem keine Mutter befürchten muss, dass sie in unauflösbare Konflikte gerät, wenn sie ein Kind erwartet. Dafür müssen wir meiner Meinung nach alles tun.

(Beifall bei der CDU, PDS)

Wir arbeiten inzwischen an Konzepten und auch die Landesregierung erarbeitet so ein Konzept, damit wirklich ein Netz gezogen wird, das trägt, denn nur ein Babykorb und nur die anonyme Geburt, all das allein reicht nicht aus. Wir brauchen die Beratungsangebote, wir brauchen die Öffentlichkeit, damit die Frauen wissen, wohin sie sich wenden können; da sind wir momentan dabei. Deswegen möchte ich Ihnen den Vorschlag machen und den Antrag stellen, dass wir beide Anträge heute hier annehmen und sie im April erneut auf die Tagesordnung setzen, damit dann die Landesregierung einen abschließenden Bericht geben kann. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Bechthum, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wie rasch einmal gemachte Äußerungen oder Aussagen - wohl gemeint, mit ethischem Hintergrund, auch ehrlich gemeint, mit hehrem Ziel - von Ereignissen eingeholt bzw. überholt werden können, habe ich selbst gemerkt, denn der grausige Fund dieses toten Neugeborenen am 8. Dezember hat uns doch eines Besseren belehrt.

Meine Damen und Herren, der Thüringer Landtag hat eine Enquetekommission "Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen" noch im vergangenen Jahr ins Leben gerufen. In ihrer 2. und 3. Sitzung am 7. und 8. Dezember 2000 berieten die Mitglieder der Kommission das Thema "Schutz des ungeborenen Lebens" und beschlossen, als Thema für die nächste Sitzung im Februar die Möglichkeit des Schutzes des geborenen Lebens, die anonyme Geburt, zu behandeln. Da wussten wir als Mitglieder der Kommission noch nichts von dem Fund des toten Babys. Für die Arbeit dieser Kommission wäre eine Stellungnahme des Landtags und der Landesregierung zum Problem der anonymen Geburt wichtig gewesen. Wir haben uns sehr ausführlich damit befasst. Der Antrag wurde vertagt, ich denke, es war auch richtig so.

Meine Damen und Herren, auch als politisch Verantwortliche sollte man in der Lage sein, einmal getane Äußerungen kritisch zu überprüfen, Wünschenswertes und Machbares realistisch abzuwägen. Meine Fraktion hatte sich nach der ersten Information aus Hamburg zu einer Babyklappe kritisch mit dem Thema auseinander gesetzt. Ich habe meine Pressemitteilung vom März vorigen Jahres noch oben liegen, da habe ich das als verwerflich bezeichnet. Sie haben es im Sonntagsblatt sicherlich auch gelesen. Das Sonntagsblatt hatte eine Stellungnahme dazu erwünscht. Für mich persönlich war es auch unvorstellbar, dass eine Frau ihr Neugeborenes anonym in einer Art Kasten mit Klappe ablegt, das Kind ohne Wissen über seine leibliche Herkunft, seine Wurzeln aufwachsen lässt. Wir wissen aus Erfahrungen von Kriegswaisen, auch Adoptivkindern, die zeigten, dass sie sehr unglücklich darüber waren, nichts über ihre Herkunft zu wissen. Und für viele war eine Welt zusammengebrochen, als sie die Wahrheit erfuhren. Die Suche nach ihren leiblichen Eltern verfolgt viele ihr Leben lang. In unserer heutigen Zeit als Findelkind aufzuwachsen, ist kaum nachvollziehbar. Ich habe das auch genauso gesehen. Die psychischen Spätfolgen für die Frau sind heute auch noch nicht abzuschätzen. Ich weiß, vor mehr als 20 Jahren, das war in der Zeit, als ich schwanger mit meinem Sohn war, da habe ich mich mit meinem Frauenarzt unterhalten. Wie sieht das denn aus, gibt es Erfahrungen mit Abtreibungen? Bei uns war das ja gerade eingeführt worden. Der sagte, ja, es gab schon Untersuchungen und zum Teil sehr, sehr schlimme Folgen, dass die Frauen, die abgetrieben haben, später psychisch so schwer erkrankt sind, kaum heilbar, wir wissen es noch

