Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Ziel der hier eingebrachten Vorschläge war, die innere Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission, letztlich die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen zu verbessern, aber trotzdem die bestehenden Geheimhaltungsvorschriften zu beachten und zu würdigen. Die Vorschläge lehnen sich teilweise an die des Bundes an, was die parlamentarische Kontrolle auf diesem Gebiet betrifft. In seiner 33., 34. und 37. Sitzung im Jahr 2001 beschäftigte sich bereits der Innenausschuss mit dieser Drucksache. Weil hier eine nicht einfache Materie Inhalt des Gesetzentwurfs in Drucksache 3/1705 war, ist im Innenausschuss beschlossen worden, am 6. Dezember 2001 eine Anhörung von erfahrenen Experten auf diesem Gebiet durchzuführen, um schließlich in seinen Überlegungen wissend zu werden, um zu überdenken, was wäre für Thüringen ratsam und was nicht. Anschließend beschloss der Innenausschuss am 30. Mai 2002 in seiner 45. Sitzung mehrheitlich, den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen. Weder der Antragsteller noch andere Fraktionen hatten die Mitberatung im Justizausschuss verlangt. Es darf dabei festgestellt werden, dass zu diesem Zeitpunkt den Mitgliedern des Innenausschusses inhaltlich bekannt war, wie die jetzt in Drucksache 3/2474 unter den Punkten 6, 7 und 8 gefassten Punkte aussehen werden und könnten. Dies sicher als Überlegung auch für den Beschluss, dann den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Wir kommen jetzt zu Punkt

c) Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 3/2038 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 3/2522 dazu: Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/2524 ZWEITE BERATUNG

Als Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Groß benannt worden. Ich bitte um die Berichterstattung zum Tagesordnungspunkt 3 c.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit Recht hat Herr Buse festgestellt, dass sich das im vorherigen Punkt schon erledigt hatte. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Wir treten nun nach den Berichterstattungen in die gemeinsame Aussprache zu 3 a, b und c ein. Als erster Redner hat sich Abgeordneter Dittes, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Meine Damen und Herren, ich bin jetzt ein wenig verunsichert, ob der Innenausschuss die Ablehnung des Entwurfs der Landesregierung empfohlen hat,

(Beifall bei der PDS)

was ich selbstredend, das dürften Sie nicht anders erwarten, auch begrüßen würde, aber ich kann mich zumindest entsprechend der schriftlich vorliegenden Drucksache erinnern, dass die Empfehlung zu diesem Gesetzentwurf eine andere ist. Die Hoffnung trübte, Herr Köckert, die war auch recht kurzzeitig, das ist richtig.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Zuletzt stirbt die Hoffnung.)

Wir haben natürlich zu diesem Tagesordnungspunkt eine recht umfängliche Sammlung von inhaltlichen Vorschlägen, die sich in drei einzelnen Gesetzentwürfen darstellen, was die Debatte oder die Gliederung dieser Debatte sicherlich auch recht schwierig macht. Ich will vorweg ankündigen, dass ich mich ausschließlich in meinem Redebeitrag auf den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechts einschließlich der dazugehörenden Beschlussempfehlung beziehe und gleichzeitig aber auch Ausführungen zum Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes der SPD mache. Zu dem Anliegen der Änderung des Polizeiaufgabengesetzes in § 18 wird meine Kollegin Katja Wolf nachher noch ausführlich Stellung nehmen.

Zu Beginn, meine Damen und Herren der SPD, zwei kurze Bemerkungen zu Ihrem Änderungsantrag zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses zum Gesetz zur Änderung des Thüringer Polizei- und Sicherheitsrechts. Es ist sicherlich legitim, wenn Sie Ihre beiden nachher oder auch gleichzeitig mitberatenden Gesetzentwürfe in diesem Änderungsantrag gleich mit verarbeitet haben, aber ich will Sie zumindest auf zwei Schwachstellen Ihres Antrags hinweisen. An einem Punkt arbeiten Sie formal schlampig, indem Sie sich in Ihrem Änderungsantrag in Punkt 4 entsprechend des § 44 - Rasterfahndung - nicht auf den vor

