res wichtiges Argument für die presserechtliche Ausnahmeregelung liegt darin begründet, dass sich Pressedelikte erfahrungsgemäß über einen längeren Zeitraum, nämlich - wie einleitend dargestellt - über die gesamte Zeit des Verkaufs eines Presseerzeugnisses erstrecken. Das Verjährungsprivileg dient deshalb in Wirklichkeit der Verhinderung einer Benachteiligung, die sich für die Presse aufgrund des lang dauernden Absatzes ihrer Erzeugnisse ergibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Thüringen hat bisher im Ländervergleich zu dieser Frage durch das Fehlen jedweder Ausnahmetatbestände die strengste Regelung. Die meisten anderen Länder haben einen Ausnahmekatalog von ca. sieben Tatbeständen des Strafgesetzbuchs in ihre Pressegesetze integriert, für die wegen der Schwere des Delikts oder der pressetypischen Begehungsweise die verkürzte Verjährung eben nicht greifen soll. Andererseits hat z.B. Baden-Württemberg insgesamt 34 Ausnahmetatbestände festgeschrieben und hat somit im Ländervergleich mit Abstand die meisten Delikte vom Grundsatz der kurzen presserechtlichen Verjährung ausgenommen. Mit der vorliegenden Novelle des Thüringer Pressegesetzes soll die in den anderen Ländern übliche kurze Verjährung, das heißt 1 Jahr für Verbrechen, 6 Monate für Vergehen, auch in Thüringen grundsätzlich eingeführt werden. Einige besonders schwer wiegende, vorwiegend pressetypische Delikte sollen jedoch von dieser Privilegierung ausgenommen werden. In diesen Katalog von Ausnahmetatbeständen sind für Thüringen folgende 15 Delikte aufgenommen: Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei (§ 84 Strafgesetzbuch), Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot (§ 85 Strafgesetzbuch) , Verbreitung von Propagandamitteln und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86 und 86 a Strafgesetzbuch), Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und verfassungsfeindliche Sabotage (§§ 87 und 88 Strafgesetzbuch), verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane, Störpropaganda gegen die Bundeswehr und sicherheitsgefährdendes Abbilden (§§ 89, 109 d, 109 g Strafgesetzbuch), öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 Strafgesetzbuch), Bildung krimineller Vereinigungen und Unterstützungen von oder Werbung für terroristische Vereinigungen (§§ 129, 129 a Abs. 3 Strafge- setzbuch); Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch); Gewaltdarstellungen (§ 131 Strafgesetzbuch) und Verbreitung pornografischer Schriften (§ 184 Strafgesetzbuch). Damit sind zum einen die auch in anderen Ländern berücksichtigten pressetypischen Tatbestände erfasst und zum anderen einige zusätzliche Tatbestände, die die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats, wie z.B. die Sabotagetätigkeit insbesondere bei der Bundeswehr, zum Gegenstand haben, abgedeckt. Diese Ausnahmetatbestände wurden gerade auch mit dem Blick auf die Ereignisse des 11. September des vergangenen Jahres aufgenommen, um dem internationalen Terrorismus auch in diesem sensiblen Bereich entsprechend wirksam entgegentreten zu können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der nunmehr neu aufgenommenen kurzen presserechtlichen Verjäh
rung wird das Thüringer Pressegesetz einerseits deutlich liberalisiert und dem Standard der übrigen Länder angeglichen, andererseits wird gerade mit Blick auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus den berechtigten Forderungen nach Sicherheitsstandards Rechnung getragen. Der Blick über die Ländergrenzen ist insoweit nur bedingt hilfreich bei der Beurteilung der nunmehr zu treffenden Regelungen, da er sich auch auf Gesetze richtet, deren Standards die Entwicklungen der vergangenen Monate noch nicht berücksichtigen konnten. Das Thüringer Pressegesetz wird mit den vorgesehenen Änderungen moderner sein als eine Vielzahl anderer Ländergesetze in Deutschland und es findet, wie ich meine, den richtigen Mittelweg zwischen dem schützenswerten Gut der Pressefreiheit und der notwendigen Verfolgung von Straftaten. Ich denke, dies wird auch der weitere Gang der parlamentarischen Beratungen noch einmal verdeutlichen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Minister hat den Anlass der Änderung des Pressegesetzes genannt datenschutzrechtliche Regelungen. Die weiter von der Landesregierung vorgeschlagenen Änderungen zeigen aber, die vorliegende Novellierung des Thüringer Pressegesetzes ist längst überfällig. Während § 14 des Thüringer Pressegesetzes eine Verkürzung der Verjährungsfrist bei allen Verbrechen und Vergehen bisher ausschloss, gab es das Privileg der kurzen Verjährung von Presseverstößen bereits in anderen Bundesländern, unter anderem in Bayern, Sachsen und Hessen. Es geht also in Thüringen um nachholende Gesetzgebung. Die Eigenart der Pressedelikte erfordert eine andere Verjährungsregelung, um eine Benachteiligung zu verhindern. Minister Krapp hat dazu ausführlich Stellung genommen, deswegen möchte ich hier nichts wiederholen.
