Protokoll der Sitzung vom 08.11.2001

Aufgrund von Presseveröffentlichungen am 28. Oktober 2001 in dänischen Tageszeitungen und nachfolgend in der deutschen Medienlandschaft wurde deutlich, dass die dänische Justiz seit Jahren gegen die Tvind-Gruppe ermittelt. Bei den Tvind-Aktivitäten handelt es sich ursprünglich um Alternativschulen und um humanitäre Projekte zur Hilfe und zur praktischen Solidarität mit den armen Menschen in der dritten Welt. Aus Kreisen der

dänischen Justiz wird berichtet, dass es sich heute um einen kriminell agierenden Wirtschaftskonzern handeln soll, der im klassischen Sektenstil mit Gehirnwäsche, Psychoterror und vor allem mit finanzieller Ausbeutung der Mitarbeiter rücksichtslos Geschäfte machen würde. Nach Angaben der dänischen Justiz sollen zu dem Konzern auch die Humana-Secondhand-Läden gehören.

Ich frage deshalb die Landesregierung:

1. Gibt es in Thüringen Erkenntnisse, ob die Tvind-Gruppe Aktivitäten im Freistaat entfaltet hat?

2. Gibt es im Bereich der Privatschulen Aktivitäten, die auf eine Verflechtung mit den dänischen Tvind-Alternativschulen hindeuten?

3. Hat die Landesregierung Erkenntnisse dahin gehend, dass die unter dem Namen Humana firmierenden Secondhand-Läden dem Tvind-Konzern angehören?

4. Wie viele dieser Humana-Secondhand-Läden gibt es in Thüringen und welche Aktivitäten gehen von diesen aus?

Herr Minister Dr. Krapp, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Ramelow namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Fragen 1 bis 3: Nein.

Zu Frage 4: In Erfurt existiert eine Verkaufseinrichtung unter dem Namen Humana-Secondhand-Kleidung, die als Betriebsstätte einer gleichnamigen, in Berlin im Handelsregister eingetragenen GmbH angemeldet wurde. Ob das Unternehmen der benannten Tvind-Gruppe angehört, ist nicht bekannt.

Ich sehe keine Nachfragen. Danke. Wir kommen zur Frage in Drucksache 3/1957. Bitte, Frau Abgeordnete Thierbach.

Vergabe des Dritten Sozialberichts

In der Plenarsitzung am 12. Oktober 2001 konnte die Landesregierung noch keine detaillierten Antworten auf die Mündliche Anfrage in der Drucksache 3/1839 - Dritter Sozialbericht - geben. Im Rahmen des öffentlichen Ausschreibungsverfahrens zur Vergabe der Erstellung des Dritten Sozialberichts haben sich nach Antwort der Landesregierung zur oben genannten Mündlichen Anfrage drei

Bieter gemeldet. Die Zuschlagsfrist war zunächst auf vier Wochen anberaumt, jedoch im Einvernehmen mit den Bewerbern um zwei Wochen verlängert worden. Diese verlängerte Zuschlagsfrist dürfte nun abgelaufen sein, so dass ich die Landesregierung erneut frage:

1. Welche Institutionen, Vereine oder Einzelpersonen haben sich um die Erstellung des Dritten Thüringer Sozialberichts beworben?

2. Welcher Bewerber hat seitens der Landesregierung den Zuschlag dieser Ausschreibung erhalten?

3. Im Punkt 3.1 der Ausschreibung wurden Kriterien für den Inhalt des zu erarbeitenden Sozialberichts genannt: Welche inhaltlichen Schwerpunkte wurden durch den Beauftragten zur Erstellung des Dritten Thüringer Sozialberichts gesetzt?

Herr Minister Pietzsch, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Frau Abgeordnete Thierbach, ich wollte Ihnen schon vorschlagen, wir machen es mal umgekehrt. Ich lese erst die Antwort vor und dann fragen Sie. Aber wir machen es doch so, wie es üblich ist.

Ich beantworte diese Mündliche Anfrage für die Landesregierung folgendermaßen:

Zu Frage 1: Auf die Ausschreibung zur Erstellung des Dritten Thüringer Sozialberichts haben sich - wie ich ja bereits ausgeführt habe - drei Institute bzw. Gesellschaften beworben. Nun gibt es allerdings eine gewisse Schwierigkeit. Nach § 22 Nr. 2 der Verdingungsordnung für Leistungen sind die Angebote vertraulich zu behandeln. Wie sich aus § 27 dann wiederum ergibt, ich nenne die einzelnen Abschnitte dieser Verdingungsordnung nicht, wird weiter ausgesagt, dass beispielsweise erfolglosen Bietern mit Rücksicht auf die Vertraulichkeit der Angebote keine Angaben aus anderen Angeboten gemacht werden. Daher bitte ich um Verständnis, dass Auskünfte zu den erfolglosen Anbietern nicht in einer öffentlichen Sitzung des Landtags erfolgen können. Keine Einschränkungen, denke ich, dürften jedoch bestehen, wenn entsprechende Anfragen in nicht öffentlichen Gremien des Landtags erörtert werden. Dazu bin ich bereit.