liegenden Gesetzentwurf beziehen, sondern hier ausschließlich auf das gegenwärtig noch geltende Gesetz abheben. Das ist sicherlich schlampig gearbeitet und, ich glaube, es erschwert auch die Beratung. Mir ist nicht ganz deutlich, in welche Richtung Sie nun auch Ihre Kritik, die Sie an der bisherigen Regelung der Rasterfahndung in Thüringen, auch an der vorgeschlagenen Regelung zur Rasterfahndung der Landesregierung nun inhaltlich mit diesem Antrag begründen. In einem zweiten Punkt will ich auch gleichzeitig die Frage an Sie richten zu Ihrem Vorschlag zu § 75 Abs. 3 zur Änderung zur Kostenregelung bei der Teilnahme an vollziehbar verbotenen Versammlungen oder Demonstrationen. Hier haben Sie die durchaus, auch wenn von uns nicht in Gänze geteilte, konkrete Regelung im Entwurf der Landesregierung insofern verschwächt, indem Sie die konkreten Ausschlussgründe für die Kostenübertragung gestrichen haben und hier meines Erachtens den rechtlich nicht sachgemäßen Begriff der rechtmäßigen Entscheidung eingefügt haben. Ich will Ihnen einmal unterstellen, dass Sie an dieser Stelle eine rechtskräftige Entscheidung vorgezogen und auch im Auge hatten, als Sie diesen Änderungsantrag eingebracht haben. Aber das sind zwei Fragen, die sicherlich auch im Zuge der Debatte von Ihnen beantwortet werden sollten.

Meine Damen und Herren, mit den Änderungen im Gesetz zur Änderung des Thüringer Polizei- und Sicherheitsrechts setzt sich der staatliche Sicherheitsapparat mit seinem Allmachtsanspruch noch ein entscheidendes Stück weiter gegen die am lebendigen bürgerschaftlichen Engagement orientierte Zivilgesellschaft durch. Mit dem Entwurf der Landesregierung bekommen wir noch ein Stück mehr vermeintlicher Sicherheit auf Kosten ziviler Freiheit, noch ein Stück mehr vermeintlicher Sicherheit auf Kosten demokratischer Grund- und Menschenrechte. Es geht um das Grundrecht der Unantastbarkeit von Wohnund Privatsphäre, es geht um das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, es geht um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und auch um andere fundamentale Bürgerrechte.

Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, der Mehrheitsfraktion, werden einwenden, dass die unbescholtenen Bürger in Thüringen, die nichts zu verbergen haben, ja auch nichts zu befürchten haben, die Änderungen träfen ja nur Kriminelle, ja sogar Terroristen, was die zumindest öffentlich dargestellte Zielrichtung der ganzen Gesetzesänderungen in den vergangenen Monaten im Bereich des Polizeirechts ja offensichtlich, aber zumindest aus meiner Sicht vermeintlich zum Gegenstand hat. Wenn man Ihren Gesetzentwurf zur Hand nimmt, stimmt das nicht einmal für solche gravierenden Änderungen wie die Ausspähung von Wohnräumen oder die Überwachung von Telefongesprächen und bei der Videoüberwachung öffentlicher Plätze gerät eine unendliche Vielzahl mehr unbescholtener Bürgerinnen und Bürger ins Blickfeld des Sicherheitsapparates, als potenzielle oder tatsächliche Störer oder gar Straftäter zu entdecken sein werden. Bei Anwendung all dieser Mittel der Gefahrenabwehr geraten Un

