Protokoll der Sitzung vom 21.11.2002

Zu Frage 1: Die Ankündigungen der Bundesregierung sind nach wie vor nicht konkretisiert. Die Bundesmittel sollen dem Vernehmen nach auf der Grundlage von Artikel 104 a Abs. 4 Grundgesetz gewährt und anhand eines Schlüssels verteilt werden, der sich nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler der Grundschulen und der Sekundarstufe 1 im Schuljahr 2000/2001 richtet. Zwar soll das Programm zum 1. Januar 2003 starten, eine Abstimmung zu dem angekündigten Verwaltungsabkommen mit den Ländern hat jedoch bis heute nicht stattgefunden.

Zu den Fragen 2 und 3 darf ich zusammengefasst antworten. Ganztagsschulische Angebote werden in Thüringen auch zukünftig unverändert bedarfsgerecht vorgehalten werden. Die Grundlage dafür bietet die Thüringer Schulgesetzgebung. So besteht für alle Grundschulkinder der Rechtsanspruch auf einen Hortplatz. Förderschulen sind in der Regel Ganztagsfördereinrichtungen und für eine Gesamtstundentafel ausgewiesen. Auch an den Spezialgymnasien und -klassen werden Unterricht und weitere Angebote ganztags organisiert. Die Konzepte entsprechen dort dem jeweiligen Profil der Einrichtung. Das Thüringer Kultusministerium fördert schwerpunktmäßig die Entwicklung offener Formen der Ganztagsschule im Sinne qualifizierter Ganztagsangebote. Dies geschieht zum einen durch die Bereitstellung von Projektmitteln im Rahmen einer Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Freistaats zur Förderung von unterrichtsbegleitenden schulischen und außerschulischen Vorhaben und Förderung der Thüringer Schullandheimbewegung sowie im Rahmen der Kooperationsvereinbarung vom 6. No

vember 2001 Schule/Sportverein. Zum anderen wird über Lehrerwochenstunden für Arbeitsgemeinschaften, freiwillige Unterrichtsangebote und außerunterrichtliche Maßnahmen die Möglichkeit zur personellen Absicherung von Förderangeboten außerhalb der Stundentafel geboten. Auch im Rahmen von mannigfaltigen Projekten zur Schulentwicklung werden Ganztagsangebote, z.B. an Gymnasien, auf Initiative der entsprechenden Schulen eingerichtet.

Meine Damen und Herren, im Entwurf des Doppelhaushalts 2003/2004 sind darüber hinaus insgesamt 8,7 Mio.  vorgesehen, um produktive Freizeitangebote bzw. Ganztagsangebote von Schulen im Rahmen von Schuljugendarbeit personell und sächlich zu unterstützen. Schuljugendarbeit, die dort, wo es sinnvoll und gewünscht ist, auch Schulsozialarbeit einschließt, soll im Wege der Kooperation mit dem Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit interessierten Schulen und Schulträgern eine Schwerpunktsetzung für die qualifizierte Freizeitbetreuung der Kinder ermöglichen.

Ich sehe keine Nachfragen. Danke schön.

Frau Abgeordnete Thierbach, Sie haben die nächste Frage in Drucksache 3/2773. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Errichtung von Grundsicherungsämtern in Thüringen

Ab 1. Januar 2003 tritt das Grundsicherungsgesetz in Kraft.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hoch ist der Personalbedarf für Landkreise und kreisfreie Städte, um ab dem 1. Januar 2003 ein Grundsicherungsamt einzurichten?

2. Wer trägt die Personalkosten für die Umsetzung des Bundesgesetzes zur Grundsicherung?

3. Nach welchem Modus erfolgt die Bundeszuweisung für die Grundsicherungsberechtigten an die Landkreise und kreisfreien Städte?

4. Welche inhaltlichen Gründe bestanden seitens der Landesregierung, die veranschlagten Bundesmittel für das Grundsicherungsgesetz im Einzelplan 19 - Förderung des Städte- und Wohnungsbaus - einzustellen?

