35.000 zusätzliche Arbeitslose in Thüringen, die mit einem Arbeitsmarktinstrumentarium, was wir 1999 noch zur Verfügung hatten, in Beschäftigung wären, das kommt doch wohl auf Ihre Kappe und ist nicht damit zu rechtfertigen, dass von irgendeiner fiktiven Stelle, und sei es der Bund, entsprechende Hilfeleistungen oder Hilfsmaßnahmen für Thüringen unterlassen wurden.
Meine Damen und Herren, ich will jetzt nicht in diesem Zusammenhang auf das Kombilohnmodell und seine Problematik für Thüringen eingehen, ich will nur für die Öffentlichkeit sagen, dieses Modell hat in Sachsen, wo es umgesetzt wird, ganze 15 Teilnehmer, in Brandenburg, wo es umgesetzt werden sollte, waren 500 Interessenten vorhanden, es gab nur keine Arbeitsplätze, auf denen sie letztendlich eingesetzt werden sollten. Dieser Flop wird also jetzt bundesweit umgesetzt. Ich halte das für eine mehr als bedenkliche Geschichte.
Einen letzten Hinweis, meine Damen und Herren, zur Infrastrukturpauschale, der auch sichtbar macht, dass Sie als Landesregierung bzw. als Mehrheit in diesem Landtag nichts weiter können, als Aufgaben zu delegieren. Das zeigt, wie Sie sich bei der Infrastrukturpauschale verhalten. Da wird ein großartiges Sonderprogramm von 40 Mrd. durch den Ministerpräsidenten verkündet, Infrastrukturförderung wäre notwendig, zusätzliche Beschäftigung wäre notwendig, der Baubereich müsse gestützt werden, jawohl, und wir sitzen am Donnerstag im Wirtschaftsausschuss und dürfen feststellen: Entgegen der ursprünglichen Rahmenfestlegung bei der Gemeinschaftsaufgabe, dass mindestens ein Drittel der Mittel für Infrastrukturförderung ausgegeben werden sollte, stellt diese Landesregierung und diese Mehrheitsfraktion ganze 20 Prozent dieser Mittel für Infrastrukturförderung ein und 80 Prozent für die einzelbetriebliche Förderung, nicht ohne anschließend dafür die Bundesregierung verantwortlich zu machen, dass man zusätzliche Infrastrukturfördermittel für Thüringen brauche. Das, meine Damen und Herren, nenne ich scheinheilig in diesem Zusammenhang.
Lassen Sie mich also in diesem Zusammenhang eine Zwischensumme über das Regierungshandeln in Thüringen ziehen. Es wird als Erstes suggeriert, Schuld ist der Bund, eigene Handlungsspielräume werden ignoriert. Zweitens wird erklärt, die Verantwortung für die Situation in der Arbeitslosigkeit trage der Bund allein, aber insbesondere eigene fiskalische Gestaltungselemente werden weder genutzt noch nachhaltig in Anwendung gebracht, ganz im Gegenteil, sie werden reduziert. Als Drittes gibt es ein konsequentes Nein zu jeglichen Vorschlägen der Opposition, ob nun von PDS oder von SPD, aber es gibt keine eigenen Vorstellungen und keine eigenen Vorschläge. Es gibt noch nicht mal auf Bundesebene, wo Mittel dafür zur Verfügung stehen, solche eigenständigen Modellprojekte aufzurufen, Vorschläge und Vorstellungen, um diese Mittel für Thüringen nutzbar zu machen, so wie wir am Donnerstag im Wirtschaftsausschuss erfahren haben. Als Viertes, und das ist die Krönung und hängt unmittelbar mit diesem Antrag zusammen, gibt es eine Verweigerungshaltung, eine Vermittlerfunktion bei der Schaffung von neuen Beschäftigungslösungen wenigstens in Gesprächen wahrzunehmen.
Wenn Sie sich den Antrag noch mal genau ansehen, Frau Vopel, es ging um die Wahrnahme einer Vermittlerrolle, um die Organisation von Gesprächen mit dem Ziel, zusätzliche Beschäftigung in Thüringen zu schaffen. Genau diesen Antrag wagen Sie sich in Anbetracht der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation abzulehnen.