bescholtene ins Visier der Sicherheitsbehörden, und dies, weil bei vielen Verschärfungen die Eingriffsschwelle gerade nicht auf Kriterien bezogen ist, die einen eindeutigen Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität oder Terrorismus herstellen oder gar einen konkreten und tatsächlichen Verdacht des Begehens einer erheblichen Straftat rechtfertigen würde. Wie die Erfahrung zeigt, wird jeder im Blickfeld der Sicherheitsbehörden als potenziell verdächtig angesehen, denn die Gefahr oder - besser - auch die erfahrene Realität im Sicherheitsapparat ist doch, die Verdachtsbrille gehört zur Grundausstattung dieser Berufe. Hier besteht grundsätzlich die Gefahr der Verzerrung der Wahrnehmungsfähigkeit von Realität. Außerdem ist zu bedenken, die Schaffung neuer Instrumente in der Gefahrenabwehr trägt immer die Gefahr bzw. die Versuchung in sich, dass sie auch angewendet werden müssen. Es wird immer versucht werden, sie als notwendig und wirksam, auch in der politischen Auseinandersetzung mit den parlamentarischen Kräften als wirksam zu erweisen. Ob das nun der Realität entspricht oder nicht, so wurde beispielsweise nach dem 11. September die Rasterfahndung entgegen allen bürgerrechtlich begründeten Einwänden wieder ausgegraben, obwohl sich selbst ihre mangelnde Wirksamkeit oder, besser gesagt, ihre Unwirksamkeit in der Verbrechensbekämpfung schon 1977 und danach sehr viel mehr noch sehr deutlich gezeigt hatte. Auch die Tatsache, dass es in Deutschland mit seinen 80 Mio. Einwohnern pro Jahr mehr Telefonüberwachungen gibt als in den USA mit 220 Mio. Einwohnern, bestätigt diese Aussage.

Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir in den Ausschussberatungen versucht, zum einen die Aufnahme bestimmter Vorhaben ganz zu verhindern, so z.B. die Regelung zur Wohnraumüberwachung, Telefonüberwachung und Videoüberwachung öffentlicher Plätze, aber so weit dies nicht erfolgreich war, haben wir zumindest versucht, als Bremse zur Eindämmung ausufernder Praxis deren Anwendung unter Richtervorbehalt zu stellen und Verfahren zur Wirksamkeitsüberprüfung von Gefahrenabwehrinstrumenten in das Gesetz aufzunehmen, so z.B. in Form einer strikten Berichtspflicht über Umfang, Auswirkung und Wirksamkeit von Rasterfahndung. Denn, meine Damen und Herren, die Regelungen des Sicherheitsrechts müssen sich generell und in jedem Einzelfall legitimieren, weil sie neben Einzelfall einen grundsätzlich unerwünschten Eingriff in Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger darstellen. Das heißt, sie müssen für sich den Schutz eines höherrangigen Rechtsguts in Anspruch nehmen können. Dazu reicht z.B. auch die rechtlich total abwegige und gesellschaftsperspektivisch verheerende Konstruktion eines Supergrundrechts auf Sicherheit nicht aus. Das Oberste des Sicherheitsrechts muss es sein, die individuelle Betätigung der Grund- und Menschenrechte in optimaler Weise zu gewährleisten, d.h., wo Grundrechte auf Kosten einer allgemeinen nebulösen Sicherheit demontiert werden, ist der demokratische Grundkonsens selbst angegriffen.

Meine Damen und Herren, ein kurzer Blick auf den Inhalt unserer Änderungsanträge, die Ihnen heute in Drucksache 3/2519 zur Änderung der Beschlussempfehlung des Ausschusses vorliegen, die dieses, was ich eben grundsätzlich formuliert habe, auch exemplarisch deutlich machen und den schlimmsten Auswüchsen entgegensteuern sollen, nicht aber ohne die Geschichte der Änderungsanträge der PDS im Innenausschuss selbst noch einmal zu erwähnen, die nicht nur nicht diskutiert worden sind, sondern die zudem auch noch erst abgestimmt worden sind, nachdem die eigentliche Drucksache schon durch den Innenausschuss beschlossen worden ist. Das mag am Ergebnis für Sie sicherlich nicht viel ändern und Sie mögen es einerseits auch als formalen Fauxpas darstellen können, aber die Summe dieser in den parlamentarischen Beratungen offenbart zumindest ein merkwürdiges Verhältnis zu demokratischen Entscheidungsprozessen. Da gibt es auch keine Unterscheidung zum bereits im Tagesordnungspunkt 1 diskutierten Verfahren bei der Beratung des Informationsfreiheitsgesetzes.

