Protokoll der Sitzung vom 09.11.2001

Daran sollte man besonders dann erinnern, wenn Parlamentarier, so wie Sie, Herr Wetzel, vorhin, bedauerlicherweise im Zusammenhang mit einem Gesetzentwurf, der zwei Einreicher hat, sich ans Pult stellen und sagen, es wird keine Gespräche mit der PDS-Fraktion geben.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Das hat aber seinen Grund! Erinnern Sie sich einmal an die Verfassung, was Sie damals gewählt haben.)

(Unruhe bei der CDU)

Es zeugt von einem ziemlich derangierten Demokratieverständnis,

(Beifall bei der PDS)

wenn Sie glauben, dass Abgeordnete ihrer Verantwortung den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber gerecht werden, wenn Einreicher von parlamentarischen Vorlagen mit der Behauptung, dass es einen Grund gäbe, ohne diesen Grund klar zu erklären, einfach nicht mit einem der beiden Einreicher reden wollen. Ich kann Herrn Abgeordneten Gentzel nur dafür danken, dass er diesem Verständnis zutiefst undemokratischen parlamentarischen Umgangs mit einer Presseerklärung - ich weiß nicht, vor ein oder zwei Tagen im Grunde genommen den undemokratischen Zahn gezogen hat. Ich kann Ihnen nur den Vorschlag machen, Herr Wetzel, sich demokratischer Prinzipien zu besinnen, die den Bürgerinnen und Bürgern auch den Eindruck vermitteln, dass sie in diesem Parlament sitzen, um deren Interessen zu vertreten und nicht, um nicht nur hin und wieder, sondern vielfach auch sehr häufig parteiegoistische Interessen von Parteien, die, wenn ich Sie erinnern darf, nach Monitor 2001 ein Urteil erfahren haben, das so aussieht, dass drei Viertel der Befragten sich für mehr direkte Demokratie, zu mehr direkter Demokratie bekennen

(Beifall bei der PDS)

und ein Viertel dieser Befragten dagegen, auf der anderen Seite sich aber nur ein Viertel der Befragten für die Mitarbeit in Parteien entscheiden, aber drei Viertel der Befragten dagegen. Genau über dieses Missverhältnis des Bekenntnisses zu direkter Beteiligung im Verhältnis zur Ablehnung von Parteien sollten insbesondere die nachdenken, die parteiegoistisch denken. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Von der Demokratie zur Demagogie!)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Schemmel, SPD-Fraktion.

Ich möchte aber noch etwas Grundsätzliches zur Ordnung im Saal sagen, und zwar aufgrund von zwei konkreten Beobachtungen. Selbstverständlich können Abgeordnete und Mitglieder der Regierungsbank ihre Mitarbeiter konsultieren, die im Saal sind, das kann entweder hinten geschehen

(Beifall bei der CDU, SPD)

oder vor der Tür. Was nicht geht, ist, dass Unbefugte immer wieder durch die Gänge laufen und da macht es auch die Benutzung der Seitengänge nicht besser, es geht weder im Mittel- noch im Seitengang. Ich bitte, darauf zu achten. Es gibt Möglichkeiten, dass man sich so kontaktiert, dass man diese Ordnung einhält.

Bitte, Herr Schemmel.

Danke schön, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss zuerst einmal ein paar Worte zu dem sehr geschätzten Kollegen "Weezel" verlieren.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Ich heiße Wetzel mit "T" - Bitte Wetzel!)

Gut, okay Wetzel dann.

(Heiterkeit im Hause)

(Glocke der Präsidentin)

Ich muss doch einmal läuten, weil die Ordnung im Saal hergestellt sein muss. Wir haben junge Gäste auf der Besuchertribüne; ich bitte auch immer daran zu denken, welchen Eindruck wir in diesem Haus vermitteln.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Dieser Kollege, dessen Namen ich nun im Weiteren nicht mehr nennen werde, ist ja in einer schwierigen und gleichsam auch bedauernswerten Lage gewesen, die Haltung der CDU hier zu diesem Thema darzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Aber es kann trotzdem nicht so abgehen. Wie Sie sich mit diesem Gesetzentwurf auseinander gesetzt haben, das war