Ergebnis des Ganzen: Eine vertane Chance, über diesen Bereich einen Beitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit zu leisten. Ad eins: 15.000 Stellen stehen für Thüringen nicht zur Diskussion, weil man über diesen Weg gar nicht nachdenken kann. Ad zwei: 35.000 Stellen, die in der Arbeitsmarktpolitik nicht besetzt werden können, weil Sie über Ihre Koalition den entsprechenden Haushaltsansatz dort reduziert haben. Das macht unter dem Strich 50.000 Ar
beitsplätze, über die wir in Thüringen hätten diskutieren können, also ein Viertel der gegenwärtig registrierten Arbeitslosen, wenn Sie Bereitschaft gezeigt hätten, endlich sachlich und zielorientiert an der Diskussion teilzunehmen.
Herr Gerstenberger, nachdem Sie uns alles Mögliche erzählt, nur nicht über Überstundenabbau geredet haben in den letzten zehn Minuten, hatten Sie aber vorher gesagt, dass es eine Reihe von Gewerkschaften und vielleicht auch Arbeitgebern - das hatte ich nicht so rausgehört - gibt, die durchaus bereit wären, auf solche Modelle einzugehen. Nun frage ich Sie: Wer hindert sie daran, solche Modelle zu initiieren? Das ist doch Sache der Tarifpartner, dann sollen sie es doch bitte schön machen.
Erstens, Sie müssen vollständig zuhören. Ich hatte gesagt, die Gewerkschaften sind der Auffassung, dass so etwas gemacht werden müsste, und sind durchaus der Meinung, dass die Politik diese Vermittlerrolle wahrnehmen sollte, die Sie abgelehnt haben.
Das Zweite, Frau Vopel, wenn es Ihnen entgangen sein sollte, diese Landesregierung ist Tarifpartner. Selbst für den Bereich, wo sie die eigene Verantwortung hat, haben Sie mit der Mehrheit Ihrer Fraktion unseren Antrag abgelehnt. Selbst für die eigene Verantwortung, für den eigenen Verantwortungsbereich, Frau Vopel, wollen Sie noch nicht mal in die Diskussion und die Gespräche eintreten. Mehr braucht es doch nicht, um klar zu machen, welch fadenscheinige Argumentation hier vorliegt zur Ablehnung unseres Antrags. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Gerstenberger, ich war nicht ungeduldig, ich bin ungehalten, ungehalten darüber, warum wir uns so viel Mühe
mit Ihnen bei der Enquetekommission gegeben haben. Das scheint bei Ihnen nicht mehr nachzuwirken, was wir dort gemeinsam festgestellt und beraten haben.
Gerade im Bereich des zweiten Arbeitsmarkts - und das brauche ich nicht mal zu zitieren - haben die wissenschaftlichen Einrichtungen belegt, die letzten zehn Jahre haben zu keinen beschäftigungspolitischen Effekten geführt, ganz im Gegenteil, Stigmatisierung wurde dort sogar genannt, was diese Maßnahmen für die Betroffenen bedeuten.
Nur erst einmal zu dieser Stelle: Ich habe bei der Lektüre Ihres Antrags unterstellt, dass es Ihnen nicht um einen globalen Feldzug gegen Überstunden geht, sondern Sie haben das Ziel, mit diesem Antrag möglicherweise Arbeitsplätze zu mehren, wenigstens zu halten. Deshalb würde ich mich schon freuen, wenn Sie dann wenigstens bei unserem Entschließungsantrag mitmachen, weil der das Ziel hat, wenigstens Arbeitsplätze zu halten.