Die im Gesetzentwurf geregelte kurze Verjährung von Presseverstößen ist begründet und auch sinnvoll. Sie hat sich über Jahre in anderen Bundesländern bewährt. Die PDS-Fraktionen in den vergangenen Wahlperioden haben mehrmals vergeblich versucht, das Pressegesetz, wie es jetzt im Entwurf vorliegt, zu verändern. Wir scheiterten immer an der ablehnenden Mehrheit dieses Hauses. Dass eine CDU-Regierung unsere Vorschläge nun aufgegriffen und umgesetzt hat, begrüßen wir ganz besonders.
Wir beantragen auch die Überweisung an den Ausschuss für Bildung und Medien sowie an den Justizausschuss.
Da wir nun das Thüringer Pressegesetz novellieren, scheint es aber angebracht zu prüfen, ob noch weitere Änderungen über die Vorschläge hinaus sinnvoll sind. Vom Deutschen Journalistenverband wird das Anliegen an die Politik herangetragen, das Informationsrecht der Presse zu erweitern. Speziell geht es darum, von Privatveranstaltungen mit erheblichem Interesse für die Öffentlichkeit Kurzberichte geben zu dürfen. Wie man hört, soll in Baden-Württemberg eine solche Kurzberichterstattung eine rechtliche Regelung in nächster Zeit erfahren. Ich denke, Thüringen könnte gleich mitgehen.
Sicherlich ist eine solche rechtliche Regelung kein einfaches Konstrukt. Es müssten drei Dinge geprüft werden: Zunächst müsste das Recht der Presse bestimmt, dann das hinreichende Interesse der Öffentlichkeit definiert und der Schutz der Persönlichkeitsrechte müsste gewahrt werden in einem dementsprechenden Vorschlag. Ohne Abwägungsgrundsätze geht das natürlich nicht, aber, wir denken, das könnte alles im Ausschuss für Bildung und Medien mit beraten werden. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst möchte ich noch einmal kurz zu Frau Nitzpon etwas sagen - gesetzlicher Nachholbedarf. Vielleicht zu Ihrer Kenntnis, es gibt auch Länder auf dieser Welt, die haben überhaupt kein Pressegesetz und dort funktioniert das Pressewesen außerordentlich demokratisch, die USA zum Beispiel, dort wird alles der Selbstregulierung überlassen. Also, auch ein Pressegesetz ist nicht das Nonplusultra und es gibt hier auch nicht unbedingt einen Nachholbedarf.
Dennoch vielleicht die eine oder andere Bemerkung, es ist ja schon sehr viel gesagt worden zu der Thematik. Was der Aufhänger war, ist gesagt worden, das Herabbrechen des Bundesdatenschutzgesetzes auf Landesebene. Das ist korrekt, das muss durchgeführt werden. Und warum soll man nicht hier in diesem hohen Haus und im Ausschuss für Bildung und Medien nachdenken, ob man nicht bei den Verjährungsfristen den Wünschen der Journalisten entsprechen kann? Das muss diskutiert werden, das werden wir diskutieren in dem zuständigen Ausschuss. Es ist auch schon gesagt worden, dass wir noch 15 Ausnahmeregelungen eingeführt haben, auch aufgrund des 11. September; im Normalfall haben wir in anderen deutschen Bundesländern sieben Ausnahmeregelungen. Das ist der aktuellen Situation geschuldet, das ist korrekt. Was ich hier vielleicht auch noch erwähnen möchte, weil ich nun ständig im Briefverkehr mit dem Journalistenverband stand, es gab noch einen zweiten Wunsch, den Sie auch angesprochen hatten, Frau Nitzpon, das Zutrittsrecht zu öffentlichen Veranstaltungen von privaten Veranstaltern.
