Protokoll der Sitzung vom 07.09.2001

Das ist genau das Konzept, was auch in Hessen gemacht werden soll. Ich denke, man sollte dieses nicht a priori in Bausch und Bogen ablehnen, das habe ich auch nicht getan und das hat auch der Ministerpräsident nicht getan. Da sind wir uns nämlich völlig einig.

(Beifall bei der CDU)

Was den Bericht der Landesregierung angeht, den Sozialbericht, Frau Thierbach, da wollen Sie mir am allerliebsten vorschreiben, wie der zu machen ist und wie der auszusehen hat und wann Sie ihn annehmen und wann Sie ihn nicht annehmen. Ich sage Ihnen, den Sozialbericht, den wird das Sozialministerium machen und wird ihn in der Mitte des nächsten Jahres vorlegen.

Zu dem Bericht über die Lebenslagen in Deutschland oder der Armuts- und Reichtumsbericht, der Ende April dieses Jahres vorgelegt worden ist, ich kann dieses leider nur unterstützen. Es sind Fakten gebracht und im wesentlichen Fakten aus den Jahren 1993 bis 1998, aber es sind keine Konsequenzen daraus gezogen. Was vielmehr einen großen Umfang des Berichts ausmacht, ist ein Lob auf die Sozialpolitik der rotgrünen Koalition, ob

wohl man das nach zweieinhalb Jahren noch gar nicht messen kann und ich kann es noch gar nicht abschätzen. Es wird z.B. in diesem Bericht erklärt, das ist richtig, dass die Arbeitslosigkeit entscheidend etwas mit Armut und Reichtum usw. zu tun hat. Das ist völlig richtig, aber was ist denn in dem Bereich bisher geleistet worden? Die Konjunktur geht zurück, meine Damen und Herren, und die Arbeitslosenzahlen nehmen bedauerlicherweise wieder zu. Wenn es wirklich darum ginge, dass sich der Bundeskanzler an seinen Aussagen zur Arbeitslosigkeit messen lassen würde, dann würde er vermutlich im nächsten Jahr gar nicht wieder zur Wahl antreten.

(Beifall bei der CDU)

Aber das überlasse ich ihm und das muss er dann erklären, weshalb diese Zahlen nicht so gekommen sind.

Meine Damen und Herren, ich muss auch das zurückweisen, den Angriff, Frau Abgeordnete Arenhövel, den Sie bekommen haben. Natürlich können und wollen wir Deutschland nicht mit Rumänien oder Bulgarien, Kuba oder sonst wem vergleichen. Aber das macht natürlich auch so ein bisschen deutlich die Fragwürdigkeit des Armutsbegriffes überhaupt. Sie haben mir selber gesagt, Frau Thierbach, es geht um kulturelle, soziale, finanzielle Teilhabe an der Gesellschaft. Aber genau genommen wird der Armutsbegriff, nachdem das so breit gefächert ist, dann doch wieder nur am Geld festgemacht, nämlich 50 Prozent des frei verfügbaren Einkommens.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das steht doch gar nicht so drin.)

Meine Damen und Herren, deswegen muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin für diesen Armutsbegriff nicht, denn wenn wir diesen Armutsbegriff zugrunde legen, dann hat nämlich Frau Arenhövel Recht, dann gibt es in Rumänien und Bulgarien vielleicht weniger Armut als in Deutschland und das ist natürlich unsinnig.

(Beifall bei der CDU)

Wir hätten die Armut absurderweise in dem Augenblick erfolgreich bekämpft, wo wir alle gar nichts mehr haben. Dann wären wir alle nur noch auf dem Durchschnitt.

