Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nehmen wir doch erst einmal zur Kenntnis, was vor der letzten Plenarsitzung auf dem Tisch gelegen hat oder zur letzten Plenarsitzung, nämlich die Antwort auf die Große Anfrage der CDU zu aktuellen Aspekten und Perspektiven der Familienpolitik in Thüringen. Das umfangreiche Material ist auf eine Kurzformel zu bringen, nämlich auf die Feststellung, dass Thüringen in allen Bereichen der Familienförderung nicht nur

eine Spitzenposition in Deutschland einnimmt, sondern in vielen Bereichen sogar an der ersten Stelle liegt.

Drei wichtige gesetzlich geregelte Beispiele dazu:

1. Umfangreich und auch eingehend gesetzlich geregelt ist bei uns in Thüringen die Kinderbetreuung durch das Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz, das ja ganz ausdrücklich auch ein Ausführungsgesetz zum KJHG darstellt. Ganztagsbetreuung hat übrigens nicht bei uns in Thüringen, aber in anderen Ländern eine große Rolle gespielt, weil die SPD-geführten Länder wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein es nach vielen Jahrzehnten der Entwicklung nicht fertig gebracht haben, was wir hier in Thüringen bereits gesetzlich fixiert haben, nämlich die umfassende, bedarfsgerechte Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Vorschulalter und auch eine Ganztagsbetreuung durch Schulhorte für Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren.

2. Thüringen ist eines von ganz wenigen Ländern, das ein Landeserziehungsgeld in derselben Höhe wie das Bundeserziehungsgeld leistet. Das Land wendet dafür auf der Grundlage eines Landesgesetzes jährlich mehr als 20 Mio.   *#  #  2003 und 2004, meine Damen und Herren, steigern wir die Ansätze für familienfördernde Maßnahmen von rund 1,8 Mio.  +,-#        anderem die von Ihnen, von der SPD-Fraktion, genannten Maßnahmen, zum Beispiel die Förderung von Familienbildungsangeboten, Familienerholung und Förderung der Familienverbände. Meine Damen und Herren Abgeordneten von der SPD, Sie können dieser Großen Anfrage noch eine weitere Tatsache entnehmen. Gerade die von Ihnen genannten Leistungen der Familienförderung, wie zum Beispiel der Erziehungsberatung, sind heute bei uns auf einem hohen Niveau. Frau Pelke, es tut mir Leid, Sie haben mich eben dazu gereizt, dieses doch anführen zu müssen, wenn Sie auf den Bericht der Landesregierung am Ende der 2. Legislaturperiode hinweisen. Wenn ich mir dort die Zahlen ansehe, z.B. Landesförderung von Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen: Im Jahr 1996 3,74 Mio. DM, bis 1998 schrittweise auf 2,84 Mio. DM abgesenkt, und in den vergangenen Jahren haben wir sie dann wieder bis auf 3,25 Mio. DM aufgestockt. Das ist eine positive Entwicklung in den letzten Jahren

(Beifall bei der CDU)

seit dem Bericht, den Sie angeführt haben.

Oder nehmen wir die Familienbildungsmaßnahmen: Sie wurden im gleichen Zeitraum, 1995 bis 1998, von 292.000 DM auf 284.000 DM abgesenkt und sie sind auf 350.000 DM angehoben worden. Meine Damen und Herren, hier ist etwas geschehen, und zwar positiv in der Familienförderung und übrigens ganz ohne Gesetz. Mit unserer Familienförderungspolitik erfüllen wir nicht nur den Buchstaben, sondern vor allem den Geist des SGB VIII,

(Beifall bei der CDU)

das den Ländern und den Kommunen die Förderung der Erziehung in der Familie zum Auftrag gemacht hat. Wir tun das trotz einer schlimmen, ich möchte fast sagen, desolaten Finanzlage, die uns die Bundesregierung beschert hat.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich mache Ihnen den Vorschlag: Gehen Sie nach Berlin und fordern Sie dort eine vernünftige Familienpolitik ein, denn mit höherer Steuerbelastung von Familien, insbesondere auch allein Erziehenden - das ist auch angesprochen worden -, Aussetzung der Kindergelderhöhung und der Diskussion um das Ehegattensplitting hätte man in Berlin dringend eine Familienlobby nötig.

