Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, sehr verehrte Vertreter auf den Regierungsbänken, verehrte Besucher auf der Besuchertribüne, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die 72. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am heutigen 11. Oktober 2002 und darf Sie dazu recht herzlich begrüßen. Als Schriftführer haben neben mir Platz genommen Frau Abgeordnete Bechthum und Herr Abgeordneter Braasch. Herr Abgeordneter Braasch wird die Rednerliste führen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Jawohl, es handelt sich um verdienstvolle Tätigkeiten.

(Heiterkeit im Hause)

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Böck, Frau Abgeordnete Heß, Herr Abgeordneter Höhn, Herr Abgeordneter Otto Kretschmer, Frau Abgeordnete Katja Wolf und Herr Minister Dr. Krapp.

Ich darf zu Beginn unserer Sitzung an eine Verabredung erinnern, die wir im Ältestenrat getroffen haben, nämlich zum Zeitpunkt des Ministerwechsels im Justizressort, der heute vorgenommen wird. Wir sind übereingekommen, dass dies nach Tagesordnungspunkt 14 zeitlich günstig gelegen geschehen kann. Ich denke, das wird zwischen 11.00 und 12.00 Uhr sein, so dass ich jetzt beginne mit dem Aufruf des Tagesordnungspunkts 12

Drohende Insolvenzen bei Thüringer Freizeit- und Erlebnisbädern und deren Konsequenzen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/2714

Begründung durch die Einreicher wird nicht gewünscht, da die Landesregierung ohnehin den Sofortbericht angekündigt hat zu geben. Ich darf dazu Herrn Minister Dr. Pietzsch bitten. Bitte, Sie haben das Wort zum Bericht.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag der Fraktion der PDS ist eigentlich ein zweigeteilter Antrag. Im ersten Teil bezieht er sich auf die betriebswirtschaftliche Situation und verbindet diese betriebswirtschaftliche Situation mit dem zweiten Teil der Konsequenzen, die daraus für die weitere Sanierung der Freiund Hallenbäder im Rahmen der Sportförderung zu ziehen sind.

Meine Damen und Herren, die Bäderlandschaft hängt schon miteinander zusammen, das ist richtig, aber die betriebswirtschaftliche Situation der Freizeit- und Erlebnisbäder hat nicht folgerichtig Konsequenzen auf die Planung und schon gar nicht die von Ihnen angesprochene Solvenz oder Insolvenz, schon gar nicht Konsequenzen auf die Sportbäder.

Darf ich einmal unterbrechen, Herr Minister Dr. Pietzsch, weil eine Frage aufgekommen ist, und zwar besteht der Eindruck, Sie würden zu Tagesordnungspunkt 13 sprechen und nicht zu Tagesordnungspunkt 12 zu dem SPD-Antrag. Wir hatten die Zusammenlegung nicht beschlossen gestern. Kann das sein?

Woher wissen Sie, wozu ich rede?

(Heiterkeit im Hause)

Deswegen frage ich Sie ja. Deswegen war ja die Frage, damit wir Klarheit haben, welcher Bericht zu welchem Punkt gegeben wird.

Wenn ich mich recht entsinne, ist der andere Tagesordnungspunkt ein Antrag der PDS, ist das richtig?

Nein, es handelt sich um den Antrag der SPD-Fraktion in Punkt 12.

Ja, der andere Tagesordnungspunkt ist ein Antrag der PDS.

Ich habe hier ganz eindeutig von einem Antrag der Fraktion der SPD gesprochen.

(Zwischenrufe aus dem Hause: Nein.)

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Herr Dr. Pietzsch, reden Sie nur, es ist egal zu was.)

(Unruhe im Hause)

Frau Präsidentin, habe ich nun Recht oder habe ich nicht Recht?

(Heiterkeit im Hause)

Ich überlasse das Ihrer präsidialen Weisheit.

