Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen in Zukunft Thüringen weiter gestalten, aus den Lehren der Vergangenheit auch mit den Vertriebenen, die hier viel aktiv einzubringen haben. Herr Latussek hat den Weg für einen Neuanfang frei gemacht. Es kommt jetzt aber darauf an, diesen Weg auch zu gehen. Ich weiß, dass viele hier im Parlament unter uns sind, die dabei gut helfen können und eine solche Hilfe sicher auch nicht verweigern. Nur, es muss unmissverständlich klar sein, was geht und was nicht geht, und daran darf auch in Zukunft niemand einen Zweifel lassen. Danke.
Frau Kollegin Lieberknecht, meinen ausdrücklichen Dank für Ihren Redebeitrag. Ich möchte verweisen auf meine Ausführungen, die ich am 7. Juni 2000 zum Thema Vertreibung gemacht habe und denen ich heute nichts hinzuzufügen habe. Frau Präsidentin hat darauf hingewiesen, Absage des parlamentarischen Abends war eine Zäsur. Wir hatten damals als Parlament gemeinsam den Landesverband aufgefordert, sich von dem Inhalt der Silbertaler Erklärung zu distanzieren und sich zu entschuldigen. Das ist nicht erfolgt. Insoweit ist die Rede von Arnstadt von Herrn Latussek kein einmaliger Ausrutscher, sondern sie ist lediglich der Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen brachte, bei dem das Fass aber systematisch gefüllt worden ist, und viele haben davon gewusst, dass es Stück für Stück gefüllt wurde.
Ich denke, das Thema "Flucht und Vertreibung" und das Thema "Vertreibung im vergangenen Jahrhundert" ist eines, das man nicht nur aus der deutschen Brille betrachten darf, bei dem aber das Leid, das die Vertriebenen erlebt haben, nicht kleingeredet werden kann. Ich denke aber auch, dass es notwendig ist, daran zu denken, wie sich denn der Lemberger Pole gefühlt hat, als er auf den schlesischen Deutschen in Breslau getroffen ist und beide am Bahnhof Heimatvertriebene waren, ihre Wurzeln beraubt bekommen haben und dass Vertreibung nicht durch neue Vertreibung gerechtfertigt oder wieder gutgemacht werden kann. Insoweit gilt es Versöhnungsarbeit zu leisten. Frau Präsidentin hat darauf hingewiesen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Von den vielen Briefen, die mich erreicht haben, ist einer heute bei mir angekommen, den ich hier allerdings in Teilen zitieren möchte, weil ich mir das Handbuch dazugeholt habe, ich habe es nicht glauben wollen. Da schreibt jemand an den Herrn Minister: "Unserem geschätzten verdienstvollen Landesvorsitzenden Dr. Latussek versichert der BdV-Kreisverband Hildburghausen seine Solidarität. Ich habe ihm schon zwei seelsorgerische Briefe geschrie
ben. Er hat in seiner Rede in Arnstadt die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit in Anspruch genommen und von Wahrheiten geredet, die hasserfüllte Redakteure und ihren Komplizen offensichtlich nicht erwünscht sind." Das ist der Brief an den Minister. Damit rechtfertigt er, dass das Geld weitergezahlt werden soll und schreibt dann, das sei eine PDS-orientierte Zeitung und Journaille. Das ist der Brief an die CDU. An die SPD und PDS kommt ein anderer Brief, den ich Ihnen dann auch zugänglich mache. Da wird es dann ganz absurd, da heißt es dann: "Es ist eine Unverschämtheit der CDU-Spitze ohnegleichen und aller ihrer Komplizen, von diesem Manne und von den Regional- und Kreisdelegierten den sofortigen Rücktritt nach der Wahl zu verlangen. Noch bestimmen Vereine und Verbände selber, wen sie wählen und lassen sich nicht diktatorisch von Staats- und Parteifunktionären der CDU, der SPD und PDS in ihre eigenen Anliegen hineinreden. Wir haben dabei das Recht auf unserer Seite." schreibt der ehemalige MdL Kothe von der CDU und er bedient jeden auf seine Art, also wir bekommen einen anderen Brief als Sie und meine Damen und Herren, ich bitte uns alle,...
Nein, aber er schreibt es in den Brief an uns als CDUMdL in der Zeit von 1990 bis 1994, ich will auf etwas ganz anderes hinaus. Ich halte es Ihnen doch gar nicht vor.
