Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

(Beifall bei der PDS)

Die Kommunen dürfen nicht überproportional an der Finanzierung der jüngsten Unternehmenssteuerreform beteiligt werden. Die Thüringer Kommunen leiden sowieso an einer strukturellen Steuerschwäche, die sie selbst nicht zu verantworten haben. Mit knapp 500 DM pro Einwohner und Jahr haben die Thüringer Gemeinden eine Steuerkraft, die nur bei ca. 40 Prozent der kommunalen Steuerkraft der alten Bundesländer liegt. Die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage und die Kürzung im Kommunalen Finanzausgleich verstärken diese Finanzprobleme der Gemeinden. Nur im Nachbarland, z.B. in Hessen, gibt es eine höchste kommunale Steuerkraft, dort beträgt die gemeindliche Steuereinnahme über 1.900 DM pro Einwohner und Jahr. Zu Recht kritisiert der Gemeindeund Städtebund das Sparen auf Kosten der Kommunen.

(Beifall bei der PDS)

Die Thüringer Kommunen müssen in diesem und im nächsten Jahr mit 250 Mio. DM weniger auskommen. Der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebunds Thomas Lenz appelliert an das Land, den Kommunalen Finanzausgleich nicht zum Steinbruch des Landes werden zu lassen. Dieser Appell ist dahin gehend erweiterbar, dass sich der Landtag und die Landesregierung dafür einsetzen, dass durch Steuerrechtsänderungen des Bundes die Kommunen nicht zusätzlich belastet werden.

(Beifall bei der PDS)

Der heute zu beratende Antrag der PDS-Fraktion ist ein Einstieg in eine Reform der Gewerbesteuer. Meine Damen und Herren, die Thüringer Kommunen hatten im vergangenen Jahr Gewerbesteuereinnahmen von rund 427 Mio. DM. Seit 1998 sind diese Einnahmen nahezu unverändert. Die Gewerbesteuer ist damit bereits in Thüringen die wichtigste kommunale Steuer. 1999 und 2000 mussten die Gemeinden durchschnittlich 15 Prozent des Gewerbesteueraufkommens als Umlage an das Land und den Bund abführen. In den nächsten Jahren wird dieser Anteil auf über 20 Prozent steigen. Die Gewerbesteuerschätzung für die neuen Bundesländer und für Thüringen geht für die kommenden Jahre von durchschnittlichen Aufkommenszuwächsen von rund 5 Prozent aus. Die Umstellung der Investitionsförderung für die neuen Länder ab 1999 hat und wird sich örtlich sehr unterschiedlich auf die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen auswirken. Es ist zumindest zweifelhaft, ob die Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer die geplanten Erhöhungen der Gewerbesteuerumlage ausgleichen.

Somit zum ersten Punkt unseres Antrags: Er fordert die Änderung des Gemeindereformfinanzierungsgesetzes dergestalt, dass die Höhe der Gewerbesteuerumlage auf dem Niveau des Jahres 2000 fortgeschrieben wird. Dies ist für uns zunächst nur der Einstieg in eine Gewerbesteuerreform. Die Gewerbesteuer muss als kommunale Realsteuer erhalten bleiben. Jeden weiteren Eingriff durch die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage lehnen wir ab.

(Beifall bei der PDS)

Zum zweiten Vorschlag: Wir wollen erreichen, dass zunehmend zwischen Ost und West der Gleichheitsgrundsatz bei der Verteilung des Gewerbesteueraufkommens zur Geltung kommt. Unserer Auffassung nach kommt mit dem Zerlegungsmaßstab für den Steuermessbetrag - "Verhältnis der Summe der Arbeitslöhne" - jede Kommune der alten Bundesländer durch die höheren Arbeitslöhne um ca. 25 Prozent besser weg als unsere Kommunen.

Frau Abgeordnete, die Redezeit zur Begründung ist abgelaufen.

