Ich will zwei unserer Änderungsanträge kurz vorstellen. Ich habe ganz einfache Beispiele für Sie ausgesucht, um darzustellen, wie oberflächlich es eigentlich war, unsere Anträge im Innenausschuss abzulehnen.
§ 19 Abs. 2: Zustellung und Mitteilung an den Beamten im Disziplinarverfahren muss er unter der Anschrift, die er angezeigt hat, gegen sich gelten lassen. Wir wollten diesen Absatz streichen, da es zum Nachteil des Beamten führen kann. Eine ähnliche Regelung existiert nur noch in § 10 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz. Dort ist aber der Asyl
bewerber gleichzeitig gesetzlich verpflichtet, den zuständigen Behörden jederzeit seine aktuelle Anschrift mitzuteilen. Diese gesetzliche Pflicht besteht in diesem Gesetz für den Beamten nicht. Es kann also ein Nachteil für den Beamten im Disziplinarverfahren entstehen. Dies nimmt man offensichtlich in Kauf.
Noch ein kleines Beispiel - § 22 Abs. 1: Dieser regelt die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Satz 3 lautet: Die Einleitung ist aktenkundig zu machen. Wir wollten dem hinzufügen: und dem Beamten bekannt zu geben. Auch dies wurde abgelehnt, wieder gegebenenfalls zum Nachteil für den Beamten, usw. usw. Auch die berechtigten Einwände des Gemeinde- und Städtebundes zum Umgang mit den Kommunalbeamten fanden sich in unseren Änderungsanträgen sachgerechter wieder als in dem jetzt vorliegenden Antrag, den der Ausschuss mehrheitlich angenommen hat. Unser sachgerechterer Antrag wurde abgelehnt. Aus diesen vorgenannten Gründen werden wir uns bei der Abstimmung enthalten, weil wir dieses Gesetz nicht prinzipiell ablehnen, aber einen nicht gerade sorgfältigen Umgang mit den Erfahrungen in der Anhörung hier bemerkt haben. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist zu dem Gesetzentwurf - Thüringer Gesetz zur Deregulierung und Beschleunigung disziplinarrechtlicher Verfahren bei Beamten - schon einiges gesagt worden. Lassen Sie mich noch einige Punkte hinzufügen. Dass dieser Gesetzentwurf von der Landesregierung vorgelegt wurde und heute beschlossen werden soll, resultiert daraus, dass das Beamtenrecht in Thüringen modern und fortschrittlich ist, aber das Letzte noch fehlt, was der Einigungsvertrag noch offen gelassen hat, dass das Bundesdisziplinarrecht hier in Anwendung gebracht wurde und jetzt entsprechend in Landesrecht umgesetzt werden muss. Es wurden hier vor allen Dingen auch einige Punkte aus Niedersachsen bisher verwandt und wir wollen das Ganze jetzt in Thüringer Recht umsetzen. Erstens führt dieses Gesetz zu einer Straffung, viele Tatbestände werden vereinfacht und vieles kann schneller gehen. Ich will auch darauf verweisen, wenn wir diesem Gesetzentwurf heute zustimmen, denke ich, dass das Ganze vereinfacht wird. Ich will noch einmal den § 49 nennen, wonach der Senat für die Disziplinarsachen, der extra geschaffen wird, in der Besetzung von drei Richtern und zwei Beamtenbeisitzern als ehrenamtliche Richter entscheidet. Die Beamtenbeisitzer werden von dem zur Wahl der ehrenamtlichen Richter beim Verwaltungsgericht Meiningen bestellten Ausschuss unter dem Vorsitz des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts auf vier Jahre ge
wählt und, und, und. Ich denke, wir haben eine Möglichkeit gesucht und gefunden, dass man das Beamtenrecht deutlich vereinfacht, dass man auch vor dem Verwaltungsgericht Meiningen und dem OVG entsprechende Dinge dann dort durchführt; eine eigene Gerichtsbarkeit mit einem für die Disziplinarsachen komplizierten Verfahrensaufbau wird damit vermieden. Damit entfällt auch die bislang praktizierte enge Anbindung an das Strafprozessrecht, Frau Dr. Wildauer. Wir haben gerade einen anderen Weg gesucht und gefunden, dass man dort ein vereinfachtes Verfahren durchführen kann. Zudem kann die Verhängung der Kürzung der Dienstbezüge oder die Kürzung des Ruhegehalts nach dem jetzigen Gesetzentwurf bereits im behördlichen Disziplinarverfahren vorgenommen werden. Grund hierfür ist, dass der Dienstvorgesetzte am ehesten Einblick in die entsprechende Entscheidung vorausgehender Details hat. Ich glaube, das ist eigentlich jedem einsichtig, dass der Dienstvorgesetzte vor Ort ja weiß, was dort los ist, was passiert ist, und am ehesten weiß, wie dort entsprechend zu verfahren ist. Wir haben das nach unten gebracht und dann die Entscheidungssphäre direkt vor Ort.