Was die Frage Ihrer Rechen- oder Zahlenspielreihen angeht, habe ich den Rechenkünsten des Finanzministers vorhin mit einer Begeisterung gelauscht, aber bei Ihren Zahlenspielreihen muss man mal deutlich sagen - auch Kollege Lippmann weiß das -, diese 15.000, die dort benannt werden, das ist doch eine Zahl mit der Sie alles und nichts sagen können. Es fehlen Fachleute, bei denen werden Überstunden gemacht. Sie können doch gar nicht einfach jemanden von der Straße nehmen und sagen: Du wirst diese Position ausführen. Das ist, glaube ich, unseriös, was Sie getan haben.
Aber zurück zu dem Ziel, Arbeitsplätze zu mehren oder wenigstens zu schützen. Deshalb hat die CDU-Fraktion heute den Entschließungsantrag gebracht, weil wir der Meinung sind, wir halten uns an die Thematik des jeweiligen Grundantrags. Wir gehen also nicht in die Arbeitsmarktpolitik wie Sie eben, Herr Kollege Gerstenberger, was dem Antrag nicht zugrunde lag, sondern wir nehmen das Ziel auf, Arbeitsplätze statt Tariftreuegesetz, also Arbeitsplätze zu schützen. Die Situation ist, glaube ich, bekannt. Wir haben ja im letzten Jahr auf eine Gesetzesinitiative der SPD-Fraktion zum Vergabegesetz zumindest innerthüringisch diskutiert. Ich will nur kurz rekapitulieren, dass damals schon aus meiner Fraktion die erheblichen verfassungsrechtlichen und ordnungspolitischen Bedenken gegen solche Regelungen vorgetragen wurden. Ich nenne das Stichwort "negative Koalitionsfreiheit", das heißt, der Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes wird dort missachtet. Der Bundesgerichtshof hat darüber im Januar 2000 ein Urteil gefasst und wir warten jetzt darauf, dass das Bundesverfassungsgericht dazu das Urteil trifft. Ich finde, die Gesetzesinitiative der Bundesregierung ist insofern auch eine Missachtung eines Verfassungsorgans, indem man jetzt schon ein Gesetz verabschiedet und im Bundesrat hat, und nicht mal darauf wartet, wie das Bundesverfassungsgerichtsurteil ausgehen wird.
Zum Zweiten, meine Damen und Herren, auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom März letzten Jahres sagt, es besteht eine Verpflichtung zum gesetzlichen Mindestlohn. Das tun wir in der Mindestlohnbindung in unseren Aufträgen, aber nicht zum Tariflohn, weil das eine unzulässige Beihilfe für ortsansässige Mitbewerber ist, meine Damen und Herren. Weil es ein unverhältnismäßig starker Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsund Gestaltungsfreiheit ist sowie in die ökonomische Grundlage der Betriebe. Das noch mal zu den Grundlagen dieses Tariftreuegesetzes. Wir müssen uns auch nicht wundern, dass im Bundesrat Widerstand zu diesem Gesetzestext existiert. Der Freistaat Thüringen hat im Januar versucht zu verhindern, dass Schaden für die Thüringer Wirtschaft entsteht. Es gibt die Initiative von Baden-Württemberg und Sachsen, es gibt sogar die Initiative von Hessen und, Herr Gerstenberger, hören Sie, sogar in Mecklenburg-Vorpommern wird versucht, das Gesetz zu ändern, damit wenigstens Schaden von der ostdeutschen Bauwirtschaft abgewendet werden kann, weil im Gesetzestext der Bundesregierung sehr deutlich zwei Fakten zu lesen sind. Erstens wird es die Aufträge verteuern. Die Bundesregierung geht von einer Größenordnung von 5 Prozent aus. Das ist ein Durchschnittswert, der in mancher westdeutschen Kommune stimmen mag. Ich denke, es wird für Thüringen eher bei 10 Prozent liegen, was die Verteuerung der Aufträge angeht und das bei knapper Haushaltslage. Das muss man sich mal vorstellen, welche Dinge uns dort zugemutet werden.
Zum Zweiten, meine Damen und Herren, auch dort aus dem Text, es wird eine Erhöhung der Kontrollbürokratie geben. Der Bundesgesetzgeber setzt eine Zahl von 50 Mio.
