Damals jedenfalls, meine Damen und Herren, war man sich offenbar einig, dass es auch Aufgabe der Jugendhilfe ist, darauf hinzuwirken, dass alle jungen Menschen - und ich sage bewusst, alle jungen Menschen - Angebote zur Berufsausbildung und darüber hinaus erforderlichenfalls für eine Übergangszeit berufliche qualifizierende Beschäftigung erhalten. Es ist eigentlich nicht notwendig, darauf hinzuwirken, dass mitunter dazu auch die notwendige Finanzierung bereitgestellt werden muss. Aber ich denke schon, wir müssen uns auch an dieser Stelle dazu bekennen und die Situation ist mittlerweile so, dass hier auch nichts mehr zu beschönigen ist. Deshalb habe ich bzw. hat die SPD-Landtagsfraktion - und das werden Sie wohl auch alle zugeben müssen - nochmals versucht, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung per Appell alle politischen Kräfte dieses Landtags zusammenzubringen, um an Betriebe und Verwaltungen zu appellieren, zu appellieren auch in deren eigenem Interesse, wie ich es schon gesagt habe, um dem drohenden Facharbeitermangel zu begegnen. Es ist mir auch - muss ich ehrlich sagen - völlig unerklärlich, warum die Betriebe im Jahre 2002 nicht erkennen wollen, dass sie in absehbarer Zeit händeringend dann Facharbeiter suchen müssen. Wenn ich sage, die Betriebe, ich muss es doch nicht immer wiederholen, ich will nicht verallgemeinern, ich will auf die hinweisen, die der Verantwortung nicht gerecht werden. Ich sage es Ihnen noch einmal ganz deutlich: Wir richten uns mit diesem Appell nicht an Betriebe, die aufgrund offensichtlicher wirtschaftlicher Notlagen keine weiteren Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen können. Aber dieser massive Rückgang, insbesondere auch in diesem Jahr, in den letzten Jah
Noch ein weiterer Aspekt unseres Antrags ist die stärkere Einbeziehung der Eltern der jungen Menschen und die bessere Kommunikation zwischen Jugendlichen, zwischen den Eltern und den Arbeitsverwaltungen. Da stimme ich Frau Wackernagel ausdrücklich zu. Hier ist im Bereich der Berufsberatung noch einiges nachzuholen, das sehe ich ganz genauso. Gerade bei einer frühzeitigen Einbeziehung der Eltern in den Berufswahl- und Ausbildungsprozess, denken wir, ist es möglich, auch Ausbildung qualitativ zu verbessern und zu verhindern, dass es zu häufig beklagten Ausbildungsabbrüchen kommt. Wir versprechen uns im Übrigen sowohl von der Novellierung des Schulgesetzes als auch von der neu strukturierten Arbeitsverwaltung ausdrücklich die verstärkte Einbeziehung der Eltern in den gesamten Bereich.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in Anbetracht dieser dramatischen Situation - wir haben es heute schon gesagt, wo im Moment noch rund 5.000 junge Thüringerinnen und Thüringer einen Ausbildungsplatz suchen und in spätestens einigen Wochen eine Ausbildung beginnen müssen - eine Einigkeit beweisen und gemeinsam dieser jugendpolitischen Verantwortung nachkommen. Ich bitte Sie ganz herzlich, diesen Appell zu unterstützen.