(Beifall bei der CDU)

In Thüringen ist die Landesregierung Familienlobby. Wenn der Kanzler sich mit 4 Mrd. ( "   Hortbetreuung brüstet, dann sehen die neuen Länder davon vermutlich nichts, denn dieses Angebot haben wir schon. Sorgen wir also dafür, dass diese Mittel flexibilisiert und damit auch der Thüringer Familienförderung zugänglich gemacht werden,

(Beifall bei der CDU)

dann könnten wir das besser realisieren, von dem Sie, Frau Bechthum, gesprochen haben, was Prof. Hurrelmann völlig zu Recht gefordert hat. Aber ohne weiter gehende Verbesserungen vornehmen zu können, weil schlicht das Geld fehlt, macht auch die Schaffung von Gesetzen hier in Thüringen keinen Sinn. Wenn sich die Bundesregierung bereit erklärt, ihren Teil beizutragen und Länder und Kommunen entlastet und in einen Zustand versetzt, dass wir die Aufgaben nicht unter solchem finanziellen Druck erledigen müssen, wenn sich neue Gestaltungsräume ergeben, dann sollten wir auch dringend über eine gesetzliche Regelung nachdenken, aber nicht nur über das Bestehende, sondern wir müssen auch eine Erweiterung der Maßnahmen möglich machen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Pelke - noch eine Redemeldung? Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, liebe Kollegen der CDU, Sie haben wirklich großes Glück, dass die rotgrüne Regierung in Berlin wieder gewählt worden ist.

(Unruhe bei der CDU)

Womit sollten Sie sonst Ihr Nichthandeln erklären?

(Beifall bei der SPD)

Hier funktioniert doch immer nur eins: Was funktioniert, haben Sie gemacht; was nicht funktioniert, hat die Bundesregierung gemacht. Wenn es mal ganz besonders schlimm wird, dann kommen Sie wieder auf die Sozialismusdebatte, die ich auch schon langsam in der Art, wie sie von Ihnen geführt wird, nicht mehr ertragen kann.

(Beifall bei der PDS)

Sie tun etwas, Herr Minister, ja? Sie tun etwas unter dem Aspekt Familienpolitik und Jugendpolitik, Sie tun etwas:

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozi- ales, Familie und Gesundheit: Ja.)

Sie kürzen. Sie kürzen bei der Sucht- und bei der Drogenberatung, Sie kürzen bei der Familienerholung, Sie kürzen bei Familienzentren. Sie nehmen aus der einen Tasche etwas heraus, schieben es in den anderen Bereich hinein, damit man es nicht mehr erkennen kann. Sie kürzen beim zweiten Arbeitsmarkt in Größenordnungen, das hat auch etwas mit Familien- und Sozialpolitik zu tun. Sie kürzen in Größenordnungen bei der Jugendberufshilfe. Sollen wir jetzt noch mehr aufzählen? Sie stellen sich hierher und sagen, wir haben mal einen gemeinsamen Antrag gemacht, wir haben einen Schwerpunkt festgelegt. Schulsozialarbeit, Schuljugendarbeit nennen Sie das jetzt. Da brüstet sich ein anderer Minister Ihrer Regierung, nämlich der Pseudo-Kultusminister, und sagt, jetzt haben wir es gepackt, wir nehmen zusätzliche Gelder in die Hand für Schuljugendarbeit und Schulsozialarbeit. Und was ist passiert? Es ist eine Zweckbindung für Gelder des kommunalen Finanzausgleichs, Gelder, die den Kommunen ohnehin zustehen. Das verbinden Sie jetzt mit einer Zweckbindung, damit die Kommunen nicht mehr frei entscheiden können, wofür sie es ausgeben. Dann reichen Sie es noch aus über den Bereich Jugendpauschale, damit die Kommunen auch noch ihr eigenes Geld kofinanzieren müssen. Das ist das, was Sie im Moment im Bereich Familie und Jugend tun. Und, Herr Panse, es mutet ja schon geradezu schlimm an, wenn Sie mir dann sagen, aus gemeinsamer Erfurter Sicht, dann lassen Sie uns doch vor Ort gemeinsam schauen, dass wir viel mehr Geld

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Nein, ich habe nicht Erfurt kritisiert.)

für den Familienbereich und für den Jugendbereich - den zähle ich immer mit dazu, auch den Jugendbereich - zur Verfügung bekommen. Sie als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses in Erfurt, Sie als Vertreter auch dort der Mehrheitsfraktion der CDU, die in den Haushaltsverhandlungen 1 Mio. .  / "$  das als Antwort auf all das, was wir im Jugendbereich hier diskutiert haben. Ich will nicht immer auf das Beispiel Gutenberg, ich will nicht auf das Beispiel PISA zurückgehen. Dann stellen Sie sich her und sagen, wir sind nicht

