(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Für Sie ist also das Ansehen das einzige Problem, rechts- extreme Ideologien interessieren Sie nicht.)
Sie sind eine Zumutung für unsere Bürger, vor allen Dingen sind sie eine Zumutung für unsere Mitbürger jüdischen Glaubens.
Meine Damen und Herren, sie sind gleichzeitig auch eine Herausforderung für eine wirklich wehrhafte Demokratie, eine Herausforderung für alle, denen das Ansehen unseres Landes nicht gleichgültig ist. Gelegentlich ist zu hören, eine in sich gefestigte Demokratie muss auch solche Provokationen aushalten können. Eines muss uns allen klar sein: Es geht den Initiatoren solcher Aufzüge eben nicht mehr um das Recht der freien Meinungsäußerung, das Versammlungsrecht, nein, man will ganz bewusst durch die Ortsund durch die Terminwahl provozieren.
Meine Damen und Herren, das Grundgesetz lässt keine substanziellen Eingriffe in das Versammlungsrecht zu. Wir, meine Fraktion, die CDU, wollen auch keine substanziellen Eingriffe in das Versammlungsrecht. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung soll nicht eingeschränkt werden, aber sein Missbrauch soll eingeschränkt werden. Es geht darum, eine rechtliche Möglichkeit zu schaffen, die provokative Demonstrationen in geschützten Bereichen oder an geschützten Terminen untersagt. Es gibt sensible Orte und sensible Termine, die ihren besonderen Charakter aus der Geschichte bekommen haben.
Ein anderes Bild: Wir alle haben die Bilder vom 1. Mai dieses Jahres in Berlin noch ganz aktuell vor Augen oder ganz aktuell das, was letzte Nacht und auch im Moment, sicherlich zur gleichen Stunde dort passiert, ich meine nicht die Tausenden, die in Berlin friedlich demonstrieren und dort ihre Meinung damit zum Ausdruck bringen, die teile ich nicht, aber ich achte sie. Es gehört dazu, dass es in einer Demokratie möglich sein muss, dass jeder seine politische Meinung auch durch eine politische Demonstration nach außen zeigen kann. Aber unter dem Vorwand der politischen Meinungsäußerung begehen auch gewaltbereite und extremistische Berufsdemonstranten immer wieder Gewalthandlungen, die weder mit Demonstrationsfreiheit noch mit freier politischer Meinungsäußerung irgendetwas zu tun haben. Das ist blanke Gewalt, Chaos und Anarchie.
Wenn Autos angezündet oder zertrümmert, Schaufenster eingeschlagen, Läden geplündert werden, hat das alles nichts mit mehr freier politischer Meinungsäußerung zu tun.
(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Aber auch nicht mit der Anmeldung und Genehmi- gung einer Versammlung.)
Wir fordern Auflagen zur Gewaltvermeidung für die Organisatoren der Versammlungen und Demonstrationen. Das Versammlungsrecht ist das Recht der freien Meinungsäußerung, hat aber nichts mit diesen gewalttätigen Demonstrationen, wie wir sie jetzt erlebt haben, zu tun. Das Ver
sammlungsrecht soll nicht dazu missbraucht werden, dass sich gewaltbereite Chaoten unter friedlichen Demonstranten verstecken und somit der Strafverfolgung entziehen können. Das Versammlungsrecht ist das Recht der freien Meinungsäußerung. Diese soll uneingeschränkt erhalten bleiben.
Meine Damen und Herren, Versammlungsrecht ist Bundesrecht. Die Innenministerkonferenz hat bereits am 24. November 2000 den Bundesinnenminister aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Versammlungsrechts vorzulegen. Dies ist bis zur Stunde nicht geschehen. Immer wenn ein aktueller Anlass da ist, immer dann kündigt die Bundesregierung vollmundig entsprechende Initiativen an. Nur leider bleibt es meist bei den Worten. Ich hoffe, die Wähler werden bei ihrer Wahlentscheidung darauf achten. An den Taten soll man sie erkennen.