Herr Minister Dr. Pietzsch, wenn Sie erklären, dass Ihr Bericht zu Tagesordnungspunkt 12 abgegeben wird, dann nehmen wir das so zur Kenntnis, dann ist das der Bericht zu Tagesordnungspunkt 12.

(Heiterkeit im Hause)

Gut, also das wird sich ja vielleicht im Laufe der Ausführungen noch klären.

Meine Damen und Herren, um alle Klarheiten zu beseitigen und um Tagesordnungspunkt 12 oder 13 oder 16 oder was weiß ich, das ist mir jetzt wurscht.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Wenn es denn recht ist, rede ich zu Drucksache 3/2714, einem Antrag der Fraktion der SPD,

(Beifall im Hause)

und dieses habe ich von Anfang an getan.

(Heiterkeit im Hause)

Das ist eindeutig und dann hat es lediglich an einem Versprecher bei der Fraktionsbezeichnung gelegen, also Drucksache 3/2714.

Meine Damen und Herren, nicht erst seit der drohenden Insolvenz einzelner Erlebnisbäder hat sich die Landesregierung Gedanken zur betriebswirtschaftlichen Führung auch von Sportstätten, insbesondere auch von Frei- und Hallenbädern gemacht.

Meine Damen und Herren, Schwimmbäder erfordern nicht nur bei ihrer Errichtung erhebliche Investitionskosten, die zu finanzieren sind, sondern man muss sich auch bei Sportstätten über die Folgekosten im Klaren sein und gerade Freibäder und Hallenbäder haben erhebliche Folgekosten. Dabei sind auch die sich verändernden Anforderungen an Schwimmbäder ganz augenscheinlich. Den Bedürfnissen der Nutzer entsprechend entwickelten sie sich von reinen Sport-, Reinigungs- und Gesundheitsbädern in der Vergangenheit oder in weit zurückliegender Zeit zu Freizeit-, Erholungs- und Erlebniseinrichtungen. Nicht zuletzt sind dadurch Bäder auch wichtige Stätten der Begegnung. Das bezieht sich übrigens, was die Sportstätten angeht, nicht nur auf die Bäder, sondern dieser Trend ist auch bei anderen Sportstätten nachzuweisen. Es gibt auch einen engen Zusammenhang zwischen Erlebnisbereichen, es gibt auch einen engen Zusammenhang zwischen Sportstätten, Fremdenverkehr und Tourismus. Ich habe gerade beim parlamentarischen Abend vorgestern darauf hingewiesen, dass sich die Landessportkonferenz des Jahres 2001 mit dem Thema "Sport und Tourismus" auseinander gesetzt hat. Es gibt in diesem Bereich durchaus Wechselwirkungen. Die angefragte betriebswirtschaftliche Situation der Erlebnisbäder ist ein Aspekt bei der Entwicklung einer bedarfsgerechten Bäderlandschaft in Thüringen, nicht der alleinige. Die betriebswirtschaftlichen Daten der Erlebnisbäder in Thüringen sind sehr schwer zu erhalten, weil es sich hierbei um privatwirtschaftlich geführte Einrichtungen handelt. Es gibt privatrechtliche Träger. Und wie wir festgestellt haben, in Sonderheit der Wirtschaftsminister festgestellt hat, der da einen Zugang hat, sind auch die Angaben über betriebswirtschaftliche Daten sehr, sehr unterschiedlich bei ein und demselben Bad an zwei verschiedenen Tagen oder in zwei verschiedenen Wochen. Tatsache ist, dass in Tabarz Insolvenz angemeldet wurde und auch Oberhof in finanziellen Schwierigkeiten steht. Herr Kollege Schuster wird nachfolgend in der Diskussion auf die wirtschaftliche Situation einzelner Erlebnisbäder oder von Tabarz eingehen. Ich werde mich daher darauf konzentrieren, Ihnen zu berichten, welche Maßnahmen die Landesregierung, und übrigens lange vor diesem Antrag, ergriffen hat, um im Rahmen der Sportförderung auf eine bedarfsgerechte Versorgung Thüringens mit Frei- und Hallenbädern im Interesse des Vereins- und Schulsports, der sportlichen Freizeitgestaltung, der Erholungsbedürfnisse der Bevölkerung hinzuwirken und zugleich zu gewährleisten, dass die Folgekosten für die Kommunen tragbar bleiben.