In der Anhörung am 31.01.2002 hat der Thüringische Landkreistag keine Bedenken zum Gesetzentwurf geäußert, der Gemeinde- und Städtebund hat insbesondere zu § 80 seine Bedenken angemeldet. Wir haben auch einen Änderungsvorschlag zu § 80 eingebracht, der vorhin schon durch Kollegen Böck benannt wurde.
Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir jetzt ein Thüringer Beamtenrechtsgesetz, die Abrundung der Gesetze, geschaffen haben. Wir glauben nicht, dass wir nun alles schon bedacht haben. Wo ist der Kollege Schemmel? Kollege Schemmel, wenn ich um Ihre freundliche Aufmerksamkeit bitten darf, auch wenn der OVG-Präsident Sie gerade abhält. Ich möchte noch einmal darauf verweisen, dass es das erste Gesetz ist, was wir im Lande dazu selber machen. Es ist ja unbenommen, wenn dort noch bestimmte Fehler auftreten sollten, das muss man in der Praxis jetzt abwarten, wie das Ganze wirkt und wie sich die Verfahren gestalten, das haben wir ja nun schon laufend praktiziert, gegebenenfalls wird dann eine Novellierung vorgenommen. Ich denke, wir haben das ausgiebig beraten. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dem gibt es nicht viel hinzuzufügen. Wir haben hier in der Tat den Schlussstein gesetzt in einem an Modernität nur schwer zu übertreffenden Beamtenrecht, nach dem jetzi
gen Stand im Vergleich zu anderen Ländern. Wir lösen damit jetzt die hier noch durch die Übergangsregelung geltenden niedersächsischen Bestimmungen ab und wir haben mit dieser Gesetzesvorlage erreicht, wenn sie denn beschlossen wird, dass wir bei den Disziplinarverfahren beschleunigen und vereinfachen. Das ist wichtig, denn solche Verfahren sind belastend für alle Beteiligten und insofern hat es auch zu diesem Gesetzentwurf kaum irgendwelche größeren Änderungsvorschläge der Betroffenen, sprich der Gewerkschaften, die sich hier zu Wort gemeldet haben, bzw. auch der kommunalen Spitzenverbände gegeben. Sie begrüßen, dass wir hier eigenständiges Recht vorlegen, und sie begrüßen auch die Art und Weise, in der dieses eigenständige Recht ausgestaltet wird.
Die kommunalen Spitzenverbände, hier insbesondere der Gemeinde- und Städtebund, hat in der Anhörung auf einen Punkt hingewiesen, der dankenswerterweise dann auch vom Innenausschuss so entsprechend aufgenommen und in den Gesetzentwurf eingearbeitet wurde. Ich danke der hier daran maßgeblich beteiligten Fraktion in der Mitte des Hauses und bedanke mich für die zügige Behandlung des gesamten Entwurfs und bitte jedenfalls um die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Vielen Dank, auch für die Kürze. Ich wollte nur noch eine Anmerkung zur Rede von Herrn Fiedler machen, damit künftige Generationen nicht in Verwirrung geraten, wenn sie unsere Protokolle lesen. Bei der Ansprache an Herrn Schemmel handelt es sich nicht um den OVG-Präsidenten, der dürfte nämlich gar nicht im Saal sein, sondern es ist der Präsident des Verfassungsgerichtshofs.