Jawohl, letzter Satz: Deshalb unser Vorschlag, als ein Kriterium des Zerlegungsmaßstabs "Verhältnis der Anzahl der Arbeitsplätze", und zwar der Vollarbeitsplätze, zu wählen. Die Städte und Gemeinden brauchen dringender denn je eine stabile, eigenständige und gestaltbare Einnahmequelle. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Antrag und als erste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Lehmann, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, zu dem hier vorliegenden Antrag der Fraktion der PDS zur Aufforderung an die Landesregierung zwecks Einbringung einer Gesetzesinitiative im Bundesrat bezüglich der Änderung bei der Erhebung der Gewerbesteuerumlage nehme ich wie folgt Stellung:

Meine Vorrednerin hat zwar zur Begründung schon ausführliche Erläuterungen abgegeben, aber ich denke mal, es wäre sicherlich sinnvoll, zur Gewerbesteuerumlage auch mal eine Definition und einige weitere Erläuterungen zu geben. Es handelt sich hierbei um eine Umlage, die auf der Grundlage der Gewerbesteuer berechnet und von den Gemeinden anteilig an Bund und Länder abgeführt wird. Die Bemessungsgrundlage ist der so genannte Grundbetrag der Gewerbesteuer nach Ertrag und Kapital, der für jede einzelne Gemeinde nach der Formel Ist-Aufkommen dividiert durch den Hebesatz mal 100 für das jeweilige Kalenderjahr berechnet wird. Auf den Grundbetrag wird dann ein Vervielfältiger angewandt und die Höhe dieses Vervielfältigers ist in den vergangenen Jahren mehrfach geändert worden.

Meine Damen und Herren, wir haben es hier mit einer Thematik zu tun, die aus der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in den 60er Jahren in den damals alten Bundesländern stammt und die mit dem damit verbundenen recht hohen Anteil am Gewerbesteueraufkommen in diesen Gemeinden verbunden war. Damals hatten die Gemeinden einen Anteil aus diesen Steuermitteln in Höhe von ca. 80 Prozent. Gemeinden mit weniger Gewerbeansiedlungen hatten jedoch auch damals entsprechend weniger eigene Finanzmittel zur Verfügung und im Zuge der Neuordnung der Finanzverfassung zwischen Bund und Ländern wurde 1969 das Finanzreformgesetz und das am 01.01.1970 in Kraft getretene Gemeindefinanzierungsreformgesetz verabschiedet. Es war beabsichtigt, neben der Verbesserung der Finanzausstattung der Gemeinden die besonders starke Abhängigkeit der Kommunen von der - und das ist unbestritten - konjunkturellen Schwankungen auch unterlie

genden Gewerbesteuer und die damit verbundenen Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden zu mildern. Im Gemeindefinanzierungsreformgesetz wurde im Gegenzug die Beteiligung am Aufkommen an der Lohn- und Einkommenssteuer geregelt. Bund und Länder erhielten als teilweisen Ausgleich für die Mindereinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer durch diese Gewerbesteuerumlage einen Anteil an dem Aufkommen bei der Gewerbesteuer. Die Einkommensteuerbeteiligung sollte der Mehrzahl der Gemeinden eine höhere Finanzkraft verleihen, da die Summe der Höhe der abzuführenden Gewerbesteuer diese übertreffen sollte. Diese Gewerbesteuerumlage stellte damit eines der Instrumente des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden dar. So viel zur Erklärung der Begriffe und der Historie.

Zum Punkt 1 Ihres Antrags: Die neuen Länder waren 1991 und 1992 von der Gewerbesteuerumlage befreit. Ab 1993 wurde die Umlage nach einem Vervielfältiger erhoben, der, wie schon genannt, mehrfach geändert wurde. 1997 wurden die Gemeinden in den neuen Ländern aufgrund der Nichterhebung der Gewerbekapitalsteuer als Ausgleich nicht zur Gewerbesteuerumlage herangezogen. 1998 wurden lediglich 7 Prozent an das Land fällig. Im Zuge des Steuersenkungsgesetzes vom Oktober des letzten Jahres wird sich die Gewerbesteuerumlage für die Gemeinden in den neuen Ländern von derzeit 54 Prozent insgesamt, also beide Anteile, Land und Bund gemeinsam 54 Prozent im Moment, auf 76 Prozent des Grundbetrags im Jahr 2006 dann schrittweise erhöhen. Die hierbei von der Bundesregierung zugrunde gelegten Gewerbesteuereinnahmen beruhen auf Schätzungen, wie es eben schon zur Sprache kam. Die Gemeinden haben aber letztlich aufgrund der Ist-Zahlen die Beträge zu entrichten. Man muss hier auch die Situation des ländlichen Raums betrachten und kann nicht nur bei dieser Einschätzung der Wirkung des Steuersenkungsgesetzes von Großstädten ausgehen.