Herr Minister Pietzsch, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Abgeordnete Thierbach, dieses Grundsicherungsgesetz oder diese Festlegung ist ja ein klassisches Beispiel dafür, wie von Seiten des Bundes direkt den Kreisen und kreisfreien Städten Aufgaben übertragen worden sind in der zurückliegenden Zeit und mit dem Beginn ab 01.01.2003, ohne eigentlich geregelt zu haben, wie das Ganze funktioniert und ohne ausreichende materielle Sicherstellung, das heißt mit anderen Worten Finanzausstattung. Insofern ist den Landkreisen und kreisfreien Städten unmittelbar der Vollzug der Grundsicherung übertragen worden. Damit liegt auch bei den Kreisen und kreisfreien Städten eigenverantwortlich die Personal- und Organisationshoheit. Ein Grundsicherungsamt könnte dabei beispielsweise das Sozialamt sein. Insofern liegen dem Land auch keine konkreten Daten zum Personalbedarf der Landkreise und kreisfreien Städte vor, wie gesagt, da die Organisations- und Personalhoheit dort liegt. Dementsprechend tragen auch die Landkreise und kreisfreien Städte die Personalkosten. Nach welchem Modus ist es beabsichtigt, die Bundeszuweisungen - für Thüringen sind 409 Mio.        die Kreise und kreisfreien Städte weiterzureichen, orientiert an dem tatsächlichen Aufwand nach dem Verteilungsschlüssel, also des tatsächlichen Aufwands, der den Kreisen und kreisfreien Städten als Träger der Grundsicherung entsteht.

Zu Frage 4: Frau Thierbach, es waren weniger inhaltliche als formale Gründe, die dazu geführt haben. Diese formalen Gründe sind auch zu suchen letzten Endes bereits beim Bundesgesetzgeber. Nach § 34 Abs. 2 Wohngeldgesetz übernimmt der Bund ab März 2003 einen jährlichen Festbetrag, ich hatte es schon gesagt, in Höhe von 409 Mio.          Aufwendungen für das Wohngeld nach dem fünften Teil des Wohngeldgesetzes aufgeteilt wird. Es wird also an einem anderen Gesetz orientiert. Das Verfahren der Auszahlung wird durch einen Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen zum Verfahren zur anteiligen Auszählung des Festbetrags nach § 34 Wohngeldgesetz an die Länder geregelt. Da also auch die Ausgaben für das Wohngeld im Einzelplan 19 veranschlagt werden, werden die Mittel hier, was die Grundsicherung betrifft, ebenfalls im Einzelplan 19 eingestellt, also mehr eine formale Analogie. Dem Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit soll aber die Bewirtschaftung übertragen werden. Vielleicht wird damit auch sogar deutlicher, dass es praktisch ein Durchreichposten ist und dass nicht das Land daraus irgendwelche Einnahmen rekrutiert.

Gibt es Nachfragen? Ja. Bitte schön, Frau Abgeordnete Thierbach.

Herr Minister, eine Verständigungsfrage, vermute ich, war es. Sie sagten eben 409 Mio. !   " samtsumme des Bundes für alle Länder.

Das ist die Gesamtsumme des Bundes für alle Länder.

Richtig. Denn in unserem Haushalt sind 5 Mio.   gestellt.

Ja, das ist eine Verständigungsfrage. Das wäre zu schön.

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Die nächste Anfrage in Drucksache 3/2781 wurde vom Abgeordneten Höhn zurückgezogen.

Wir kommen dann zur Anfrage der Frau Abgeordneten Sedlacik in Drucksache 3/2787. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Erstattung von Widerspruchsgebühren bei einem erfolgreichen Klageverfahren im Kommunalabgabenrecht

Der Sachverhalt der Erstattung von Widerspruchsgebühren bei einem erfolgreichen Klageverfahren im Kommunalabgabenrecht war bereits Gegenstand der Mündlichen Anfrage (Drucksache 3/ 564) vom 12. April 2001 an die Landesregierung.

Die Anfrage wurde in der 17. Plenarsitzung am 17. Mai 2001 beantwortet.

Grundaussage der Antwort war, dass aufgrund der Rechtslage in Thüringen bei einem erfolgreichen Klageverfahren gegen Kommunalabgaben eine Rückerstattung der Aufwendungen im Widerspruchsverfahren nicht erfolgt.

Der Bürgerbeauftragte des Freistaats Thüringen vertritt zum Sachverhalt eine zur Landesregierung abweichende Rechtsauffassung.

Im Rahmen der Beantwortung eines Bürgeranliegens wurde die Rechtsauffassung vertreten, dass nach dem dafür einschlägigen § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung der im Klageverfahren Unterliegende die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Gemäß § 162 Verwaltungsgerichtsordnung gehören auch die Kosten des Vorverfahrens nach §§ 68 ff. einschließlich der von der Widerspruchsbehörde erhobenen Gebühren und Auslagen als außergerichtliche Aufwendungen zu den voll erstattungsfähigen Kosten des Prozesses, wenn sich an das Vorverfahren ein Hauptsacheverfahren angeschlossen hat.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche rechtliche Regelung bezüglich der Rückerstattung von Auslagen des Widerspruchsverfahrens nach einem erfolgreichen Klageverfahren im Kommunalabgabenrecht ist in Thüringen tatsächlich gegeben?