mal bereit, über diese Dinge zu diskutieren, die Sie ehrlichen Herzens in vielen Veranstaltungen als genauso wichtig und wesentlich betrachten. Die gesetzliche Verankerung ist zunächst mal nicht grundsätzlich mit Geld verbunden, aber wir wussten ja schon, Sie wollten auch die gesetzliche Verankerung der Jugendpauschale nicht. Das ist ja alles in Ordnung und dass Sie jetzt auch hier wieder ein Problem bekommen mit der Begründung, wir verlagern in Richtung der Kommunen. Sie selber haben doch die Gesetzestexte vorgelesen. Es obliegt der Landesregierung, wie viele Möglichkeiten sie dann für sich in Anspruch nimmt, um der kommunalen Ebene weitere Unterstützungen auch im finanziellen Bereich mitzugeben. Also, ich finde, diese Diskussion ist wieder ein Wegschieben von all dem, entweder es funktioniert hier alles, Sie haben schon alles geregelt, man braucht überhaupt nichts mehr zu tun (wahr- scheinlich ist es wieder so, es stört einfach, dass es ein SPD- Antrag ist). Möglicherweise bekommen wir eine ähnliche Thematik demnächst auf dem Briefkopf der CDU als Antrag und dann werden wir wahrscheinlich anders darüber diskutieren und dann werden wir es auch mit verankern.

Lassen Sie mich bei der Diskussion, weil ich sie einfach auch ärgerlich finde, auch noch einen Satz zu den Kollegen der PDS sagen: Selbstverständlich, Sie haben Recht, wir hätten noch einiges mehr machen können, sollen, müssen zu Zeiten, wo wir sozialdemokratische Verantwortung im Sozialministerium hatten. Aber ich glaube, dass wir in diesen fünf Jahren sehr viel getan haben und das eine oder andere ist natürlich nicht mehr zur Umsetzung gekommen. Und ich sage Ihnen, bestimmte Dinge, wie auch die Frage der gesetzlichen Verankerung der Jugendpauschale und andere Dinge, waren natürlich mit diesem Koalitionspartner, mit dem wir es damals zu tun hatten, auch nicht zu machen. Das sage ich hier in aller Deutlichkeit.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Das ist doch gar nicht beantragt worden.)

War das eine Anmerkung von Herrn Finanzminister?

(Zuruf Trautvetter, Finanzminister: Nein, ein Zwischenruf.)

Ach so, das ist ja schön. Gut, dann war es wahrscheinlich ein Zwischenruf vom Abgeordneten Trautvetter.

In diesem Zusammenhang bitte ich Sie ganz herzlich, noch einmal über Ihren eigenen Schatten zu springen, wenn Sie das Thema "Familienpolitik" wirklich so als Schwerpunktthema für sich in Anspruch nehmen. Ich will Ihnen das auch deutlich sagen, ich glaube das den Familienpolitikern in Ihrer Fraktion, ich zweifele das bei Frau Arenhövel nicht an, ich zweifele das bei Herrn Panse nicht an, ich zweifele das bei vielen anderen nicht an. Was ich aber dann nicht verstehen kann, ist, dass Sie nicht bereit sind, eine bessere Verankerung von Familienpolitik auch in ein Gesetz mit zu übernehmen, bzw. wenigstens bereit

sind, mit uns darüber zu diskutieren. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Es liegen keine weiteren Redemeldungen vor. Ich kann die Aussprache schließen. Es ist beantragt worden, den Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir kommen damit zur Entscheidung über den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 3/2728. Wer diesem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Auch das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist der Antrag der Fraktion der SPD abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14.

Wir treten vereinbarungsgemäß jetzt in eine Pause ein, die 30 Minuten dauern soll, also demzufolge bis 12.45 Uhr. Wir würden uns danach um 12.45 Uhr im Plenarsaal wieder einfinden.

Kolleginnen und Kollegen, wir konnten gerade die Ernennung des neuen Justizministers, Herrn Dr. Gasser, miterleben. Der Ministerpräsident hat mich gebeten, jetzt hier vor dem Thüringer Landtag die Vereidigung von Herrn Minister Dr. Gasser vorzunehmen.

Vereidigung des neu ernannten Justizministers (gem. Artikel 71 Abs. 1 und 2 LV)

Ich bitte deshalb Herrn Minister hier nach vorn, damit wir die Vereidigung vollziehen können.

Ich verlese Ihnen die in der Verfassung des Freistaats Thüringen vorgesehene Eidesformel. Sie können diese Eidesformel anschließend bekräftigen mit den Worten: Ich schwöre es oder ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Die Eidesformel lautet: Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, Verfassung und Gesetze wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, Verfassung und Gesetze wahren, meine Pflich

ten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde, so wahr mir Gott helfe.

Wir haben die Vereidigung gehört. Jetzt darf ich Ihnen herzlich gratulieren, eine gute Hand für Ihre Amtsführung wünschen und eine gute Zusammenarbeit.

Danke schön.

(Beifall im Hause)