Zurück zum Antrag in Drucksache 3/2519. Beginnen wir mit den Anträgen zu den Änderungen bezüglich Ausspähung von Wohnräumen - § 95 - und dem Abhören von Telefongesprächen - § 34 a. Beide greifen massiv in die Grundrechte zum Schutz der Privatsphäre und hier Artikel 10 und Artikel 13 des Grundgesetzes ein. Ich möchte Sie an eine Äußerung Burghardt Hirsch's erinnern in der Debatte zur Einführung des Lauschangriffs in Artikel 13 des Grundgesetzes. Er sagte damals sinngemäß: Ein demokratischer Staat unterscheidet sich von einem totalitären auch und vor allem dadurch, dass er der Unantastbarkeit der Privatsphäre als unabdingbaren Bestandteil der Achtung der individuellen Menschenwürde den notwendigen umfassenden Schutz angedeihen lässt. Nur ein Staat mit totalitärem Anspruch möchte die ihm Unterworfenen bis in die intimsten Lebensäußerungen hinein unter seine Kontrolle bringen.

Gerade die politischen Eliten in den neuen Bundesländern, meine Damen und Herren, sollten angesichts der hier gemachten Lebenserfahrungen einem solchen Argument, einer solchen Mahnung zur staatlichen Selbstbeschränkung zum Schutz individueller Freiheit sehr viel aufgeschlossener gegenüberstehen, als das vielleicht damals die Abgeordneten des Deutschen Bundestages getan haben.

Doch abgesehen von dieser grundsätzlichen Kritik am Lauschangriff, selbst wenn man die Artikel 10 und 13 in ihrer gegenwärtigen Ausprägung hinnimmt, widersprechen die Vorschläge der Landesregierung den grundrechtlichen Garantien. Hinzu kommt, dass durch die nachherige Speicherung auch in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird. Vor allem das Abhören von Handys hat zur Folge, dass praktisch lückenlos Bewegungsprofile von Personen erstellt werden können, weil dann das Handy als Peilsender benutzt wird. Ein gezielter und nahezu schrankenloser Eingriff in die Privatsphäre im Bereich der Gefahrenabwehr mit der Folge, dass es

Leute treffen kann, gegen die keinerlei Verdacht auf strafbare Handlungen vorliegen. Ja, die Gefahrenprognose gegen den Betreffenden muss sich nicht einmal an konkreten Hinweisen auf eine zurückliegende Straffälligkeit o.Ä. festmachen.

Es sei an dieser Stelle nochmals gesagt, in Deutschland werden schon jetzt mehr Telefonüberwachungen durchgeführt als z.B. in den Vereinigten Staaten. Doch dieser ausufernde Gebrauch bei der Strafverfolgung führte bisher, soweit ersichtlich, nicht zu einem nennenswerten Anstieg der Aufklärungszahlen von Straftaten. Wieso soll also der Wirkungsgrad bei der Gefahrenabwehr dann plötzlich besser sein? Hier stehen der Nutzen für die Sicherheit und die Kosten für die Grundrechte völlig außer Verhältnis, und das zulasten der Grundrechte.

Für Wohnraumbespitzelungen gilt dasselbe. Ich möchte jetzt nicht an dieser Stelle auf die verschiedenen Anekdoten der Ermittlungspannen eingehen, die man immer mal wieder hört, wenn nach der Wirksamkeit dieser Ermittlungsmethoden gefragt wird. Es geht darum, dass durch die vorgeschlagene Regelung die erlaubten grundrechtlichen Grenzen für einen Eingriff überschritten werden. Das bestätigten unseres Erachtens auch die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen aus den letzten fünf Jahren zu vergleichbaren polizeirechtlichen Regelungen.

Bei den Regelungen zum Aufenthaltsverbot und zur Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen mögen die verfassungsrechtlichen Verstöße nicht ganz so offensichtlich sein bzw. sie unterliegen in dieser Frage auch einer kontrovers juristisch geführten Debatte. Diesbezügliche Vorschläge der Landesregierung werfen aber ein dennoch sehr bezeichnendes Licht auf deren Demokratie- und Gesellschaftsverständnis. Schlagwortartig zusammengefasst: Ordnung und Sauberkeit gehen vor lebendigem zivilgesellschaftlichen Leben im öffentlichen Raum. Alle unliebsamen Erscheinungen und vor allem gesellschaftliche Probleme, die so sichtbar werden können, sollen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit und - konsequent betrachtet - damit auch aus dem Blickfeld der öffentlichen Meinung verbannt werden oder zumindest abgeschreckt werden können. Seien es nun die Punker, die sich gesellschaftlichen Konventionen verweigern, seien es Obdachlose und Drogenabhängige, die uns nicht nur - und oberflächlich betrachtet - Unordnung bringen, sondern auch durch ihre Existenz auf gravierende soziale Probleme in der Gesellschaft und in der Politik verweisen.

