Protokoll der Sitzung vom 11.10.2001

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Schemmel, Schemmel!)

Aber Sie wollen dann auch noch reden? Also dann bitte, Herr Abgeordneter Schemmel.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident a.D. Pietzsch, Sie haben sich auf die letzte Legislaturperiode bezogen, die ist bekanntlich 1999 beendet und wie man auch jetzt wieder merkt, mit einem bedauerlichen Ergebnis.

(Beifall bei der SPD)

Damals war überhaupt noch nicht die Frage und wir haben uns auch damals noch nicht damit beschäftigt, dass ab dem Jahr 2002, also drei Jahre später nach Ende der Legislaturperiode Thüringen einen zusätzlichen Sitz hat. Gewusst haben wir es, aber haben uns dazu nicht in dem Sinne verständigt.

Und jetzt noch etwas ganz anderes. Der Ausschuss der Regionen, und das wissen Sie hoffentlich genauso gut wie ich, dass die Regionen in Europa sich im Allgemeinen nur in den seltensten Fällen mit föderalen Einheiten mit den deutschen Bundesländern decken. Der Normalfall ist, dass die Regionen, die diesen Ausschuss bilden, ein ganz anderes Strukturelement sind und die absolut nicht mit Gesetzgebungskompetenz ausgestattet sind wie so ein Landtag. Das heißt also, die Regionen Europas sind zum überwiegenden Teil ganz andere Strukturen als die deutschen Bundesländer und sie ähneln vielmehr kommunalen Strukturen, Landkreisen etwa, als es die deutschen Bundesländer sind und gerade auch in ihrer Kompetenz. Die Regionen Europas besitzen im Allgemeinen viel weniger Gesetzeskompetenz als der Thüringer Landtag. Das ist eindeutig erwiesen. Deshalb fügt sich natürlich ein Vertreter eines kommunalen Verbandes oder ein kommunaler Vertreter, wenn wir ihn jetzt zusätzlich stellen können, ohne den Vertreter der Thüringer Regierung oder des Landtags anzuzweifeln, fügt sich natürlich wesentlich besser in diesen Ausschuss ein und kann dort in diesem Ausschuss viel mehr die Strukturen vertreten, um die es geht, wenn wir von einem Europa der Regionen reden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Botz, jetzt haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nur ganz kurz noch einmal, Kollegen, es soll ja für uns alle bald Feierabend sein. Aber eines, verehrter Kollege Dr. Pietzsch, eines muss wirklich noch einmal ganz sachlich und in Ruhe, weil es ja leider nicht allzu vielen Bürgern wirklich klar ist, wie der institutionelle Aufbau ist und das ist ja auch kein Vorwurf, es ist ja nur eine Feststellung, muss noch einmal klargestellt werden, es geht hier um das wahrscheinlich rund alle 15 Jahre, wenn die Regelungen so bleiben, zeitlich befristet zur Verfügung stehende zweite Mandat und die Stellvertreterschaft.

Es kann also überhaupt nicht darum gehen, dass irgendjemand die zeitlich überwiegend vollkommen normale gerechtfertigte Vertretung des Freistaats Thüringen mit seinem Mandat und seiner Stellvertreterschaft, die ja seit 1994 ausgeübt wird, in irgendeiner Art und Weise einschränken will. Das haben wir nie gewollt und das

