Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Ist er da? Das kann nicht sein,

(Heiterkeit im Hause)

weil dies grundsätzlich falsch ist. Wir sind an einer schnellen Regelung dieser Frage interessiert. Wenn es aber, Herr Fiedler, Ihre Befürchtung wäre, dass dieses Thema in den Wahlkampf gezogen werden sollte, dann liegt es, glaube ich, in der Hand Ihrer Fraktion, dies zu verhindern. Falls Sie dem derzeitigen Verhandlungsstand, den wir in dieser Gruppe erreicht haben und den Herr Althaus sicherlich in Ihrer Fraktion vortragen wird, sehr schnell zustimmen könnten, dass wir auf dieser Basis weiterarbeiten könnten, dann brauchen Sie keine Befürchtung zu haben, dass das bis in den Wahlkampf hineingeht. Unser Interesse ist es nicht. Danke.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir wün- schen dem SPD-Team gute Entscheidung.)

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat um das Wort gebeten Frau Abgeordnete Thierbach, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Frau Dr. Wildauer hat für die PDS-Fraktion fünf Schwerpunkte, auf die es uns besonders ankam, die TKO zu ändern, dargestellt. Dr. Hahnemann hat eben noch einmal auf die Probleme der Bürgerbeteiligung in den Kommunen hingewiesen und ich möchte auf einen weiteren Schwerpunkt besonders eingehen, und zwar auf den, wie man die Rechte gesellschaftlich bedeutsamer Gruppen in den Kommunen noch stärken kann. Sie wissen, wir hatten einen eigenen Gesetzentwurf zur TKO in den parlamentarischen Gang bekommen und dieser ist mit Mehrheit durch dieses Haus abgelehnt worden. Er ist noch nicht einmal in den Ausschuss gekommen, aber hochgradig interessant war an dieser Stelle ein Aufschrei der Empörung der CDU, mit dem sie die Ablehnung begründet hat. Worin bestand dieser Vorwurf, der angeblich zur Ablehnung unseres Gesetzentwurfs geführt hatte, und zwar wir würden mit der Forderung nach der Verankerung von Beiräten in der Thüringer Kommunalordnung letztendlich Arbeit von Gemeinderäten und Kreistagen behindern. Die CDUFraktion warf der PDS-Fraktion vor, wir hätten ein tiefes Misstrauen gegenüber demokratisch gewählten Gremien, sowohl gegenüber Bürgermeistern, Landräten, als auch gegenüber den Gemeinderäten und Kreistagen. Die PDS wolle, so Herr Böck, diesen demokratischen Gremien Beiräte zur Seite stellen, die nicht demokratisch legitimiert wären bzw. gesellschaftlich relevante Gruppen, die Einzelinteressen vertreten würden und die auch nicht demokratisch legitimiert wären, als Pendant zu gewählten Gremien. Wer diese eigenartige Auffassung noch einmal nachlesen will, der kann das tun im Protokoll der Landtagssitzung vom 08.11.2001. Herr Böck steigerte sich sogar so weit, dass er sagte, wir würden dann Rechenschaften verlangen wollen. Die Behauptung der CDU gipfelte darin, dass demokratische Gremien auch noch Rechenschaft ablegen müssten. Ich frage Sie ganz einfach, wenn Sie den Begriff "Rechenschaft" schon so negativ stigmatisieren, was sind denn letztendlich Wahlen? Wahlen sind eine Quittung für politisches Engagiertsein, für Probleme von Bürgern in den Griff bekommen oder gelöst zu haben, aber es ist doch eine Form von Rechenschaftslegung für die Arbeit. Also diese Aufregung zu der Zeit war letztendlich eine eigenartige Demokratieauffassung.

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Sie haben Ihre Quittung zur Bundestagswahl be- kommen.)

Die Quittung, Herr Trautvetter, bekommt jeder ab und an und mit der muss man leben. Das ist richtig.