Jetzt können wir zur Abstimmung kommen, ich schließe die Aussprache, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/2517. Wer dem Änderungsantrag der PDS die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Das reicht nicht. Gegenstimmen? Eine Anzahl von Gegenstimmen. Enthaltungen? Dann war es sogar die Mehrheit von Gegenstimmen und damit abgelehnt.
Dann stimmen wir jetzt über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses ab in Drucksache 3/2477. Wer der Beschlussempfehlung des Innenausschusses die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Eine Anzahl von Gegenstimmen. Enthaltungen? Auch eine Anzahl von Enthaltungen, aber mit Mehrheit zugestimmt.
Dann stimmen wir jetzt ab unter Berücksichtigung der eben angenommenen Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 3/2477 über den Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 3/1943. Wer dem so geänderten Gesetzentwurf der Landesregierung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Eine Reihe von Gegenstimmen. Enthaltungen? Eine Reihe von Enthaltungen, aber dann mit Mehrheit so angenommen.
Wir kommen zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung. Ich bitte, sich von den Plätzen zu erheben, wer diesem zustimmt. Danke. Gegenstimmen? Eine Reihe von Gegenstimmen. Enthaltungen? Auch eine Reihe von Enthaltungen. Dann mit Mehrheit aber so beschlossen.
Ich danke Ihnen und schließe damit den Tagesordnungspunkt 2 und wir kommen jetzt, wie vereinbart, zu Tagesordnungspunkt 7
Thüringer Gesetz über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter (ThürStrUBG) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2493 ERSTE BERATUNG
Es wird Begründung durch den Einreicher gewünscht, das ist Herr Dr. Birkmann für die Landesregierung.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, das geltende Strafrecht schützt unsere Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend vor verurteilten gefährlichen Straftätern, insbesondere Sexualtätern. Dies wollen wir ändern. Entsetzliche Verbrechen aus jüngster Zeit haben immer wieder deutlich gemacht, dass der Schutz der Allgemeinheit vor Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten dringend der Verbesserung bedarf.
Die Rechtslage ist aber Folgende: Stellt sich erst während des Strafvollzugs die gefährliche Hangtätereigenschaft eines Verurteilten heraus und konnte deshalb zuvor im Urteil keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden, so muss der Verurteilte, trotz nachträglicher Feststellung seiner Gefährlichkeit, nach der Verbüßung seiner Strafe wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Um die daraus resultierende Problematik zu verdeutlichen, möchte ich einen Fall aus dem benachbarten Hessen schildern. Bei einem wegen Totschlags in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung und wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren Verurteilten konnte im Urteil keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Während des Strafvollzugs stellte der Verurteilte im Rahmen einer gewährten Lockerung jedoch weiterhin seine bestehende Gefährlichkeit unter Beweis, indem er ohne jede Vorwarnung einen
Mann niederschlug. Ein Gutachten sagte: "ungünstige Sozialprognose". Es empfahl dringend therapeutische Aufarbeitung. Der Verurteilte ließ es jedoch an jeglicher Therapiebereitschaft fehlen. Vollzugslockerungen konnten ihm deshalb nicht mehr gewährt werden. Es konnten keine Zweifel an der nach wie vor von dem Verurteilten ausgehenden erheblichen Gefahr bestehen. Dennoch musste er aufgrund der geltenden Gesetzeslage nach Ablauf seiner Strafhaft aus dem Strafvollzug entlassen werden. Dies war die Entscheidung, die das geltende Recht vorschreibt. Alles andere wäre rechtswidrig gewesen und doch kann man eine solche Entscheidung nicht akzeptieren. Die Sicherungsverwahrung nach dem Strafgesetzbuch kann nach bislang geltendem Recht nur zusammen mit der Verurteilung zur Freiheitsstrafe angeordnet werden. In Fällen, in denen sich die Eigenschaft des Verurteilten als gefährlicher Wiederholungs- und Triebtäter erst nach der Verurteilung herausstellt, muss nach der bisherigen Rechtsprechung der Verurteilte trotzdem nach der vollständigen Verbüßung seiner Haft in die Freiheit entlassen werden. In diesen Extremfällen regiert bislang das Prinzip Hoffnung. Wir entlassen und hoffen, dass keine neue Straftat passiert. Der Bevölkerung ist es aber weder zu vermitteln noch zuzumuten, dass Strafgefangene trotz des Risikos schwerster Wiederholungstaten auf freien Fuß gesetzt werden.