beabsichtigt der Antrag nicht. Das muss einfach noch einmal klargestellt werden. Dann Ihr Einwurf, warum heißt das Ding AdR? Das kann ich Ihnen noch sehr gut erklären, da wurde damals heftig, unter anderem auch wegen möglicher Konkurrenzen, die zukünftig entstehen könnten, auch im Europaparlament diskutiert. Und es gab warnende Stimmen, als sich dieser kurze Begriff durchgesetzt hat, AdR, Ausschuss der Regionen, nämlich genau mit der Begründung, die mein Kollege Schemmel jetzt hier auch noch einmal klarstellen musste. Der Titel sollte nicht zu lang werden, gemeint sind aber, und das können Sie in der Satzung des AdR als Erstes mit nachlesen, gemeint sind eine Vertreterversammlung von regionalen und lokalen Gebietskörperschaften. Ich möchte hier nicht wiederholen, was Herr Schemmel richtigerweise hier klargestellt hat, es ist eines der immanenten Anliegen dieses Ausschusses, überwiegend diejenigen, die auf unterster politischer Ebene am dichtesten am Bürger sind. Das hauen wir uns doch gegenseitig immer wieder um die Ohren. Viele von Ihnen sind doch Kommunalpolitiker, Sie können da doch mal leise nicken. Diese Bürgernähe, die manchem von uns ab und zu mal verloren geht, manchem ist die dauerhaft verloren gegangen, aber das ist eben so, je höher man kommt, diese Bürgernähe hat niemand so stark - natürlich hat sie ein Landtagsabgeordneter und die verehrten und vorgeschlagenen Kollegen haben Bürgernähe, das spricht Ihnen doch niemand ab - aber niemand kann sie so intensiv, so stark haben wie aktive hauptamtliche Kommunalpolitiker. Und es ist ein Versuch, dieser Antrag ist ein Versuch unsererseits, Sie dazu zu bewegen, zeitlich befristet diese Bürgernähe dorthin zu bringen, wo sie in Zukunft stärker hingehört, nämlich in Gremien dieser Europäischen Union. Das ist unsere Zielstellung, der sollten Sie sich nicht verschließen. Alles andere, Herr Dr. Pietzsch, verehrter Herr Kollege, Sie haben gesagt, wir haben das erste Mal die Chance. Dem halte ich entgegen, wir haben immer die Chance, z.B. Folgendes zu machen - das ist eine reine Entscheidung zwischen diesem Haus und dem verehrten Ministerpräsidenten -, einen Minister oder Staatssekretär auf dem Ticket wie zurzeit der Herr Minister Gnauck da hinzuschicken oder vorher Otto Kretschmer damals, und ihm als Stellvertreter einen Landtagsabgeordneten beizuwählen. Das ist souveräne Entscheidung dieses Hauses in Abstimmung mit dem Ministerpräsidenten. Diese Chance haben wir jedes Mal. Wir könnten aber ergänzend dazu das tun, was wir mit diesem Antrag beabsichtigen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Wir wol- len das aber so tun.)

Ich will das nur noch einmal unterstreichen. Die Dinge entwickeln sich, sie entwickeln sich zügiger. Wir sind in einer beschleunigten Phase der Einflussnahme europäischer Entscheidungen bis auf den Bürger hinunter. Das wissen wir doch, meine Damen und Herren. Auch wenn Sie das jetzt wieder anders entscheiden, nehmen Sie diese Debatte als Anregung, in Ruhe und großer Gelassenheit

vielleicht für den nächsten Fall einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht stärker aktiven Kommunalpolitikern diese Möglichkeit geben. Es hätte nur Vorteile,

(Beifall bei der PDS, SPD)

es würde dem Freistaat mehr nutzen als in irgendeiner Form, wie Sie hier den Eindruck erwecken wollen, schaden.

Herr Abgeordneter Botz, lassen Sie eine Nachfrage vom Abgeordneten Sonntag zu?

Herr Kollege Botz, zu später Stunde gestatten Sie mir die Frage: Wenn ich mir jetzt von Ihnen aus Ihrem Munde die Vorzüge, die Bürgernähe Ihres Kandidaten anhören durfte, warum musste ich mir da vor wenigen Stunden genau das Gegenteil bei der Unterschriftensammlung in Ämtern anhören? Kann es sein, Sie drehen es, wie Sie es brauchen?

Also, verehrter Herr Kollege, jetzt einmal zum Kandidaten. Ein CDU-Kommunalpolitiker - davon gibt es sehr viele -, der die Kriterien erfüllt, nämlich manchmal schon mehr als zehn Jahre Erfahrungen

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl, aktiv, hier!)

aktiv tätig im Gemeinde- und Städtebund, aktiv tätig nicht heute hier in der Legislative, nicht in der Exekutive, sondern dort, wo die Dinge immer noch anders wahrgenommen und empfunden werden. Ja, aber selbstverständlich, das wissen Sie doch genauso gut. Ansonsten könnten wir uns doch darauf verständigen, dass der ehemalige Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes, auch wenn er heute rein zufällig der Exekutive angehört, auf jeden Fall immer ausreichend ist.

(Beifall bei der CDU)

Die Damen und Herren haben nun einmal die Verantwortung der derzeitigen Ebene, auf der sie Verantwortung haben. Oder fragen Sie doch einmal Herrn Lenz, ob er sich in jedem Punkt durch den heutigen Minister selbstverständlich so vertreten sieht wie in der letzten Legislatur, als er noch sein Chef im Gemeinde- und Städtebund war. Mit so einer Debatte brauchen wir doch nicht anfangen. Dass wir als SPD-Fraktion einen der

