Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir reden heute über schwarze Vögel, deren Verhalten in Thüringen langsam eine bedrohliche Entwicklung erfährt.

(Beifall und Heiterkeit im Hause)

Frau Dr. Klaubert, nicht was Sie meinen, es geht um Phalacrocorax carbo sinensis, so heißt der Kormoran auf Lateinisch. Das "sinensis" bedeutet dabei nicht, dass es sich um eine chinesische Unterart handelt, sondern es sind Tiere, die hier tatsächlich auch heimisch sind. Das Thema der Aktuellen Stunde sind die Schäden, die dieser Vogel hervorruft. Herr Minister ist ja schon auf ein paar Sachen dazu eingegangen, ein Herr Keller hat 1997 den Nahrungsbedarf des Kormorans bei ca. 500 g pro Tag ermittelt, und es gibt eine Untersuchung in einem Bach der Forellenregion in Schwaben, wo vor dem Kormoraneinfall ein Fischbestand von ca. 400 kg pro Hektar vorhanden war und nach dem Kormoraneinfall nur noch 5,7 kg pro Hektar. Hierbei handelte es sich nur noch um die Fischbrut. Wir haben zurzeit Angaben von Thüringer Angelverbänden, nach denen sich im Winter dieses Jahres ca. 4.000 Tiere in Thüringen befunden haben. Es ist schon darauf eingegangen worden, die stehenden Gewässer waren vollständig zugefroren, d.h., die Tiere müssen dann in Fließgewässern fischen und das bedeutet bei einem ca. 10 m breiten Fließgewässer und bei diesem Nahrungsbedarf, dass der Thüringer Kormoranbestand dann täglich fünf Kilometer Fließgewässer leer frisst. Ich glaube, meine Damen und Herren, das sind Probleme, die uns wirklich dazu veranlassen sollten, hier zu handeln. Die Schäden betragen

dann bei diesem Nahrungsbedarf und einem Preis von, sagen wir mal 4 ' (  )  * &   Damen und Herren, unsere Fraktion hat dieses Thema auch schon einmal in den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt geholt, um auf ein anderes Problem aufmerksam zu machen, Herr Dr. Botz hat das schon angesprochen, denn es gibt auch Schäden, die kann man nicht in Euro ausdrücken, das sind Schäden bei bedrohten heimischen Arten. Meine Damen und Herren, da muss ich schon die Frage stellen, was kostet denn die letzte Barbe, die in Thüringen von einem Kormoran gefressen wird? Die Barben sind vom Aussterben bedroht und leben nun einmal in Fließgewässern, die von Kormoranen heimgesucht werden. Oder, hält sich der Kormoran an die ganzjährige Schonzeit laut Thüringer Fischereiverordnung? Ich glaube nicht.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Wahrscheinlich nicht.)

Deshalb, meine Damen und Herren, muss die Bejagung des Kormorans zum Schutz der heimischen Tierwelt in die Thüringer Kormoranverordnung, die fehlt nämlich darin.

(Beifall bei der PDS, SPD)

In der Verordnung steht, dass bei Anerkennung der Erforderlichkeit der Bejagung durch die untere Naturschutzbehörde - und jetzt kommt es - den Jägern der Abschuss gestattet wird. Die Jäger schießen sie bloß nicht ab, auch wenn die Genehmigung da ist. Sie dürfen sich den Kormoran aneignen, aber wahrscheinlich ist der nicht so sonderlich schmackhaft, deshalb machen sie es nicht. Meine Damen und Herren, ich denke, es ist auch hier erforderlich, dass wir, wenn wir sehen, dass die Erforderlichkeit gegeben ist, dann auch zum Abschuss verpflichten. Wenn die Jäger da einen erhöhten Aufwand haben, müssen wir im Notfall auch entschädigen, darüber sollten wir uns einen Kopf machen. Was können wir noch tun, um unsere heimischen Fische vor dem Kormoran zu schützen? Es ist schon an die Abschusszeiten erinnert worden, wo wir uns an der bayerischen Kormoranverordnung orientieren könnten, um die Späher gerade am Anfang der Kormoransaison aus Thüringen zu entfernen. Ich denke, eine frühere Abschussmöglichkeit lässt die EU zu, denn in Bayern gilt dasselbe EU-Recht wie in Thüringen. Unbürokratische Genehmigungen wären erforderlich. Herr Minister, in diesem Zusammenhang möchte ich Sie an Ihr Versprechen erinnern, das Sie anläßlich des Thüringer Fischereitages im vorigen Jahr gegeben haben. Tun Sie etwas, um diese Kormoranverordnung in Thüringen zu verbessern.