eigentlich das völlig falsche Herangehen und zeigt, dass Sie sich mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs nicht beschäftigt haben. Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich sein Urteil gesprochen aufgrund einer Gesamtschau der Elemente Quoren Volksbegehren, Quoren Volksentscheid, Sammlungsmodalitäten und Sammlungsfristen. Was Sie hier gemacht haben, war ja ein sophistisches Auseinandernehmen dieser ganzen Sache und Sie haben Folgendes vorausgesetzt. Sie haben gesagt: Wenn ein Element, was in diesem neuen Gesetzentwurf wieder auftaucht, was im alten schon stand, dann muss es unzulässig sein, weil das Verfasssungsgericht diesen alten Gesetzentwurf für unzulässig erklärt hat. Das ist völlig falsch. Das Verfassungsgericht hat sich zu keinem dieser einzelnen Elemente geäußert, sondern hat auf die erforderliche Gesamtschau abgehoben. Es kann auch keines dieser einzelnen Elemente unzulässig sein, weil diese ganzen Einzelelemente in Verfassungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland vorkommen, bloß nicht - und das akzeptieren wir - in dieser Gesamtschau. Also, wenn Sie sagen, das kann nicht sein, dass ein Volksentscheid,

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Bescheid oder Entscheid?)

ein Volksentscheid - entschuldigen Sie bitte, Herr "Wötzel"

(Heiterkeit im Hause)

nicht mit einer einfachen Mehrheit ohne Zustimmungsquorum laufen kann, weil das schon im ersten Entwurf drinstand und verworfen worden wäre, dann haben Sie absolut Unrecht. Diesen Volksentscheid, den gibt es genau in Bayern und das Verfassungsgericht hätte sich nie an die Verfassungslage in Bayern herangetastet, sondern es hat nur von dieser Gesamtschau gesprochen und nicht wie Sie von diesen Einzelelementen. Wir sind gern bereit, im Rahmen dieser Gesamtschau zu diskutieren und das war das Erste, was ich zu Ihnen sagen sollte.

(Zwischenruf Abg. Braasch, CDU: "sagen sollte" - von wem?)

Wie bitte?

(Zwischenruf Abg. Braasch, CDU: Sie sagten, "was ich... sagen sollte.")

Das Zweite ist Folgendes: Bei den Modalitäten und Fristen sollte man immer daran denken, dass die Viermonatsfrist Bestandteil der Thüringer Verfassung ist.

(Beifall bei der SPD)

Da brauche ich nichts weiter zu sagen, wer sich das zusammenreimen kann, dass Sie das auch nicht ändern können ohne uns, der wird wissen, welche Gegenzüge da zu machen sind. Aber wir wollen nicht den Verhandlungen

vorgreifen. Das Letzte, was ich an dieser Stelle sagen wollte oder sollte, das ist Ihre Begeisterung für die Vorschläge der CDU-Fraktion zum bürgerschaftlichen Engagement. Sie haben ja das helle Gelächter in diesem Haus gehört, als Sie Ihre Begeisterung gezeigt haben.

(Unruhe im Hause)

Ich möchte zu verschiedenen Elementen nichts sagen, aber Sie wissen, dass ich kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion bin, und wenn ich mir das anschaue, was auf kommunalpolitischem Weg dort vorgeschlagen wird, das ist ja das Allerletzte.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ja noch eine Verschlechterung des bisherigen Zustands. Nun darf ich Herrn Beck zitieren, den ich herzlich auf der Tribüne begrüße.

(Beifall bei der SPD)

Da darf ich Herrn Beck zitieren, Frau Präsidentin, der gesagt hat: Man kann einem Schlusslicht auch noch die Birne rausdrehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS, SPD)

Es ist genau der Effekt Ihrer Vorschläge, die Sie auf der kommunalpolitischen Ebene machen, Ihre Vorschläge zu Bürgerentscheid und Bürgerbegehren auf der kommunalpolitischen Ebene.

Nach diesen Vorbemerkungen, die mir auf dem Herzen lagen, möchte ich nun doch die Meinung der sozialdemokratischen Fraktion hier vertreten. Für uns war das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs wohl eine Zäsur, aber in keiner Weise ein Stopp oder eine Unterbrechung für unsere Bemühungen zur Stärkung der Elemente der direkten Demokratie.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Unser Wille, die Volksgesetzgebung in Thüringen wirklich möglich zu machen, ist nicht die Referenz an einen Zeitgeist, wie uns vielleicht immer wieder unterstellt wird, oder der spontane Einstieg in eine gerade existierende Initiative, sondern dieser Wille widerspiegelt lange sozialdemokratische Tradition.

(Beifall bei der SPD)

Über 100 Jahre ist es bereits her, da im Erfurter Programm der SPD erstmals die Forderung nach direkter Demokratie erhoben wurde. Wie jeder weiß, konnte dies erst Wirklichkeit werden, als Sozialdemokraten in Deutschland die Regierung bildeten - so in der Weimarer Republik. Unsere eigene politische Erfahrung - wir sind im Übrigen alle erst seit 1989 politische aktiv - beginnt mit der friedlichen Re