Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr verehrte Ministerin und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, liebe Gäste, ich möchte die heutige 59. Plenarsitzung des Thüringer Landtags eröffnen.
Mir zur Seite haben Platz genommen Frau Abgeordnete Dr. Wildauer und Herr Abgeordneter Braasch. Die Rednerliste führt Frau Abgeordnete Dr. Wildauer.
Für die heutige Plenarsitzung haben sich entschuldigt: Frau Präsidentin Lieberknecht, Herr Abgeordneter Schröter, Frau Abgeordnete Dr. Stangner, Herr Abgeordneter Scheringer und Frau Abgeordnete Dr. Fischer.
Ich möchte es am Anfang nicht versäumen, einem Geburtstagskind zu gratulieren. Herr Abgeordneter Dr. Müller hat am heutigen Tag Geburtstag und feiert ihn mit uns gemeinsam.
Ganz herzliche Glückwünsche an Sie! Wir wünschen Ihnen natürlich - ich habe es vorhin schon einmal persönlich gesagt - viel Gesundheit, Schaffenskraft, immer den Mut zum Durchhalten und einen geraden Rücken.
Zu den heutigen Sitzungsabläufen ist Folgendes zu sagen: Sie haben es sicher schon gesehen, dass in dem Vorbereich des Verwaltungsgebäudes die Siegerarbeiten der Kinder- und Jugendgalerie der Beratungsstelle Neudietendorf des Sozialwerkes des Deutschen Frauenbundes, Landesverband Thüringen e.V., präsentiert werden, und zwar zum Thema "Brauche ich Gewalt...".
Ebenfalls im Foyer, aber in der Nähe des Plenarsaals, verkauft die Unicef-Gruppe Erfurt Osterkarten.
Der Thüringer Beamtenbund hat für heute zu einem parlamentarischen Abend eingeladen, der nach dem Ende der Plenarsitzung gegen 20.00 Uhr im Landtagsrestaurant beginnen wird.
Zu TOP 14 - Fragestunde - kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu: Drucksachen 3/2259, 3/2261, 3/2262, 3/2264, 3/2265, 3/2266 und 3/2267.
Die Landesregierung hat angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 7 und 10 von der Möglichkeit des Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.
Nach diesen Ergänzungen zur heutigen Tagesordnung frage ich Sie: Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der Ergänzungen widersprochen? Das ist nicht der Fall, dann verfahren wir nach dieser Tagesordnung. Sie wissen, dass der Tagesordnungspunkt 1 morgen aufgerufen wird.
Thüringer Kommunalabgabenentlastungsgesetz (ThürKAEG) Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 3/936 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 3/2243 ZWEITE BERATUNG
Berichterstatter wird der Abgeordnete Schemmel sein, Ich eröffne die zweite Beratung mit der Berichterstattung. Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter Schemmel.
Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der PDS, Thüringer Kommunalabgabenentlastungsgesetz, wurde am 14. September 2000 in der ersten Lesung an den Innenausschuss federführend sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss, den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt, den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik sowie den Justizausschuss überwiesen. Am 5. Oktober 2000 ersuchte der Innenausschuss den Justizausschuss um Vorabprüfung auf formelle Struktur- und Rechtsmängel. Der Justizausschuss bestätigte hinsichtlich Aufbau und Struktur Rechtsförmlichkeit, vertrat aber die Ansicht, dass eine vertiefte rechtliche Prüfung erst nach dem Ergebnis der Beratungen der Fachausschüsse erfolgen sollte. Die Beratungen der genannten Fachausschüsse führten in allen Fällen zur Empfehlung der Ablehnung des Gesetzentwurfs. Diesen Empfehlungen schloss sich der federführende Innenausschuss - ich verweise auf die genannte Drucksache 3/2243 - an und somit empfehle ich im Namen des Innenausschusses die Ablehnung des Gesetzentwurfs.
Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Fiedler, CDUFraktion, zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Schemmel hat den Bericht soeben zu
dem Thüringer Kommunalabgabenentlastungsgesetz der PDS vorgetragen und ich will noch einmal darauf verweisen, der Name und der Titel klingen gut, wenn ein Unbedarfter das hört: Thüringer Kommunalabgabenentlastungsgesetz; das kann ja nichts Schlechtes sein.