nicht. Das Risiko muss aber getragen werden, es ist leider so, irgendein Risiko ist immer dabei. Dann erreichte uns Abgeordnete in den letzten Monaten des vergangenen Jahres eine regelrechte Informationsflut zur anonymen Geburt. Das Projekt Mose aus Amberg, Bayern, das war für mich das überzeugendste. Aber dieses Projekt agiert noch in einer rechtlichen Grauzone und trotzdem machen diese Menschen dieses Projekt, führen es durch, dass es einen mutigen Landrat gibt, eine mutige Klinik, einen Arzt, einen Gynäkologen und diese Schwestern vom Sozialen Dienst, katholische Schwestern, die sagen, ich zahle doch lieber Geld dafür, eine Ordnungsstrafe, aber wir retten ein Leben und versuchen, die Frau hierfür zu gewinnen.

Meine Damen und Herren, bundesweit wird inzwischen der Tatbestand akzeptiert, dass Frauen in eine soziale oder moralische Notlage geraten können. Sie haben das auch richtig gesagt, Frau Wolf, dass dramatische Beziehungen und Familienverhältnisse Frauen veranlassen können, ein Kind zur Welt zu bringen, es aber dann nicht anzunehmen und auszusetzen und oft in Panik auch sogar zu töten. Angst und Scham und auch das Ignorieren einer Schwangerschaft veranlassen sie, unentdeckt zu bleiben. Hilfe, Schwangerschaftsberatung werden nicht in Anspruch genommen. Es gibt leider Entscheidungen im Leben eines Menschen, die nicht mit Logik zu erklären sind. Professor Hoyme hat solche Fälle als Gutachter erlebt, er hat sich damit sehr intensiv befasst. Er hat mir auch gesagt: Frau Bechthum, Ihr edles Denken ist wunderbar, aber ich habe eine andere Praxis erlebt und erlebe sie jetzt noch. Ich denke, da muss man sich einem Fachmann vielleicht dann anvertrauen können.

Was für mich auch sehr überzeugend war, im Oktober vorigen Jahres starteten 53 prominente Frauen - sie haben auch unterschrieben mit ihrem Namen - aus Sport, Kultur und Medien eine Initiative für die anonyme Geburt im Rahmen Stern e.V. Hamburg Projekt "Findelkind", die die erste Babyklappe nun vor 10 Monaten installiert haben. Diese Fraueninitiative unterstützt das Projekt "Findelbaby", das es seit 10 Monaten in Hamburg als die so genannte Babyklappe gibt. Seit dem Bestehen des Projekts in Hamburg ist aber kein Kind mehr ausgesetzt worden, keins tot aufgefunden worden und sechs Kinder sind durch die Babyklappe aufgenommen worden. Hamburg ist noch ein kleines bisschen größer als Erfurt. Die 53 Frauen der Initiative haben im Oktober des vergangenen Jahres einen Brief an die Bundesministerin für Justiz, Frau Däubler-Gmelin, geschickt und an alle weiblichen Bundes- und Landtagsabgeordneten sowie an die Ministerinnen der Bundesregierung und Landesregierungen mit der Bitte, die Einführung der Möglichkeit einer anonymen Geburt über die Babyklappe hinaus in Deutschland zu unterstützen. Auch wir Abgeordneten in Thüringen haben dieses Schreiben bekommen und die Unterlagen dieses gesamten Projekts "Findelbaby" Stern e.V. Hamburg. Was fordern die Initiatorinnen? Gesetzlich muss die Regelung geschaffen werden, dass eine Frau