Noch einen Satz zum Antrag der PDS: Wir haben überhaupt keine Probleme mit dem Antrag als Ergänzung zu dem, was wir auf den Tisch gelegt haben. Ich denke, über die einzelnen Punkte müssen wir nicht reden, wir haben sie schon oft genug angesprochen und die Punkte 1 bis 4, die Sie, Frau Sojka, untersetzt haben, finden ausdrücklich unsere Unterstützung, wie gesagt, weil wir auch in vielen Punkten dieses schon eingefordert haben. Einen Punkt, die Gründung eines Landesinstituts für Berufsausbildung, halten wir für überflüssig. Sie wissen selbst, es gibt ein Bundesinstitut für berufliche Bildung, das mit diesen Themen beschäftigt ist und durchaus in der Lage wäre, hier für das Land zuzuarbeiten. Wir könnten von den Erkenntnissen dort profitieren, so dass wir an diesem Punkt sagen, wir brauchen das Fahrrad nicht neu erfinden. Aber um eine punktuelle Abstimmung zu vermeiden, werden wir hier nur ausdrücklich deutlich machen, dass wir den Punkt 5 nicht für notwendig halten, aber Ihrem Antrag zustimmen. Ich bitte Sie, insbesondere die Herrschaften in der Mitte des Hauses, unterstützen Sie diesen Appell, machen Sie es wie die großen Zeitungen, wie die Rundfunkanstalten, unterstützen Sie und rufen Sie die Wirtschaft auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Danke schön.
Minister Schuster hat sich zu Wort gemeldet und wäre jetzt dran. Herr Abgeordneter Schwäblein, Sie können danach dann Ihren Redebeitrag halten.
(Zuruf Schuster, Minister für Wirtschaft, Ar- beit und Infrastruktur: Ich kann auch danach sprechen.)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere Frau Abgeordnete Pelke, ich weiß nicht, wo Sie heute Vormittag waren, als Sie hier am Pult waren, Ihre Gedanken hatten Sie offensichtlich nicht ganz beisammen. Ich habe nicht versucht, Ihnen heute Vormittag eine Zwischenfrage zu stellen. Das war Herr Abgeordneter Ramelow gewesen, der mir diesen vermeintlichen Korb gegeben hatte. Er hat mich dann nur dazu gebracht, hier ans Pult zu gehen, Sie tun das Gleiche. Sie haben heute Morgen versucht, mich persönlich zu beleidigen. Das ist Ihnen nicht geglückt, aber eine Zwischenfrage haben Sie nicht abgewehrt.
Jetzt komme ich zu Ihrem Punkt, der mich zu der Redemeldung veranlasst hat, Ihre Ausbildungsabgabe. Es bleibt bei unserer Haltung, dass wir den Unternehmen nicht gestatten wollen, sich von der auch für uns selbstverständlichen Pflicht, für den eigenen Nachwuchs zu sorgen, freizukaufen.
Die Frage, die ich Ihnen stellen wollte, stelle ich jetzt öffentlich für alle halt vom Pult aus und nicht vom Saalmikrofon. Ich wollte Sie fragen, Frau Pelke, ob Sie angesichts des Massakers am Gutenberg-Gymnasium immer noch an der Losung festhalten, die Sie vor einigen Jahren hier vom Pult aus verkündet haben: "Wer nicht ausbildet, wird umgelegt." Die Frage bleibt bestehen.
Herr Minister Schuster, es wurde eine Frage an Frau Abgeordnete Pelke gestellt. Ich nehme an, Sie gestatten, dass Frau Pelke dazu noch einmal ans Pult geht.
Eigentlich, Herr Schwäblein, mir fehlen da die Worte. Dass Sie als Politiker so etwas hier loslassen,
das hat weder etwas mit Vorbildfunktion noch etwas mit Anstand, noch etwas mit Moral und Empfinden zu tun.
Es gab vor vielen Jahren ein Plakat als Werbung für die Umlagefinanzierung. Das erkläre ich jetzt, weil auch noch junge Leute oben auf der Tribüne sitzen. Ich kann diese Peinlichkeit eigentlich nicht im Raum stehen lassen. Ich habe Ihnen heute schon einmal Peinlichkeit unterstellen müssen. Ich kann das nur noch untersetzen. Da gab es einen Satz "Wer nicht ausbildet, wird umgelegt." hinsichtlich des Begriffs "Umlagefinanzierung". Ich sage es Ihnen in aller Deutlichkeit, auch wenn ich dafür einen Ordnungsruf bekomme: Eine solche Unmöglichkeit, eine solche Frechheit, die Sie sich eben geleistet haben, ein solches Plakat von vor drei Jahren in Zusammenhang mit dieser grauenhaften Tat zu stellen, das ist im Prinzip mit nichts zu entschuldigen. Ich bin so deprimiert über so etwas, das kann ich Ihnen gar nicht sagen. Sie müssten jetzt eigentlich die Größe haben, sich trotzdem für diese Bemerkung zu entschuldigen. Das ist nicht in Worte zu fassen, was Sie getan haben.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir alle sind umgetrieben von dem Bemühen, dafür zu sorgen, dass junge Menschen einen Ausbildungsplatz in unserem Lande bekommen.
