Aber die unbefristete Erhöhung der Gemeindesteuerumlage zeitigt natürlich eine Reihe von Folgen, die wir gern vermieden sehen wollten.
Es entstehen Haushaltsrisiken und überproportionale Einnahmeausfälle für die Gemeinden. Die Daten, mit denen die Bundesregierung die mögliche Erhöhung des Gewerbesteueraufkommens insgesamt begründet, beruhen auf Schätzungen und man kann beinahe sagen, sie wurden Daumen mal Fensterkreuz erhoben. Den Schaden, den haben auf jeden Fall die Kommunen. Und ich möchte hier nur auf das aktuellste Beispiel verweisen, das wir heute über dpa-Meldung bekommen haben, das Beispiel Nordhausen, wo erste Konsequenzen die Schließung des Sozialamts sein sollen. Es sind eigentlich Folgen dieser kommunalen Finanzpolitik.
(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Frau Dr. Wildauer, Sie wissen doch ganz genau, dass das kein Argument ist. Das ist Kasperlethea- ter, tri, tra, trallala. Sie sind doch sonst hell- hörig.)
Und hinzu kommt, die Mehreinnahmen, von denen die Bundesregierung ausgeht, stehen nur befristet, nur für eine absehbare Zeit zur Verfügung. Es ist aber dennoch wichtig, dass wir diese Dinge ansprechen, wenn sie durch den Rundfunk kommen. Die Leute hören die alle, da können wir doch im Landtag nicht einfach ohne ein Wort dazu zu sagen, darüber hinweggehen, Herr Kollege Böck.
Zu den Mehreinnahmen: Ich sagte, dass die gegenwärtig kommen, dass sie aber vorwiegend aus den geänderten Abschreibungsmodalitäten resultieren. Die Umlageanhebung berücksichtigt auch nicht die unterschiedlichen Situationen der Kommunen. Sie führt nicht nur zur Umverteilung zwischen Bund und Ländern hier und Kommunen da, sondern auch zur Umverteilung zwischen den Kommunen. Nutzen aus den immerhin zeitweisen Mehreinnahmen ziehen nur Gemeinden, in denen es Produktionen mit anlageintensivem Kapital gibt. Da findet ein gewisser Ausgleich statt. Aber Gemeinden mit vorwiegend Handwerk und Gewerbe profitieren vergleichsweise wenig von den geänderten Abschreibungsbedingungen. Die höhere Umlage müssen sie trotzdem abführen. Niemand muss raten, wie das in der Verteilung von Ost und West wohl aussieht.
Meine Damen und Herren, zusammengefasst will ich die Absichten der PDS im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer auf folgende Punkte bringen: Je höher der Anteil ausfällt, den Bund und Länder von der Gewerbesteuer abschöpfen, desto mehr wird die Beziehung zwischen Wirtschaft und Gemeinde geschwächt, desto mehr geht der Charakter der Gewerbesteuer als Gemeindesteuer verloren. Als erster Schritt der Rückkehr in Richtung Grundgesetz muss deshalb die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage vom Oktober 2000 zurückgenommen werden. Und darüber hinaus plädieren wir dafür, erstens zu überprüfen - und jetzt werden Sie mich gleich vollkommen stei
nigen -, ob gegebenenfalls nicht zu begründende Umlageerhöhungen der letzten Jahre ebenfalls zurückgenommen werden könnten und zweitens dafür, dass im Rahmen einer umfassenden Kommunalfinanzreform geprüft wird, ob auf die Gewerbesteuerumlage nicht völlig verzichtet werden kann.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die finanziellen Rahmenbedingungen für die Gemeinden in den letzten Jahren stetig verschlechtert haben, und zwar nicht von allein. Bundes- und landespolitische Entscheidungen forcierten den Prozess. Besserungen werden auch nicht von allein kommen. Bundes- und Landespolitiker stehen hier in der Verantwortung. Die Gemeinden brauchen dringender denn je stabile und durch sie selbst gestaltbare Einnahmequellen.