ohne Nennung ihres Namens unter ärztlicher Obhut mit medizinischer Versorgung in einer Klinik entbinden und ihr Kind anonym zurücklassen kann. Der Gesundheitsschutz von Kind und Frau steht an erster Stelle. Zurzeit steht aber der anonymen Geburtshilfe die Gesetzeslage entgegen, wonach eine geburtshilfliche Einrichtung zur Meldung einer Entbindung im Zeitraum von 8 Tagen mit Angaben der Personalien der Mutter verpflichtet ist. Der Bundestag befasst sich inzwischen mit dieser Problematik. Es ist ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, das Personenstandsgesetz zu ändern und die Meldepflicht auf 10 Wochen zu verlängern. Da wird es auch bald sicherlich ein Ergebnis geben. Die Geschehnisse in Thüringen, das tote Neugeborene im Dezember 2000, haben sofort Aktivitäten, Initiativen auch in meiner Fraktion ausgelöst. Die Presse, die Medien haben sehr sachlich nachgefragt und informiert. Ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion bei all den Presseleuten, die das wirklich mit so viel Feingefühl und Gespür gemacht haben und wussten, hier darf überhaupt keine Sensationsgier oder so was ins Spiel gebracht werden. Ihnen ein ganz, ganz herzliches Dankeschön.

Meine Damen und Herren, der Direktor der Frauenklinik, Professor Hoyme, zeigte sich nach dem Auffinden des toten Babys und Gesprächen zu diesem Problem sofort bereit zu handeln. In Abstimmung mit der Geschäftsführung des Klinikums wurde das Machbare, das gesetzlich Mögliche, diese so genante Babyklappe mit anderem Namen bereits im Februar am Klinikum zu installieren, beschlossen. Am 11. Januar kam dann von Bischof Wanke eine Initiative, die anonyme Geburt in Thüringen zu ermöglichen, damit sich ein Fall wie das im Dezember 2000 aufgefundene tote Baby nicht wiederholen dürfe. Er sprach sich auch für die Babyklappe aus. Ich denke, das hat mich auch ermutigt zu sagen, da sind Leute, die sicher noch ein Stückchen mehr von einer anderen Seite herangehen als vielleicht der normal Sterbliche oder wie ich das eigentlich auch sehe, die doch noch andere Ansichten haben.

Meine Damen und Herren, der Landtag sollte sich mit den Erfahrungen der Projekte "Findelbaby", "Babyklappe", "anonyme Geburt" befassen, nicht nur im Rahmen unserer Enquetekommission. Da machen wir das ja schon, aber das ist so anonym. Ihre Idee nehme ich auch auf, Frau Wolf, unterstütze das mit. Wir sollten uns damit beschäftigen, wir sollten vielleicht eine Anhörung machen, wir sollten die Leute einladen, die Erfahrungen haben. Aber jetzt muss gehandelt werden. Die Bundesministerin für Familie und Frauen, Christine Bergmann, forderte die Länder auf, in allen größeren Städten die Babyklappen einzurichten. Es gibt sie inzwischen außer in Hamburg auch in Lübeck, Berlin, München, Frankfurt/Main, Köln, Augsburg, auch andere sind geplant. Ich denke, es ist gut, dass es auch in Thüringen offiziell seit 20. Februar den ersten Babykorb an der Erfurter Frauenklinik gibt und die Möglichkeit einer anonymen Geburt geschaffen worden ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben alle die ausführlichen Berichte aus der Pressekonferenz dazu in unserer Presseinformation auch lesen können, das war ausdrücklich sehr gut, das große Interesse der Presse, sich hierzu zu informieren und sich auch beraten zu lassen. Und Professor Hoyme hat nicht nur mich mit seiner langjährigen Erfahrung überzeugt, dass Frauen, die ihr Kind ausgesetzt haben, es nicht haben wollen, vielleicht aber bereit wären, es anonym an einer vorhandenen Stelle abzugeben. Eine Klinik eignet sich nach unserer Auffassung zurzeit am besten für eine anonyme Geburtshilfe. Wie unbürokratisch hier politisch Verantwortliche - das Jugendamt, das Standesamt, christlich denkende und handelnde Menschen, hier war es die Caritas, sogar die Klinikleitung, das Fachpersonal, die Gynäkologen, Kinderärzte - in kürzester Zeit zusammengewirkt haben, um diesen Babykorb und die anonyme Geburt hier zu ermöglichen, das verdient höchste Anerkennung. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Herr Minister Pietzsch, ich kann Sie nur bitten, Ihre Meinung vom vergangenen Jahr, dass es mit einem christlichen Sozialminister keine Babyklappe geben wird, dass Sie die vielleicht doch revidieren sollten. Welche christlichen Lösungen soll es denn hier geben? Nach Pressemitteilungen ist Ihr Haus bereits in einer Umdenkungsphase. Sie haben ja auch schon Reaktionen zu erkennen gegeben und das ist auch gut so. Ich kann Sie nur bitten, Herr Minister, unterstützen Sie die Aktivitäten und die Initiativen zur anonymen Geburt und auch des Babykorbs in Thüringen, denn die Schöpfer der Babyklappe sehen ihre Einrichtung wirklich als Vorstufe für eine hoffentlich in ganz Deutschland und nicht nur in Amberg, Bayern, einfzuführende Möglichkeit einer anonymen Geburt unter ärztlicher Betreuung. Natürlich muss das Ziel sein, eine ordentliche Geburt zu erreichen.