Antrag als Entschließungsantrag einbringen, das sind die negativen Konsequenzen auf dem Thüringer Arbeitsmarkt. Die Wettbewerbsverzerrung, die durch dieses Gesetz entstehen würde, bedeutet eine Diskriminierung der Thüringer Bauwirtschaft. Im Klartext bedeutet das, meine Damen und Herren, dass voraussichtlich kaum ein Thüringer Unternehmen noch einen öffentlichen Auftrag bekommen könnte. Ich will an dieser Stelle gar nicht auf die Gefahr hinweisen, die es für die bestehenden Firmen gibt, aber die Meldung einer großen Tageszeitung heute "Rekord an Schwarzarbeit", das ist die Konsequenz, die dabei herauskommt.
Ein Detail in diesem Verfahren möchte ich Ihnen noch vortragen, was ich sehr bemerkenswert finde. Was würde das Gesetz für ein Thüringer Unternehmen bedeuten, welches eine Baustelle in Bayern, eine Baustelle in Hessen und eine Baustelle in Thüringen hat? Es hat zunächst die praktische Konsequenz in der Lohnbuchhaltung, dass sie drei verschiedene Tarife zahlen müssen, und das an unterschiedlichen Tagen, je nachdem wie die Männer und Frauen auf den Baustellen sind. Aber das ist auch eine Ungerechtigkeit gegenüber den Arbeitnehmern, denn der Arbeitnehmer, der in Erfurt auf der Baustelle dieselbe Leistung vollbringt wie derjenige, der in Fulda auf der Baustelle ist und derjenige, der in Kassel auf der Baustelle ist, wird für die
gleiche Arbeit mit unterschiedlichem Tarif entlohnt. Sie werden als Unternehmer sich dann noch darstellen, möglicherweise nach Auslosung zu entscheiden, wer auf welche Baustelle gehen kann, damit er mehr oder weniger bezahlt bekommt. Meine Damen und Herren, an diesem sehr schlichten Beispiel ist Ihnen auch klar, wie unmöglich es dieser Gesetzestext neben den fiskalischen und arbeitsmarktpolitischen Folgen auch in der Handhabung beispielsweise in dem Unternehmen haben wird, was ich Ihnen hier beschrieben habe.
Herr Gerstenberger, ich gebe zu, mit dem Entschließungsantrag haben wir für das aktuelle Problem der Beschäftigungssituation keine Lösung, aber wir bieten Ihnen an, wenigstens eine Verschlimmerung zu verhindern, dass dieses Tariftreuegesetz nicht in die Realität umgesetzt werden kann und dass damit der Wettbewerbsvorteil für die Thüringer Bauwirtschaft, die es schwer genug hat, ein wenig noch erhalten bleibt und damit Beschäftigung gesichert wird. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Sie unter dieser Intention auch dem Entschließungsantrag der CDU-Fraktion zustimmen können. Danke schön für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, man sollte ja so fair sein und warten, bis der Antrag eingebracht ist, bevor man sich dazu äußert, deshalb noch einmal meine Redemeldung. Herr Kretschmer, Sie vermuten völlig richtig, wir haben keine andere Auffassung, wir haben nur ein Problem mit diesem Antrag, der sich auf Ihre ablehnende Position zu unserem Antrag bezieht. Was Sie hier machen, Sie haben es selber gesagt, ist mehr oder minder Flickschusterei. Damit wird das tatsächliche Problem nicht gelöst. Das Problem, was wir diskutiert haben im Zusammenhang mit dem Vergabegesetz, die Vorschläge, die von unserer Seite zum Entwurf eines eigenen Vergabegesetzes von Landesseite kamen, wo wir genau diese Probleme regeln wollten, sind von ihnen abgelehnt worden. Jetzt greifen Sie den einen Punkt raus, der von Bundesseite zugegebenermaßen falsch angefasst und nun plötzlich umgesetzt werden soll zum Nachteil ostdeutscher Bauindustrie durch Mauern errichten an den falschen Stellen, dort sind die falschen Ansatzpunkte gesetzt worden. Insofern greifen wir Ihren Vorschlag auf und stimmen natürlich Ihrem Anliegen zu. Aber Sie müssten sich auch darüber im Klaren sein, meine Damen und Herren, dass die Benachteiligungen, die wir über das fehlende Vergabegesetz haben - die Leistungsentlohnung und die Probleme mit den Garantiebeträgen, die als Rücklagen gebildet werden müssen, und die Probleme mit der GU-Vergabe, die Zahlungsfristenfragen, die vollstreck