aufkommenden und erfolgreichen Landräte hier personell vorschlagen, tun Sie es doch von Ihrer Seite, Sie haben doch auch einen großen Schatz von Persönlichkeiten. Ziehen Sie diese verehrten Anträge zurück, nehmen Sie einen CDU-Kommunalpolitiker, kommen Sie dem Grundanliegen unseres Antrags entgegen, es wäre zum Nutzen dieses Landes und seiner Bürger.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Mir liegen jetzt keine weiteren... Es wäre schön, wenn Sie sich ein bisschen eher melden können, bevor ich sage, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es wird Ihnen doch wohl möglich sein, rechtzeitig die Hand zu heben. Bitte, Herr Abgeordneter Carius.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Nur ruhig bleiben.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin, ich habe die Hand noch rechtzeitig gehoben, aber ich danke Ihnen trotzdem sehr.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die beiden jetzt eben gehörten Reden haben mich doch zu einigen Äußerungen noch getrieben. Sie haben es ja wohl maßlos übertrieben, Herr Botz, mit Ihrem Antrag. Wenn man das richtig betrachtet, dann war das wohl letztlich ein Antrag, den wir Ihrem Hüftschuss zu verdanken haben aus der letzten Woche. Sie haben Ihre Fraktion da unter Zugzwang gesetzt. Letztlich ist Ihr Antrag fehl gegangen. Es handelt sich hier um eine aberratio ictus, würde man es vielleicht juristisch sagen, und Sie wollen es uns hier als einen Blattschuss verkaufen. Das kann wohl nicht sein. Und, Herr Schemmel, die kommunalen Strukturen anderer Länder, also, ich hätte einem Staatssekretär mehr zugetraut, als dass er da sagt, die Regionen würden Landkreisen entsprechen, allenfalls Regierungsbezirken, Herr Schemmel. Und aus der gesamten Diskussion, eher Landkreisen bzw. Kommunen, haben Sie gesagt.

(Unruhe bei der CDU)

Einen kleinen Moment, Herr Carius. Darf ich Herrn Abgeordneten Fiedler bitten, sich ein bisschen ruhiger zu verhalten. Es ist fast nichts zu verstehen. Ja, vielleicht sollte Sie das ermuntern, ein bisschen schweigsamer zu sein.

Bitte fahren Sie fort, Herr Abgeordneter Carius.

Eine allerletzte Bemerkung: Wenn Sie schon sagen, wir sollten hier die Kommunen unbedingt stärken und in den Kommunen, wie Frau Nitzpon das sagte, würden jetzt so viele Entscheidungen mehr anstehen als hier im Land, da muss man sich wirklich fragen, wozu braucht man da noch ein Landesparlament. Diese Frage muss ich Ihnen tatsächlich stellen. So weit haben Sie es denn doch getrieben.

Im Übrigen haben wir ja hier viele Kommunalpolitiker, die auch kommunal engagiert sind. Insofern verstehe ich den Antrag der SPD nicht. Und dass Sie dem folgen, das verstehe ich noch weniger. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich warte jetzt lieber ein bisschen länger, falls sich doch noch jemand entschließt. Ganz offensichtlich ist das zu diesem Tagesordnungspunkt heute nicht mehr der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der SPD-Fraktion in Drucksache 3/1862. Wer für den Antrag stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag mit einer großen Mehrheit abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13 b.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13 c

Zeitplan - Neuordnung des Thüringer Verfassungsschutzes Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/1863

Herr Abgeordneter Pohl, Sie begründen den Antrag, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Thüringer Verfassungsschutz war in den vergangenen Monaten wiederholt in die Schlagzeilen geraten. Für unsere Fraktion ist natürlich ein funktionierender Verfassungsschutz ein wichtiger Baustein innerhalb der inneren Sicherheit und das besonders auch vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse.

Der Verfassungsschutz befindet sich laut Aussage der Landesregierung in einem Prozess der Erneuerung, der Neuordnung, und diesen Prozess der Neuordnung, den wollen wir natürlich auch mit begleiten. Aus diesem Grund haben wir diesen Antrag auf Berichtsersuchen, auch zu der Problematik des Zeitplans gestellt. Ich danke.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat sich der Abgeordnete Fiedler zu Wort gemeldet, CDU-Fraktion.

(Zuruf Abg. Fiedler, CDU: Wir wollen... einen Bericht...)

Entschuldigung, dann geben Sie bitte den Sofortbericht.

(Zuruf Abg. Fiedler, CDU: Wir wollen doch erst die Landesregierung hören.)

Sie saßen ja schon auf dem richtigen Platz, Herr Fiedler.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der 11. September hat die Welt verändert. Es ist nicht alles neu geworden, aber manches anders. Besonders deutlich geworden ist, wie gefährdet die Freiheit auch im 21. Jahrhundert ist. Und deutlich geworden ist auch, wie eng Freiheit und Sicherheit zusammengehören, wie sehr beide einander bedingen.

(Beifall bei der CDU)