2. Nach welcher Rechtslage entscheiden die Rechtsaufsichtsbehörden über diesbezügliche Anträge auf Rückerstattung von Auslagen des Widerspruchsverfahrens nach einem erfolgreichen Klageverfahren im Kommunalabgabenrecht?

3. Wann ist mit einer Novellierung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes zu rechnen, die der Thüringer Innenminister in seiner Antwort auf die Mündliche Anfrage in Drucksache 3/564 am 17. Mai 2001 in Aussicht gestellt hat?

Herr Minister Trautvetter, zum ersten Mal in Ihrem neuen Amt als Innenminister haben Sie das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, für die Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Nach einem erfolgreichen Klageverfahren in kommunalabgabenrechtlichen Angelegenheiten richtet sich die Erstattung von Auslagen des im Vorfeld betriebenen Widerspruchsverfahrens ausschließlich nach der Verwaltungsgerichtsordnung. Nach § 54 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung in Verbindung mit § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens, zu denen auch die Kosten des Vorverfahrens zählen.

Zu Frage 2: Nach einem erfolgreichen Klageverfahren auch in kommunalabgabenrechtlichen Angelegenheiten treffen die Rechtsaufsichtsbehörden keine Entscheidungen über die Rückerstattung von Auslagen des Widerspruchsverfahrens. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren trifft allein das zuständige Verwaltungsgericht die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und auf der Grundlage dieser gerichtlichen Entscheidung erfolgt die Erstattung von in Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten.

Zu Frage 3: Derzeit wird im Thüringer Innenministerium ein Entwurf zur Änderung des Thüringer Verwal

tungsverfahrensgesetzes erarbeitet. Dabei wird auch die Novellierung der derzeitigen Regelungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 überprüft. Dieser Gesetzentwurf soll im I. Quartal des nächsten Jahres im Kabinett vorgelegt werden.

Ich sehe keine Nachfragen. Danke schön.

Wir kommen zur Frage 3/2792. Bitte, Frau Abgeordnete Kraushaar.

Palliativmedizin

Im März 2002 fand an der Evangelischen Akademie LOCCUM eine Tagung unter dem Thema "Müssen wir den Tod holen?" - ethische Fragen am Lebensende - statt.

Namhafte Theologen, Philosophen, Juristen und Mediziner hielten Vorträge zu diesem Thema und stellten sich einer heftigen Diskussion. Brandaktuell wurde dieses Thema nach der Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden und Belgien. In Deutschland ist die aktive Sterbehilfe verboten und muss es auch bleiben, während passive und indirekte Sterbehilfe geboten sind. Leider hört man zunehmend den Ruf nach aktiver Sterbehilfe in der Bevölkerung und auch von einigen, aber wenigen Ärzten. Der 63. Juristentag 2000 widmete sich im Zivilrecht ganz diesem Thema und fasste Beschlüsse dazu, die Ärzten Entscheidungen zwar mit erleichtern, aber nicht abnehmen können.

Im Jahr 2001 fand der Europäische Palliativkongress in Palermo statt, wo nachdrücklich jede Form aktiver Sterbehilfe abgelehnt wurde. Eine echte Alternative stellt die Palliativmedizin dar, die aber jetzt schon an den Finanzen scheitert. 75 Prozent der Menschen möchten im häuslichen Milieu, und zwar "schmerzfrei und in Würde" sterben.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie steht sie zum Ausbau der Palliativmedizin?

2. Inwieweit sollte die Palliativmedizin in der Lehre und Ausbildung eine eigene Rolle spielen (das heißt eigenes Lehrfach, Prüfungsfach, Facharztausbildung und Anerken- nung eines eigenen Lehrstuhls)? Das wurde dort gefordert.

3. In welcher Höhe übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die ambulante Rundumversorgung nicht mehr zu heilender Patienten, das heißt die Sterbebegleitung (me- dikamentös) pflegerisch, psychologisch im häuslichen Milieu?

4. Welche Verhandlungen wurden von Seiten der Landesregierung bisher mit Krankenkassen und Krankenversicherungen geführt und mit welchem Ergebnis?