Aber diesen Wunsch haben die Journalisten, deswegen müssten Sie sich auch noch einmal konsultieren, schon wieder zurückgenommen, weil sie selbst...
Doch, das war auch im Gespräch, was ich mit Herrn Leifer geführt habe, aber das kann man ja dann im Ausschuss klären, weil das eben nicht geht, weil hier ganz klar und deutlich in Privatrecht bzw. auch Urheberrecht eingegriffen wird. Es geht ja hierbei hauptsächlich um Veranstaltungen, z.B. um Rockveranstaltungen, Filmveranstaltungen etc., wo der Veranstalter natürlich auch das Recht darauf hat, das wieder weiter zu veräußern. Deswegen gibt es hier in der Tat rechtliche Probleme, die wir, ob wir das wollen oder nicht wollen, nicht umsetzen können, auch nicht, wenn wir das in ein Pressegesetz schreiben. Das war meine Information, was ich von dem Journalistenverband mitbekommen habe, dass man das schon wieder zurückgezogen hat, dass es nicht ganz so wichtig wäre. Es wäre ein Wunsch gewesen, aber man hat dort gesehen, dass es leider nicht realisierbar ist. In diesem Sinne bin ich auch dafür, das natürlich in dem zuständigen Ausschuss für Bildung und Medien noch einmal detailliert zu besprechen, gerade was die Verjährung betrifft.
Vielleicht noch einen kleinen Kommentar zu der Tatsache, weil Sie sagten, es ist lange nichts gemacht worden. Ein Pressegesetz ist ein hohes Rechtsgut in einem Rechtsstaat. Ich denke, dass man ein so hohes Rechtsgut auch nicht nach Beliebigkeit und wenn es einem gerade mal in den Sinn kommt, vielleicht auch jährlich, gewissen Veränderungen unterzieht. Wenn wir in die Geschichte hineingehen: 1991 ist es ja verabschiedet worden, es ist gerade einmal, das stimmt, und zwar 1994, verändert worden. Es gab noch eine geringfügige redaktionelle Veränderung beim Strafmaß, was für eine Geldsumme zu bezahlen war. Da hat damals eine Null gefehlt, seitdem ist da nichts mehr geändert worden, das stimmt. Aber wie gesagt, so ein hohes Rechtsgut ändert man nicht jährlich. Jetzt ist ein Anlass, wieder darüber nachzudenken, auch andere Dinge zu ändern. Wir haben das aufgegriffen, die CDU bzw. die Landesregierung, und wir werden das im Ausschuss diskutieren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir können damit die Aussprache schließen. Es war mehrfach die Überweisung an den Ausschuss für Bildung und Medien beantragt worden. Wir stimmen über diesen Überweisungsantrag ab. Wer damit einverstanden ist, dass dieser Gesetzentwurf an den Ausschuss für Bildung und Medien zur Beratung geht, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Das sieht sehr einmütig aus. Gegenprobe? Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? Auch nicht. Dann so überwiesen. Wir können den Tagesordnungspunkt... Entschul
Entschuldigung, dann stimmen wir natürlich auch über die Überweisung an den Justizausschuss noch ab. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist eine Minderheit. Gegenprobe? Das sind sehr viele, also eine Mehrheit. Enthaltungen? Es gibt auch 1 Enthaltung. Dann jedenfalls mit Mehrheit abgelehnt und nicht an den Justizausschuss überwiesen. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 5 und wir kommen zu dem heute Morgen neu eingefügten Tagesordnungspunkt 5 a
Ich frage: Wird Begründung durch den Einreicher gewünscht? Das ist offensichtlich nicht der Fall, zudem die Landesregierung ja auch Sofortbericht angekündigt hat nach § 106 Abs. 2. Dann bitte ich zunächst einmal, den Sofortbericht der Landesregierung zu geben. Herr Minister Dr. Pietzsch.
Sehr verehrte Frau Landtagspräsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die ärztliche Versorgung gerät bundesweit in eine sich langsam entwickelnde Schieflage. In den neuen Bundesländern werden die Auswirkungen schneller und eher und drastischer spürbar werden als in den alten Ländern. Die Gründe und die Dringlichkeit möchte ich Ihnen im Rahmen meines Sofortberichts darlegen; übrigens dieses nicht zum ersten Mal.