Der Antrag der Fraktion der PDS sieht vor, die Höhe der Gewerbesteuerumlage auf dem Niveau des Jahres 2000 festzuschreiben. Wie sah im Jahr 2000 die Situation aus? Der Vervielfältiger lag bei insgesamt 45 Prozent, beider Anteile gemeinsam, des Grundbetrags und die Thüringer Gemeinden zahlten 66,1 Mio. DM, wovon ca. 38,2 Mio. DM in unseren Landeshaushalt flossen. Im Gegenzug erhielten die Gemeinden einen Anteil an der Lohn- und Einkommensteuer von immerhin 215,8 Mio. DM, das ist also, wie man ganz klar erkennt, beträchtlich mehr als der Betrag, der abgeführt wurde. Aber durch die im Antrag vorgeschlagene Rückgängigmachung der Anhebung der Gewerbesteuerumlage würden sich die Gemeinden nicht an der Finanzierung der Unternehmenssteuerreform beteiligen. Die Last läge dann allein beim Bund und den Ländern. Hieraus würden weitere Steuerausfälle auch für unseren Freistaat resultieren. Und an dieser Stelle, meine Damen und Herren, haben wir ja schon stunden- und tagelang über unseren Landeshaushalt debattiert, auch über die Steuerausfälle und hieraus entstehende Mindereinnahmen diskutiert. Das Land hatte aus der Steuerreform be

reits ca. 600 Mio. DM Mindereinnahmen im Landeshaushalt zu verkraften und dementsprechend zu kompensieren. Nicht ohne Grund hat Thüringen im Bundesrat gegen die Unternehmenssteuerreform votiert, deren Folgen wir nun gemeinsam zu tragen haben. Wir alle sind Landespolitiker und müssen daher auch das Wohl des Freistaats in seiner Gesamtheit bei solchen Entscheidungen berücksichtigen. Verändert man einen kleinen Baustein im Zusammenspiel Bund, Länder und Gemeinden, so zeigt uns dieses Beispiel ganz deutlich, kann die Wirkung an anderer Stelle enorm sein und das haben wir zu bedenken. Und wo sollten wir dann die dem Freistaat fehlenden Mittel in den Folgejahren einsparen oder wird eine weitere Nettoneuverschuldung gewollt?

Das Ziel der PDS-Fraktion, zu zeigen, dass sie sich besonders für die Kommunen einsetzt, geht aus ihrem Antrag für uns alle ganz deutlich hervor. Aber Sie wissen wohl auch, dass Ihr Antrag letztlich im Bund nicht zum Tragen käme. Ich möchte an dieser Stelle auch daran erinnern, dass der Freistaat Thüringen mit 1.524 DM pro Einwohner im Kommunalen Finanzausgleich die höchsten Zuweisungen an seine Kommunen aller deutschen Länder hat.

(Beifall bei der CDU)

Und, Frau Sedlacik, dass der Städte- und Gemeindebund sich natürlich für die Kommunen einsetzt, ist völlig logisch, das haben wir auch schon an anderer Stelle oft erlebt. Das ist normal und liegt in der Natur der Aufgabe des Städte- und Gemeindebunds. Der Vorschlag ist aus vorgenannten Gründen zum Punkt 1 abzulehnen.