Die Thüringer Landesregierung legt daher jetzt ein Thüringer Straftäterunterbringungsgesetz vor, das genau diesem Missstand abhelfen soll, wobei wir dem Beispiel anderer Länder wie Bayern, Baden-Württemberg oder auch Sachsen-Anhalt folgen, und ich füge hier mit Blick auf mögliche Einwände der Opposition hinzu, noch aus der Zeit rot - tief rot. In den genannten Ländern wurden auch schon Fälle auf landesrechtlicher Ebene entschieden. Vor einem Vierteljahr ordnete das Amtsgericht Naumburg in Sachsen-Anhalt aufgrund des dortigen Landesgesetzes die weitere Unterbringung eines wegen versuchten Totschlags verurteilten Straftäters in einer Justizvollzugsanstalt an. Der 36-jährige Gefangene verbüßte in der Justizvollzugsanstalt seit Dezember 1992 eine 8-jährige Haftstrafe, zuvor hatte er bereits eine 10-jährige Jugendstrafe wegen Mordes verbüßt. Der Mann wäre im März dieses Jahres auf freien Fuß gesetzt worden. Unabhängige Gutachter hatten dem Mann eine besondere Gefährlichkeit attestiert. Nun ist er weiterhin in einem sicheren Gewahrsam untergebracht.
Oder ein weiterer Fall, eine Entscheidung aus Bayern: Sie betraf einen Gefangenen, der im Jahr 1986 zweimal ein 12-jähriges Mädchen vergewaltigt hatte und deshalb 1999 vom Landgericht wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer mehrjährigen Freiheitstrafe verurteilt worden war. Der Gefangene hatte sich in der Haft geweigert, an einer Sexualtherapie teilzunehmen. Deshalb bestand die Gefahr, dass von dem Gefangenen weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, sofern er nach Vollverbüßung seiner Freiheitsstrafe entlassen würde. Aufgrund des bayerischen Gesetzes wurde deshalb die Unterbringung des Gefangenen in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet.
Lassen Sie mich noch einen weiteren, ganz drastischen Fall, den die Justiz in Baden-Württemberg zu entscheiden hat, schildern: Ein 7-jähriger Junge wurde von der Mutter und deren Lebensgefährten auf das Übelste misshandelt, geprügelt, ausgepeitscht, sadistisch als Sexsklave missbraucht, mit einer Wäscheleine um den Hals gefoltert und in der Badewanne fast ertränkt. Die Mutter wurde 1994 zu fünfeinhalb Jahren, der Mann zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der Mann wäre im Herbst dieses Jahres endgültig zu entlassen. Aber er hat sich bisher strikt geweigert, an einer Therapie teilzunehmen. Ein negatives Persönlichkeitsbild und hohe Rückfallgefahr werden ihm bescheinigt. Die Haftanstalt hat daher den Antrag auf Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dem baden-württembergischen Landesgesetz gestellt. Der Mann wird - davon gehen wir aus - so schnell nicht in die Freiheit entlassen werden, obwohl das Strafgericht zunächst davon ausging, nach der Strafverbüßung könne der Mann, nachhaltig beeindruckt und therapeutisch behandelt - was eben nicht geschehen ist -, gefahrlos entlassen werden. Man sieht, Gerichte und Gutachter können die Dinge oft nicht vorhersehen.
Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf sieht daher die nachträgliche Unterbringung von gefährlichen Straftätern vor, wenn sich mit hoher Wahrscheinlichkeit abzeichnet, dass diese nach ihrer Haftentlassung erneut schwerste Straftaten begehen. Der Kern des Gesetzentwurfs lässt sich in groben Zügen wie folgt zusammenfassen: Unter denselben Voraussetzungen, unter denen an sich Sicherungsverwahrung nach § 66 Strafgesetzbuch angeordnet werden könnte, d.h. zwei einschlägige Vorverurteilungen zu Freiheitsstrafen von mindestens jeweils einem Jahr bzw. einer Verbüßungsdauer von wenigstens zwei Jahren, kann die nachträgliche Unterbringung des rückfallgefährdeten Täters angeordnet werden, wenn aufgrund von Tatsachen, die nach der Verurteilung eingetreten sind, davon auszugehen ist, dass von dem Betroffenen erhebliche, gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgeht. Dies insbesondere, weil er im Vollzug der Freiheitsstrafe beharrlich die Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsdienstes verweigert hat, weil er eine rückfallvermeidende Psychotherapie oder Sozialtherapie abgelehnt hat bzw. eine solche abbricht. Daneben regeln wir in dem Gesetz den Fall, dass ein Ersttäter, d.h. ein Straftäter, der nicht einschlägig vorbestraft ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wurde wegen einer Straftat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Fällen der Freiheitsberaubung, des schweren Raubes oder der räuberischen Erpressung. Den Fall des als fortwirkend gefährlich erkannten Ersttäters haben wir bewusst in das Gesetz aufgenommen, um zu vermeiden, dass Straftäter, die eine schwere Gefährdung für ihre Mitmenschen darstellen, aber eben nicht in einer uns bekannten kriminellen Karriere auffällig geworden sind, sondern die erstmalig, aber entsprechend schwer wiegend in Erscheinung treten, nicht sehenden Auges und ein unbeherrschbares Risiko in Kauf nehmend in die Freiheit ent
lassen werden müssen. Über die Unterbringung des rückfallgefährdeten Betroffenen soll die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts entscheiden, die im Übrigen auch mit vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen befasst war und daher personen- und sachkundig ist. Den Antrag auf Anordnung der Unterbringung soll die Haftanstalt stellen, wenn sich während des Strafvollzugs Umstände ergeben, die eine Unterbringung rechtfertigen bzw. erforderlich machen. Der Antrag ist unverzüglich zu stellen, nachdem die Justizvollzugsanstalt die maßgeblichen Umstände für eine Unterbringung zur Kenntnis genommen hat, jedoch frühestens zwei Jahre vor dem voraussichtlichen Strafende. Dem Betroffenen ist ein Anwalt zur Vertretung seiner Interessen beizuordnen. Das Gericht soll bei seiner Entscheidung das Votum zweier Sachverständiger einholen müssen, wobei einer mit der Behandlung des Betroffenen in der Justizvollzugsanstalt nicht befasst sein darf, also ein so genannter Externer sein muss. Die Entscheidung muss in einer öffentlichen Verhandlung erfolgen. Die Regeln der Strafprozessordnung gelten entsprechend. Zu dieser gesetzlichen Regelung sind wir nicht nur berechtigt, sondern, wie wir meinen, geradezu verpflichtet.
Natürlich ist es Aufgabe des Landesgesetzgebers, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, also die Abwehr von Gefahren sicherzustellen. Das tut jedes Land in allen Bereichen der Polizei, beim Brandschutz, beim Katastrophenschutz, bei der Unterbringung psychisch gestörter Menschen und so auch hier bei der Unterbringung gefährlicher Straftäter.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, wir sind verpflichtet, jetzt zu handeln. Der Bund hat wieder einmal mehr auf der ganzen Linie versagt. Seit 1997 hat es mehrere Anläufe, vor allem von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen, gegeben, die Möglichkeiten der Sicherungsverwahrung nach dem Strafgesetzbuch auszuweiten. Immer sind solche Vorschläge an der Uneinsichtigkeit der SPD im Bundesrat und Bundestag gescheitert. Es blieb einmal mehr bei der Politik der ruhigen Hand und dem Prinzip der Hoffnung: es wird schon gut gehen. Der Bundeskanzler gab sich zwar volksnah, indem er immerhin fast vor einem Jahr im Juli vergangenen Jahres vollmundig gefordert hat: "Wegschließen, und zwar für immer." Geschehen ist aber nichts. Erst im März dieses Jahres reagierte die Bundesregierung unter dem politischen Druck der Länder, legte aber im Ergebnis doch nur eine unbefriedigende Lösung vor. Denn die am 7. dieses Monats vom Bundestag - endlich, möchte man sagen - beschlossene so genannte Vorbehaltslösung hilft hier nicht wirklich weiter. Denn zum einen erlaubt sie dem Gericht, nur eine Entscheidung, Sicherungsverwahrung ja oder nein, aufzuschieben. Sie greift damit erst in ein paar Jahren ein, bereits einsitzende potenzielle Rangtäter würden von dieser Regelung nicht erfasst werden.