Meine Damen und Herren, im zweiten Punkt unseres Antrags beziehen wir uns auf den so genannten Zerlegungsmaßstab für den Gewerbesteuermessbetrag, also für nicht Eingeweihte, der Zerlegungsmaßstab betrifft Firmen mit Produktionsstätten bzw. Filialen in mehreren Gemeinden, auch in Ost und West. Mit ihm wird ermittelt, welcher Gewerbesteueranteil durch das Unternehmen in welche Kommune zu entrichten ist. Er ist nicht nur für Thüringer, nicht nur für Ostdeutsche, sondern insgesamt für strukturschwache Regionen ein Problem. Sie sehen aus dem Antragstext, dass wir vorschlagen, die Steuer zwischen den Kommunen nicht nach der Lohnsumme, sondern nach der Anzahl der Vollarbeitsplätze zu verteilen. Ich denke, dass unsere Überlegung nachvollziehbar ist, denn jüngste Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergaben, dass die ostdeutschen Löhne und Gehälter um etwa 25 Prozent unter denen der alten Bundesländer liegen. Gleichzeitig ist es ein offenes Geheimnis, dass dies keineswegs heißt, die Wertschöpfung oder die Produktivität der im Osten befindlichen Betriebsteile lägen ebenso unter denen westdeutscher Stammfirmen. Nach dem jetzigen Modus werden selbst bei höherer Wertschöpfung in den östlichen Betriebsteilen geringere Anteile der Gewerbesteuer an die östlichen Kommunen entrichtet. Nachdem die Beschäftigten schon angeschmiert sind, werden es auch noch die Orte, in denen sie arbeiten und leben. Das für sich schreit schon zum Himmel. Für die Entwicklung der Kommunen und des Landes Thüringen wiegt das umso schwerer, als aus der insgesamt geringen Anzahl und niedrigen Gesamtwirtschaft der Unternehmen ohnehin ein vergleichsweise geringes eigenes Steueraufkommen entsteht. Das kommunale Steueraufkommen je Einwohner liegt in Thüringen unter der Hälfte des Durchschnitts der alten Bundesländer. Ich könnte noch einige weitere Tatsachen aufführen, auf die ich verzichte. Unser Vorschlag: erstens die Vollarbeitsplätze zur Grundlage des Zerlegungsmaßstabs nehmen, zweitens als weiteren Faktor den Wert der Betriebsanlagen. Dieser Vorschlag könnte
Seitens der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Redemeldungen vor, falls die Kommunikation nicht als solche jetzt verstanden werden soll. Für die Landesregierung hat sich der Finanzminister zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Rede von Frau Dr. Wildauer, die würde mich jetzt hier dazu reizen, einmal ein paar Daten über Kommunalfinanzen zu verkünden. Da störten mich auch nicht Presseveröffentlichungen einer Oberbürgermeisterin aus Nordthüringen. Vor 14 Tagen haben wir ein Gespräch geführt, wie man zusätzliche Schulinvestitionen dort durchführen können, Plattenbauschulen sanieren kann, weil Nordhausen angeblich so leistungsfähig ist. Danach wird dann nach dem Staatskommissar gerufen. Ich würde am liebsten einen Staatskommissar nach Nordhausen hinschicken, aber mit der reellen Situation in Nordhausen hat das nichts zu tun. Nordhausen hat eine Verschuldung von 1.400 DM pro Einwohner und liegt damit knapp über der Hälfte des Durchschnitts der Thüringer Kommunen und steht nämlich sehr gut da. Es hat wahrscheinlich etwas mit der heutigen Präsidiumssitzung des Gemeindeund Städtebunds zu tun und nicht mit der reellen Situation.
Vielleicht auch noch ein Wort zu Kommunalsteuern. Es ist ja immer so schön, dass da vierteljährlich Statistiken über Kommunalfinanzen kommen. Auch das möchten Sie einmal zur Kenntnis nehmen, die Überschüsse aus dem Verwaltungshaushalt, die dem Vermögenshaushalt für Investitionen zugeführt werden in den Kommunalhaushalten, sind von 1997 bis 2000 von knapp 300 Mio. DM auf über 500 Mio. DM gestiegen, fast auf das Doppelte. Im Gegensatz vom Land, welches im letzten Jahr 1,5 Mrd. DM neue Schulden machen musste, konnten die Kommunen 100 Mio. DM Schulden tilgen, weil sie nämlich 100 Mio. DM Überschuss in ihren Haushalten hatten.
Aber es ist zur Geschichte der Gewerbesteuer schon einiges gesagt worden. Natürlich war 1969 mit über 80 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen die Gewerbesteuer die entscheidende Steuer. Nur, meine Damen und Herren, Sie wissen doch selbst, was in Kommunen in Thüringen jetzt los ist, wenn plötzlich durch eine Investition eines Unternehmens ein guter Steuerzahler in der Gewer
besteuer für die nächsten fünf Jahre nichts mehr zahlt. Diese riesigen Finanzkraftunterschiede, die dort entstehen und die kommunale Haushalte nicht mehr planbar machen, die sind damals, 1970, mit dem ersten Gemeindereformgesetz ausgeglichen worden. Natürlich sind bei der Einbeziehung der Lohn- und Einkommenssteuer die Kommunen in die Mitfinanzierung durch die Gewerbesteuerumlage genommen worden. Natürlich sind sie 1993 in die Mitfinanzierung wegen zusätzlicher Einnahmen aus der Zinsabschlagssteuer genommen worden. Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer haben zu keiner Änderung geführt. Das war ein Ausgleich für den Familienleistungsausgleich und die Erhöhung des Kindergeldes 1996. Deswegen ist das keine Willkür. Was jetzt mit der Unternehmenssteuerreform geschehen ist, ist ja das gleiche Prinzip. Es gibt ja einen Zusammenhang zwischen Senkung der Steuersätze, höherem Einkommen, höherer Gewerbesteuer und Mitfinanzierung der Kommunen.