Sie hätten doch wenigstens die Geduld, mich zu Ende reden zu lassen. Ich habe ausdrücklich Frau Lieberknecht gedankt für ihren Redebeitrag und wollte darauf hinweisen, dass es nicht nur einen großen Latussek gibt, sondern dass es viele kleine Latussek's gibt, die das Leid der Menschen,
das Schicksal der Vertriebenen als Kokon nutzen, um gegen parlamentarische Demokratie zu hetzen und zu wettern. Ich denke, es ist Zeit, dass wir darüber tatsächlich genauer reden und uns genauer den Blick öffnen, hinschauen und sagen, lieber BdV-Landesverband, es reicht nicht nur, dass der BdV-Landesvorsitzende zurückgetreten ist, es muss eine personelle Erneuerung geben. Dieser Herr, der mir hier geschrieben hat, schreibt, er sei der neue BdV-Kreisvorsitzende, der, der jetzt gewählt werden soll. Das heißt, personelle Erneuerung bedeutet, sich mit dem Schicksal von Vertreibung im europäischen Maßstab auseinander zu setzen, ohne Vertreibung kleinzureden oder zu verharmlosen, heißt aber auch, revanchistischen oder relativierenden faschistoiden, teilweise bis ins Rechtsextreme hinein gehenden Verwurzelungen und Verschränkungen entgegenzutreten. Man hat Herrn Latussek
dass er lange Zeit schon als Scharnierfunktion in die rechte Szene hineingekommen war und er hat mit seiner Rede am 9. November, am Tag der Schoah, am Tag der Toten, einen bewussten Tabubruch begangen, indem er die Worte "Auschwitz" und "Lüge" in einem Satz so formuliert hat, dass sie sicherlich nicht strafrechtlich relevant sind, aber politisch sind sie völlig inakzeptabel. Von daher sollten wir gemeinsam dabei bleiben es zu verurteilen, aber auch zu sagen, es muss einen personellen Neuanfang geben und da hilft im Moment die institutionelle Förderung so lange nicht. Wir sollten das Geld nehmen für deutsch-polnische, deutsch-tschechische Jugendaustauschmaßnahmen,
wir sollten das Geld nehmen für historische Arbeiten, bei der das Thema Vertreibung insgesamt beleuchtet wird und sollten dann gemeinsam mit den Vertriebenen, die einen Neuaufbau wollen, den Weg gehen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nun ist er also gegangen, der unsägliche Herr Latussek. Zu spät und in einem quälenden Prozess, aber immerhin, er ist gegangen. Neben der Erleichterung über diesen Schritt bleibt aber mehr als nur ein bitterer Nachgeschmack. Noch letzte Woche stellte sich der Thüringer Vorstand des Bundes der Vertriebenen hinter Latussek, ebenso wie einige wichtige Kreisvorsitzende. Und da sind wir wieder bei den kleinen Latussek's. Auch nicht vergessen werden darf, trotz seiner skandalösen Rede erhielt Herr Latussek auf dem Arnstädter Verbandstag mehr als 90 Prozent der Stimmen der anwesenden Vertriebenen.
Meine Damen und Herren, wir haben also weiterhin ein nicht kleinzuredendes Problem und viele Fragen an den Thüringer Bund der Vertriebenen. Ich sage ausdrücklich den Thüringer Bund der Vertriebenen, denn der Bundesverband und sein Vorstand unter der Vorsitzenden Frau Erika Steinbach hat klar, deutlich und souverän gehandelt. Der Rausschmiss Latussek's aus dem Bundesvorstand war ein deutliches, ein klares und ein positives Zeichen, das uns in unserem Vorhaben bestärkt, auch zukünftig mit einem demokratisch geführten, sich auf seine Aufgaben konzentrierenden Bund der Vertriebenen auch in Thüringen
zusammenzuarbeiten. Deshalb werde ich mich Anfang nächsten Jahres namens der SPD-Fraktion um einen Termin bei Frau Steinbach bemühen, immer mit dem Ziel, den Thüringer Bund der Vertriebenen zu einem ernst zu nehmenden Verband zu formen, der unsere Hilfe und unsere Zusammenarbeit auch wirklich verdient hat. Wir wollen dann gern helfen, dass der Bund seine sich selbst gestellten Aufgaben, wie z.B. die Pflege des Kulturerbes, grenzüberschreitende Volkskunstarbeit, die Betreuung von Aussiedlern und Spätaussiedlern oder die Pflege der Kontakte zu den östlichen Nachbarn, weiter und besser durchführen kann. Auf dieser Ebene, und zwar immer im Rahmen der europäischen Völkerverständigung, sind wir jederzeit zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem BdV auch in Thüringen bereit.
1. Die SPD-Landtagsfraktion wird ihren Haushaltsantrag zur Sperrung der Gelder für den Bund der Vertriebenen nicht einbringen. Wir haben diesen Antrag eindeutig an die Person Herr Latussek gekoppelt. Mit seinem Rücktritt ist auch unser Antrag hinfällig.