Zum Ersten: Im vergangenen Jahr wurden in der neugefassten Richtlinie zur Förderung des Sportstättenbaus Kos

tenobergrenzen für die Festsetzung der zuwendungsfähigen Ausgaben bei Neubauten und Ersatzneubauten eingeführt. Damit wurde ein wichtiger Schritt getan, um die notwendige Kategorisierung von Sportbauten festzuschreiben, das heißt, durch die genannte Richtlinie werden solche Einrichtungen gefördert, die primär der Herausbildung sportlicher Leistungen, dem Schulschwimmen oder dem freizeitsportlichen Schwimmen der Bürgerinnen und Bürger dienen. Damit wurde eine klare Abgrenzung zu Erlebnisbädern aufgestellt.

Zum Zweiten: Nachdem die ersten Jahre nach der politischen Wende auch im Bereich der Sportstättenförderung davon geprägt waren, die katastrophale Erblast zu bewältigen, ist es Dank der Sportförderung der Landesregierung nunmehr möglich, an die Entwicklung einer auch an den prognostischen Bedürfnissen orientierten Schwimmbäderlandschaft zu gehen. Damit dieser Prozess im Freistaat fachlich fundiert und konzeptionell abgestimmt vonstatten gehen kann, ist unter Leitung meiner Sportabteilung seit Mitte des vergangenen Jahres eine interministerielle Arbeitsgruppe mit Vertretern aus der wegen der Raumund Regionalplanung beteiligten Staatskanzlei, dem Innenministerium, dem Kultusministerium und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur gebildet worden. Diese Arbeitsgruppe wird zunächst noch einmal die notwendigen Daten aktualisieren und auf dieser sicheren Grundlage Kriterien für den langfristigen Einsatz von Fördermitteln vorbereiten. Sie wird Vorschläge zum Abbau von regionaler Unter- und Überversorgung unterbreiten und einen entsprechenden Prioritätenkatalog aufstellen. Zur Vermeidung von etwaigen Konkurrenzsituationen wird derzeit geprüft, ob man den bisherigen Regelfördersatz bei Hallen- und Kombibädern in meinem Haus von bisher 40 auf 60 Prozent ändern sollte mit der Maßgabe, dass dann im Zuwendungsbescheid zwingend sichergestellt ist, dass zukünftig der Charakter des Bads als Sportbad erhalten bleibt. Das erscheint mir deshalb notwendig, weil immer wieder bei Anträgen darauf hingewiesen wird, dass ein größerer Erlebnisbereich angebaut werden soll, da sonst die Refinanzierung des 60-prozentigen Anteils des Trägers nicht möglich ist. Auf der anderen Seite, wenn wir dieses so weiterführen würden, käme es wirklich zu Konkurrenzsituationen und alle beteiligten Bäder würden Not leidend. Deswegen überlegen wir uns, ob man nicht besser den Anteil der Sportförderung des Landes, also der Investitionsförderung des Landes, erhöht, damit der Refinanzierungsanteil des Trägers, das heißt, des Vereins - in aller Regel sind es Gemeinden oder Kreise - geringer wird. Zu der abgestimmten Vorgehensweise gehört auch, dass unabhängig vom Zuständigkeitsbereich eine verbindliche Abstimmung zwischen allen genannten Ressorts in dieser interministeriellen Arbeitsgruppe erfolgt.