Frau Dr. Wildauer, wenn Sie gesagt hätten, wir wollen das bis 2004 aussetzen, hätte ich ja Ihren Intentionen noch folgen können, weil ich die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform in den Anfangsjahren ja genauso kritisch sehe, weil sie nicht unseren Gegebenheiten in Thüringen entspricht, aber dass Sie gerade 2004 und folgende anführen, das verstehe ich nun überhaupt nicht, denn wir haben immer gesagt, gerade ab 2005 werden erst die Thüringer Mittelständler in den Genuss der niedrigen Steuersätze kommen und erst dann ist es eigentlich gerechtfertigt, von einer Steuerreform zu sprechen. Das heißt, die Ergebnisse 2004 und 2005 können nicht als Vergleich herangezogen werden.
Vielleicht ein Wort noch zu Ihrem Zerlegungsmaßstab. Das ist für einen Finanzminister und besonders für den Thüringer ein hochinteressantes Fachgebiet. Wo werden denn Steuern erhoben? Sie wissen, dass ich da in der Regel in solchen Themen ganz offen bin, wenn sie debattiert werden. Ich habe ja die Debatte im Rahmen der Länderfinanzausgleiche und Maßstäbegesetz selbst mit auf den Weg gebracht, zunächst über Steuerzerlegung zu sprechen. Nur einen Alleingang bei der Gewerbesteuer, der ist ja nun wirklich abzulehnen.
Das jetzige Verfahren ist praktikabel, ist mit wenig Verwaltungsaufwand verbunden und das neue Verfahren erst einmal mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand. Wer soll denn das alles vorbereiten? Wollen Sie die Lasten den Kommunen aufbürden oder sollen die Lasten für diese Verwaltungsaufwendungen das Land über die Steuerverwaltung tragen? Es sei an dem Punkt eines gesagt, es ist nämlich wie mit allen Steuerrechtsänderungen. Wenn ich etwas im Einzelfall bis ins Letzte regeln will, dann werde ich das nicht mit einer einfachen Gesetzgebung machen, sondern dann bekomme ich ein kompliziertes Steuerrecht, ob das Lohn- und Einkommenssteuer ist oder ob das Erfassung von kommunaler Gewerbesteuer ist. Wenn ich
aber etwas einfach und praktikabel regeln will, dann werde ich nie Steuergerechtigkeit bis ins letzte Detail bekommen. Das ist auch gar nicht notwendig, denn wir haben im kommunalen Finanzausgleichsgesetz nämlich einen Ausgleich zwischen unterschiedlicher Steuerkraft und damit wird unabhängig von der Erhebung der Steuerkraft, wo sie erhoben wird, die kommunale Steuerkraft eigentlich insgesamt relativ gut ausgeglichen.
Über Ihren Antrag kann ich eigentlich nur sagen, es gibt ja einen analogen Antrag im Bundestag, der von der PDSFraktion dort eingebracht worden ist, etwas anders formuliert, aber in die gleiche Zielrichtung. Deswegen kann ich über Ihren Antrag nur sagen, das Gegenteil der Heiligen sind nicht die Sünder, sondern die Scheinheiligen, deswegen ist Ihr Antrag abzulehnen.
Es liegen keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden, demzufolge kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS in der Drucksache 3/1456. Herr Abgeordneter Stauch, ein Geschäftsordnungsantrag.
Demzufolge stimmen wir in namentlicher Abstimmung über diesen Antrag ab. Ich bitte die Stimmkarten einzusammeln.
Konnte jeder seine Stimmkarte abgeben? Das ist der Fall, ich bitte um das Auszählen. Ich bekomme gleich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung. Ich würde gern das Ergebnis der namentlichen Abstimmung noch bekannt geben. Das hat jetzt mehr den Charakter einer Volksversammlung.
Es wurden 71 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 15, mit Nein haben gestimmt 56, es gab keine Enthaltungen (namentliche Abstimmung siehe Anlage 2). Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13, ich schließe den heutigen Plenarsitzungstag, wünschen Ihnen einen guten Abend und wir sehen uns morgen früh um 9.00 Uhr wieder.