Hierzu kann ich Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren, gesellschaftliche Probleme haben sich noch nie dadurch gelöst, dass sie die Verantwortlichen aus ihrem Gesichtskreis verbannt haben.

(Beifall bei der PDS)

Dieses Wegschieben wird sich genau in diesen Politikbereichen auch rächen. Das Problem des Eingriffs in die Grundrechte der Persönlichkeitsentfaltung in der informationellen Selbstbestimmung habe ich schon angesprochen. Auch hier gilt, ob man durch Videokamera und Aufenthaltsverbote die öffentliche Sicherheit schützt, ist mehr als fraglich. Es ist sogar zu bestreiten, wenn man die kriminalistisch begründeten Erfahrungen zurate zieht, die das Verdrängen von Klein- und Kleinstkriminalität von den in der Regel imagebehafteten und dadurch videoüberwachten öffentlichen Plätzen in die Räume hinein betrachtet, die ein solches von Image geleitetes öffentliches Interesse eben nicht nachweisen können. Über die rein praktische Umsetzung des geplanten dreimonatigen Platzverweises, die ich im Übrigen ohne jeden Zweifel bestreite, will ich erst gar nicht spekulieren.

Meine Damen und Herren, für den gesamten Bereich der Sicherheitspolitik gilt, der beste Schutz der öffentlichen Sicherheit besteht in einem zivilgesellschaftlichen Konzept, das an den Ursachen der Probleme ansetzt und nicht an den Symptomen herumdoktert, wie es die Landesregierung mit obrigkeitsstaatlichen Instrumenten verzweifelt, aber ganz offenkundig ergebnis- und erfolglos versucht.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechts sowie der Durchführung der gemeinsamen Beratung mit dem SPD-Gesetzentwurf zur Novellierung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes wurde zunächst nur rein optisch das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst aufgehoben. Insofern sehe ich mich auch in der Lage, fast ohne Trennung noch einige Bemerkungen zum Gesetzentwurf und zu den Vorschlägen der SPD zu machen, obwohl die einen gänzlich anderen Regelungsgegenstand im Auge haben als der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Polizei- und Sicherheitsrecht.

Während die Landesregierung mit ihrer Zubilligung weiterer nachrichtendienstlicher und mit denen eines Geheimdienstes wesensgleicher Befugnisse für die Polizei und mit der erfolgten Erweiterung der Ermittlungskompetenzen in Sachen organisierte Kriminalität für den Verfassungsschutz das Trennungsgebot auch existenziell qualitativ in Frage stellt, beabsichtigt die SPD, getragen von einer öffentlichen Sensibilisierung in Sachen Thüringer Landesamt für den Verfassungsschutz, die Erhöhung der Transparenz geheimdienstlicher Tätigkeit in Thüringen für - und das ist das Problem Ihres Gesetzentwurfs - ausschließlich eine geringe Anzahl von Abgeordneten dieses Hauses. Ihr Ansinnen, Licht in die Arbeit eines Geheimdienstes bringen zu können, ohne dessen Charakter zu ändern, ist vom Grundsatz her, meine Damen und Herren, ebenso zum Scheitern verurteilt wie der Versuch Hagrids bei Harry Potter, aus einem Feuer speienden Drachen ein gezähmtes Haustier machen zu können. Das haben Sie auch erkannt, meine Damen und Herren, und deshalb verzichten Sie in

Ihrem Gesetzentwurf gleich auf die doch grundsätzliche Position der Transparenz und Kontrollfähigkeit einer Struktur, zu deren gewerbsmäßiger Verpflichtung gehört, ihr Handeln im Dunkeln zu belassen. Worauf Sie allerdings, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, auch verzichtet haben, war, dies der Öffentlichkeit und dem Thüringer Landtag in dieser Deutlichkeit zu sagen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Herr Dittes, kümmern Sie sich um sich und nicht um uns!)