Entlastung für den Bürger kann ja nur was Gutes sein. Ja, das klingt gut, Sie können ruhig klopfen. Wenn man sich aber dann in die Materie hineinbegibt und sich in den Inhalt dieses so genannten Thüringer Kommunalabgabenentlastungsgesetzes vertieft, dann kommt man ganz schnell darauf, dass es ein unbrauchbares Gesetz ist. Man könnte auch sagen, es ist eine hohle Nuss, es ist also nichts drin.
Wir haben entgegen dem wohlmeinenden Rat des Kollegen Schemmel, der damals schon in der ersten Beratung meinte, es ist untauglich, sich mit dem Gesetzentwurf zu beschäftigen - Kollege Schemmel, ich muss es gestehen, ich gebe Ihnen ungern Recht, aber Sie haben Recht gehabt -, trotzdem diese Mogelpackung überwiesen und haben versucht, das Beste daraus zu machen, weil wir der Meinung waren, wenn es darum geht, gegebenenfalls für den Bürger Entlastungsmöglichkeiten zu finden, dann sollte man auch diesen Gesetzentwurf ausgiebig beraten. Wir haben das getan.
Sie können ruhig lachen, Sie waren ja nicht dabei. Wahrscheinlich wissen Sie gar nicht, was drinsteht, Herr Kollege, in Ihrem so genannten Gesetzentwurf. Ich will nur kurz wenige Dinge herausgreifen. Die in § 12 für die Gebührenbemessung vorgesehene Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte verstößt gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung, Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitsbehandlungsgrundsatz. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, durch einfache Mehrheit den Austritt aus dem Verband herbeizuführen und dies lediglich anzeigen zu müssen, läuft dem Ziel einer Stabilität der Verbände zuwider. Die bloße Anzeigepflicht birgt daher das Risiko, dass die Kommunalaufsicht nicht rechtzeitig in die Lage versetzt wird, vor der Vollziehung des Austritts eine ausreichende Prüfung vorzunehmen.
Oder noch ein Drittes: Die Neudefinition der Ermessensentscheidung bei der Beitragserhebung unter Abweichung der Grundsätze der Einnahmebeschaffung bedeutet eine Verschiebung der Kosten vom Einzelnen zu Lasten der Allgemeinheit. Dies ist unzulässig. Oder Einführung eines Beitragsmaßstabs nach dem Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme bedeutet erhebliche Rechtsunsicherheit. Wie soll die Definition im Einzelfall erfolgen? Wie soll der Aufgabenträger diese Feststellung treffen? Ich könnte das weiter fortführen.
Man muss abschließend eindeutig feststellen: In dieser hohlen Nuss, in diesem Gesetzentwurf ist nichts drin. Es ist nicht mal eine Mogelpackung, es ist einfach kein Inhalt drin, und weil dieser Inhalt nicht drin ist, möchte ich im Namen meiner Fraktion die Ablehnung dieses Gesetzentwurfs empfehlen.
Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Konglomerat vieler Einzelforderungen und Wunschvorstellungen. Es ist allerdings kein in sich stimmiger, ausgewogener und vor allem auch kein realistischer Vorschlag. Unsere Fraktion wird im Einklang mit der Empfehlung des Innenausschusses den Gesetzentwurf ablehnen. Ich möchte dies heute nicht durch eine Kritik von Einzelbestimmungen untersetzen, das würde ins Endlose führen, sondern durch einige prinzipielle Gedanken, die eine Ablehnung erforderlich machen. Ich möchte dies belegen, auch vor dem Hintergrund, dass einzelne Forderungen für sich allein betrachtet durchaus auch Forderungen bzw. Handlungsweisen der SPD entsprochen haben oder entsprochen hätten.