Bereits während des Vermittlungsverfahrens zum Wohnortprinzip im Bundesgesundheitsministerium habe ich sehr deutlich auf diese drohende Entwicklung der ärztlichen Versorgung hingewiesen. Ich habe damals mehrfach gefordert, die Schere bei der Honorierung der Ärzteschaft zwischen Ost und West langsam zu schließen, wenigstens den Anfang zu machen. Ich behaupte nicht, dass dieses das Alleinige ist; aber es ist ein Grund. Damals war es eine unabänderliche Maßgabe der Bundesregierung - wenn ich sage damals, meine Damen und Herren, das liegt knapp ein halbes Jahr zurück -, dass es dafür nicht mehr Geld geben wird. Diese Verhandlung war im Herbst letzten Jahres und bereits davor war über die Situation der ärztlichen Versorgung auch in den Medien zu lesen. Erste warnende Berichte wurden in der Fachpresse bereits im Sommer 2001 veröffentlicht. Umso mehr war ich verwundert, dass die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Frau Scheich-Walch, vor rund vier Wochen, vor vier Wochen erst, zu einer Beratung in dieser Sache eingeladen hat, und zwar mit dem Hinweis, sie
habe in den letzten Tagen den Medien entnommen, dass die ärztliche Versorgung in den neuen Bundesländern in Schwierigkeiten kommen könne - vor vier Wochen, und sie hat es vor wenigen Tagen in den Medien gelesen, und das, obwohl eben, wie ich vorhin schon sagte, ich ein halbes Jahr früher aus demselben Grund im selben Ministerium mit der Bundesgesundheitsministerin und dem zuständigen Staatssekretär verhandelt hatte. Am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass diese Beratung mit der Parlamentarischen Staatssekretärin überhaupt kein Ergebnis gebracht hat. Sie hatte mehr den Anschein einer Alibi- und Informationsveranstaltung. Das war alles.
Meine Damen und Herren, was die Ärzteschaft angeht, von den rund 3.300 Ärzten in Thüringen sind ein Drittel über 55 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt der Ärzteschaft in Thüringen beträgt rund 50 Jahre, der der Allgemeinmediziner 51,2 Jahre, logischerweise mit steigender Tendenz, weil nicht entsprechend Nachwuchs kommt. Das hat übrigens auch etwas mit der Situation in der DDR zu tun. Wer sich entsinnt, weiß, dass Ende der 50er und im ersten Jahr 1960 und 1961 sehr viele Ärzte die damalige DDR verlassen haben und eine große Lücke in der ärztlichen Versorgung bestand. Ich selbst habe 1960 mit meinem Studium angefangen und bin in Berlin mit 800 Studenten immatrikuliert worden. Das sind aber die Jahrgänge, die jetzt alle relativ plötzlich aus dem Berufsleben ausscheiden. 590 Ärzte von diesen 3.300 - das sind immerhin über 17 Prozent - sind 60 bis 64 Jahre alt. Wir werden also in den kommenden Jahren eine Welle von Praxenschließungen aus Altersgründen erwarten müssen bzw. wir werden erwarten können, dass Praxen abgegeben werden, aber leider nicht entsprechend Nachwuchs da ist. Das ist das große Problem, die Nachwuchssorge. Die Zahl der Absolventen in der Medizin ist in den letzten sechs Jahren um etwa 23 Prozent zurückgegangen, die Zahl der Studienabbrecher ist auf 20 Prozent gestiegen; auch dieses ein wesentlicher Punkt, der dazu beigetragen hat. Übrigens habe ich mich mit vielen unterhalten, diese Dramatik hat sich eigentlich erst in den letzten zwei bis zweieinhalb Jahren entwickelt. Das hängt nicht so sehr damit zusammen, dass weniger Studenten im Bereich der Medizin beginnen. Das hängt mit den Studienabbrechern zusammen und das hängt damit zusammen, dass viele der Studenten nach abgeschlossenem Medizinstudium nicht in den klassischen Arztberuf wechseln, sondern in die Industrie gehen. Etwa 40 Prozent üben eine berufliche Tätigkeit außerhalb des klassischen Arztberufs aus. Sie werden in der Pharmaindustrie, Medizintechnik oder sogar in Personalbüros gern aufgenommen.
Weil diese Entwicklung in alten und neuen Bundesländern, dass man aus dem Beruf herausgeht, etwa gleichermaßen stattfindet, aber bei uns die Einkommensverhältnisse niedriger sind - und Einkommensverhältnisse hat dann auch etwas mit Risiko zu tun, wenn ich eine Praxis neu gründe oder eine Praxis übernehme -, wandern natürlich junge Ärzte aus den neuen Bundesländern gern in die alten ab, wo sie eine bessere Bezahlung erwarten können.