Sie müssen doch schon für sich in Anspruch nehmen können, dass, wenn Sie einen Antrag in die parlamentarische Beratung einbringen, sich auch die anderen Fraktionen damit auseinander setzen, Herr Pohl, stattdessen bleiben Sie dabei, dass mit den von Ihnen vorgeschlagenen Neuregelungen so manche Panne und so mancher Frust über die Desinformationspolitik des Innenministeriums und seiner Geheimdienstbehörde hätte verhindert werden können. Ihr Gesetzentwurf berührt keinesfalls die Kontrollmöglichkeit des Parlaments, er berührt keinesfalls die Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit und der Gesetzentwurf berührt auch keinesfalls die Rechte betroffener nachrichtendienstlicher Arbeit. Ihr Gesetzentwurf regelt ausschließlich das Innenverhältnis einer geheim arbeitenden Parlamentarischen Kontrollkommission gegenüber dem Verfassungsschutzamt.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das war auch der Gegenstand unseres Gesetzentwurfs.)

Dass die Parlamentarische Kontrollkommission ein stumpfes Schwert in der tatsächlichen Kontrolle geheimdienstlicher Tätigkeit ist und auch mit Ihrem Gesetzentwurf bleibt, wird insbesondere auch dann deutlich, wenn Sie zwar einerseits den von uns ebenso als Verbesserung gegenüber der bisherigen Regelung angesehenen Vorschlag machen, Sitzungen der PKK grundsätzlich als nicht öffentlich zu klassifizieren, es aber einer einfachen Mehrheit und damit in der Regel der Regierungsmehrheit überlassen, für die Geheimhaltung zu sorgen, andererseits eine mögliche öffentliche Bewertung von Vorgängen, die Gegenstand der Parlamentarischen Kontrollkommission gewesen sind, unter dem Vorbehalt einer Zweidrittelmehrheit stellen. Damit stärken Sie nicht parlamentarische Rechte, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, damit stärken Sie die Rechte der regierungsbildenden Mehrheit, losgelöst von allgemein geltenden Rechtsnormen den Grad der Kontrolloption beliebig zu handhaben. Wenn ich den Abgeordneten Fiedler aus der ersten Lesung zitieren darf, dann wird es eben nicht einmal mehr diese Beliebigkeit geben, sondern es existiert eine klare Ansage, sich auch weiterhin nicht in die Karten schauen zu lassen. Herr Fiedler führte zu eben dieser Regelung in seiner Art unnachahmlich aus:

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das habe ich nicht so gesagt.)

"Also, ich muss Ihnen sagen, das gefällt mir nicht." - aus und basta möge man noch hinzufügen können.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie hätten doch mitmachen können in der PKK; Sie haben es doch verweigert.)

Sie kennen die Gründe, Herr Fiedler, warum wir uns dieser Mitarbeit entzogen haben. Wir haben das, denke ich, auch deutlich dargestellt.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Doch beworben haben Sie sich.)

Herr Pohl, auch hier irren Sie, aber ich bin gern bereit, Ihnen das noch einmal zu erklären. Dass Ihr Gesetzentwurf, Herr Pohl, trotz der Ankündigungen von Herrn Fiedler, über das eine oder andere, was umgesetzt werden kann und was nicht, zu sprechen und meinetwegen auch trotz der gar nicht verwunderlichen Zustimmung der Verfechterin des parlamentarischen Kontrollgremiumsgesetzes des Bundes eine solch massive Ablehnung in der CDU-Fraktion erfährt, macht Ihren Gesetzentwurf nicht progressiver, ohne zu erkennen - das sage ich Ihnen auch ganz ehrlich -, dass Sie zum bisherigen Zustand tatsächliche, aber letztlich wirkungslose, weil nur plakative und formale Verbesserungen im Sinne einer Durchschaubarkeit geheimdienstlichen Antlitzes aufgenommen haben. Letztlich legitimieren und etablieren Sie die geheimdienstliche Arbeit staatlicher Behörden mit all ihren Nebenwirkungen, so nebensächlich sind die - aber, meine Damen und Herren, das dürften Sie aus der Vergangenheit kennen - nicht. Sie haben völlig Recht, Herr Fiedler und Herr Pohl, wenn Sie in der ersten Beratung immer wieder darauf hingewiesen haben, dass die PDS die Abschaffung des Geheimdienstes fordere, nur der Stil der vermeintlichen Enttarnung dieser Forderung war deplaziert, denn sie ist nicht neu, sondern eine sehr alte und sie ist eine von uns öffentlich vertretene Forderung, die aus den Erfahrungen aus der DDR auch gewachsen ist und auch bei uns diskutiert worden ist.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Darin unterscheiden wir uns von der PDS.)