Wir wollen heute noch einmal deutlich machen, dass es uns darum geht, Betroffenen die Möglichkeit in der Kommune zu geben, auch ihre Interessen zu vertreten. Nun könnten einige sagen, es gibt doch überall Beiräte. Es gibt Seniorenbeiträte, es gibt Behindertenbeiräte, es gibt Ausländerbeiräte, sie gibt es in der unterschiedlichsten Form. Das ist richtig, aber wer sich die Landschaft ansieht, sieht, dass es doch immer nur abhängig ist von dem Engagement derer, die um diese Beiräte gestritten haben und inwieweit Mehrheiten überhaupt bereit waren, in den Kommunen dieses in der Hauptsatzung bzw. in der Geschäftsordnung einer gewählten Vertretung aufzunehmen. Wir sind schon der Meinung, dass es sehr wichtig ist, gerade jetzt auch wieder eine Stärkung von Rechten gesellschaftlicher Gruppen in der TKO zu verankern. Welche Gruppen meinen wir damit besonders? Frauen, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderungen...

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Frauen?)

Und wenn Frau Groß sich gerade echauffiert, dass das keine gesellschaftlich großen Gruppen sind,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU:... über die Frauen.)

ja, dann muss man ab und an in Wissenschaftlichkeit nachsehen und da würde man nämlich merken, dass Frauen sehr wohl auch eine Spezifik als gesellschaftlich bedeutsame Gruppe darstellen. Wenn man sich in Politik nämlich engagieren will, muss man diese gruppenspezifischen Interessen auch darlegen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Danke für die Belehrung.)

(Beifall bei der PDS)

Fachlichkeit täte Politik schon immer gut und daran mangelt es nämlich oft auch beim Demokratieverständnis. Von den bedeutsamen Gruppen, die ich aufgezählt habe, möchte ich nur eine hervorheben, und zwar Kinder und Jugendliche. Dort wird dann immer argumentiert, ihr habt doch das KJHG, dort sind doch Selbstbeschäftigungsrechte, sogar Selbstbeschlussrechte enthalten. Das ist aber eine begrenzte Sicht. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche tatsächlich ihre Interessenvertretungen in einer Kommune, nämlich Interessenvertretungen, die sich auch in Zeitfolgen verändern können, artikulieren und umsetzen können. Ich erinnere da an Kinderparlamente. Ich erinnere da an Kinderbeauftragte und diese Phänomene, die wir nun haben, aber nicht im ganzen Land, die, sind wir der Meinung, müssen unbedingt erhalten werden. Die dürfen auch keinen Sparzwängen in den Kommunen zum Opfer fallen. Da wäre es sehr günstig, wenn diese endlich in der TKO verankert wären. Warum noch, das will ich auch noch einmal an Kindern und Jugendlichen konkretisieren. Das ist die Tatsache, die Sie alle lesen konnten, die Unicef dargestellt hat - ich weiß nicht, ob wir immer in der Phase von

Untersuchungen sind, bei denen wir am Ende Ergebnisse erfahren, die wir eigentlich gar nicht so haben wollen oder wahrnehmen wollen oder manchmal verdrängt haben -, dass in Deutschland von 10 Kindern nur noch 4 Kinder überhaupt ein Verständnis für Politik entwickeln wollen oder Politik glauben können. Ich glaube, wenn sich da nichts ändert - und dies könnte sich ändern über die Beteiligung in Kinderparlamenten oder in eigenen Interessenvertretungen -, dass dann möglicherweise doch wieder eine politisch desinteressierte gesellschaftliche Gruppe heranwächst. Wir können jetzt etwas bei Kindern dagegen tun, man muss es nicht zu spät tun.

Ich möchte auch noch weiterhin zu unserem Vorschlag, den wir Ihnen in der Drucksache 3/3009 heute unterbreitet haben, in der Nummer 13 zu § 87 mitteilen, dass wir glauben, es ist auch eine logische Konsequenz, diese Beiräte zu verankern. Sie wissen genau, in welcher Art und Weise Beiräte verankert sind, z.B. die CDU im Juli 2000 die Bildung von Verbraucherbeiräten gewollt hat oder bei Wasser- und Abwasserversorgung, warum nicht auch bei den tatsächlich Selbstgestellten, selbstgestellt durch gesellschaftliche Gruppeninteressenvertretung, diese Beiräte mit einführen. Wir werden keine namentliche Abstimmung dazu verlangen, aber wir werden Sie in Ihren Kreisen immer wieder beim Wort nehmen, inwieweit Sie, wenn Sie diesen Änderungsantrag wieder nicht durchgehen lassen, dann wenigstens in Ihren Kommunen diese Interessen von diesen Bevölkerungsgruppen wahrnehmen wollen.