Immerhin erhalten niedergelassene Ärzte in den neuen Bundesländern - das muss man auch sagen - rund 77 Prozent des Honorars ihrer Kollegen in den alten Ländern. Meine Damen und Herren, das Einkommen liegt schon bei 90 Prozent, aber bei 120 Prozent Leistung. Das muss man auch dazu sagen. Und wenn dann immer vorgerechnet wird, es sind gar keine 76 oder 77 Prozent, sondern es sind ja bereits über 90 Prozent; wenn man die in Ost und West relativ ähnlichen Fixkosten einer Praxis berücksichtigt, dann wird der Unterschied wohl deutlich.
Rechnerisch behandelt in den alten Ländern ein Arzt 643 Versicherte, in Thüringen sind es 722 oder 12 Prozent mehr. Das habe ich eben mit diesem Einkommen gesagt. Wir werden natürlich gerade in den ländlichen Bereichen, aus denen junge Menschen verstärkt abwandern, aber der Teil der älteren Patienten bleibt, ein erhebliches Problem kriegen. Nach Auskunft der Landesärztekammer Thüringen sind zurzeit rund 100 Arztstellen in Thüringer Krankenhäusern unbesetzt. Das heißt, das Problem macht sich besonders im ambulanten Bereich bemerkbar, aber genauso gut im stationären Bereich. Sie kennen die Diskussion um das Arbeitszeitgesetz; da müssten dann zusätzliche Ärzte eingestellt werden. Daraus resultiert zwangsläufig eine Kollision mit diesem Arbeitszeitgesetz und mit den Bereitschaftsdiensten.
Meine Damen und Herren, ich muss daran erinnern, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs steht ja im Hintergrund und irgendwann wird sich das auf Deutschland auswirken. Ich stelle fest, dass von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums das Problem nicht ernst genug genommen wird. Stattdessen spricht man davon, noch weitere Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen zu können. Die ärztliche Versorgung in den neuen Ländern ist, glaube ich, ziemlich am Rande einer Leistungsfähigkeit. Auch deswegen brauchen wir diese Gesundheitsreform. Die Situation, die wir haben, duldet keinen Aufschub, insbesondere im Bereich der Allgemeinmedizin. Ich bin sehr dankbar, dass sich hier dieser Förderkreis gebildet hat für die Allgemeinmedizin. Denn sonst käme es auch in diesem Bereich zu einer weiteren Rationierung der medizinischen Leistungen. Übrigens, auch was die Nichtbesetzung der Praxen angeht, Sie wissen, dass mit der Gesundheitsstrukturreform eine zeitliche Begrenzung bis zum 68. Lebensjahr, was die Niederlassung angeht, eingeführt wurde. Viele haben sicherlich damit gerechnet, dass sie die Praxis einrichten als Alterssicherung. Wenn die Praxis nicht weitergegeben werden kann, haben sie keine Alterssicherung, aber sie haben unverändert die Kosten der Praxis - Zins und Tilgung - auf dem Hals.
Meine Damen und Herren, es muss schnell reagiert werden. Um den Wegzug junger Mediziner zu verhindern, muss die Schere bei der ärztlichen Versorgung zwischen Ost und West geschlossen werden. Die Transfers aus dem Risikostrukturausgleich müssen zumindest bis zu einem gewissen Ansatz auch dafür nutzbar gemacht werden und nicht erst dann, wenn die Krankenkassen völlig schulden
frei sind. Es darf nicht sein, dass am Ende die Abwanderung der Ärzte in die alten Bundesländer durch einen Zuzug aus osteuropäischen Ländern kompensiert wird. Meine Damen und Herren, das ist auch ethisch nicht vertretbar. Wenn wir dann schließlich aus Ungarn, aus Polen, aus Tschechien, aus der Ukraine Ärzte hierher holen, die fehlen dann schließlich dort. Wir müssen eigene Lösungen finden.
Meine Damen und Herren, aber auch das andere muss deutlich gemacht werden. Das Berufsbild Arzt muss wieder attraktiver werden und der Arzt muss wieder etwas mehr an Achtung bekommen. Wenn ich lese, wie über Ärzte gesprochen wird, da hat mich in Sonderheit auch die Aussage des DGB-Vorsitzenden in Thüringen etwas sehr gewundert und geschmerzt, wenn gesagt wird, da werden finanzielle Dinge in den Vordergrund gestellt. Wenn es um die Versorgung geht, da geht es nicht nur um finanzielle Dinge. Wir müssen das Medizinstudium straffen, die Approbationsordnung muss endlich - "endlich" muss ich sagen - geändert werden.