Es geht, um konkret zu werden, um die Konkretisierung der Verbotsnorm des § 15 des Versammlungsgesetzes und die erweiterte Möglichkeit zur Schaffung so genannter befriedeter Bereiche nach § 16 des Versammlungsgesetzes. Nach geltender Rechtslage kann eine Versammlung grundsätzlich nur dann verboten werden, wenn die Durchführung der Versammlung zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erkennbar führt. Aktuelle Rechtsprechung dazu ist, dass nur das vorhersehbare Begehen von Straftaten aus der Demonstration heraus, nicht aber schon die Äußerung verfassungsfeindlicher Inhalte eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt.
Ich versuche kurz zum Schluss zu kommen. Es geht darum, dass - entsprechend der Rechtsprechung besonders für Gedenkstätten und Denkmäler für die Opfer von Krieg und Verfolgung, für ehemalige Konzentrationslager sowie für Friedhöfe - durch ein Gesetz befriedete Bezirke bestimmt werden können. In diesen befriedeten Bezirken sind Versammlungen nur dann zulässig, wenn sie den Schutzzweck nicht beeinträchtigen.
Sie können nicht unbegrenzt überziehen. Ich denke, das Anliegen des Antrags der Aktuellen Stunde ist erkannt.
Ich muss Ihnen jetzt das Wort entziehen. Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion, hat das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Justizminister hat angekündigt, sich für eine Verschärfung des Versammlungsrechts stark zu machen; Herr Wolf hat versucht, etwas hilflos versucht, zu begründen weshalb. Die Anlässe: Rechtsextreme Versammlungen an geschichtsträchtigen Orten und Daten, z.B. die Neonazidemo in Weimar oder die Demonstrationsanmeldung von Rechtsextremen in Weimar für den 9. November. Eines ist richtig, solche Veranstaltungen dürfen in einer Demokratie nicht unwidersprochen hingenommen werden. Rechtsextremisten sollen nicht unwidersprochen rassistische und menschenverachtende Ansichten propagieren dürfen.
Bleibt aber die Frage nach dem Wie, nach der Form des Widerspruchs gegen undemokratisches und menschenverachtendes Denken und Tun. Die Landesregierung schlägt eine administrative Lösung vor. Staatliche Behörden sollen durch strenge Auflagen vor und während der Versammlungen Gewalt verhindern und durch Demonstrationsverbote verhindern, dass bestimmte Meinungen unter bestimmten Umständen in der Öffentlichkeit geäußert werden. Solche Verbote sollen generell für "sensible", also wohl historisch und politisch bedeutsame Orte und Daten, möglich werden. Dagegen gibt es mindestens drei schwer wiegende Einwände.
1. Die Wahrung des Verfassungsrechts auf Versammlungsfreiheit, das spätestens seit dem Brockdorf-Urteil von 1985 einen Minderheitenschutz sichern soll und ein "Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeit und Art und Inhalt der Veranstaltung" garantiert. Somit gerät mit Ihren Vorschlägen, meine Damen und Herren, ein gehöriges Stück Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unter die Räder.
Ein solcher Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat im Innenausschuss durch Rechtswissenschaftler und
2. Wenn der Ministerpräsident Recht hat, dass Toleranz und Verantwortung die Voraussetzungen für Freiheit sind, dann ist es unlogisch, den "Aufstand der Anständigen" zu propagieren und gleichzeitig diesen Anständigen das probate Mittel des Widerspruchs gegen die Vereinnahmung der Straße durch den Rechtsextremismus zu entziehen oder einzuschränken.
Außerdem ist das Problem nun einmal nicht mit Verboten zu beheben. Wer undemokratische, menschenverachtende oder rassistische Parolen schreiend die Straßen unsicher macht, der sollte auf die drei-, vier- oder zehnfache Menge von friedliebenden und mündigen Bürgern stoßen, die sich dem in den Weg stellen und damit demonstrieren: Das wollen wir nicht und euch wollen wir so nicht!
Demokratie ist nicht durch Restriktion, sondern nur durch Entfaltung zu sichern. Das Engagement für die Köpfe, für ein demokratisches Fühlen und Denken der Menschen ist die eine Aufgabe. Die Sicherung demokratischer Verhältnisse im öffentlichen Raum bedarf aber auch der Möglichkeiten, sich ggf. auch demonstrativ dafür einsetzen zu können. Die angemessene und wirksamste Antwort auf rechtsextreme Aufmärsche ist also nicht der administrative und prohibitive Eingriff in das Versammlungsrecht, sondern die öffentliche Auseinandersetzung, der demokratische Widerspruch aller. Das hat man in Weimar gesehen und zuletzt auch in Frankreich.
