Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die am Ende genannte Forderung für SED-Opfer auf eine parteipolitisch gespaltene Persönlichkeitsstruktur zurückzuführen ist oder der misslungene Versuch, zwischen Opfern und Tätern wenigstens halbwegs eine Waage zu halten.
Meine Damen und Herren von der PDS, um die Relation einmal herzustellen; Sie verteilen Filetstücke an die Täter und speisen die Opfer mit Brosamen ab.
Seit Jahren setzt sich Thüringen dafür ein, dass dem berechtigten Anliegen der Verfolgten durch den Bundesgesetzgeber mehr Rechnung getragen werden soll. Es gab 1999 eine Initiative, die nicht durchgebracht werden konnte. Schon damals wurde darauf hingewiesen, dass sich durch eine Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts die rentenrechtliche Ungleichbehandlung von Tätern und Opfern verstärken würde. Ich glaube, so empfinden es die Opfer auch unterdessen. Die Position der Landesregierung dazu ist klar. Wir unterstützen ausdrücklich den vorliegenden Gesetzentwurf der CDU/CSUBundestagsfraktion, den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht. Die darin vorgesehene Einführung einer Ehrenpension für SED-Opfer ist nach meiner Auffassung der wichtigste Beitrag für eine Beseitigung des SED-Unrechts. Dieser Gedanke wird im Interesse der Thüringer Bürgerinnen und Bürger sein - mehr als das, was Sie formuliert haben.
Aus diesem Grund wird Thüringen dem Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes in der vorliegenden Fassung zustimmen, da dieser Gesetzentwurf sich korrekt am Urteil des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Darüber hinaus wird die Thüringer Landesregierung aber das Thema der Opferentschädigung beharrlich und vordringlich im Auge behalten. Danke sehr.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen eine Neuregelung einiger Teile des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) gefordert und dem Gesetzgeber Zeit bis zum 30. Juni 2001 eingeräumt. Selbst bei einem
Durchlesen der Urteile vom 28. April 1999 fällt auf, dass zwar einige Regelungen des AAÜG, insbesondere ihre Auslegungen, nicht verfassungskonform sind, dass aber der Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der Überführung der Renten und der Versorgungssysteme der DDR in das bundesdeutsche Sozialsystem hat. Dieses AAÜG verfassungskonform zu gestalten ist neben dem Schuldenberg auch ein Erbe der Regierung Kohl. Das muss man so sagen, denn es gab in der 12. und 13. Wahlperiode genügend Änderungsanträge der Oppositionsparteien im Bundestag. Wir selbst haben hier auch mitgewirkt. Allein um dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Genüge zu tun, müssen für die Nachzahlungen bis zum 30.04.1999 für die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme 692 Mio. DM und für die Nachzahlungen für die Beschäftigungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn bzw. Deutschen Post noch weitere 325 Mio. DM von den öffentlichen Haushalten bereitgestellt werden. Die jährlich zu erwartenden Mehraufwendungen werden für die hier genannten Versorgungssysteme ohne Dynamisierung auf 435 Mio. DM geschätzt. Hier soll nun nach dem vorliegenden Antrag noch draufgesattelt werden. Woher aber das Geld kommen soll, wird wohlweislich immer verschwiegen. Diejenigen wissen es sicherlich auch selbst nicht.
Meine Damen und Herren, bleibt es bei der vorgesehenen Finanzierung, so müssen die neuen Länder 65 Prozent bei den Zusatzversorgungssystemen und bei der Sonderversorgung der Volkspolizei und der Feuerwehr 100 Prozent zahlen. Wie hoch diese Summe für Thüringen sein wird, wird dann vielleicht der Sozialminister schon erfahren haben und auch sagen können.
Noch eine kurze Bemerkung zur Begründung des Antrags. Es zeugt nach unserer Meinung eigentlich von keinem guten Taktgefühl, wenn im letzten Absatz der Begründung verfassungskonforme Restriktionen, z.B. bei Mitarbeitern des MfS, mit den erlittenen Benachteiligungen von Opfern des SED-Regimes in einem Atemzug gleichgesetzt werden. Sie sehen sich immer als der Anwalt wirklich von Leuten, vor denen man eigentlich immer noch eine solche Abneigung hat und mit Abscheu daran denkt, dass die auch jetzt noch hohe Renten bekommen. Die bekommen sie sowieso, aber dass sie noch mehr für sie tun wollen, das ist zum Teil nicht nachzuvollziehen.