Meine Damen und Herren, ein solcher Bericht, wie er vorgelegt worden ist, ist nicht allein dazu geeignet, die soziale Situation konkret zu verbessern, sondern er hat lediglich Zahlen aufgezeigt. Eine Wende in der Sozialpolitik, eine Verbesserung in der Sozialpolitik hat es dazu nicht gegeben. Es ist nicht illegitim, an die Bundesregierung die Forderung zu stellen, aus dem Armuts- und Reichtumsbericht, den sie erstellt hat, als Erstes selber Konsequenzen zu ziehen. Aber das ist eben bisher, muss ich leider sagen, nicht passiert. Ich habe gesagt Arbeitsmarktpolitik, Rentenpolitik, Gesundheitspolitik, Familienpolitik, das sind doch die sozialen Felder, wo auf Bun

desebene eigentlich was getan werden müsste, aber das Gegenteil passiert. Jetzt werden Sie wieder sagen, jetzt kommt der damit auch noch, aber Tatsache ist es, die Ökosteuer belastet gerade diejenigen, die jetzt nicht in irgendeiner Weise steuerlich abschreiben können.

(Beifall bei der CDU)

Es trifft die Sozialhilfeempfänger, es trifft auch die allein Erziehenden.

Meine Damen und Herren, Zusammenfassung: Dieser Armutsbericht ist eher eine niederschmetternde Bilanz und es bringt keine Verbesserung. Ich sage Ihnen zu, dass ich so, wie ich es schon einmal gesagt habe, im nächsten Jahr hier dem Haus einen Sozialbericht des Freistaats Thüringen vorlegen werde. Das ist das, was ich im Augenblick dazu sagen kann. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen... Doch, Frau Abgeordnete Heß, SPD-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich wollte eigentlich nichts mehr dazu sagen,

(Beifall bei der CDU)

weil viele schon etwas gesagt haben, aber ich bin

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU:... innerlich so bewegt.)

nach dem Bericht des Ministers eigentlich auch tief betroffen.

(Unruhe bei der CDU)

Ich denke, man muss hier noch einmal deutlich sagen, die vorhergehende Bundesregierung hatte 16 Jahre lang Zeit, um etwas zu tun.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Wie war es denn, was haben wir denn übernommen, einen Berg Schulden und eine extrem hohe Arbeitslosigkeit.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Wollen wir doch noch einmal daran erinnern: Wer hat die BAföG-Reform eingeführt und auf den Weg gebracht? Wer hat innerhalb der Legislatur das Kindergeld um 80 DM erhöht? Wer hat das Schlechtwettergeld wieder eingeführt?

(Unruhe bei der CDU)

Wer hat die Ausbildungsprogramme auf den Weg gebracht? Sie scheinen sehr schnell zu vergessen, was vor kurzer Zeit geschehen ist, aber Sie scheinen ganz schnell das zu vergessen, was 16 Jahre lang nicht passiert ist.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Wenn der Herr Schröder hier an sein Versprechen bezüglich der Arbeitslosigkeit erinnert wird, vergessen Sie bitte nicht auch, es gibt auch ein Versprechen des Ministerpräsidenten, in Thüringen die Arbeitslosigkeit unter 100.000 zu senken. Das haben wir bis heute nicht erreicht.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Wir müssen hier nicht belehrt werden, wir wissen selber...)

Die gesellschaftliche Situation wird in diesem Bericht wiedergegeben, und zwar für den Zeitraum bis 1998, das heißt, er reflektiert die Politik, die bis 1998 gewesen ist. Nichts anderes ist hier wiedergegeben worden.

(Unruhe bei der CDU)

Ich denke, das sollte sehr wohl und sehr gut analysiert werden und sollte auch sehr wohl auf Thüringen heruntergebrochen werden, damit wir damit arbeiten können. Deshalb, Herr Minister Dr. Pietzsch, was Sie heute hier vom Stapel gelassen haben, das ist einer christlichen Partei nicht würdig. Sie sollten sich schämen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Es gibt weiteren Redebedarf, Frau Abgeordnete Bechthum, SPD-Fraktion.

(Unruhe bei der CDU)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich kann mich immer wieder nur wundern, warum bringen wir es nicht

fertig, zu einer Problematik, die uns eigentlich alle so berührt, sachlich reden zu können.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Sie haben doch Populismus hier verbreitet.)

(Unruhe bei der CDU)