Beim Punkt 2 des Antrags ist Folgendes festzustellen: Nach § 1 Gewerbesteuergesetz sind die Gemeinden berechtigt, eine Gewerbesteuer als Gemeindesteuer zu erheben und in § 4 eben dieses Gesetzes ist die Hebeberechtigung der Gemeinden geregelt. Ich denke, in den meisten Fällen sind das zurzeit so um die 300 Prozent. Hierzu wird bei Betriebsstätten in mehreren Gemeinden im Wege der Zerlegung des Steuermessbetrags der zustehende Teil berechnet - ich verweise auf die Regelungen in den §§ 28 bis 34 Gewerbesteuergesetz - und somit dient die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags dazu, die Gemeinden mit Betriebsstätten des Unternehmens entsprechend auch an der zu zahlenden Steuer zu beteiligen. Hierdurch soll der der Gemeinde erwachsenden Belastung durch die Betriebsstätte Rechnung getragen werden. Das wird natürlich aufgrund der verschiedenen örtlichen Gegebenheiten wohl kaum zu 100 Prozent erreichbar sein. Der Gesetzgeber hat aus praktikablen Gründen in § 29 des eben genannten Gewerbesteuergesetzes als grundlegenden Zerlegungsmaßstab die Arbeitslöhne festgelegt. In Gesamtheit betrachtet soll hierdurch eine gerechte Verteilung des Messbetrags gesichert sein. Für spezielle Einzelfälle besteht bereits nach § 33 des Gewerbesteuergesetzes die Möglichkeit, nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Ver

hältnisse besser berücksichtigt. Hierzu bedarf es einer Abstimmung zwischen Gemeinde, Unternehmen und der Finanzverwaltung. Der Vorschlag der Fraktion der PDS zielt zum einen auf die Änderung des Zerlegungsmaßstabs hin zum Verhältnis der Arbeitsplätze und zum anderen darauf ab, den Wert der Betriebsanlagen zu berücksichtigen.

Der Vorschlag ist aus weiteren folgenden Gründen abzulehnen: Der vorgeschlagene Zerlegungsmaßstab ist nicht praktikabel und daher nicht mit Sinn und Zweck des oben genannten § 29 vereinbar. Damit wird die Verwaltungsarbeit beim Zerlegungsverfahren erschwert und sicher nicht auf ein Mindestmaß beschränkt und, ich denke, wir alle wollen doch weniger Bürokratie in den Verwaltungen haben.

(Beifall bei der CDU)

Es würde zu einer Verkomplizierung des Verfahrens führen. Ich verweise hierzu auf meine Ausführungen zu den Ausnahmefällen unter den Voraussetzungen des § 33. Verteilungsgerechtigkeiten kann man, wie schon erwähnt, aufgrund unterschiedlicher tatsächlicher Gegebenheiten natürlich nie ganz ausschließen.

Abschließend möchte ich noch auf einen Beschluss des BFH vom 02.05.1961 hinweisen, wonach einer klagenden Gemeinde Recht gegeben wurde, dass weder die unterschiedliche wirtschaftliche Struktur in verschiedenen Gemeinden gelegener Betriebsstätten noch das unterschiedliche Lohnniveau der in diesen verschiedenen Ländern liegenden Gemeinden eine von den Arbeitslöhnen abweichende Zerlegung rechtfertigen. Wir sollten uns weniger über den Antrag streiten, sondern die Betroffenen die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten gerade auch zu den Ausnahmetatbeständen zunächst erst einmal nutzen lassen und hierzu vielleicht auch noch einmal Ergebnisse anschauen, wie das praktikabel umgesetzt wird oder wie es funktioniert. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pidde zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit will ich mich auf das Wesentliche konzentrieren.