bare Titel-Problematik in den Handwerksunternehmen -, genau damit nicht gelöst werden. Wir bleiben bei unserer Forderung und Vorstellung, und die hätte als zweiter Satz drunter gehört, lassen sie uns in Thüringen ein eigenes Vergabegesetz entwickeln, um genau diesen Problemen zu begegnen; die fehlt. Trotzdem - Herr Kretschmer, es trägt ja dazu bei, ein Stückchen Entwicklung voranzutreiben und ein Stückchen zu schützen - werden wir Ihrem Antrag zustimmen; so viel Toleranz hätten wir uns ab und zu auch einmal von Ihnen gewünscht. Ich bin gespannt, ob Sie sich zu so einer Entwicklung noch mal durchringen oder ob Ihre ideologischen Scheuklappen weiter Sachpolitik in diesem Haus verhindern. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hören es seit Jahren - Arbeit statt Überstunden. Diese Kampagne unterstellt, dass es einen permanenten Anstieg an Überstunden gibt, unterstellt, dass dies massenhaft verbreitet ist, übersieht, dass die Zahl der Überstunden in letzter Zeit deutlich gesunken ist, und zwar konjunkturbedingt. Sie übersieht auch die neueste Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, wo der Rückgang an Überstunden klar festgestellt wurde. Wenn man nach der Bedeutung der Überstunden fragt, stellt man fest, dass sie einen Anteil von 3,6 Prozent der geleisteten Arbeitsstunden ausmachen. In den Metallbereichen werden pro Woche 1,6 Überstunden pro Beschäftigten geleistet. Meine Damen und Herren, das ist die wahre Dimension des Themas.
Wenn man glaubt, durch einen Abbau der Überstunden ein Mehr an Beschäftigung zu erreichen, dann ist man mit Sicherheit auf dem Holzweg. Heute wird gefordert, statt Überstunden eine flexible Arbeitszeit zu erreichen.
Wir reden heute über tarifvertragliche Vereinbarungen von Arbeitszeitkorridoren, wir reden von Jahresarbeitszeit, von Jahreslangzeit- und Lebensarbeitszeitkonten sogar, wir reden von einer Verknüpfung von Arbeit und betrieblicher Fort- und Weiterbildung. Meine Damen und Herren, das sind die Wege, die heute beschritten werden. Wir sind damit bei Akquisitionsverhandlungen konfrontiert. In vielen Bereichen ist ein hohes Lohnniveau nur zu halten, wenn die Maschinenlaufzeiten lang sind. Deshalb brauchen wir flexible Arbeitszeiten rund um die Uhr und um die Woche.
Herr Minister, eine Frage, die sich auf die Angaben des Statistischen Landesamtes bezieht, nach denen 48,5 Prozent aller Thüringer Beschäftigten rund um die Uhr - ich vereinfache es jetzt einmal - arbeiten. Welche Forderung besteht von Ihrer Seite, wo setzen Sie die Dimension an, wo wir noch mehr Flexibilisierung brauchen, wenn das 70, 80 oder 90 Prozent der Bevölkerung tun, wo ist Ihr Maß für Ihre Forderung, die Hälfte macht es?
Herr Gerstenberger, ich habe ja nicht bestritten, dass das stattfindet, ich habe nur darauf hingewiesen, dass wir uns auf diesen Trend einstellen wollen und müssen im Interesse der Erhaltung hoher Löhne. Im Interesse der Steigerung des Lohnniveaus müssen wir ein Mehr an Flexibilisierung ermöglichen, sonst ginge das zu Lasten des Lohnniveaus und der Arbeitsplätze; das ist die These. Natürlich weiß ich, dass dem bei uns schon in hohem Maße entsprochen wird, aber das wird sich noch verstärken, meine Damen und Herren. Wir müssen uns darauf einrichten, dass dies Voraussetzung für viele Unternehmen ist, sich an unseren Standorten anzusiedeln.