Speziell in der Pressekonferenz wurden die Chancen Leben zu retten, Verantwortung zu übernehmen, deutlich aufgezeigt, aber auch die Probleme, die sich mit einer anonymen Geburt ergeben, z.B. die Kostenfrage wurde benannt. Hier ein Dankeschön der Schwesternschaft "Vom Guten Hirten", die bereits zugesagt haben, die Kosten für die erste anonyme Geburt - 2.000 bis 3.000 DM - zu übernehmen. Wir kennen ja schon die Schwestern, sie waren bei der Pressekonferenz dabei. Sie kennen das aus Bayern, da gibt es direkt einen Fonds dafür und sie leiten hier das Frauenhaus, sie machen das in einer vorzüglichen menschlichen Art. Sie bieten auch an, dass man dort mit dem Kind bleiben kann. Etwas Besseres kann man sich eigentlich zurzeit gar nicht vorstellen, dass so etwas möglich ist, eine Frau mit Kind kann dort Schutz finden vor der Geburt und nach der Geburt. Die Schwestern haben zusammen mit den Beraterinnen der Caritas einen liebevollen Brief an die unbekannte Frau verfasst - ich habe ihn hier auch mit -, der dem Babykorb beigelegt ist und im Briefumschlag steht auch ein Codewort, das nur der Klinikdirektor kennt. Der Mutter wird somit die Chance geboten, ihr Kind noch anzunehmen. Man wird also immer wissen, wann ist dieses Kind abgegeben