Ich bin sehr froh, dass wir es geschafft haben, und es wird zurzeit ausgeschrieben, dass ein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität eingerichtet werden kann und eingerichtet wird. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen.
Ich habe nicht die Patentlösung, aber wir werden viele kleine Schritte gehen müssen, und zwar gemeinsam und nicht gegeneinander, damit die ärztliche Versorgung in Thüringen auch für die Zukunft gesichert werden kann. Herzlichen Dank.
Die CDU-Fraktion schließt sich an. Damit eröffne ich die Aussprache zu diesem Sofortbericht und rufe als erste Rednerin Frau Abgeordnete Dr. Fischer, PDS-Fraktion, auf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die drohenden Versorgungsprobleme in Thüringen haben vielfältige und unterschiedliche Ursachen und die Probleme sind nicht über
Nacht entstanden, sie waren zum Teil voraussehbar. Seit langem machen die Thüringer Ärzte und die Ärzte aller ostdeutschen Länder auf die Probleme aufmerksam und trotzdem hat sich bisher kaum etwas bewegt. Jetzt scheint es, dass das Bundesgesundheitsministerium endlich die Situation in den neuen Bundesländern zur Kenntnis nimmt; spät, wahrscheinlich zu spät, Sie sagten es, Minister Pietzsch.
Einen ähnlichen Vorwurf muss man auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) machen, für die noch vor wenigen Monaten ausreichend Ärzte in Deutschland vorhanden waren. Der Blick auf die neuen Bundesländer fehlte dieser Einschätzung völlig. Wenn man sich die Zusammensetzung der KBV näher ansieht, dann weiß man auch, warum sie eine solch falsche Bewertung der Situation geleistet hat.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Durchschnittsalter der Ärzte in Thüringen gibt Anlass zur Sorge. Der Minister hat erklärt, auch mit DDR-Bezug usw., warum das so ist. Während in Thüringen 50 Praxen aller Fachrichtungen leer stehen, fehlen in Sachsen-Anhalt 120 Hausärzte, in Brandenburg 130 usw. In Thüringen scheiden von gegenwärtig rund 2.300 niedergelassenen Ärzten - ich mache das jetzt mal in Zahlen - bis 2010 etwa 1.000 aus Altersgründen aus, darunter etwa 700 Allgemeinmediziner. Eine Verjüngungskur ist dringend notwendig, doch der Nachwuchs bleibt aus. Nach KBV-Angaben ging die Zahl der Medizinabsolventen in den letzten sechs Jahren um die Zahl, die der Minister gesagt hat, zurück. Die Frage ist zu stellen: Warum? Die Frage ist auch zu stellen, warum so viele Medizinstudenten, nämlich jeder fünfte eines Jahrgangs, abbrechen und warum so viele Absolventen in artfremde Praxen wechseln. Ich sage hier auch, der Arztberuf hat an Attraktivität verloren. Sinkende Honorare, Arbeitsüberlastung - auf das Arbeitszeitgesetz wurde hier hingewiesen -, Budgetierung und zunehmende Bürokratisierung sorgen für Verdruss. Ein Praxisarzt hier bei uns arbeitet für weniger Honorar als sein Kollege im Westen und hat dafür, wie das beschrieben wurde, mehr Patienten zu versorgen - ich setze eins drauf -, darunter auch 27 Prozent mehr Rentner.
Das ist deshalb so, weil vor allem junge und gesunde Menschen den Osten verlassen. Wenn dann Ärzte ihr Praxisbudget überschreiten, eben weil mehr alte und behandlungsbedürftige Menschen hier zu versorgen sind, dann werden sie mit Regress belegt. Auch das erzeugt Verdruss, denn das ist weder für die Ärzte nachvollziehbar, die ihren Versorgungsauftrag ernst nehmen, geschweige denn für den Patienten. Aber ich sage hier, es stört ganz erheblich das Arzt-Patienten-Verhältnis.
Zudem führt der Regress und die Honorierungspraxis dazu, dass Praxen wirtschaftlich bedroht sind, und - ich sage das hier noch einmal, wir haben das hier schon öfter gesagt, das ist nicht das erste Mal, dass wir darüber reden - es gibt keinen Bereich der Wirtschaft und des Dienstleistungssystems