Zu Frage 2: Der Zuschlag wurde der "empirica" Wirtschaftsforschung und -beratung GmbH aus Berlin erteilt.

Zur Frage 3: Der Anbieter wird zunächst in einem allgemeinen Teil des Sozialberichts die soziale Lage anhand der Parameter Haushaltsstruktur, Einkommen, Vermögen

und Erwerbsbeteiligung beschreiben und dabei sowohl die Entwicklungen als auch Strukturen darstellen. In einem speziellen Teil sollen für bestimmte und gegebenenfalls aus den Daten des allgemeinen Teils festzulegende Teilgruppen der Bevölkerung in Thüringen gezielt Sonderauswertungen erfolgen. Die zentralen Aussagen sollen sodann in einem Vergleich mit den neuen Bundesländern insgesamt sowie mit den alten Bundesländern insgesamt gestellt werden. Dies wird ergänzt werden durch eine umfassende Wanderungsanalyse für Thüringen, die anhand der Variablen Alter, Geschlecht, Nationalität, Ziel und Herkunft Aufschluss zu den Wanderungsbewegungen geben wird. Dem Anbieter stehen insgesamt aus bereits abgeschlossenen und noch laufenden Projekten - und das war ein großer Vorteil - umfassende Datensätze zur Verfügung, die eine Auswertung Thüringer Gegebenheiten vereinfachen und eine gezielte Darstellung der gesellschaftlichen Situation ermöglichen.

Es gibt eine Nachfrage. Bitte, Frau Abgeordnete Thierbach.

Herr Minister, aus der Vergabe an "empirica" Berlin ergibt sich jetzt meine Nachfrage. Ist damit gegeben, dass im späten Frühjahr nächsten Jahres der Sozialbericht tatsächlich erscheinen wird oder gibt es bereits auch da einen Antrag auf Verlängerung?

Frau Abgeordnete, ich hatte ja im letzten Plenum, als Sie diese Frage gestellt haben, gesagt, die Verlängerung der Ausschreibungsfrist von 14 Tagen wird sich nicht auf das Datum der Erstellung des Berichts auswirken. Aber wir haben nie gesagt im Frühjahr, sondern wir haben gesagt, in der Mitte des Jahres wird der Bericht erstellt sein.

Es gibt eine weitere Nachfrage. Bitte Frau Abgeordnete.

In der Ausschreibung ist eine eindeutige Zielorientierung der Abgabe des Berichts formuliert. Wird diese Zielorientierung identisch sein mit der Veröffentlichung gegenüber dem Thüringer Landtag?

An dieser Zielorientierung wird festgehalten. Aber Sie wissen auch, dass es unter Umständen Verzögerungen geben kann, dass es auch Korrekturlesungen usw. gibt. Wir

haben den Zieltermin schon deshalb sehr zeitig gestellt, damit auch wirklich der Abgabetermin oder der Veröffentlichungstermin des Sozialberichts eingehalten wird. Sie dürfen diese beiden Termine bitte nicht in Übereinklang sehen.

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Damit kommen wir zur letzten Anfrage für heute, eine Anfrage des Abgeordneten Ramelow, Drucksache 3/1956. Bitte, Herr Abgeordneter.

Beihilferechtliche Prüfverfahren der EU-Kommission gegen Thüringer Unternehmen

Die EU-Kommission hat im Rahmen von beihilferechtlichen Prüfverfahren gegen Thüringer Unternehmen bereits entschieden, dass gewährte staatliche Subventionen nicht mit dem EU-Vertrag und dem Binnenmarkt vereinbar seien. Es wurde bemängelt, dass realistische Sanierungspläne für die Unternehmen nicht vorlagen und die Beteiligung privater Geldgeber an den Umstrukturierungen gefehlt haben. Die Kommission stellte in diesem Zusammenhang klar, dass die jetzigen Unternehmen gemeinsam mit den Rechtsvorgängern haften. Ich frage die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen und gegen welche Unternehmen hat die EU-Kommission aktuell Prüfverfahren eröffnet und noch in Bearbeitung?

2. In wie vielen Fällen und bei welchen Unternehmen stützt sich die Kommission auf fehlende Sanierungs- bzw. Umstrukturierungspläne bzw. auf fehlende Anmeldung der entsprechenden Subventionen?

3. Welches Thüringer Ministerium und welche Gesellschaft mit Landesbeteiligung trägt die Verantwortung für die nicht mit EU-Wettbewerbsrecht verträgliche Arbeitsweise der staatlichen Subventionierung ohne Antrag an die EU-Kommission?

4. Hat die Landesregierung zeitliche Vorstellungen für den Abschluss der von ihr angestrengten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof im Falle der Rückforderungen betreffend das CD-Werk in Albrechts?

Herr Minister Schuster, bitte schön.