Ich würde sagen, wäre die PDS daran interessiert, sich für die Forderungen der Opfer des SED-Regimes einzusetzen, so gehörten diese in den Antrag und nicht in die Begründung. So bleibt die Frage offen, wie man mit diesen Forderungen die Punkte 1 bis 3 des Antrags begründen will. Die SPD steht für ausgleichende und gerechte Lösungen für die erlittenen Benachteiligungen der Opfer des SED-Unrechtssystems, aber die müssen auch bezahlbar bleiben. Deshalb auch an die Adresse der CDU gerichtet, Herr Dr. Pietzsch, Sie haben es jetzt hier noch ein
mal sehr intensiv formuliert, möchte ich sagen: Es ist der Problematik nicht entsprechend, wenn man acht Jahre Zeit hatte, für die Opfer des SED-Regimes ausgleichende Regelungen zu finden,
um jetzt utopische, unbezahlbare Forderungen wie eine Ehrenpension für diese Personengruppe aufzustellen. Ich bitte hier doch die Parteipolitik hinten anzustellen und nach praktikablen Lösungen zu suchen. Nur so kann den SED-Regime-Opfern geholfen werden und ihnen muss geholfen werden, da sind wir uns, glaube ich, alle einig.
Zum Abschluss möchte ich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zitieren, Frau Präsidentin: "Zur Vermeidung erneuter ideologisch geführter Diskussionen geht der Gesetzgeber grundsätzlich nicht über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus." Ich würde es auch begrüßen, wenn die Diskussionen um die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR damit ein Ende hätten, denn da, wo es normale Zusatzversorgung gab, ist das auch - ich kenne das, ob das jetzt bei den Lehrern war, ob das bei Leuten, die Ingenieure waren - ganz korrekt überführt worden. Ich denke, jedem wird eigentlich nach seiner eigenen Biografie und seiner Berufsbiografie hier auch Rechnung getragen. Es muss doch irgendwann einmal ein Ende haben mit diesem unsäglichen Zusatz- und Sonderversorgungsystem für bestimmte Schichten der DDR. Danke.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Damen und Herren, ich habe mich zu Wort gemeldet nicht zu dem AAÜG, sondern ich habe mich ausdrücklich zu Wort gemeldet, weil die Frage der SED-Opfer angesprochen ist. Ich will zuallererst sagen, wir haben in der Fraktion in der Tat darüber debattiert, wir haben gestritten, nämlich, ob die Frage der Opfer direkt in den Antragstext schon hineingeschrieben werden muss bzw. wie die Haltung der PDS zur Frage der Opfer ist. Deswegen haben wir ausgemacht, dass ich auch ausdrücklich mich zu Wort melde, also jetzt nicht nur einmal sage, ja, ich äußere mich dazu, sondern ich will ganz deutlich darauf hinweisen, was Achim Koch gestern hier zur Frage Richterwahlausschüsse gesagt hat. Er hat Montesquieu zitiert.
Ja, Frau Arenhövel, gestatten Sie mir, dass ich darauf Bezug nehme und sage: Wenn das in der DDR gegolten hätte, hätte es diese Opfer nicht gegeben.
Ich sage genauso und hören Sie mir einfach zu, weil ich keine Lust mehr habe, 11 Jahre danach von Ihnen in einer Selbstgefälligkeit ständig so etwas vorgehalten zu bekommen über Vergangenheit, bei der ich keinen Millimeter anderer Meinung bin als Gustav Bergemann,
nämlich der Frage, dass in der DDR in der juristischen Ausprägung kein Rechtsstaat existiert hat, sondern Menschen wegen ideologischer Fragen ins Gefängnis gesperrt worden sind, Menschen teilweise aus dem Beruf gedrängt worden sind, Menschen für wenige Wochen in Haft waren und anschließend ein, zwei oder drei Jahre keine Arbeit bekommen haben und danach einen viel, viel schlechter bezahlten Beruf ausüben mussten, also in ihrer Rentenbiografie bis heute geschädigt sind. Da, Herr Minister, gebe ich Ihnen Recht. Diese Opfer sind ungenügend berücksichtigt. Diesen Opfern wird zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt
und ich sage es in der Verantwortung, auch in der Verantwortung einer Partei, der ich beigetreten bin, die tatsächlich die Rechtsnachfolge der SED angetreten hat, sich also nicht davor drücken darf, dass Fehler, die gemacht worden sind in ihrem Namen, eben als Fehler benannt werden müssen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich in der Mitte des hohen Hauses auch einmal dazu äußern würden, was Sie als Blockpartei gemacht haben. Da waren Sie genauso daran beteiligt.