worden. Die Landesregierung kann sich an diesem Zusammengehen der verschiedensten Institutionen eigentlich nur ein Beispiel nehmen. Wir alle sollten das hier. Die finanzielle Möglichkeit einer anonymen Geburt besteht z.B. in der Stiftung, die wir hier haben, "Schwangere und Familien in Not". Ich zitiere noch mal zum Schluss Herrn Professor Würmeling, er ist Mitglied der Enquetekommission "Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzituationen". Er hat uns seine Gedanken jetzt noch mal zugeschickt. Er sagt: "Die Möglichkeit einer anonymen Geburt ist zu fördern. Rechtliche Hindernisse stehen ihr nicht entgegen. Finanzielle Schwierigkeiten sind lösbar. Das Angebot der anonymen Geburt wird als ein wirksamer Bestandteil flankierender Maßnahmen zur Verhinderung von Schwangerschaftsabbruch, Kindesaussetzung und Kindestötung angesehen." Deshalb sollte heute hier auch objektiv und ohne Polemik sachlich beraten werden, wie man Frauen helfen kann, ein Kind zur Welt zu bringen, wenn sie es nicht offiziell wollen, dann zumindest anonym oder wenn sie es abgeben wollen. Das sind die Punkte, die wir, auch die Landesregierung, unbedingt lösen müssen, also erst einmal: Wie wird das mit der Babyklappe oder den Babykörben in anderen Städten Thüringens weitergehen? Wollen wir das auch noch woanders? Anonyme Geburt in Kliniken oder entsprechenden Einrichtungen und auch die Finanzierung, die Kostenübernahme. Man kann die Erfahrungen, die jetzt hier in Erfurt am Klinikum gesammelt wurden, vielleicht erst einmal weitergeben und das doch so für andere nutzbar machen. Mich hat heute gefreut, es gab schon einen Leserbrief dazu: "Babyklappe hilft Leben zu schützen." Dass nun auch die Stadt Erfurt eine so genannte Babyklappe eingerichtet hat, hat sie in der TA gelesen. Ich kann das eigentlich nur begrüßen. Natürlich werden sich nicht wenige fragen, was eine Mutter dazu bewegen kann, ihr Kind wegzugeben. Da stellt sich auch die Frage nach dem Vater, denn auch er, vorausgesetzt er ist überhaupt noch mit der Frau zusammen, trägt Mitverantwortung. Dennoch, die grausame Alternative dazu ist, dass Neugeborene getötet werden. Dies darf unter keinen Umständen zugelassen werden. Dass sich auch Menschen dazu äußern, ist sehr gut, und es nicht ablehnen und nicht als verwerflich hinstellen. Es sollte uns ermutigen. Und den Weg, den Sie auch vorgeschlagen haben, Frau Wolf, würde ich auch, denke ich, werden wir alle mittragen, dass wir uns damit befassen und auch den Stellenwert hier noch mit anheben. Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Tasch, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beschäftigen uns heute mit einem Problem, welches sicher nur schwer rational verständlich oder gar nachvollziehbar ist. Was muss in einer Frau vorgehen, die ihre Schwangerschaft geheim hält, ihr Kind allein zur Welt bringt und dann in Panik die alleinige Lösung ihrer scheinbar subjektiv aussichtslosen Situation darin sieht, ihr Kind auszusetzen oder gar zu töten? Wir können alle nur vermuten, dass dramatische Beziehungs- und Familienverhältnisse Frauen veranlassen, ein Kind auszusetzen. Wahrscheinlich wollen sie aus Angst vor Strafe und aus Scham unentdeckt bleiben. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass das flächendeckende Netz von Schwangerschaftsberatungsstellen, Ehe- und Familienberatungsstellen nachgehende Hilfe und Begleitung für die betroffenen Frauen eben nicht immer in Anspruch genommen werden können. Tatsachenberichte von Kindstötung lassen ebenfalls auf ein äußerst schwieriges Umfeld von Eltern und Kindern schließen. Deshalb bin ich der Meinung, sind wir gefordert, für diese extremen Problemfälle - wohl wissend, dass es Einzelfälle sind, Frau Bechthum sagte es, 40 Kinder im Jahr werden in Deutschland ausgesetzt - neue Angebote zu schaffen.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Wir sind aufgefordert, Frauen in dieser extremen Situation anonym zu betreuen, ihnen anonyme Sicherheit zu garantieren. Das ist ganz wichtig, Frauen brauchen anonyme Sicherheit,

(Beifall bei der CDU, SPD)