Es gibt aber auch noch andere Sachen, die ich hier ansprechen möchte, das ist das große Thema Gewässerstrukturverbesserung. Hier können wir auch etwas tun, um unsere Fische zu schützen, ohne dass wir Kormorane abschießen müssen, indem wir die Gewässerstruktur verbessern, dass die Fische entsprechende Unterstände finden, um bei Kormoranbefall dahin zu flüchten, so dass sie in Zukunft die Möglichkeit haben, in unseren Thüringer Gewässern zu

überleben. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Abgeordneter Wunderlich, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Dr. Botz, ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich bin erstaunt über den Wandel in der SPD-Fraktion. Was glauben Sie denn, was wir in der großen Koalition zu der Frage "Kormoranverordnung" mit der SPD für Diskussionen geführt haben? Wenn ich nur an Dr. Mäde denke oder wenn ich an Frau Becker denke in der Frage. Frau Becker, es wäre vielleicht sinnvoll gewesen, Sie hätten sich in der Frage einmal mit Herrn Dr. Botz auseinander gesetzt. Ich weiß nicht, ob es die Meinung der SPD ist, Herr Dr. Botz, oder ob das Ihre persönliche Meinung ist, ich weiß es nicht. Das Verhalten ist schon wirklich erstaunlich, aber wenn Sie auf dem Weg des Umdenkens sind, dann ist es ja gut.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Die Zahl der Kormorane ist gewachsen.)

Herr Kummer, ich muss Ihnen ehrlich sagen, Sie haben natürlich auch noch sehr viel Aufklärungsarbeit in Ihrer eigenen Fraktion zu leisten, denn mit welcher Lächerlichkeit das Problem in Ihrer Fraktion angegangen wird, ist peinlich. Dann sollten Sie sich einmal mit den vielen Fischereifamilien auseinander setzen, die Angst um ihre Existenz haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, auch die vielen ehrenamtlichen Fischer und Angler, die tausende von Stunden ehrenamtliche Arbeit zur Erhaltung der Gewässerbiotope leisten, können es nicht ertragen, dass sie zur Lächerlichkeit herangezogen werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist richtig, wenn die Angler und die Fischer feststellen, dass mit der Kormoranverordnung kaum Fortschritte, eher Rückschläge - und das müssen wir konsequenterweise zugeben - bei der Umsetzung der Kormoranverordnung zu verzeichnen sind.

(Beifall Abg. Sonntag, CDU)

Manchmal Subjektivität, aber auch Willkür der unteren Behörden führen nicht zur Vereinfachung im Umgang mit der Verordnung, sondern eher zur Verschlechterung.

(Beifall Abg. Sonntag, CDU)

Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch bei den Bayern hat die jetzige Kormoranverordnung erst über sehr viele Novellierungen geführt, denn es ist nicht so einfach, der Minister hat es festgestellt, die EU-Vogelschutzrichtlinien auszufüllen. Es ist von den Vorrednern gesagt worden, dass es zu nachhaltigen Schäden der einheimischen Fischfauna und zu lokalem Artensterben

kommt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe sehr oft den Eindruck, dass bei den Naturschutzverbänden und bei verschiedenen Naturschützern der Artenschutz an der Wasseroberfläche aufhört. Wir können es uns auch nicht leisten, die begrenzten Mittel für unser Wanderfischprogramm oder für den Fischbesatz immer aufs Spiel zu setzen.

(Beifall bei der CDU)

Der Minister hat es gesagt, beim Zählen der Kormorane wird das von verschiedenen Seiten immer nach unten gedrückt. Wir müssen auch den starken Winter und den Kälteeinbruch für das Verhalten der Kormorane dieses Jahr berücksichtigen. Tatsache ist, dass die Anzahl der Kormorane ganz erheblich zugenommen hat. Die Genehmigung der Einzelabschüsse hat nichts gebracht, es ist zu bürokratisch. Deswegen müssen wir, Herr Minister, in der Zukunft zu mehr Jahresabschüssen kommen und diese Abschüsse müssen unbürokratisch durchgeführt werden können. Eines muss gemacht werden, der Abschuss muss auf Mitte August vorverlegt werden, damit wir endlich die Späher bekämpfen können, damit der Nachzug begrenzt wird. Wenn wir die Effektivität der Vergrämungsabschüsse verbessern wollen, dann müssen wir bürokratische Hürden für die Schadens- und Vergrämungsnachweise abbauen. Es muss ein einheitliches Handeln zur Absicherung bei den Behörden durchgesetzt werden. An die Jäger ist in dieser Frage appelliert worden, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn die sind in eine besondere Verantwortung genommen worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf europäischer Ebene ist endlich ein Kormonranmanagement durchzuführen, aber in dieser Frage ist auch der Bund gefordert. Er darf in dieser Frage nicht auf dem Ohr taub sein. Wir von der Landesseite werden unser Möglichstes tun, um die Kormoranverordnung dementsprechend zu verändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist eventuell für uns nicht das wichtigste Thema, aber wir sollten es auch nicht in die Lächerlichkeit ziehen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Teil der Aktuellen Stunde liegen mir nicht vor. Ich kann damit den ersten Teil schließen.