Diese Erfahrungen, meine Damen und Herren, sind es auch, die uns den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechtes in Thüringen ablehnen lassen, denn, meine Damen und Herren, Freiheit stirbt mit Sicherheit, und das im doppeldeutigen Sinn. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Pohl zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte mich im Folgenden nur zum Polizei- und Sicherheitsrecht äußern, zum Problem des Wegweisungsrechts wird meine Kollegin Bechthum dann noch Ausführungen machen.

Meine Damen und Herren, das von der Landesregierung vorgelegte Artikelgesetz ist natürlich einerseits eine Reaktion auf die veränderte internationale Sicherheitslage. Es enthält aber auch andererseits eine Anzahl von Regelungen, die allgemeine Kriminalitätsprobleme betreffen. Ich meine, man hat die Situation genutzt, um eben auch ganz bestimmte lang gehegte Wünsche und Vorstellungen in dieser Richtung umzusetzen.

Meine Damen und Herren, Fakt ist, auch die SPD will mehr Sicherheit für die Bürger; und wer das will, muss auch den verantwortlichen Stellen die geeigneten Mittel an die Hand geben, aber nicht ohne Kontrolle dieser Maßnahmen durch das Parlament und die Gerichte. Ich erinnere, in der ersten Lesung habe ich einmal sinngemäß gesagt: Alle Maßnahmen stehen im Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Bevölkerung nach mehr Sicherheit, der Verpflichtung des Landes, eben auch Sicherheit zu gewährleisten und den durch das Grundgesetz und die Thüringer Verfassung garantierten Grundrechten. Wir haben in unserer Fraktion alle die von Ihnen vorgeschlagenen Gesetzesänderungen an diesen Grundsätzen gemessen. Einiges können wir mittragen, aber es gibt auch viel Bedenkliches aus unserer Sicht. Deshalb lassen Sie mich bitte einige Anmerkungen zu Teilen des Entwurfs machen, eben Teile, die von uns als bedenklich eingestuft werden und von uns eben nicht, wie von der Landesregierung vorgeschlagen, mitgetragen werden können. Zum Ersten das Problem des erweiterten Platzverweises: Die Landesregierung plant mit dem neu zu schaffenden § 18 Abs. 2 PAG bzw. dem § 17 Abs. 2 OBG ein bis zu dreimonatiges Aufenthaltsverbot für bestimmte örtliche Bereiche als neue Standardmaßnahme neben dem bereits geregelten Platzverweis einzuführen. Hier ist eben der in der vormals erwähnten Expertenanhörung des Innenausschusses des Thüringer Landtags vom 28.02. geäußerte Vorbehalt zu berücksichtigen, dass ein Aufenthaltsverbot besser allein den Ordnungsbehörden und nicht auch den Polizeibehörden als Standardmaßnahme an die Hand gegeben werden sollte. Dies sagte damals der Sachverständige Dr. Honnacker aus. Für die schnelle und unmittelbare Gefahrenabwehr durch die Polizei genügt eben nach unserer Meinung das ihr bereits zur Verfügung stehende Instrumentarium des Platzverweises und der Ingewahrsamnahme. Das längerfristige Aufenthaltsverbot sollte daher nur von den Ordnungsbehörden und von diesen nur in schriftlicher Form ausgesprochen werden. Ich erinnere auch an den Satz vorher, in § 18 des PAG heißt es ja, die Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten dieses Ortes verbieten. Meine Damen und Herren, aus Gründen der Rechtssicherheit und der Verwaltungspraktikabilität schlagen wir vor, den