3. Jede administrative Antwort auf die gegenwärtigen und zukünftigen Probleme behindert nicht nur die aktiven und engagierten Bürger, sie unterstützt auch bei vielen Bürgern die weit verbreitete Vorstellung, es sei Angelegenheit des Staats, solche Gefährdungen der Demokratie zu beheben. Sie ist die Verlockung zur "Entantwortung" des Einzelnen von der Notwendigkeit ganz eigenen Engagements für Demokratie, für Humanismus, für ein friedliches Miteinander. Die Vorschläge der Landesregierung würden den Irrglauben nähren, die Ordnungsämter und die Polizeieinheiten könnten letztlich die Demokratie sichern und man könnte sich gemütlich beim "Mutantenstadl" zurücklehnen, wenn auf der Straße propagiert wird, schwarze Hautfarbe sei schlimmer als braune Gesinnung.
Auf die Vorschläge der Landesregierung haben wir nur zwei Antworten: Es braucht keine Verschärfung des Versammlungsrechts. Was im Versammlungsrecht im vorgegebenen Rahmen möglich ist, lässt sich mit dem geltenden Versammlungsgesetz erreichen. Zum anderen muss die Antwort auf rechtsextreme Aufmärsche ganz vorrangig eine öffentliche bürgerschaftliche, eine politische und eine demokratische sein. Wenn dafür dann noch administrative Unterstützung nötig sein sollte, dann sollten Sie, meine
Damen und Herren, diejenigen ermutigen und unterstützen, die den Anfängen wehren wollen, statt die Katastrophe zu verbieten. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Notwendigkeit der Gewährleistung der Grundrechte brauche ich heute nichts mehr zu sagen, das ist ausgeführt worden, erst einmal heute früh vom Ministerpräsidenten, da war ich ihm sehr dankbar. Er hat zwar nicht zur Versammlungsfreiheit gesprochen, aber Grundrechte sind so nicht teilbar. Zudem ist von Herrn Dr. Hahnemann jetzt etwas dazu gesprochen worden, da bin ich auch immer sehr dankbar, wenn diese Worte "Gewährleistung von Grundrechten" von der PDS kommen, weil da doch hin und wieder einmal Nachholbedarf besteht.
Meine Damen und Herren, es gibt bereits heute ausreichend, natürlich gesetzlich normierte Einschränkungen dieses Grundrechts. Ich will jetzt nicht die ganzen Bestimmungen des Versammlungsgesetzes, was im StGB steht, Propagandadelikte, welche Organisationen überhaupt gar nicht anmelden dürfen und wer praktisch ausgeschlossen werden kann, bei welchem Verhalten aufgelöst werden kann. Das kann ich jetzt in den fünf Minuten nicht alles bringen.