(Beifall Abg. B. Wolf, CDU)

In der Analyse stimme ich mit der PDS vollkommen überein, dass es vielen Kommunen finanziell an die Substanz geht. Daran hatte auch die Thüringer CDU eine entscheidende Aktie, wenn ich an den Doppelhaushalt 2001/2002 denke oder an die Veränderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Nur, die Schlüsse, die Sie, meine Damen und Herren von der PDS, daraus ziehen, sind einerseits sehr weit hergeholt und zum Zweiten in der Durchführung illusorisch. An der Gewerbesteuer sollten wir nicht drehen. Es ist gut, dass es eine eigenständige Steuer der Kommunen ist mit einem eigenständigen Hebesatz. Und die Verrechnungsmöglichkeiten, die mit der Einkommenssteuerschuld bestehen, sichern auch, dass diese den Kommunen erhalten bleibt und auch, dass diese Steuerquelle reichlich sprudelt. Selbst die kommunalen Spitzenverbände loben die jetzige Gewerbesteuer. Die Veränderung der Verteilung, dass Sie die Pro-Kopf-Verteilung entsprechend der Betriebsstätten fordern, halten wir für nicht machbar. Sie müssen auch daran denken, wenn das durchgesetzt würde, würde es auch innerhalb des Landes gelten und damit wären viele Thüringer Kommunen auch nicht einverstanden. Ebenso hat auch der Gemeinde- und Städtebund den jetzigen Verteilungsmaßstab als angemessen und bewährt bezeichnet. Wenn wir den vorliegenden Antrag politisch bewerten, dann muss man sagen, wenn hier ein Antrag eingebracht werden soll und die Landesregierung aktiv werden soll im Bundesrat, auf Bundesebene ohne jegliche Aussicht auf Erfolg, würde ein Nebenkriegsschauplatz aufgemacht - wir haben gerade im vorherigen Tagesordnungspunkt über diese wichtigen Themen der Neuordnung der Finanzbeziehungen diskutiert -, der diese Verhandlungen ganz sicher nicht erleichtern würde. Deshalb lehnen wir den Antrag der PDS-Fraktion ab. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Dr. Wildauer zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Gut, Frau Dr. Wildauer!)

Sagen Sie bloß, ich habe heute so lange geredet - nirgendwann, zu keiner Zeit.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich glaube, man sollte noch recht viele Anträge in diesen Landtag einbringen, die sich gerade mit den kommunalen Finanzen, mit der Situation der Finanzen in den Kommunen beschäftigen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Auch wenn es sich um eine Bundesratsinitiative handelt, die wir einbringen, berührt die Gewerbesteuerumlage natürlich Landesinteressen, ist doch das Land an den Einnahmen beteiligt. Frau Lehmann ging ja darauf ein. Aber da die Gewerbesteuer, und Frau Lehmann ist wahrscheinlich auch deshalb so herangegangen, nicht zu den Themen zählt, mit denen sich Politiker anderer Sachgebiete unbedingt täglich auseinander setzen, war es sicher notwendig, einiges ausführlicher zur Funktion der Gewerbesteuerumlage darzulegen. Ich möchte nur sagen, Frau Lehmann, was den Berechnungsmodus angeht, die Berechnungsformel, da sollten Sie sich doch wirklich die aktuellere ansehen; die Sie hier gebracht haben, stimmt nicht mehr.

Meine Damen und Herren, den Kommunen würden weitere nicht zu verschmerzende Verluste entstehen, wenn die Umlage so, wie sie jetzt festgeschrieben ist, im Jahr 2004 um fast das Doppelte steigt. Wir sind 2004 bei 82 Vervielfältigerpunkten. Deswegen unterbreiten wir mit unserem Antrag zu beiden Punkten Vorschläge, wie wenigstens ein gewisser Ausgleich erreicht werden kann. Nur mal ein paar Fakten zur Gewerbesteuer: Sie ist traditionell die wichtigste durch die Kommunen selbst beeinflussbare Einnahmequelle der Gemeinden. Und deshalb ist sie geradezu als Voraussetzung dafür zu sehen, dass Selbstverwaltung überhaupt stattfinden kann. Wir beobachten ja nicht umsonst, dass im Laufe der Jahrzehnte Bund und Länder sich zulasten der Kommunen auch finanziell bevorteilen und dass sich mit ihrem im Verhältnis angewachsenen Finanzteil auch der Regierungsanteil erhöht. Der Handlungsspielraum der kommunalen Vertretungskörperschaften wurde dabei immer weiter eingeengt. Man könnte die Gewerbesteuer auch als die in Zahlen ausgedrückte Beziehung zwischen Kommunen und Unternehmen bezeichnen. Die Kommunen schaffen durch infrastrukturelle und kulturelle Leistungen die Bedingungen dafür, dass sich Unternehmen ansiedeln können und wollen. Mit der Gewerbesteuer zahlen die Unternehmen ihren Beitrag zu diesen Leistungen. Es liegt auf der Hand, dass sich besonders die strukturschwachen östlichen Bundesländer dafür engagieren müssen, dass sich der Interessenverbund von Kommunen und Wirtschaft so eng und lebendig wie möglich gestaltet.

