Protokoll der Sitzung vom 23.08.2002

Wie die Öffentlichkeit diesen Umstand bewertet hat, muss ich Ihnen ja nicht noch einmal darlegen. Aber ich will das Thema an dieser Stelle überhaupt nicht vertiefen. Fakt ist eins, Sie haben zumindest schon am letzten Samstag versucht dieses Thema parteipolitisch zu instrumentalisieren, das bleibt eine Tatsache.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Höhn, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Wenn es sich denn nicht vermeiden lässt.

Ich bin nun halt Wissenschaftspolitiker und habe es gern mit der Exaktheit.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wäre es dann nicht besser gewesen, Ihrerseits zu sagen, das Land Brandenburg sei unzureichend beteiligt gewesen, als hier zu behaupten, es sei gar nicht beteiligt gewesen?

Wenn es Sie glücklicher macht, dann lassen wir es bei der von Ihnen vorgeschlagenen Formulierung. Aber zum eigentlichen Thema, zur Chronologie: Also am Samstag hat dieses Treffen stattgefunden, wo man festgestellt hat, dass alles das, was die Bundesregierung tun wird, ohnehin zu wenig sei. Am Samstag hat der Kandidat der Union für das Bundeskanzleramt folgenden Satz gesagt und ich darf das mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, aus der "Financial Times Deutschland" vom heutigen Tage zitieren, Sonntag ZDF - Herr Stoiber: "Sich nicht an die Maastricht-Kriterien zu halten, also in die Verschuldung zu gehen, das bedeutet natürlich langfristig eine höhere Inflation. Ich kann nicht eine Katastrophe mit einem langfristigen Übel bekämpfen."

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Recht hat er!)

(Beifall bei der SPD)

Sehr wohl, ein guter Satz. Am Montag nun die Entscheidung der Bundesregierung und das kam offensichtlich völlig überraschend für die Union, einen ganz anderen Weg einzuschlagen, einen Weg, der offensichtlich auch in breiten Kreisen der deutschen Wirtschaft, der Verbände, der Industrie, der Kammern mitgetragen wird, ja sogar von vielen Bundesländern mitgetragen wird, der kam so überraschend für Sie, dass aus dem Lager der Union nur noch Konfusion sich breit machte.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Genau!)

(Beifall bei der SPD)

Und ich muss sagen, die Halbwertzeit der einzelnen Aussagen einschließlich Ihrer, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, und vor allen Dingen von Herrn Stoiber, die konnte man schon nur in wenigen Stunden messen. Das war aus meiner Sicht der Versuch, ein wirklich für die Menschen wichtiges Signal nach außen zu tragen, das neben den freiwilligen Helfern, die wirklich an dieser Flutfront gekämpft haben und kämpfen, auch ein Signal aus den Reihen der Politik setzen wollte, dass man da auch in gleichem Maße diesen Kampfesmut gemeinsam dokumentiert. Dieses Anliegen haben Sie auf einem für mich sehr zweifelhaften politischen, womöglich wahltaktischen Altar geopfert und das finde ich bedauerlich, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Wenn hier gesagt wird, dass dieser Weg, diese Alternative, die für mich persönlich - und ich stütze mich da auf die Aussagen namhafter Wirtschaftswissenschaftler - keine Alternative ist. Um es Ihnen noch einmal zu verdeutlichen: Welche Wirkung hat denn die Finanzierung dieser Katastrophe aus den Bundesbankgewinnen? Ich darf Ihnen hier sozusagen vorrechnen, dass von diesen 11,2 Mrd  im Jahr 2001 rund 8,4 Mrd.  -     Bruttoinlandsprodukts waren, die für die Maastricht-Kriterien relevant gewesen sind. Also diese 8,4 Mrd.   konkret dazu beigetragen, die Verschuldungsgrenze unter 3 Prozent zu halten. Würden diese Bundesbankgewinne jedoch jetzt zur Finanzierung dieser Wiederaufbaumaßnahmen eingesetzt, stünden den Einnahmen des Bundes entsprechende, allerdings defizitwirksame Ausgaben gegenüber. Und die Wirkung, meine Damen und Herren, ist die gleiche wie eine Kreditaufnahme. Dazu kommt noch, dass man über einen längeren Zeitraum, nämlich exakt 11 Jahre länger, eine zusätzlich höhere Zinsbelastung, also Kapitaldienstbelastung, von rund 400 Mio. /  ! wältigen muss. Wenn das der Weg ist, meine Damen und Herren, das knüpft allerdings nahtlos an das finanzpolitische Fiasko an, das von Ihrer Partei 1998 hinterlassen worden ist, das muss man auch ganz deutlich feststellen.