um sie dann an eine legale und im Einzelfall praktikable Lösung heranzuführen. Ich bin der Meinung, da helfen auch diese vielen Bedenkenträger nicht weiter. Ob sie nun moralische Bedenken anmelden oder den Zeigefinger heben und sagen, das geht doch nicht und ethisch und moralisch wie schlimm alles ist. Das hilft in der Situation der Frau nicht weiter. Auch all das, Frau Wolf, was Sie hier aufgezählt haben, all diese Bedenken sind mir bekannt. Sie sprachen ja auch, es gibt nicht nur schwarz und weiß, es gibt auch nicht nur Gut und Böse, dazwischen liegt das Leben. Das Leben ist vielfältig, es hat schöne Seiten, aber auch schlimme Seiten. Ich denke einmal, niemand von uns ist so anmaßend zu sagen, wir finden hier den Stein der Weisen, wir müssen Lösungen anbieten. Da wird es auch eine Weiterentwicklung geben. Was heute angedacht wird, was wir machen wollen, das ist ein Baustein, wir brauchen viele Bausteine.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Den Stein der Weisen werden wir trotzdem nie finden. Aber ich möchte auch hier einmal auf den derzeit bestehenden Wertungswiderspruch in unserer Gesellschaft hinweisen. Entscheiden sich Frauen in den ersten zwölf

Wochen der Schwangerschaft nach erfolgter Beratung, ein Kind abzutreiben, bleiben sie straffrei. Bringt aber eine Frau ein Kind zur Welt und ist sich aber schon während der Schwangerschaft bewusst, das Kind nicht behalten zu können und gibt es dann zur Adoption frei, werden diese Frauen diskriminiert und in der Öffentlichkeit als Rabenmütter hingestellt. Das kann auch nicht sein.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich denke einmal, wir haben nicht das Recht, hier über Frauen zu urteilen, die ihr Kind nicht austragen können, aber auch nicht das Recht, über Frauen zu urteilen, die ihr Kind abgeben müssen. Wir sind hier gefordert, Alternativen zu den bestehenden Angeboten zu unterbreiten. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Änderung des Personenstandsgesetzes

(Beifall bei der CDU)

im Hinblick auf die Verlängerung der Anzeigepflicht einer Geburt, denn das ist für mich und unserer Auffassung nach der erste Schritt zum Schutz des Lebens. In Frankreich gibt es seit langem die Möglichkeit der anonymen Geburt. 600 Kinder sind dort im letzten Jahr anonym geboren worden. Die Frage können wir alle nicht beantworten, aber ich möchte sie einfach in den Raum stellen: Wenn es dort die anonyme Geburt nicht geben würde, wie viele Kinder sind dadurch geboren worden, die vielleicht nicht geboren worden wären? Es ist auch eine Hilfe eine anonyme Geburt.

Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung des Babykorbs an der Frauenklinik Erfurt. Ich freue mich auch, dass hier der Name "Babykorb" gewählt worden ist, denn wir müssen auch in unserer Sprache aufpassen und hier eine ordentliche Sprache sprechen. Babyklappe - das hört sich nach Verklappung, nach Abgeben, nach Entsorgen an. Und ein Korb - jedes Neugeborene kommt in ein Körbchen. Das bedeutet Sicherheit und Annehmen. Deswegen finde ich gut, dass wir hier Babykorb sagen.

(Beifall im Hause)

Wir begrüßen die Initiative der Schwestern "Vom Guten Hirten", die hier ein ähnliches Projekt starten wie im bayerischen Amberg das Projekt "Moses". Ich hoffe, dass jeder etwas mit den Begriff "Moses" anfangen kann, denn die Geschichte im Alten Testament zeigt uns ja, wie bedrohtes Leben auch in schwierigsten Situationen durch Nächstenliebe und Verantwortung gerettet werden kann.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Für mich ist das Projekt "Moses" eine ausgezeichnete Möglichkeit, den Schutz von Mutter und Kind gleichermaßen auszuüben, aber auch die Erfahrungen mit dem Babykorb

müssen weiter begleitet und in unsere weiteren Überlegungen einbezogen werden. Lassen wir uns in unserem weiteren Vorgehen in dieser äußerst schwierigen sensiblen Thematik von einem Satz Albert Schweitzers leiten: "Die Ehrfurcht vor dem Leben ist die höchste Instanz. Was sie gebietet hat seine Bedeutung, auch dann, wenn es töricht oder vergeblich scheint." Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Um das Wort hat jetzt die Landesregierung gebeten, Herr Minister Dr. Pietzsch.