Meine Damen und Herren, ich will damit sagen, dass das Problem der Überstunden ganz offensichtlich überschätzt wird. Auf der anderen Seite brauchen wir auch das Ventil der Überstunden, um mehr Wachstum und Beschäftigung zu erreichen. Wir alle kennen Betriebe, bei denen es zu Auftragsschwankungen kommt. Wir alle wissen, dass viele Aufträge nur wahrgenommen werden können, weil Mitarbeiter bereit sind, Überstunden zu leisten. Es liegt im Interesse der Schaffung weiterer Arbeitsplätze, zunächst einmal mit Überstunden zu reagieren, um anschließend neue Arbeitsplätze einzurichten. Es kommt ein Weiteres hinzu: Überstunden, Flexibilitätspuffer brauchen wir auch, um krankheitsbedingte oder urlaubsbedingte Ausfälle in den Unternehmen auszugleichen.
Auch dazu bedarf es der Möglichkeiten, Überstunden zu leisten, meine Damen und Herren. Ich bin ganz sicher, viele Arbeitnehmer tun dies nicht ungern. Sie haben die Zuschläge, die man dabei bekommt, geradezu in ihre Einkommenserwartungen eingeplant und regen von sich aus an, Überstunden machen zu können.
Wir haben die Situation, dass wir in Unternehmen Kurzarbeit haben und trotzdem einzelne Leute Überstunden machen müssen, weil bestimmte Fachkräfte benötigt werden, um den Zustand der Kurzarbeit zu überwinden. Auch diese Kombination gibt es. Dass wir bei hoher Arbeitslosenquote trotzdem einen Bedarf an Überstunden deshalb haben, weil wir eine generelle Fachkräftelücke haben, versteht sich von selbst. Also, Abbau von Überstunden ist kein Ansatz, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt einen anderen Ansatz, auf den die Studie des Bildungswerks der Thüringer Wirtschaft hinweist, das bei 240 Unternehmen in Thüringen Folgendes festgestellt hat: Durch die Umsetzung betriebsspezifischer, flexibler Arbeitszeitregelungen konnten 700 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies ist der Beleg dafür, dass mit dem Instrument "Flexibilität" neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat angekündigt, keine Änderung des Arbeitszeitgesetzes vornehmen zu wollen. Man kann nur hoffen, dass sie auch bei dieser Haltung bleibt, weil wir keinen Bedarf an weiteren Regulierungen haben, egal, ob sie von der EU, von den Gewerkschaften oder vom Bund ausgelöst würden. Derartige Anträge und Bemühungen sind im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung abzulehnen.
Wenn ich jetzt zu dem Thema "Arbeitsplätze statt Tariftreuegesetz" sprechen darf. Herr Kretschmer hat die Auswirkungen eines solchen Gesetzes ja bereits hinreichend beschrieben. Die Bindung der Löhne an den Ort der Leistungserbringung ist praktisch nicht vollziehbar. Wer glaubt, dies könne überhaupt realisiert werden, der kennt die Realität in den Bauunternehmen nicht. Dass eine solche Maßnahme nicht gedacht ist, um allen Arbeitnehmern möglichst hohe Löhne zu gewähren, wird deutlich, wenn man die Motive der benachbarten Länder kennt. Hier geht es darum, lästige Konkurrenz abzuwehren. Die "Financial Times" hat dieses Tariftreuegesetz deshalb treffend als "neue Mauer am Bau" bezeichnet. Das wäre die praktische Auswirkung. Es wäre mit höheren Baukosten zu rechnen, es wäre mit einer höheren Arbeitslosenquote im Bau zu rechnen und dies kann doch im Ernst nicht gewollt sein in der Situation, in der sich bei uns die Bauwirtschaft befindet.