Ich will bloß darauf hinweisen, dass letztlich die Versammlungsbehörden, das sind in Thüringen die Landkreisämter oder die kreisfreien Städte, wenn die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet ist, Verbote aussprechen und Auflagen anordnen können. Da gibt es sehr gute Beispiele, bloß, die müssen wirklich verhältnismäßig sein und gut begründet. Ich erinnere an die Verbotsverfügung der Stadtverwaltung Weimar für die am 1. Mai 2000 geplante NPD-Demonstration. Eine ausgesprochen saubere Verbotsverfügung, wie gesagt, gut begründet und damit auch, wie man so schön sagt, gerichtsfest, denn sie hat einer gerichtlichen Überprüfung in zwei Instanzen standgehalten. Das heißt, wenn man den Nachweis führt, dass die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet ist, dann steht auch so eine Verbotsverfügung und dann ist sie auch gerichtsfest. Ich will weiterhin, wenn ich einmal bei Weimar bin, an die Bevölkerung Weimars erinnern, die bei einer letztlich nicht zu verbietenden Demonstration, nämlich am 20. April, ihren Bürgerwillen entgegengestellt und gezeigt hat und Weimar repräsentiert hat nach außen als bunt und farbenfroh und nicht als
braun. Da will ich ein Wort zum 20. April sagen. Wenn ich am 20. April Demonstrationsverbote aus dem Tag des 20. April heraus verhängen wollte, dann wäre mir das eine große Ehre für einen gemeinen Verbrecher. Es gibt also ausreichende Instrumente zum Verbieten, zum Einschränken und zum Bekunden seines Willens. Sie wollen jetzt eine Möglichkeit schaffen, das Versammlungsrecht stärker einzuschränken. Der Wunsch ist verständlich, aber lassen Sie uns das mal an einigen Beispielen durchdeklinieren. Es gibt Bannkreise, die sind im Versammlungsgesetz niedergeschrieben, zum Schutz der Parlamente und zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts. Wenn Sie jetzt noch weitere Bannkreise fordern wollten, sagen wir mal Buchenwald, mein Gott, wer will denn dann den ehemaligen Häftlingen in Buchenwald verbieten zu demonstrieren, wer will denn verbieten, dass die dort Aufmärsche machen. Oder etwas anderes, Burschenschaftsdenkmal, habe ich gerade gelesen in der Zeitung aktuell, ja, wer soll denn da nicht mehr demonstrieren können am Burschenschaftsdenkmal, die Burschenschaften etwa oder die Gegendemonstranten, die unbeliebten Gegendemonstranten in diesem Fall. Verbot von Versammlungen an bestimmten Gedenktagen - Holocaust-Gedenktag, na ja, wer will denn dann aber an dem Holocaust-Gedenktag Demonstrationen verbieten, es können sich ja auch Leute dort versammeln wollen, die der Opfer des Holocaust gedenken wollen. Es hat eine Verbotsverfügung zum Holocaust-Gedenktag in Berlin gegeben, aber natürlich nicht, weil es der Gedenktag war, sondern weil die öffentliche Sicherheit und Ordnung an diesem Gedenktag gefährdet worden wäre. Sie merken also mit mir sofort, um die jeweils unliebsamen Demonstranten ausschalten zu müssen - und da gibt es eine größere Anzahl von Konstellationen, Linksextremisten, Rechtsextremisten usw. -, müsste man politisch ausgerichtete Gesetze schaffen. Das können wir ja eigentlich alle gar nicht wollen, denn ein das Grundrecht einschränkendes Gesetz muss für alle gleich sein, da das Grundrecht natürlich auch für alle gleich ist. Der Wunsch, nicht genehme Veranstaltungen über das bisher Mögliche hinaus von vornherein präventiv zu verbieten, der muss ins Leere gehen meine Damen und Herren. Dieser Wunsch, wenn ihm einmal nachgegeben wird, könnte ja auch für manche unter bestimmten Bedingungen dann übermächtig werden und das wollen wir doch eigentlich nicht in die Wege leiten.
Weitere Redemeldungen aus dem Plenum gibt es nicht, aber Herr Staatssekretär. Herr Koeppen, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, am 20. April fand in Weimar eine rechtsextremistische Demonstration statt. Es hat in der Öffentlichkeit große Empörung ausgelöst, dass an diesem Tag Rechtsextremisten demonstrie
ren konnten und durften. Deshalb ist es zu begrüßen, dass wir in dieser Aktuellen Stunde erörtern können, welche Möglichkeiten bestehen, den Versammlungsbehörden eine gerichtsfeste Handhabe zu geben, solche rechtsextremistischen Versammlungen im größeren Umfang zu verbieten als dies bislang nur möglich war.
Vorweg, meine Damen und Herren, noch ein Wort zur Demonstration am 20. April selbst. Unsere Sympathien haben natürlich die Bürger, die mit ihrer Teilnahme an den friedlichen Gegenveranstaltungen ein Zeichen dafür gesetzt haben, dass Thüringen ein weltoffenes Land ist und den braunen Spuk nachdrücklich ablehnt.
Hochachtung gebührt den jungen Schülerinnen und Schülern, die in Weimar den Rechtsradikalen ihren friedlichen Protest auf selbst gefertigten Plakaten entgegengehalten haben. Der Mut dieser Jugendlichen, demonstriert in den Bildern dieses 20. April, hat sicher viele Menschen sehr beeindruckt.