(Beifall bei der PDS)

Auf den Zusammenhang zur sozialen und Arbeitsmarktsituation will ich an dieser Stelle nur verweisen. Die Gewerbesteuer, das wurde vorhin gesagt, ist zwischenzeitlich auch in Thüringen bereits die wichtigste kommunale Steuer. Auf die Zahlen ging Frau Sedlacik ein. Experten gehen davon aus, dass sich das Gewerbesteueraufkommen infolge der geänderten Investitionsförderungen erhöht, in welchem Umfang ist jedoch ungewiss. Dennoch gilt für Thüringen, was für alle neuen Bundesländer gilt, die Einnahmen aus der Gewerbesteuer bleiben, wie die gesamten Steuereinnahmen, je Einwohner immer

noch unter 40 Prozent des Westniveaus. Und die Gemeinden beobachten deshalb mit besonderer Sorge Pläne, die den Bestand dieser Steuer gefährden und das ist nur logisch.

Bereits heute beanspruchen Bund und Länder mit 10 Mrd. DM beinahe 20 Prozent der Einnahmen, die eigentlich den Gemeinden zustehen sollten. Ein Punkt der Unternehmenssteuerreform vom Oktober 2000 bestand bekanntlich darin, dass die Gewerbesteuerumlage angehoben wird. Und Frau Lehmann, wenn Sie sagen, dass wir ja schließlich im Doppelhaushalt Zahlen festgeschrieben haben, es konnte eigentlich noch nicht bekannt sein, was vom Bund vorgesehen war. Die Zahlen waren zur Zeit der Haushaltssitzung nicht bekannt. Aber der Haushalt war schon vorher gemacht. 2001 erhöht sie sich bundesweit deshalb um knapp 2 Mrd. DM und ab 2002 um etwa 4 Mrd. DM jährlich. Da tritt eine kritikwürdige Kontinuität zu Tage.

In den vergangenen Jahren erfuhr die Gewerbesteuerumlage immer häufiger ihren Missbrauch als Ausgleichsinstrument zwischen Bund und Ländern einerseits und den Gemeinden andererseits.

In unserer Antragsbegründung haben wir geschrieben, die Gewerbesteuereinnahmen würden für die Gemeinden immer weniger kalkulierbar und das war vorsichtig ausgedrückt. Ich will mich hier nicht in die Feinheiten von Hebesatz, von Vervielfältigungspunkten usw. begeben, aber das Steuersenkungsgesetz vom Oktober und der § 6 (3) des Gemeindefinanzreformgesetzes haben zur Folge, dass sich in den neuen Bundesländern, für die 1998 noch die Sonderregelung galt, die Gemeindesteuerumlage, gemessen am 98er Haushalt, innerhalb von sechs Jahren verzwölffacht hat und insgesamt, dass die Umlage innerhalb von nur vier Jahren, also zwischen 2000 und 2004, sich fast verdoppelt. Das heißt auch, die ostdeutschen und Thüringer Gemeinden finanzieren ihre Beteiligung an der Umsatzsteuer und die Unternehmenssteuerreform mindestens teilweise selbst. De facto ist aufgrund der eben umrissenen Politik die Gewerbesteuer keine gemeindliche Realsteuer mehr. Aber im Grundgesetz ist verankert, dass sie genau dies sein soll, gemeindliche Realsteuer. Die PDS-Fraktion hält es für notwendig, sie wieder in diese Rolle zurückzuführen. Allein dies wäre Motiv genug, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen.