Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

Ich habe es nicht nötig auszuhalten, dass Sie mich einen Kasper nennen. So einfach ist das, Herr Kretschmer.

Ein weiteres Beispiel: Die Indexierung führt zu einer prozentualen Erhöhung der Entschädigungen. Die prozentuale Erhöhung eines hohen Einkommens führt aber bekanntlich zu viel größeren Steigerungen als eine entsprechende prozentuale Anhebung eines niedrigen Einkommens. So führt die gleiche prozentuale Anhebung zur Vergrößerung einer ohnehin vorhandenen Einkommensdifferenz.

Ich finde es schon bemerkenswert, meine Damen und Herren, wie wenig Sie interessiert, was ich hier vorne zu sagen habe. Ich kann Ihnen garantieren, die Art und Weise, wie Sie sich hier in diesem Saale verhalten, ist ein Grund für mangelndes Vertrauen, mangelnde Achtung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Politikerinnen und Politikern.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Aber wie Sie hier reden, ist es nicht.)

Ich rede eine Parlamentsrede, Frau Groß, nichts weiter und dafür bin ich hierher gewählt worden.

Jenseits dieser konkreten Probleme, meine Damen und Herren, werden wir - und dieser Auffassung bin ich und zu dieser Auffassung werde ich auch weiterhin stehen - den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht, wenn wir diese mehr als unliebsamen Entwicklungen den kritischen Augen der Öffentlichkeit entziehen.

Ich möchte daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht immer die Bedeutung der Grundsätze von Öffentlichkeit und Transparenz für die Legitimation demokratischer Entscheidungen betont hat. Bezogen auf die Abgeordnetendiäten im Saarland erklärte das Karlsruher Gericht in seinem Urteil von 1975 die Automatik einer Koppelung der Diätenanpassung an die Entwicklung der Beamtenbesoldung eindeutig für verfassungswidrig. Nach diesem Urteil verträgt die Abgeordnetenentschädigung Zitat: "... keine Annäherung an den herkömmlichen Aufbau eines Beamtengehalts und keine Abhängigkeit von der Gehaltsregelung etwa in der Weise, dass sie unmittelbar

oder mittelbar in Vom-Hundert-Setzen eines Beamtengehalts ausgedrückt wird." Jetzt hören Sie her, meine Damen und Herren, worum es geht, das Verfassungsgericht fährt fort: "Denn dies Letztere ist kein bloßes formal technisches Mittel zur Bemessung der Höhe der Entschädigung, sondern der Intention nach dazu bestimmt, das Parlament der Notwendigkeit zu entheben, die Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren." Bitte?

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Gehen Sie doch ins Saarland, kandidieren Sie doch im Saarland.)

Ach, Frau Vopel, Sie diskreditieren die politische Kaste wirklich noch schlimmer, als sie es verdient hat.

(Beifall bei der PDS)

Ich fahre fort in dem Zitat, jede Veränderung in "der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbständigen politischen Frage zu entscheiden." Weiter unten wird fortgesetzt: "Genau dies aber widerstreitet der verfassungsrechtlich gebotenen selbständigen Entscheidung des Parlaments über die Bestimmung dessen, was nach seiner Überzeugung eine angemessene, die Unabhängigkeit sichernde Entschädigung ist." Wir haben, meine Damen und Herren, die Möglichkeit, uns eine andere Möglichkeit zu suchen als die, die wir in Thüringen haben. Wir können uns an der Gesetzgebung, an der Rechtsprechung von Karlsruhe orientieren.

Die vorgeschlagenen Lösungen, die bei unseren beiden Gesetzentwürfen und in unserem Antrag vorliegen, haben zwei große Vorzüge.

Erstens: Bürgerinnen und Bürgern würde nicht nur signalisiert, dass gespart werden muss, sondern zugleich auch, dass diejenigen, die mit solchen Losungen durch das Land tingeln, bereit sind, auf Einkommenssteigerungen zu verzichten. Die eingesparten Gelder, da hat Frau Pelke durchaus Recht, würden keines der maßgeblichen Finanzprobleme dieses Landes lösen; es wäre nun einmal nur ein Zeichen. Aber man könnte sicherlich mit diesen Geldern eine Engstelle im Bereich ehrenamtlicher Tätigkeit beheben. Auch das wäre nur eine Geste. Aber Bürgerinnen und Bürger könnten zumindest zur Kenntnis nehmen, dass es in der etablierten Politik noch so etwas wie Schamgefühl gibt.

(Zwischenruf Abg. Bechthum, SPD: Jetzt hören Sie aber auf!)

Sie haben jenseits dessen von den Partei- und Fraktionseliten noch ausreichend andere politische Schamlosigkeiten hinzunehmen.

Zweitens: Die Abgeordneten des Thüringer Landtags würden wieder in die Möglichkeit einer freien Entschei

dung gesetzt, die die bundesverfassungsgerichtlichen Anforderungen demokratisch zu sein, das heißt, "öffentlich und transparent", erfüllt, ohne dass man zu deren Begründung Stäbe von Juristen bemühen muss. Insofern, Herr Wolf, was die freie Entscheidung von Abgeordneten angeht, ist nämlich die Orientierung an den früheren Entscheidungen über die Entschädigung von Abgeordneten kein scheinheiliges Schauspiel, sondern die freie Entscheidung der Abgeordneten in ihrer Verantwortung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern.

Ob die Regelungen des Abgeordnetengesetzes dann tatsächlich zur Disposition gestellt werden, ob nur Teile der Entschädigungs-, Versorgungs- und Ausstattungsregelungen der Abgeordneten oder der Fraktionen geändert werden, wird dann wieder der Verantwortung der Abgeordneten gegenüber ihren Wählern überlassen sein. Eines muss am Ende garantiert sein: eine souveräne Entscheidung der gewählten Abgeordneten mit einem klaren Blick auf die Situation des Landes und der Menschen, die in ihm leben, und nicht die ewige Berufung darauf, dass ja eine überwältigende Mehrheit der Wählerschaft 1994 die Verfassung so gewollt habe.

Einerseits haben die Bürgerinnen und Bürger damals der Verfassung nur als Ganzes zustimmen können. Vielleicht hätten viele aber gerade diese Passage gern gestrichen, aber sie konnten es nicht. Andererseits ist das inzwischen acht Jahre her und verantwortliche Vertreter der politischen Klasse sollten auch und gerade bei ihrer Selbstversorgung auf veränderte Bedingungen schnell reagieren.

(Beifall bei der PDS)

Erlauben Sie mir jetzt noch drei Bemerkungen zu dem Antrag der SPD. Man könnte den Antrag begrüßen; es fällt mir schwer, ihn zu begrüßen, weil ich glaube, die Position ist inkonsequent. Es mag sein, dass die Regelung, wie Sie in Ihrer Begründung schreiben, eine "unabhängigere und objektivere" Methode ist. Das, was uns an dieser Regelung aber besonders stört, ist, dass es eine entantwortende Methode ist. Das habe ich versucht mit den Hinweisen auf eine freie Entscheidung der Abgeordneten in Verantwortung vor ihren Wählerinnen und Wählern zu erläutern.

Zweitens tut es mir Leid, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, dass Sie nicht den Mut haben, die Entscheidungen über Entschädigungen zurückzulegen in den freien demokratischen und verantwortungsvollen Entschluss der Mitglieder dieses Landtags, das Ganze öffentlich und transparent.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Damit... Selbstbedienung...)

Sie können doch eine Entscheidung treffen, die keinen selbstbedienerischen Charakter hat. Wer hindert Sie denn daran?

Drittens, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, habe ich einfach Zweifel, dass der Antrag so, wie Sie ihn vorgelegt haben, formal überhaupt möglich ist. Nach meiner Auffassung müsste man, um das zu erreichen, was Sie erreichen wollen, die Verfassung ändern, wenn nicht das, dann mindestens aber das Abgeordnetengesetz.

Ich schließe mich der beantragten Ausschussüberweisung an und wenn die Mitglieder der Landesregierung uns dann gemäß unseres Antrags in diese politische Denkrichtung folgen würden, dann wäre zumindest ein deutliches Zeichen gesetzt. Ich glaube, dass auch Ministerinnen und Minister nicht nur das Recht haben sollten, hier vorn immer zu betonen, dass sie ja nur Ministranten sind, also Diener, sondern dass sie auch in ihrer Handlungsweise deutlich machen sollten, dass sie nicht nur sich selbst dienen.

