Sie sind nach meiner ehrlichen Auffassung der aktuelle Beleg dafür, wie die politische Klasse, wie die politischen Eliten der Parteien und Parlamente sich über die Bürgerinnen und Bürger erheben.
Mir liegen keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Wir kommen zum Abstimmverfahren. Es ist vereinbart worden, auch aus der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit heraus, zunächst über die Bildung eines Verfassungsausschusses abzustimmen, wobei der Bericht der Landesregierung vorangegangen ist, der gleichzeitig die Stellungnahme zum Volksbegehren ist. Die Aussprache zu diesem Bericht ist übrigens nicht beantragt worden. Ich komme demzufolge zur Feststellung, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, falls dem nicht widersprochen wird. Es wird nicht widersprochen und das Berichtsersuchen ist erfüllt.
Wir treten ein in die Abstimmung zum Antrag der Fraktionen der PDS und SPD "Bildung eines zeitweiligen Verfassungsausschusses" in der Drucksache 3/1488. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke schön. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist es abgelehnt worden, diesen Verfassungsausschuss zu bilden. Herr Abgeordneter Ramelow.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe für den Verfassungsausschuss gestimmt, weil ich der Meinung bin, dass die Teile, die in diesem Gesetz angesprochen sind, durch einen Verfassungsausschuss, und zwar durch einen großen Ausschuss, hier im Parlament verhandelt werden sollen. Die Probleme der Ausschüsse und der Verkleinerung von Ausschüssen sind hier hinreichend erläutert worden. Ich werde gleich auch wieder mit Ja stimmen, obwohl ich den Justizausschuss in der kleinen Form für ungeeignet halte, aber ich glaube, das ist im Plenum ausreichend begründet worden. Ich möchte aber nicht den Eindruck erwecken, als wenn wir uns an der weiteren Arbeit jetzt verweigern wollen.
Wir kommen demzufolge zur Abstimmung der Ausschussüberweisung an den Justizausschuss, wenn ich die Bemerkung von Herrn Althaus in seiner Rede als solchen Antrag betrachten darf. Der Parlamentarische Geschäftsführer nickt dazu. Wer der Überweisung des Gesetzentwurfs in
der Drucksache 3/1449 an den Justizausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Das ist eine große Mehrheit. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt einige Stimmenthaltungen und der Gesetzentwurf wird im Justizausschuss fortberaten.
Ich schließe den Tagesordnungspunkt 1 und komme in der Abfolge der übrigen Tagesordnung zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 11
Für mehr Gerechtigkeit bei der Rentenüberleitung Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/1452
Es ist durch die antragstellende Fraktion Begründung signalisiert worden. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann.
Herr Abgeordneter, warten Sie doch bitte, bis Ihren Ausführungen die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist zehn Jahre her, dass im Deutschen Bundestag die Diskussionen und die Auseinandersetzungen zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatz- und Sonderversorgungen der DDR in die Rentenversicherung begann. Gegen die Stimmen der Abgeordneten der Gruppe der PDS/Linke Liste wählte eine übergroße Mehrheit der Bundestagsabgeordneten damals einen Weg, der sich am Ende als verhängnisvoll für die Betroffenen und für die Politik als blamabel, weil verfassungswidrig, erwies. Unter Verletzung des Einigungsvertrags wurde das Rentenrecht missbraucht, um zigtausenden DDR-Bürgern willkürlich die Renten zu kürzen, und zwar aus einer politischen Motivation heraus. Warnende Stimmen, die es bereits 1991 zur Genüge gab, wurden in den Wind geschlagen. Nach Auffassung der PDS war es folgerichtig, dass das Anwartschaftsanpassungs- und -überführungsgesetz in seiner damaligen Fassung keinen Bestand haben würde. Die unter der Kohl-Regierung vorgenommenen Änderungen in den Jahren 1991, 1993 und 1996 waren aber allenfalls Schönheitsreparaturen. Das Grundübel dieses Gesetzes haben sie nicht beseitigt. Die Abgeordneten der PDS im Deutschen
Bundestag und in den Landtagen aller ostdeutschen Länder haben in den letzten zehn Jahren immer wieder darauf hingewirkt, dass eine verfassungskonforme Gestaltung des Rentenrechts in Angriff genommen wird. Sie haben viele hundert Vereine und Verbände auf Bundes- und Landesebene, in denen über 1 Mio. Mitglieder an den Vorbereitungen der Klagen bis hin zum Verfassungsgericht beteiligt waren, stets unterstützt und begleitet. Die PDS-Fraktion im Thüringer Landtag bleibt bei ihrer Auffassung, dass das Anwartschaftsanpassungs- und -überführungsgesetz wahrlich kein Ruhmesblatt in der Geschichte der Gesetzgebung des Deutschen Bundestages darstellt. Es ist nach unserer Meinung folgerichtig, dass mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts vom April 1999 und denen des Bundessozialgerichts endlich Wege zur Beseitigung des hinlänglich erkannten Rentenstrafrechts beschritten werden müssen. Es geht der PDS-Fraktion im Thüringer Landtag nicht allein darum, wie man vielleicht unterstellen mag, sich nur um die MfS-Renten zu kümmern. Nein, Frau Arenhövel, es geht um etwa 240.000 Renten aus Zusatzversorgungssystemen, es geht um 61.300 Renten aus Sonderversorgungssystemen und davon sind lediglich 11.000 so genannte MfS-Renten. Es geht um Anwartschaften aus Zusatzversorgungen bei etwa 2 Mio. ehemaligen DDR-Bürgern und um Anwartschaften aus Sonderversorgungen von ca. 1,5 Mio. ehemaligen DDRBürgern.