2. Trotz aller strafrechtlicher Relevanz, die Staatsanwaltschaft ermittelt nach unserer Auffassung mehr als berechtigt gegen Herrn Latussek wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Habe ich das richtig im Kopf, so droht ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Möge die Staatsanwaltschaft, mögen die Thüringer Richter gerecht aber hart entscheiden. Das ist hier schon gesagt; er ist ein Wiederholungstäter.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, die Äußerungen des Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen am 9. November führten nun zum wiederholten Male dazu, dass wir uns hier mit diesem Thema befassen müssen. Die Vorredner haben dazu schon Ausführungen gemacht. Aber vielleicht darf ich zur Erhellung zu den Ansichten des Herrn Ramelow noch hinzufügen, dass der Kreisverband Hildburghausen von einer Frau geleitet wird, die heißt Grasmuck, und den Brief, den er erhalten hat, der ist unterschrieben von Herrn Kothe, eventuell zukünftiger Kreisvorsitzender. Ob er es dann wird, das wird sich dann noch zeigen. Wir müssen schon ein bisschen vorsichtig sein. Natürlich gab es, meine Damen und Herren, den vom Natio
nalsozialismus angezettelten Zweiten Weltkrieg, dort geschahen unzählige Verbrechen, aber es gab auch die Vertreibung und unermessliches Leid. Die aktuelle Sendereihe, darauf darf ich hinweisen, das ZDF zeigt Ausschnitte daraus. Aber beides darf man nicht vermischen oder gar gegeneinander aufrechnen. Wer dies tut, stellt sich ins Abseits der Gesellschaft und bringt den BdV in eine Ecke wo er nicht hingehört.
Irgendwo habe ich das Gefühl, dass man versucht uns einzureden, wenn der BdV in einer rechten Ecke steht, da sind auch die, die ihn vielleicht unterstützen und fördern in einer rechten Ecke zu suchen, und dem müssen wir widersprechen.
Der Bundesverband des BdV konnte gar nicht anders handeln als, wie allen bekannt ist, Herrn Latussek auf seiner außerordentlichen Bundesversammlung am 29.11. seines Amts zu entheben als Vizepräsident. Herr Latussek hat damit den BdV insgesamt in eine unverkennbar schwierige Position gebracht. Es gibt, das wissen Sie, viele berechtigte Anliegen der Heimatvertriebenen, die umgesetzt werden müssen,
aber wie kann man die denn umsetzen, wenn niemand mehr bereit ist, mit einem über das Thema zu reden. Und da ist eigentlich das Problem. Herr Dr. Latussek, und das darf ich hier an dieser Stelle ausdrücklich sagen, hat sich beim Aufbau des Bundes der Vertriebenen in Thüringen in den letzten zehn Jahren große Verdienste erworben. Natürlich mit der Förderung des Freistaats, das wollen wir auch nicht verhehlen, das wir das sehr unterstützt haben.
Aber, Herr Ramelow, auf die großen Verdienste, die anerkannt werden, lässt sich natürlich auch zumeist die Reaktion der Mitglieder zurückführen. Alles andere muss man versuchen nicht überzubewerten, man muss in der Diskussion bleiben. Aber hier ist die Ursache die großen Verdienste und die werden anerkannt von den Mitgliedern. Mancher Verband wünschte sich solche treuen Mitglieder. Ich habe das jetzt nicht negativ gemeint, bitte, verstehen Sie mich nicht falsch und wollen Sie mich bitte auch nicht falsch verstehen. Wir müssen natürlich an dieser Stelle darüber nachdenken, wie es in Zukunft mit der Förderung des BdV im Freistaat weitergeht. Herr Dr. Latussek und der Landesvorstand des BdV sind die eine Seite, die Heimatvertriebenen in den Orts- und Kreisverbänden, in den Landsmannschaften und in den e.V.'s sind eine an
Nachdem Herr Dr. Latussek seinen Rücktritt erklärt hat, müssen die Gespräche mit dem Landesvorstand geführt werden. Eines ist jedenfalls sicher, die CDU-Fraktion steht nach wie vor zu den Anliegen der Heimatvertriebenen, wird auch die notwendige Unterstützung absichern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vertreibung der Deutschen ist eine offene und ungelöste Menschenrechtsfrage. Der BdV muss in Zukunft in Europa beim Aufbau des gemeinsamen Hauses eine bedeutende Rolle spielen. Es ist wichtig, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Es gehört natürlich auch dazu, mit den EUBeitrittsländern darüber zu diskutieren, dass solch ein Haus Europa ein Fundament benötigt, welches auch aus Wahrhaftigkeit besteht. Viele Fragen sind da im Vorfeld noch zu klären, ich will das nur anreißen: Niederlassungsfreiheit, Recht auf die Heimat, oder wie wird mit völkerrechtswidrigen Dekreten zukünftig umgegangen,
ich nenne da beispielsweise die Beneschdekrete. Eine andere erhebliche Aufgabe des BdV besteht darin, der Jugend hier bei uns nahe zu bringen, welches große Leid braune und auch rote Diktaturen zur Folge haben können.
Aus eigenem Erleben können die Heimatvertriebenen das der Jugend rüberbringen. Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir berücksichtigen müssen, sind die Aufbauleistungen der Vertriebenen. Auch das muss der jungen Generation klar gemacht werden. Im Geschichtsunterricht muss über Flucht und Vertreibung gesprochen werden, das geschieht ja, aber es muss auch darüber gesprochen werden, welche historischen Leistungen die Heimatvertriebenen beim Aufbau des zerstörten Deutschland erbracht haben, auch bei uns hier in Thüringen.