(Beifall bei der PDS)

Von Seiten der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Die Landesregierung hat um das Wort gebeten. Herr Minister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Novellierung der Thüringer Kommunalordnung findet eines der zentralen innenpolitischen Gesetzesvorhaben dieser Legislaturperiode seinen Abschluss. Man ließ sich bei der Novellierung von dem Gedanken leiten, dass sich die Kommunalordnung insgesamt in den letzten Jahren bewährt hat und die grundlegenden Prinzipien der Thüringer Kommunalordnung blieben daher im Regierungsentwurf unangetastet, was übrigens auch für die jetzt vorliegende Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses gilt. Mit dieser Novellierung werden aber Erfahrungen aus der Praxis der letzten Jahre aufgegriffen und dort, wo sich Änderungsbedarf ergeben hat, Vorschläge zur weiteren Verbesserung gemacht. Mit den Vorschlägen zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts, die durch den Innenausschuss noch einmal verfeinert wurden, wird die Voraussetzung für moderne Strukturen in diesem Bereich geschaffen, wie sie in keinem

anderen Bundesland bislang anzutreffen sind. Thüringen wird hier

(Beifall bei der CDU)

Vorreiter sein.

Meine Damen und Herren, eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern sind im kommunalen Bereich in Ratsgremien, als Bürgermeister ehrenamtlich tätig und erst ihr tatkräftiger Einsatz ermöglicht eine funktionsfähige Kommunalverwaltung, die in der Lage ist, vor Ort für angemessene Lebensumstände zu sorgen.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich deshalb im Namen der Landesregierung diesen Bürgerinnen und Bürgern für ihr ehrenamtliches Engagement ganz herzlich danken.

(Beifall bei der CDU)

Zu den einzelnen Regelungstatbeständen der Kommunalordnung ist heute bereits einiges gesagt worden, daher nur noch einige Grundsatzbemerkungen: Ein Ziel der Novellierung ist es, die Identifikation des Bürgers mit seiner Region zu stärken. Die Gemeinden sollen deshalb zukünftig selbst über die Einteilung des Gemeindegebiets in Ortsteile und deren Benennung entscheiden oder ob und in welchen Ortsteilen einer Ortschaft eine Ortschaftsverfassung eingeführt wird. Weiterhin wollen wir das bürgerschaftliche Engagement stärken. Dazu wird bewusst der Zugang zu Bürgerbegehren und Bürgerantrag erleichtert, und zwar vor allem durch die deutliche Absenkung der Quoren. Ich danke Herrn Abgeordneten Fiedler für die deutliche Darstellung des Sachverhalts.

(Beifall bei der CDU)

Herr Schemmel, es geht nicht darum, Sie in irgendeine Richtung einzuordnen, Herr Fiedler hat nur deutlich darauf hingewiesen, dass die Beschlussfassung des Innenausschusses bessere Quoren darstellt als der Vorschlag der SPD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Als im Gesetzentwurf der Landesregierung.)

Ein weiteres Absenken der Quoren, wie von der Opposition gefordert, ist dagegen nicht sachgerecht und niedrigere Quoren führen tendenziell immer zu einer unangemessenen Stärkung von Minderheiten und öffnen der Durchsetzung von Einzelinteressen Tür und Tor.

Herr Hahnemann, was Sie hier gesagt haben, das erweckt den Eindruck, als seien Amtsstubensammlungen undemokratisch. Das ist doch mitnichten der Fall.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Die wichtigste demokratische Entscheidung des Bürgers in diesem Land ist die Wahl. Und was ist denn Wahlaufforderung und Stimmabgabe in einem Wahllokal? Nichts anderes als eine staatlich organisierte Amtsstubensammlung.