Kein junger Mensch darf gezwungen sein, das Land zu verlassen, nur um eine qualifizierte Ausbildung zu erfahren, meine Damen und Herren.
Appelle sind notwendig, aber schon vielfach erfolgt, siehe Ausbildungsinitiative der Landesregierung und aller Kammern, Gewerkschaften usw.
Schon 1997, ja. Die Frage ist: Wie geht man richtig vor? Zunächst einmal, muss man von richtigen Zahlen ausgehen. Man muss die Situation richtig beschreiben. Und was ich in der ganzen Diskussion jetzt hier an Zahlen gehört ha
Nun erspare ich Ihnen, hier jetzt viele Zahlen aufzuzählen, aber lassen Sie mich zu dem Thema "Instrumente" kommen.
Frau Pelke, ich hatte die Hoffnung, dass die SPD-Landtagsfraktion die Ausbildungsumlage heute nicht mehr vertritt, dies deshalb, weil man auf Bundesebene seitens der SPD dieses Instrument längst ad acta gelegt hat.
Ich nehme zur Kenntnis, die SPD-Landtagsfraktion fordert eine Ausbildungsumlage in Thüringen. Sie haben dies damit begründet, dass man Großunternehmen veranlassen oder gar zwingen will auszubilden. Sie sollten nicht so tun, als würde da nicht ausgebildet. Sie haben z.B. Bosch erwähnt. Bosch ist eines der Musterbetriebe in Sachen Ausbildung in Thüringen.
Jenoptik und andere könnte man ergänzen. Ich glaube, die großen Unternehmen brauchen keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Ausbildung.
Wir haben Probleme, die auf unsere kleineren und mittleren Unternehmen zurückzuführen sind, weil sie vielfach technisch, ökonomisch, personell nicht in der Lage sind auszubilden. Hierfür haben wir aber ergänzende Instrumente in Form der ÜLU oder der Ausbildungsverbünde entwickelt.
Dann haben Sie die Ausbildungsumlage als Transfer von West nach Ost bezeichnet. Frau Pelke, diese These sollten Sie sich noch einmal überlegen. Wenn eine solche Umlage eine Transferwirkung hat, dann von Ost nach West. Dies deshalb, weil bei uns zurzeit betrieblich weniger ausgebildet wird als in den alten Ländern. Das heißt, dort würde weniger und bei uns würde mehr Umlage bezahlt. Das wäre der Effekt.
Gerade in umgekehrter Richtung, wie Sie es gerade beschrieben haben, wäre, wenn überhaupt, die Wirkung. Das kann doch nicht gewollt sein.
Aber es gibt ja viele andere Gründe, warum die Umlagefinanzierung heute eigentlich ad acta gelegt ist. Sie ist kontraproduktiv, sie führt dazu, dass sich die Unternehmen von
ihrer Ausbildungsverpflichtung freikaufen und legitimerweise darauf hinweisen können, wir zahlen doch dafür, wir zahlen doch Umlage.
Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist richtig. Wir müssen Anreize schaffen. Wir müssen die Unternehmen dafür gewinnen, dass mehr ausgebildet wird. Die Industrieund Handelskammer meldet auch in wirtschaftlich schwieriger Situation einen Zuwachs an Ausbildungsplätzen von 2,8 Prozent. Meine Damen und Herren, dies ist doch nicht selbstverständlich.
Frau Wackernagel hat Recht, wir sollten dem Handwerk nach wie vor dankbar sein für die Ausbildung, die es immer noch erbringt in unserem Lande, und zwar seit Jahr und Tag.