Legitimation politischer Verhältnisse und Machtstrukturen der DDR. Es geht um Rentengerechtigkeit jenseits politischer Biografiebewertung, also um weit reichende Umsetzung grundlegender Rechtsprechung der letzten Jahre. Danke schön.
Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat sich in der Aussprache Herr Minister Dr. Pietzsch zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, was die Begründung zum Antrag angeht, Herr Dr. Hahnemann, die PDS verbreitet konstant, wider besseres Wissen, dass dieses nur eine Entscheidung des deutschen
Bundestages gewesen ist. Es ist eine Entscheidung der ersten und einzigen und letzten freigewählten Volkskammer der DDR gewesen.
Das halten Sie immer schön fein säuberlich zurück. Ihr Antrag beginnt: Die Landesregierung wird aufgefordert, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger initiativ zu werden. Es ist so viel über den Amtseid gesprochen worden, die Landesregierung, alle Mitglieder, haben einen Amtseid geschworen, ich auch. Ich wage zu bezweifeln, dass das, was Sie hier wollen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Thüringens ist.
Meine Damen und Herren, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Thüringens ist es in der Tat, dass die Angleichung der Ostrenten nicht ausgesetzt wird. Deswegen habe ich mich in den zurückliegenden Jahren dafür eingesetzt, dass 1999 und 2000 es Unrecht ist, dass diese Angleichung der Ostrenten nicht geschehen ist.
Wir haben uns auch als Landesregierung für die Verbesserung im Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz eingebracht. Es sind dort Veränderungen durchgeführt worden, weil der Bereich der gesamten Zusatzund Sonderversorgungssysteme 1992 in der Tat nicht ausreichend berücksichtigt worden ist. Sicherlich auch nicht ausreichend berücksichtigt werden konnte, weil damals schwer zu übersehen war, welches Geflecht in der DDR eigentlich aufgebaut worden ist. Aber, meine Damen und Herren, mit dem Antrag, verehrte Mitglieder der PDSFraktion, beweisen Sie sich als Schild und Schwert für "Lausch und Guck". Das mag Ihre Angelegenheit sein. Die Landesregierung unterstützt dieses ausdrücklich nicht.
Ich denke doch nicht, dass Ihre drei in dem Antrag formulierten Forderungen den Interessen der Thüringer Bürgerinnen und Bürger voll entsprechen. Zum anderen, die erste Forderung scheitert nach der Dynamisierung aller bestandsgeschützten Zahlbeträge bereits schon an praktischen Durchführungsmöglichkeiten. Es widerspricht dem grundsätzlichen Umgang mit Bestandsgarantien. Ziel des Gesetzgebers ist bei einer Bestandsgarantie, dass sie irgendwann durch reguläre Zahlungen ersetzt werden sollen. Im vorliegenden Fall wären dies die Renten nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch. Dies kann nur erfolgen, wenn die Grundrenten stärker steigen als die bestandsgeschützten Zahlbeträge. Wenn wir die bestandsgeschützten Zahlbeträge in gleicher Weise anheben, kommt es nie dazu, dass die Grundrenten entsprechend an die Höhe der bestandsgeschützten Zahlbeträge angeglichen werden.
Gegen die zweite Forderung, die Aufhebung aller vorläufigen Zahlbetragsbegrenzungen für staats- und systemnahe Sonder- und Zusatzversorgung, sprechen gleich mehrere Grundsätze.
Erstens: Ein entsprechender Antrag im Bundesrat wurde mit einer derart großen Mehrheit abgelehnt, dass jede weitere Initiative sinnlos erscheint und die Ablehnung ist ganz eindeutig erfolgt mit 14:2. Die Begrenzung von 2.010 DM für die Sonderzusatzversorgung der so genannten Staatsnahen wurde im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nicht beanstandet. Ich halte es für korrekt, dass man sich an die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sehr eng anlehnt.
Meine Damen und Herren, im Übrigen vertrete ich sehr wohl die Auffassung, dass systembedingte Ungerechtigkeiten, wie sie durch eine begrenzt zugängliche Zusatzversorgung entstehen oder entstanden sind, nicht weiter fortgeführt werden müssen. Meine Damen und Herren, das Unrecht ist doch nicht das Rentenrecht der Bundesrepublik, sondern das Rentenrecht der DDR gewesen.
Die partei- und ideologieloyale Gewährung von Vergünstigungen, die können doch nicht weiter fortgeführt werden durch das bundesrepublikanische Rentenrecht.
Meine Damen und Herren, ganz besonders die dritte Forderung, keine pauschale Entgeltkürzung für alle ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MfS und AfNS, da kann ich Sie nur fragen: Wie kann es im Interesse aller Thüringer Bürgerinnen und Bürger sein, wenn die Bevorzugung des Personenkreises, der dem SEDStaat in besonderer Weise verbunden war und der zur tragenden Säule des Regimes gehörte, diese Bevorteilung auch noch weiter im Rentenbereich bestehen bleibt?
Meine Damen und Herren, wollen Sie wirklich, dass die, die uns bespitzelt haben, auch noch bis ins Alter honoriert werden für ihre Spitzeldienste. Das kann doch wohl nicht wahr sein.
Mit diesem dritten Punkt, meine Damen und Herren von der PDS, haben Sie - und ich sage dankenswerterweise ein weiteres Mal die Maske fallen lassen. Das muss man hier so sagen.
Lassen Sie mich letzten Endes noch einige Worte zu einem Thema sagen, das der Landesregierung - Ihnen allerdings offensichtlich weniger - am Herzen liegt, weil es bei Ihnen lediglich in einem Nebensatz in der Begründung zum Antrag etwas verschämt zum Ausdruck kommt, und zwar die Behandlung der Opfer des SED-Regimes.