Zum Dritten: Ich habe darüber hinaus zur Unterstützung dieser Arbeit an ein im Bereich der Sportstättenplanung renommiertes Leipziger Planungsbüro den Auftrag erteilt, für Thüringen eine fortzuschreibende Schwimmbäderentwicklungskonzeption zu erarbeiten. Erste Ergebnisse wer

den noch Ende dieses Jahres erwartet werden können. Das heißt nicht, dass nicht vorher auch Anträge bearbeitet und gegebenenfalls bewilligt werden. Dieses wird aber dann in dieser interministeriellen Arbeitsgruppe abgestimmt.

Ich meine, dass all dies vernünftige Maßnahmen sind, die nicht erst unter dem Druck drohender Insolvenzen bei Erlebnisbädern eingeleitet wurden, um die unterschiedlichen Bedürfnisse beim Schwimmen und Baden verantwortlich abzuwägen und einer akzentuierten Entwicklung zuzuführen. Schon wegen der von mir geschilderten Zuständigkeit beim Bau und der Sanierung von Bädern ist darüber hinaus die geäußerte Befürchtung der antragstellenden Fraktion unbegründet, dass die Förderung von Erlebnisbädern im Freistaat etwa zulasten der Sanierung von Sportstätten gehen könnte. Die Landesregierung hält an ihrem Ziel fest, das hohe Niveau der Sportförderung in Thüringen auch in Zukunft zu sichern. Dies bedingt auch für den Bereich der Frei- und Hallenschwimmbäder ein planmäßiges Vorgehen aller Beteiligten auf der Grundlage der von mir angesprochenen Konzeption. Es wird auch bis zu dieser Konzeption - ich will dieses noch einmal sagen keinen Stillstand in der Förderung der Hallen- und Freibäder geben. Danke sehr.

Wird die Aussprache beantragt? Durch Herrn Dr. Pidde für die SPD-Fraktion. Dann kommen wir zur Aussprache. Als Erste hat das Wort Frau Abgeordnete Doht, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich hoffe nicht, dass der doch etwas konfuse Anfang dieses Tagesordnungspunkts Ausdruck der Politik der Landesregierung in diesem Bereich ist.

(Beifall bei der SPD)

In unserem Antrag ist noch von drohenden Insolvenzen bei Thüringer Freizeit- und Erlebnisbädern die Rede. Seit der Formulierung dieses Antrags ist einige Zeit vergangen und mit dem TABBS in Tabarz liegt bereits die erste Insolvenz vor. Die Kurgesellschaft Tabarz als Betreiberin musste Insolvenzantrag stellen. Dass die wirtschaftliche Situation im Tabarzer Bad schon längere Zeit nicht rosig war, wurde uns bereits bei einem dortigen Besuch des Arbeitskreises Wirtschaft der SPD-Landtagsfraktion in der Mitte der 2. Legislaturperiode mitgeteilt. Damals schrieb man nach Aussagen des Geschäftsführers gerade einmal eine "schwarze Null" und man hatte Angst vor der Eröffnung weiterer Erlebnisbäder in Thüringen. Im Wirtschaftsministerium aber war man anderer Auffassung. Das Geld im Rahmen der GA musste ausgegeben werden und so wurden weiter munter Spaßbäder gefördert.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: So etwas Blödes habe ich noch nie gehört!)

Insgesamt acht dieser Einrichtungen wurden mit einer Gesamtförderhöhe von 176.360.000 DM, das sind ungefähr 90 Mio.        lich geplanten Besucherzahlen an und vergleicht diese mit den Istzahlen, so wird man leicht feststellen, dass kaum ein Bad die ursprünglich geplanten Besucherzahlen auf Dauer erhalten kann. Ist der Neuigkeitseffekt erst einmal dahin und die Neugier verflogen, lässt auch der Besucherstrom nach. Aber damit noch nicht genug, neben den Spaßund Erlebnisbädern hat das Wirtschaftsministerium weitere 23 touristisch genutzte Frei- und Hallenbäder im Rahmen der GA mit einer Summe von 39.890.000 DM gefördert.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das, was Sie hier darstellen, ist ein bisschen konfus!)