Frau Präsidentin, namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen von Herrn Ramelow wie folgt:

Zu Frage 1: Derzeit sind 17 förmliche Prüfverfahren betreffend Thüringer Unternehmen bzw. Beihilferegelungen bei der Europäischen Kommission anhängig. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Verfahren: Rhöngold Molkerei, Greußener Salamifabrik, Jointventure zwischen Daimler-Chrysler und Mitsubishi, Thüringer Porzellan GmbH, Frenzel Kyffhäuser Tiefkühlkost, Pollmeyer GmbH und hinzu kommen noch Einzelverfahren unter Federführung der BvS, nämlich Ingenieur- und Gewerbebau GmbH, Hoch- und Ingenieurbau GmbH, Technische Glaswerke Ilmenau, Schmitz Gotha Fahrzeugwerke GmbH, Gothaer Fahrzeugtechnik GmbH. Hinzu kommen weiterhin Programme, nämlich das KMU Investitionssicherungsprogramm, das Thüringer Darlehensprogramm für kleinere und mittlere Unternehmen, das Thüringer Konsolidierungsprogramm, das Thüringer Umlaufmittelprogramm, der Thüringer Industriebeteiligungsfonds und die LEG Thüringen.

Zu Frage 2: Die Europäische Kommission überprüft sämtliche Maßnahmen, die nach ihrer Auffassung Beihilfecharakter haben könnten. Handelt es sich nach der Auffassung der Europäischen Kommission bei Beihilfeempfängern um ein Unternehmen in Schwierigkeiten, überprüft sie auch die Einhaltung der Kriterien der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung für Unternehmen in Schwierigkeiten. Genehmigungsvoraussetzung hierbei ist auch das Vorliegen eines tragfähigen Umstrukturierungsplans. Die Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten ist außerordentlich unbestimmt. Die Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten beschreiben eine Vielzahl wirtschaftlicher Symptome, die erst auf Basis einer werdenden Zuordnung eine Entscheidung ermöglichen. Gelangt die Beihilfe gewährende Stelle zu der Auffassung, dass im konkreten Fall kein Unternehmen in Schwierigkeiten vorliegt, ist auch die Vorlage eines Umstrukturierungsplans im Sinne der Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten nicht erforderlich. Kommt die Europäische Kommission hingegen in einem späteren Prüfverfahren zu der Auffassung, dass das betreffende Unternehmen zum Zeitpunkt der Beihilfegewährung doch als Unternehmen in Schwierigkeiten einzustufen gewesen wäre, wertet sie die Beihilfen nicht nur formell wegen des fehlenden Notifizierungsverfahrens, sondern auch materiell wegen des fehlenden Umstrukturierungskonzepts als rechtswidrig. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die jüngste Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission, in der sie die Rechtsfolgen eines deutschen Konkursrechts nicht anerkennt und ein insolventes Unternehmen und Nachkommen der Auffanggesellschaft als ein gemeinsames Unternehmen betrachtet. Eine Vielzahl der derzeitigen beihilferechtlichen Probleme ist durch diese Vorgehensweise der Europäischen Kommission bedingt. Folgende anhängige förmliche Verfahren sind auch durch diese Problematik betroffen: Rhöngold Molkerei, Greußener Salami, Thüringer Porzellan, Frenzel Kyffhäuser und folgende Einzelverfahren unter Federführung der BvS: Ingenieur- und Gewerbebau GmbH, Hoch- und Ingenieur

bau GmbH, Technische Glaswerke Ilmenau, Schmitz Gothaer Fahrzeugwerke GmbH, Gothaer Fahrzeugtechnik GmbH und folgende Programme: KMU Investitionssicherungsprogramm, Thüringer Darlehensprogramm für kleinere und mittlere Unternehmen, Thüringer Konsolidierungsprogramm, Thüringer Umlaufmittelprogramm, Thüringer Industriebeteiligungsfonds.

Zu Frage 3: Die wettbewerblichen Vorschriften des EGVertrags sind unmittelbar geltendes Recht und als solches von jeder Beihilfe gewährenden Behörde bzw. sonstigen Stellen bei der Beihilfegewährung zu beachten. Dies gilt sowohl für Bund-, Landes- als auch für kommunale Behörden.

Zu Frage 4: Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften hat mit Schreiben vom 29. Oktober 2001 mitgeteilt, dass das schriftliche Verfahren nunmehr abgeschlossen ist und der Termin für die mündliche Verhandlung später mitgeteilt werden wird. Die Thüringer Landesregierung geht derzeit davon aus, dass die mündliche Verhandlung nicht vor Mitte des nächsten Jahres 2002 und die Urteilsverkündung nicht vor Ende des Jahres 2002 erfolgen wird.

Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall, Danke schön. Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 24 - Fragestunde.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: "Situation der ambulanten ärztlichen Versorgung in Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/1945

Als erste Rednerin hat Frau Abgeordnete Arenhövel das Wort. Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen, bitte schön, Herr Minister.