(Beifall bei der SPD)

Um auf Herrn Althaus in seinen Ausführungen zum vorherigen Tagesordnungspunkt zurückzukommen, aber er hat sich ja ausdrücklich auf diesen bezogen, zu sagen, wenn man diesen Schritt der Regierung, eine Steuerentlastungsstufe nicht einzuführen, als Steuererhöhung betitelt, dann ist das in meinen Augen eine bewusste Täuschung der Bevölkerung - ich will nicht den Begriff "Wahlvolk" benutzen, ich sage bewusst Bevölkerung. Und mit dem angeblichen Konjunkturkiller, da empfehle ich dem Kollegen Althaus, heute einmal das "Handelsblatt" zur Hand zu nehmen und sich dort von den Wirtschaftswissenschaftlern vorrechnen zu lassen, welche Wirkungen für diese Konjunktur bezüglich dieser Finanzierung überhaupt ausgehen - konjunkturmindernden Wirkungen meine ich natürlich -, nämlich so gut wie keine. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte erwartet, meine Damen und Herren, dass die Union in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Situation, in dieser außergewöhnlichen Situation das gleiche Verhalten wie die Menschen vor Ort, die gemeinsam diese Katastrophe bewältigen wollen, ebenfalls an den Tag gelegt hätte. Das habe ich schmerzlich vermisst.

Noch zum Abschluss: Der Herr Kollege Althaus hat, wenn ich das richtig verstanden habe, einen Antrag formuliert vorhin in seiner Rede, dass er unseren Antrag an den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen sehen möchte. Ich nehme an, dass ich das so richtig verstanden habe. Ich erkläre hier namens meiner Fraktion ganz unmissverständ

lich, dass wir einen solchen Weg nicht bereit sind mitzugehen, aus zweierlei Gründen: Erstens, der Punkt 1 unseres Antrags, dem kann man seitens der CDU-Fraktion ja wohl doch problemlos zustimmen, weil eben der Herr Ministerpräsident erklärt hat, genau diesem Anliegen zu folgen.

(Beifall bei der SPD)

Und der zweite Punkt unseres Antrags, wenn man ihn wirklich liest und verstehen möchte, dann hat der deklaratorischen Charakter, das war auch von uns so beabsichtigt. Wir haben bewusst keine Zahl, keinen Titel für den Landeshaushalt,

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Das kann man so nicht lesen.)

wir möchten aber sicherstellen, dass auch das Land Thüringen seinen Beitrag für die Bewältigung der Flutkatastrophe jetzt schon so ernsthaft dokumentiert, dass das seinen Niederschlag im künftigen Doppelhaushalt finden wird. Das war unsere Absicht und das finde ich legitim

(Beifall bei der SPD)

und da bricht Ihnen kein Zacken aus der Krone - um das einmal so salopp zu formulieren - diesem Antrag zu folgen. Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es meldet sich die Landesregierung, war ja schon angekündigt, Herr Minister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Höhn, zu Ihren letzten Bemerkungen, da brauche ich keinen Antrag von der SPD.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das machen wir selber.)