Zum Zweiten erstreckt sich der Entwurf nicht auf den so genannten Ersttäter. Er erfasst gerade nicht die Fälle, die uns hier bewegen und die ich Ihnen eben geschildert habe. Gerade der Fall des Ersttäters, der bislang aus polizeilicher Sicht ein unbeschriebenes Blatt war, weil noch keine Erkenntnisse über ihn vorlagen, z.B. weil er noch nie entlarvt worden war oder weil er in einem Europa der offenen Grenzen aus dem Ausland zugereist war, stellt in diesem Zusammenhang ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko dar.
Deshalb, meine Damen und Herren Abgeordneten, bitte ich Sie, tragen Sie mit dazu bei, dass bei hoch gefährlichen Straftätern, Wiederholungstäter und Ersttäter, auch nach Verbüßung diese sicher verwahrt werden können. Die Bevölkerung erwartet von uns Politikern, dass wir das Rechtsgefühl mit der Realität in Einklang bringen. Niemand hätte Verständnis dafür, wenn man einen gefährlichen Straftäter aus Thüringer Haft entlassen würde, obwohl die Justizvollzugsanstalt Anhaltspunkte dafür hat, dass der Verurteilte wieder einschlägig in Erscheinung treten könnte und dieser tatsächlich dann wieder eine erhebliche Straftat begeht. Dies abzuändern dient der vorliegende Gesetzentwurf, dem ich Sie bitte nach entsprechender Beratung im Ausschuss dann auch zuzustimmen. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich hatte mir natürlich in Vorbereitung auf die heutige Lesung eine Reihe von Fragen gestellt, die ich auch teilweise versuche hier aufzuwerfen und zu beantworten. Dem möchte ich allerdings eine Frage voranstellen, die ich gar nicht versuchen werde zu beantworten, weil der Deutungsspielraum sehr breit ist, die aber trotzdem interessant zu sein scheint. Wenn man also der Logik der Intention des eingebrachten Gesetzentwurfs folgt, wird ja gesagt, das ist eine polizei- und ordnungsrechtliche Maßnahme, weil es strafrechtlich nicht sein kann, dann ist natürlich die Frage, warum begründet diesen Gesetzentwurf nicht der Innenminister, wenn das so polizei- und ordnungsrechtlich ist,
ich komme auf die Frage dann an anderer Stelle und, ich glaube, an entscheidenderer Stelle zurück. Lassen Sie mich also mit der Frage fortfahren, meine Damen und Herren: Welchen Grund gibt es, ein baden-württembergisches Gesetz so schnell wie möglich zu importieren? Der 50. Geburtstag - das werden mir jetzt einige meiner verehrten Kol
leginnen und Kollegen vermutlich sofort zurufen. Nein, das ist zwar nahe liegend, trifft aber nicht zu. Der Gesetzentwurf käme nicht mehr rechtzeitig zur Geburtstagsfeier, das neue Bundesland Baden-Württemberg erblickte das Licht der Welt bereits am 15. Mai 1952. Andere werden als Grund vielleicht anführen, die den Menschen im Südwesten Deutschlands im Allgemeinen nachgesagte Gründlichkeit, mit der folglich auch die badisch-schwäbischen Volksvertreter Gesetze beraten, womit sich eine nähere Befassung des hier fraglichen Gesetzentwurfs durch den Thüringer Gesetzgeber vielleicht erübrigen oder abschwächen könnte. Nein, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, auch das ist leider nicht zutreffend. Das baden-württembergische Original wurde am 31. Januar 2001 in den Landtag eingebracht und, man höre und staune, bereits am 20. Februar 2001 in zweiter Lesung verabschiedet, nachdem die Beschlussempfehlung und der Bericht des federführenden Ausschusses den Abgeordneten erst wenige Minuten vorlagen. Diese atemberaubende Schnelligkeit, mit der das Gesetz im baden-württembergischen Landtag ohne eine Ausschuss-Anhörung verabschiedet wurde, löste bei den Abgeordneten der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen heftigen Protest aus. Beanstandet wurde, dass es dem Landtag