Sicher, meine Damen und Herren, dies alles wäre nur ein Zeichen, aber nach unserer Auffassung ein notwendiges Zeichen gegen Glaubwürdigkeitsverlust, gegen Vertrauensschwund, gegen Politikverdrossenheit, gegen die Zunahme von Demokratiezweiflern und Demokratiegegnern, über die in den letzten Plenarsitzungen so viel gesprochen wurde.

(Beifall bei der PDS)

Moment, Herr Dr. Hahnemann, es gab während Ihrer Rede einigen Fragebedarf.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Eine Wortmeldung.)

Herr Wehner möchte inzwischen eine Wortmeldung hier vornehmen. Dann hatte Herr Wolf sich hier gemeldet zu einer Frage. Ist das noch aktuell?

Nur noch einmal zur Klarstellung, weil es ja nun der ganze Vortrag gezeigt hat, dass man eigentlich nicht weiß, worüber man redet jetzt hier an der Stelle.

Also, wenn Sie nicht wissen, worüber Sie reden...

Ja, bei Ihnen habe ich es gemerkt, ich versuche es Ihnen jetzt einmal mit der Frage zu erläutern. Sie sprachen davon, dass es unüblich wäre, dass wir die Hälfte unserer Krankenkassenbeiträge rückerstattet kriegen. Das ist bei jedem abhängig Beschäftigten so. Ist Ihnen das eigentlich bekannt, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge teilen?

Natürlich ist mir das bekannt und genau, dass Sie sich immer die passenden Personengruppen und Versorgungsformen aussuchen, werfe ich Ihnen vor.

Also die Frage ist beantwortet.

Müssen wir uns denn das leisten, was Leute bekommen, die wesentlich weniger Einkommen haben als wir? Das ist der Kritikpunkt, nicht, dass dort die Hälfte vom Arbeitgeber erstattet wird. Dagegen richtet sich doch nicht meine Kritik. So können Sie mich doch wirklich nicht missverstehen, Herr Wolf.

Der Abgeordnete Trautvetter, ist der noch da? Hatte er noch einen Wunsch? Nicht. Aber Herr Abgeordneter Heym jetzt.

Herr Kollege Hahnemann, würden Sie, also wenn hier ein Abgeordneter sich eine halbe Stunde lang am Pult als das moralische Gewissen dieses Landes aufspielt, im Gegenzug fast den ganzen Monat auf Kosten dieses Landes sich das Bett machen lässt, duscht und sich die Wohnung heizen lässt, würden Sie mir zustimmen, wenn man so einen Kollegen als parasitären Heuchler bezeichnen kann?

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie mir jetzt noch dazu sagen, wen Sie damit meinen, dann könnte ich versuchen Ihnen die Frage zu beantworten.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Wenn Ihnen das nicht einfällt, dann bekommen Sie Ihr Geld ganz und gar umsonst.)

Also, Herr Abgeordneter Heym, das geht auch nicht mit den Bezeichnungen!

Die Geschäftsordnung sagt ganz klar, dass eine Beleidigung nur dann vorliegt, wenn jemand ganz direkt angesprochen worden ist. Da Sie mir nicht sagen können, wen Sie meinen, muss ich mich nicht angesprochen fühlen.

Das sollte er jetzt auch nicht, sonst gibt es einen Ordnungsruf.

(Unruhe im Hause)

Jetzt haben wir die Redemeldung, erst Herr Wehner und dann Herr Schwäblein.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Verfahren selbst will ich hier gar nichts sagen. Es ist lange genug von den verschiedensten Personen hier begründet worden, warum das so ist. Aber mich treibt es nach vorn, weil ich einfach diese Scheinheiligkeit und dieses Heuchlertum seitens der Fraktion der PDS hier nicht so einfach stehen lassen kann.

Ich habe mit einigem Aufwand und einigen Mühen mir einmal die Anwesenheit Ihrer Parteivorsitzenden, der Frau Zimmer, erarbeitet. Sie hat in den Plenarsitzungen des Thüringer Landtags in den letzten zwei Jahren bei über zwei Dritteln der Veranstaltungen gefehlt und davon den überwiegenden Teil unentschuldigt.