(Beifall bei der CDU)

Erwecken Sie doch nicht den Eindruck, dass nur Demokratie auf der Straße zu erzielen wäre und die Amtsstubensammlung die Rechte des Bürgers einschränken würde. Mitnichten ist das der Fall.

(Beifall bei der CDU)

Aber auch mit dem Vorschlag des Innenausschusses kann man sehr gut leben. Durch eine weit reichende Neugestaltung der Regelungen in § 16 und 17 zur Bürgerbeteiligung wird ein straffes, klares und überschaubares Verfahren geschaffen, das die Anwendung der Instrumente Bürgerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid erleichtert.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Novellierung ist die Modernisierung des kommunalen Wirtschaftsrechts. Meine Damen und Herren, die kommunalen Unternehmen finden sich heute in ihrem Tätigkeitsfeld häufig in einem überörtlichen und oft internationalen Wettbewerb wieder. Dieser Wettbewerb konnte schon bisher rechtfertigen, dass der öffentliche Zweck eines kommunalen Unternehmens und damit letztendlich die Bindung dieses Unternehmens an die Beschränkung der Kommunalordnung entfiel, wenn die Versorgung durch den Markt nachhaltig sichergestellt war. Dass dann aber ein solches Unternehmen zu veräußern wäre, dem wird in keiner Kommunalordnung ausdrücklich Rechnung getragen. Nach der bisherigen Rechtslage bleibt der Kommune in diesen Fällen also nur die Veräußerung des durch öffentliche Bindung in der Entfaltung behinderten und damit immer wertloser werdenden Unternehmens, allerdings zu einem Zeitpunkt, der durch den drohenden wirtschaftlichen Verfall des Unternehmens und nicht durch die Gunst eines Verkäufermarkts bestimmt wird. Deshalb bedarf es dringend einer gesetzlichen Regelung, die dies vermeidet. Mit der Modernisierung des kommunalen Wirtschaftsrechts wird eine durchaus zeitgemäße und im Interesse der kommunalen Wirtschaft dringend notwendige Antwort auf die aktuelle Entwicklung in diesem Bereich gegeben.

Der Innenausschuss hat Modifizierungen der Regierungsvorschläge zum Wirtschaftsrecht vorgeschlagen, welche die Landesregierung ausdrücklich unterstützt.

(Beifall bei der CDU)

Zum einen sollen von der gesamten Novellierung im kommunalen Wirtschaftsrecht auch solche Unternehmen erfasst sein, an denen die Kommune nicht unmittelbar

und nicht allein beteiligt ist. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Regelung in der kommunalen Praxis einen attraktiven Anwendungsbereich findet. Zum anderen wird die Regelung zur Überführung der kommunalen Anteile an diesen Unternehmen in eine Minderheitsbeteiligung in eine Sollbestimmung umgewandelt, um nicht ggf. notwendige Ausnahmen von vornherein auszuschließen.

Ein weiterer Vorschlag des Innenausschusses ändert den Entwurf der Landesregierung im Zusammenhang mit der Problematik der Doppelspitzen von hauptamtlichen Vorsitzenden von Verwaltungsgemeinschaften und hauptamtlichen Bürgermeistern von VG-angehörigen Gemeinden. In diesem Zusammenhang hat der Innenausschuss vorgeschlagen, Regelungen im Regierungsentwurf zu streichen, die auf eine Veränderung abzielten, unter denen Gemeinden einen hauptamtlichen Bürgermeister wählen können und gleichzeitig soll die im Regierungsentwurf vorgesehene Möglichkeit der Personalunion von hauptamtlichen Bürgermeistern und Gemeinschaftsvorsitzenden einfacher ausgestaltet werden. Die Landesregierung hält diesen Vorschlag für eine vertretbare Lösung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Doppelspitzenproblematik auf eine überschaubare Anzahl von Verwaltungsgemeinschaften beschränkt.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Wildauer, ich glaube, es ist richtig, dass man keine gesetzliche Änderung in der VG-Problematik beschlossen hat. Das ist eben unsere unterschiedliche Herangehensweise. Ich bin ja vielleicht sogar mit Ihnen einer Meinung, dass die Verwaltungsgemeinschaften ein Auslaufmodell sind,