unmöglich gemacht worden sei, sich mit den zahlreichen verfassungs- und menschenrechtlichen sowie praktischen Bedenken, die gegenüber dem Gesetzentwurf bestehen, näher zu befassen. Von der Regierungsbank wird mir jetzt vermutlich entgegengehalten werden, der Gesetzentwurf sei immerhin zweieinhalb Jahre lang im baden-württembergischen Justizministerium in Bearbeitung gewesen. Abgesehen davon, dass es nicht nachprüfbar ist, was sich im Arkanum eines Ministeriums abspielt, war der bei der Anhörung im baden-württembergischen Justizministerium für die Abgabe der Stellungnahmen eingeräumte zeitliche Rahmen so knapp bemessen, dass der Mitgliederverband des Deutschen Richterbundes in Baden-Württemberg, nämlich der Verein der Richter und Staatsanwälte Baden-Württembergs, es ablehnte, eine Stellungnahme unter diesen Voraussetzungen abzugeben. Im Übrigen waren die abgegebenen Stellungnahmen durchgehend sehr kritisch. Nicht viel anders als in Baden-Württemberg verlief die Anhörung zum Gesetzentwurf im Thüringer Justizministerium. Die Anhörung fand dort am 22. Mai dieses Jahres statt, nachdem die Einladungen zu dieser Anhörung den Anzuhörenden teilweise erst eine Woche vorher zugegangen waren. Aus diesem Grund sahen sich Vertreter der Richter und Staatsanwälte außerstande, den Anhörungstermin wahrzunehmen. Im Ergebnis kann daher zunächst festgehalten werden, das uns vorliegende Importprodukt aus Baden-Württemberg ist alles andere als das Ergebnis eines langen und intensiven Reifungsprozesses. Und um etwas vorwegzunehmen, auch unter dem Gesichtspunkt der Qualität spricht alles gegen, aber nichts für den schnellen Import. Zunächst ist alle Kritik gegenüber der strafrechtlichen Sicherungsverwahrung nach § 66 Strafgesetzbuch auch hier einschlägig. Bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung handelt es sich um die umstrittenste Bestimmung des Strafgesetzbuches überhaupt.
Zum näheren Verständnis meiner Bedenken erlaube ich mir, sicherlich für die wenigen in diesem hohen Hause, aber doch einigen, eine kurze Skizzierung der Geschichte, weil sich aus dieser Skizzierung dieser Sicherungsverwahrung ergibt oder zumindest nachvollziehen lässt, welche Bauchschmerzen ich mit diesem Rechtsinstitut habe. Mit dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher vom 24.11.1933 fand die Sicherungsverwahrung erstmalig Eingang in das Reichsstrafgesetzbuch. Das Gewohnheitsverbrechergesetz war das erste gesetzgeberische Vorhaben der Nationalsozialisten, mit denen diese die Diskontinuität zwischen einem bis dahin liberalen, tatorientierten Strafrecht und einem völkisch erneuerten Recht demonstrierten. Versuche, die Sicherungsverwahrung als Sicherungsmaßregel in das Strafgesetzbuch zu implantieren, hat es bereits auch vor der Machtergreifung der Nazis gegeben, meine Damen und Herren, ihre Umsetzung scheiterte allerdings an den erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken in der Weimarer Republik gegenüber einer derartigen Maßregel. Erst unter den geänderten politischen Bedingungen der nationalsozialistischen Machtergreifung waren in Deutschland die Voraussetzungen gegeben, die Sicherungsverwahrung einzuführen. Auf dieser Grundlage wurden in den Jahren 1934 bis 1943 etwa 16.000 Personen offiziell zur Sicherungsverwahrung verurteilt, die in den Konzentrationslagern vollstreckt wurde. Trotz dieser Entartung der Sicherungsverwahrung im Dritten Reich galten in Westdeutschland die beiden zentralen mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 in das Reichsstrafgesetzbuch eingefügten §§ 20 a und 42 e in Westdeutschland auch nach 1945, nämlich bis zum ersten Strafrechtsreformgesetz von 1970 fort. Mit dem ersten