Aber um diese Frage geht es an dieser Stelle nicht. Es geht tatsächlich um ein Fachthema AAÜG und es geht daneben um das Bekenntnis, was wir gemeinsam tun können, um Opfern der DDR-Zeit, des SED-Regimes und der Zeit, in der Juristerei außer Kraft gesetzt war, sondern Juristerei der Ideologie unterlegen hat, wie man diesen Opfern Gerechtigkeit zuteil werden lässt. Meine Damen und Herren, da will ich in aller Deutlichkeit sagen, die "Freiheitsglocke", das ist das Zentralorgan der Gemeinschaft ehemaliger politischer Häftlinge, der VOS e.V. Berlin, diese "Freiheitsglocke" ist nicht PDS-verdächtig, überhaupt nicht, aber in der neusten Ausgabe - und das würde ich Ihnen allen empfehlen, es auch einmal zur Kenntnis zu nehmen - wird berichtet, dass Vertreter des VOS mit Petra Pau, also der PDS-Bundestagsabgeordneten, über die Frage Ehrenpension, also das, was gerade vom Minister vorgetragen worden ist, geredet haben,
und die PDS hat sich auch dort im Bundestag verpflichtet, das Anliegen aufzunehmen. Man kann das zitieren in sieben Punkten, die zwischen Petra Pau und der VOS abgestimmt worden sind, wo ein klares Bekenntnis zur Verantwortung abgegeben worden ist und wo klar die PDS sich bekennt, zu sagen, diesen Opfergruppen müssen wir innerhalb des Rentensystems einen Ausgleich zukommen lassen, weil sie nämlich über die Rentensystematik den Ausgleich nicht bekommen werden. Ich erinnere hier nur an die Geschwister May, denen werden wir über die Rentensystematik überhaupt keinen Ausgleich zukommen lassen. Da müssen wir einen anderen Weg gehen. Ich bin dafür, dass wir über den anderen Weg dann miteinander reden und die PDS kann sich nicht davor drücken, diese Verantwortung auch zu übernehmen. Aber, meine Damen und Herren, ich bitte darüber einen Moment nachzudenken, dass es bestimmte Auseinandersetzungen gab, die dem Kalten Krieg geschuldet sind, wo bestimmte Rechtmäßigkeiten auch in dem Teil des deutschen Landes, aus dem ich komme - Frau Arenhövel, Sie werden es nie begreifen, was es bedeutet, wenn ein Postbote nach 25-jähriger Beamtentätigkeit wegen des Vorwurfs, dass er nicht auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen würde, der Vorwurf hat genügt, Frau Arenhövel. Sie wissen gar nicht, was es heißt, auch auf diese Art bespitzelt und denunziert zu werden und dann aus beamtenrechtlichen Gründen herausgeschmissen zu werden und genauso rentenrechtlich schlechter gestellt zu sein. Es sind eben auch Tausende und Zehntausende, die im Zuge des KPD-Verbots in Westdeutschland, nicht in vergleichbarer, aber auch in Benachteiligung gekommen sind und auch Probleme hatten. Jupp Angenfort hat im Gefängnis gesessen viele, viele Monate lang, ohne verurteilt zu sein. Auch das ist ein Teil des Kalten Krieges.
Das ist eine Sicht, die haben Sie; ich habe eine andere. Weil ich habe viele Beamte kennen gelernt, die aus dem Beamtenrecht entfernt worden sind, die sich für die Demokratie eingesetzt haben. Da hat der Vorwurf genügt, sie seien nicht auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Aber das brauchen wir jetzt hier nicht zu diskutieren. Die Frage ist an der Stelle, ob Sie einfach begreifen, dass wir den Kalten Krieg gemeinsam überwinden müssen.
Sie vermischen ständig alles. Sie verleugnen Ihre Verantwortung der Vergangenheit, lehnen sich zurück, zeigen immer in die Richtung und sagen dann, deswegen
sprechen wir Ihnen das Recht ab, über bestimmte Fragen zu reden. Wenn wir dann Erklärungen politisch abgeben, negieren Sie das, weil Sie sagen, also dem glauben wir überhaupt nichts. Von daher sage ich, das bin ich gewöhnt, Frau Arenhövel. Ich plädiere nur dafür, dass man begreift, dass der Kalte Krieg gesamt zu Ende gebracht werden muss in der Bundesrepublik Deutschland.
Dazu gehört es, ein Bekenntnis zu den Opfern der DDRZeit abzugeben. Das hat die PDS mehrfach getan. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es bei der Aussage, es müsste die Ehrenpension sein, meines Erachtens ein Problem gibt. Die Ehrenpension in der Bundesrepublik Deutschland hat es gegeben wegen der Verfolgten des Naziregimes. Da gibt es eine Unterscheidung, Frau Arenhövel, die würde ich Ihnen gern nahe bringen, doch es sind die Leichenberge in Auschwitz.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nach dieser hoch ideologisierten Debatte, die hier von Herrn Ramelow geführt worden ist,
möchte ich versuchen, auf dem Weg der Sachlichkeit hier zu argumentieren. Nach Ihrer Rede, Herr Ramelow, müsste ich eigentlich meinen, ich hätte den falschen Antrag in der Hand, denn Ihr Antrag kommt den Tätern zugute und auf gar keinen Fall den Opfern; ganz im Gegenteil.
Denn gerade in Punkt 3 heißt es wortwörtlich, ich zitiere und lese nur das vor, was hier steht: "3. keine pauschale Entgeltkürzung für alle ehemaligen Mitarbeiter/-innen des MfS/AfNS".