Wir kommen zum Aufruf des zweiten Teils der Aktuellen Stunde

b) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: "Auswirkungen der mangelhaften Stabilitätspolitik der Bundesregierung auf den Freistaat Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/2205

Als Erster hat Abgeordneter Höhn, SPD-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wiederhole noch einmal den Titel

(Zwischenruf Abg. Huster, PDS: Der ist gut.)

dieses Teils der Aktuellen Stunde "Auswirkungen der mangelhaften Stabilititätspolitik der Bundesregierung auf Thüringen"

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Freistaat Thüringen.)

auf "den Freistaat Thüringen", selbstverständlich, Herr Dr. Zeh. Aber das macht den Titel nicht besser, der Titel allein ist nämlich schon eine Frechheit, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der SPD)

und das aus mehreren Aspekten: Der erste Aspekt, und das geht in Richtung Präsidium, ich weiß nicht, ob das mittlerweile üblich sein soll, dass in diesem Hause Überschriften von Tagesordnungspunkten gewählt werden sollen, die eine so offensichtliche Wertung in sich bergen, wie das hier der Fall ist. Wenn das der Stil für die Zukunft in diesem Hause sein soll, das möchte ich mir nicht für den Thüringer Landtag wünschen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Da schauen Sie sich einmal TOP 13 an.)

Aber ich weiß, wo Ihr Problem liegt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Einen Begriff wie "Stabilitätspolitik", der an sich positiv besetzt ist, den muss man natürlich aus Ihrer Sicht konterkarieren, vor allem dann, wenn er von der Bundesregierung gemacht wird. Offensichtlich haben Sie ein sehr, sehr kurzes Gedächtnis. Ausgerechnet diese Bundesregierung, die seit 1999 - wirklich seit Jahren, ich will nicht von Jahrzehnten, obwohl das auch angebracht wäre, sprechen - zum ersten Mal wirklich die Begriffe "Haushaltskonsolidierung", "Sparpolitik", "Sparpaket" schon vergessen? - unter das Motto "Raus aus der Schul

denfalle" gestellt hat, ist Ihnen das alles entgangen? Bleiben Sie dann immer noch bei dieser Überschrift, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Waigel hat keinen blauen Brief bekommen.)

Stichwort "Waigel", danke, Herr Dr. Zeh. Haben Sie eigentlich schon einmal selbst für sich ausgerechnet, was die Fortführung der Haushaltspolitik von Waigel und Kohl zusammengerechnet mit den Forderungen Ihres Steuerreformmodells, die nicht einmal alle CDU-geführten Länder mittragen wollten, und mit den neuerlichen Forderungen des Vorziehens von Stufen der übrigens "rotgrünen" Steuerreform zusammengerechnet für ein Defizit ergeben hätte? Das haben kluge Leute getan, jenseits der 4 Prozent wäre dabei herausgekommen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Herr Waigel hat die Maastricht-Kriterien sou verän erfüllt, mit 21 Prozent.)

(Beifall bei der SPD)

Offensichtlich halten Sie es ja mit den Maßstäben, die Ihr Kanzlerkandidat Stoiber in die Welt gesetzt hat - "Stoiber, der Versprecher" hat kürzlich einmal eine große Tageszeitung getitelt, dem gibt es nichts hinzuzufügen -, der sich ja durchaus anmaßt und "die Grenzen der Belastbarkeit des Maastricht-Vertrags austesten zu wollen".

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Unerhört.)

Das ist mir ja klar, warum er das im Speziellen und warum Sie das tun, weil nämlich die ganzen Versprechen, die Wahlversprechen, die er jetzt schon ein Dreivierteljahr vor der Bundestagswahl in die Welt setzt, weil die Finanzierung dieser Versprechen mit dieser klaren Aussage von Hans Eichel plötzlich ad absurdum geführt wird. Das ist eine Tatsache, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie sich das einmal gesagt sein, weil es immer hier so schön kritisiert wird, dass Hans Eichel diese Formulierungen jetzt in Brüssel bezüglich der Vorwarnung der Europäischen Union, bezüglich des Haushaltsdefizits... Wissen Sie eigentlich, dass die Ziele eines Stabilitätsprogramms für Deutschland überhaupt nicht neu sind? Haben Sie davon eigentlich schon einmal gehört, dass dem Deutschen Bundestag seit dem Jahre 2000, zuletzt veröffentlicht, wer es gern nachschauen will, im Umdruck vom 06.06.2001, dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ein nationales Stabilitätsprogramm vorliegt? Aus dem Grunde kann Ihnen das doch alles gar nicht mehr so neu sein. Herr Trautvetter, haben Sie es offensichtlich noch nicht gehört?

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Ich glaube, ich spinne.)

Offensichtlich haben Sie auch gestern nicht gehört, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin nun wahrlich nicht der Campa der SPD angegliedert gestern in seinem Wochenbericht veröffentlicht hat, dass es unumgänglich für Deutschland ist, einen nationalen Stabilitätspakt analog den Regelungen des Maastricht-Vertrags auf den Weg zu bringen.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Jawohl.)