Strafrechtsreformgesetz wurde die Norm über die Anordnung der Sicherungsverwahrung in § 41 e, jetzt § 66, Strafgesetzbuch grundlegend verändert. Interessant ist in unserem Zusammenhang - und auch darauf muss ich nachher noch einmal zurückkommen -, dass nach dem alten § 42 e Strafgesetzbuch, also in der Fassung vor der ersten Strafrechtsreform, als Prognosezeitraum für die Frage, ob eine Sicherungsverwahrung erforderlich ist, der Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft maßgeblich war. Dieser Prognosezeitpunkt entsprach damit bis 1970 exakt dem Zeitpunkt, der nach dem baden-württembergischen Landesgesetz und auch nach diesem Gesetz maßgeblich sein soll. In der DDR wurde 1952 die Sicherungsverwahrung als nationalsozialistisches Recht abgeschafft. 1990 setzten die Verhandlungsführer auf Seiten der DDR durch, dass wegen der erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken, die gegen die Sicherungsverwahrung bestehen, die Geltung der Vorschrift des § 66 Strafgesetzbuch nicht mit dem Einigungsvertrag auf das Beitrittsgebiet erstreckt wurde. Mit dem Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung von 1995, meine Damen und Herren, wurde jedoch die Sicherungsverwahrung auch in den neuen Bundesländern eingeführt. Die Bundestagsgruppe der PDS im Deutschen Bundestag brachte 1995 demgegenüber einen Gesetzentwurf ein, der die vollständige Abschaffung der Sicherungsverwahrung vorsah.
Warum ist nun die PDS nicht nur gegen die nachträgliche Sicherungsverwahrung, sondern generell gegen die Sicherungsverwahrung?
Erstens: Die Sicherungsverwahrung ist unseres Erachtens nichts anderes als ein Unschädlichmachen des zum Hangtäter definierten Straftäters durch Wegschließen. Das Postulat der Resozialisierung tritt demgegenüber völlig in den Hintergrund. Ethische und verfassungsrechtliche Gründe verbieten jedoch die Degradierung des Menschen zum reinen Objekt sicherheitsorientierter Maßnahmen.
Zweitens: Die Sicherungsverwahrung widerspricht dem Schuldprinzip in seiner limitierenden Form. Man bedient sich der Konstruktion einer Lebensführungsschuld, um die Haftverlängerung zu legitimieren. Angesichts der Komplexität der Entstehungsgründe der Rückfallkriminalität erscheint eine derartige Konstruktion allerdings als normative Willkür.
Drittens: Die der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Grunde liegenden Gefährlichkeitsprognose hat einen pseudoempirischen Charakter. Selbst bei Strafgefangenen ist die Begehung einer schweren Straftat nach Verbüßung der Freiheitsstrafe ein eher seltenes Ereignis. Aufgrund der geringen Zahl rückfällig werdender Haftentlassener ist daher selbst bei Entwicklung überaus genauer Prognoseinstrumente von einer erheblichen Anzahl an fälschlicherweise als gefährlich prognostizierte Personen auszugehen, die dann zu Unrecht sicherungsverwahrt werden. Empirische Studien, meine Damen und Herren, belegen die Überschätzung der Gefährlichkeit untergebrachter Rechtsbrecher. Die Praxis der Sicherungsverwahrung wird also nicht den intendierten Personenkreis treffen, vor dem die Gesellschaft geschützt werden soll. Die Belastung der schuldlos Verwahrten ist gravierend, weil der Vollzug von Strafe und Maßregel überwiegend identisch und die Verwahrungsdauer wegen der Abhängigkeit von fragwürdigen Kriterien unbestimmt ist. Die somit bestehende Rechtsunsicherheit und Unbestimmtheit ist mit den Freiheits- und Prozessgrundrechten auch eines Verurteilten eben unvereinbar.
Viertens: Täterkategorien wie der gefährliche Gewohnheitsverbrecher oder der Hangtäter entbehren jeder kriminologischen Grundlage. Sie sind - und das ist die ganz große Gefahr - Einfallstor für eine extensive Rechtsprechung.