Aber zu dem Grundsätzlichen, zur Ablehnung: In Punkt a) des Vorblatts "Problem- und Regelungsbedürfnis" beklagt der Entwurf, dass die zwischenzeitliche fünfmalige Novellierung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes Behörden, Kommunen und Bürger verunsichert habe. Das stimmt zwar nicht so ganz, wie es dort steht, denn von den fünf Novellierungen erfolgten auch einige lediglich in Ausführung von Gerichtsurteilen oder direkt - wie 1998 zum unmittelbaren Nutzen der Bürger. Aber richtig bleibt, dass Änderungen in diesem äußerst sensiblen Bereich Unruhe, zeitweisen Stillstand und Risiken in sich bergen. Wir haben dies alle in diesem Hause und diesem Lande erlebt. Als Alternative aber dann 30 Änderungen im Thüringer Kommunalabgabengesetz und 31 Änderungen in anderen Thüringer Kommunalgesetzen zu postulieren sowie ein völlig neues Gesetz, das so genannte Thüringer Kommunalabgabenfördergesetz, zu kreieren, das mag zwar für die Beteiligten bei der PDS ein spannendes Sandkastenmanöver gewesen sein, es ist aber für die Praxis in Thüringen eine völlig ungeeignete Handlungsweise,
insbesondere dann, wenn man bedenkt - das ist auch der PDS genauestens bekannt -, dass die Praxis in diesem Lande im Bereich der kommunalen Abgaben eine äußerst komplizierte und auch differenzierte ist. Sie wissen das alle,
auch Sie von der PDS, dass die Bandbreite derzeit von abgeschlossenen Beitragszahlungen bis hin zu noch nicht einmal vorliegenden Beitragssatzungsbeschlüssen reicht. Diesen Gesetzentwurf nun auf diese beschriebene Praxis zu projizieren, bedeutete eine Unmenge von neuen Verwerfungen, neuen Ungerechtigkeiten, Rückabwicklungen und neuen Verwaltungsgerichtsverfahren. Das ist unverantwortlich. Der Gesetzentwurf ist gegenüber denen, die auf Hilfe hoffen, ein populistisches Unterfangen.
Es gibt eigentlich nur einen geraden Weg zur Hilfe für Verbände und betroffene Bürger: Dies wäre die prinzipielle Beibehaltung der Gesetzeslage und gleichzeitig die Erhöhung der Mittel für Strukturhilfe und Zinshilfe, also Verstärkung der Verbände in ihrer Aufgabenerfüllung und Erleichterung für die Beitragszahler. Diesen Weg will oder kann, ich unterstelle das, die Regierung derzeit nicht gehen. Der heute noch zu beratende Nachtragshaushalt des Freistaats zeigt gerade die andere Richtung, aber das wird mein Kollege Höhn dann beim Nachtragshaushalt noch genauer beleuchten.
Der Weg jedoch, den die PDS vorschlägt, heißt Belastung der Kommunen, und zwar in einer Höhe von 50 Prozent von jährlich 100 Mio. Dieser Weg ist aber gerade auch vor dem Nachtragshaushalt, den wir heute beraten müssen, der auch Kürzungen für die Kommunen in sich birgt, nicht begehbar.
Zusammenfassend: Wir stimmen dem Gesetzentwurf nicht zu, weil er nicht der praktischen Entwicklung Rechnung trägt, weil er die Belastungen nur verlagert und weil er Probleme nicht löst. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, fast genau eineinhalb Jahre läuft das Gesetzgebungsverfahren zu unserem Gesetzentwurf für ein Thüringer Kommunalabgabenentlastungsgesetz. Aus diesem Zeitrahmen könnte man schließen, dass eine intensive, sachbezogene Diskussion in den Ausschüssen stattgefunden hat. Doch leider sah die Realität, Herr Kollege Fiedler, etwas anders aus. Zu keinem Zeitpunkt waren CDU und auch Landesregierung bereit, sich ernsthaft mit unseren Vorschlägen zu beschäftigen oder sich mit ihnen zumindest intensiv auseinander zu setzen.
Dann wäre es nicht zur Bezeichnung "hohle Nuss" oder "Mogelpackung" gekommen, wie wir es eben von Herrn Fiedler gehört haben.
Der Beweis dafür ließe sich auch antreten mit einer Wertung der Diskussion in den fünf Ausschüssen, die der Entwurf passierte, doch das will ich uns ersparen. Bedauerlich ist, dass auch die SPD-Fraktion unsere Vorschläge im Ganzen als nicht realistisch angesehen hat. Ich möchte deshalb nicht noch einmal auf das, was Herr Schemmel eben gesagt hat, eingehen.
Dass unser Gesetzentwurf überhaupt an die Ausschüsse verwiesen wurde, war nur der Tatsache geschuldet, dass Kommunalabgaben eine hohe Brisanz im Freistaat haben. CDU und Landesregierung wollten den Anschein wahren und haben sich deshalb vermutlich mit Blick auf die Öffentlichkeit gescheut, unseren Entwurf einfach wegzustimmen.
Sie haben uns das auch unterstellt, vielleicht ist es eine Unterstellung, aber so sehen wir das. Wegstimmen können und werden Sie unseren Entwurf, die Probleme aber, Kollege Fiedler, lösen wir als Landtag und lösen Sie damit keinesfalls.