Die Steuereinnahmen werden nach der Mai-Steuerschätzung veranschlagt und wenn die Bundesregierung ein Änderungsgesetz zum Steuergesetz bringt, das geht durch den Bundestag und durch den Bundesrat durch und erlangt damit Gesetzeskraft, dann werden die Steuereinnahmen neu veranschlagt und dann werden wir einen Einnahmentitel haben und werden einen Ausgabentitel haben und den werden wir extra ausweisen. Und das sage ich Ihnen ganz offen, ob ich dort Null reinschreibe, ob ich 50       $    schreibe, das hat wirklich dann nur deklaratorischen Charakter. Der Ministerpräsident hat ganz genau gesagt, woher die 6,9 Mrd. kommen; die stehen nämlich in dem Erläu

terungsteil zur Steuerreform. Das sind Modellrechnungen des Bundesfinanzministeriums. Wie viel dort überhaupt in die Kasse kommt, das weiß heute überhaupt keiner, das können auch sieben sein, aber es können auch Ende des Jahres nur vier sein. Wer trägt dann, wenn es nur vier werden, die Differenz? Wer zahlt dann Zusagen an die Betroffenen, die dieses Jahr gemacht werden müssen? Das ist die Frage.

Meine Damen und Herren, wir haben es uns nicht einfach gemacht mit diesem Vorschlag. Ich will auch noch einmal auf die Chronologie hinweisen, auf den Vorschlag Solidaritätspakt II brauche ich nicht mehr einzugehen. Vor dem Treffen in Leipzig hatte der Kanzler gesagt, wir machen ein Hilfsprogramm von 2 Mrd. (    berechtigt, darauf hinzuweisen, dass ein solcher Schnellschuss nicht hilft, weil er vollkommen unzureichend ist.

(Beifall bei der CDU)

Nach dem Vorschlag, die Steuerreform zu verschieben - ich habe übrigens durchaus Verständnis dafür, dass die Industrie das als ganz belanglos ansieht, weil sie davon kaum betroffen ist, das muss man nämlich auch einmal den Leuten sagen -, haben wir auf die soziale Schieflage hingewiesen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Und haben die Steuererhöhung vorgeschlagen.)

Richtig, und wir haben gesagt, das ist eine soziale Schieflage und die Industrie muss mit einbezogen werden, die Konzerne.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD)

Lassen Sie mich einmal ausreden, dann werden Sie auch verstehen, warum wir auf einen anderen Vorschlag gekommen sind. Ich will Ihnen noch einmal die Wirkungsweise der zweiten Stufe der Steuerreform erläutern. Die betrifft vor allem die kleinen Einkommen im Osten Deutschlands, nämlich allein durch die höheren Steuerfreibeträge wären eine ganze Reihe der kleinen Einkommen in Ostdeutschland aus einer Steuerpflicht in eine Steuerfreiheit hineingekommen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Genau das haben Sie bisher doch bestritten.)

Von den 6,9 Mrd. 2 " 3    Solidaritätszuschlag und 1 Mrd.  0 lastungen des Mittelstandes, was sich dahinter verbirgt. Wir haben sehr überlegt, was können wir im Körperschaftssteuerrecht machen. Der Ministerpräsident hat sehr bewusst darauf hingewiesen, die Erhöhung des Prozentsatzes von 25 auf 26,5 Prozent, die bezahlt der Mittelstand, nicht die Konzerne. Das bezahlen die kleinen AG, das bezahlen die GmbH & Co

KG, die bezahlen diese Erhöhung von 1,5 Prozent. Dem Konzern, der seine Gewinne international verschieben kann, wie er es gerade braucht für seine Liquidität, dem ist das schnurzpiepegal, ob er 26,5 Prozent von null bezahlt oder 25 Prozent von null.

(Beifall bei der CDU)

Da bleibt im Ergebnis immer null.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Vorhin war es noch null.)

Ja, es bleibt auch null. Es bleibt auch für die Konzerne null Belastung.

(Unruhe bei der SPD)