Protokoll der Sitzung vom 30.01.2003

Dann hat man wieder ein politisches Thema und kann sagen, die armen Kommunen, die ihre Aufgaben nicht erfüllen können und denen wir mehr Geld geben können. Oder die andere Variante: Die nicht erhobenen Beiträge wären komplett in die Gebühren hineingeflossen. Erstens wissen Sie, dass das nach oberster Rechtsprechung nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen möglich ist. Zweitens: Wie hätten Sie denn dem Bürger die immense Gebührenerhöhung begreiflich machen wollen, weil es mit jeder neuen Investition jedes Jahr eine neue Gebührenerhöhung hätte geben müssen? Aber auch das wäre ja ein schönes politisches Betätigungsfeld für die Opposition, insbesondere für die PDS, gewesen. Ich nehme die SPD ausdrücklich heraus. Ich glaube, Wolfgang Fiedler hat sehr deutlich auf die korrekte Arbeitsweise der Landrätin von Saalfeld-Rudolstadt hingewiesen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Auf die Land- tagsabgeordneten war auch Verlass.)

Ich muss noch einmal eines dazu sagen: Trotzdem, dass Handlungsempfehlungen draußen waren, dass zwei Jahre lang Prüfgruppen unterwegs waren, dass mit jedem Zweck

verband gesprochen worden ist, war es dann notwendig, dass wir am 28. Oktober des letzten Jahres noch einmal Leute hinausschicken mussten, die nachgeprüft haben, erfüllen sie die Aufgaben, dass Beiträge erhoben werden. Es ist eine Revisionsgruppe hinausgegangen, um nochmals durchzuprüfen. Ich halte es für absolut unverantwortlich, dass man die Beitragserhebung in die Tage vor und nach Weihnachten geschoben hat. Ich habe volles Verständnis für die Betroffenheit der Bürger im Zweckverband WAZOR. Wenn einer 700 ( &  bekommt einen Beitragsbescheid von 73.000 +  weiß man, wie dem Bürger zumute ist. Ich habe kein Verständnis, wie die Verantwortlichen vor Ort in diesem Zweckverband diese Sache gehändelt haben, man hätte nämlich für jeden Einzelfall eine Lösung finden können - aber vor der Beitragsbescheidung, die hinausgegangen ist.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich will noch einmal sehr deutlich sagen, weil sich das Thema ja auf die Auswirkungen hinbewegt. Es wird vielfach von der reinen Gebührenfinanzierung geschwärmt. Wer für eine reine Gebührenfinanzierung eintritt, lastet die gesamten Investitionskosten dem Bürger an, insbesondere die Mieter werden voll belastet. Der Grundstückseigentümer, insbesondere auch bei unbebauten Grundstücken innerhalb von Ortslagen, zahlt nichts.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das will die PDS.)

Das ist eine eigenartige Vorgehensweise der PDS, die so etwas fordert, dass der kleine Bürger, der Mieter eigentlich das bezahlen soll, wofür man den Grundstückseigentümer berechtigterweise für die Wertsteigerung eines voll erschlossenen Grundstücks mit beiziehen muss.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Die PDS ist flexibel. Auf einer Mieterversamm- lung argumentiert sie genau andersherum.)

Ein Verzicht auf Beiträge würde außerdem Betriebe mit hohem Wasserverbrauch überproportional belasten.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auch auf andere Instrumente hinzuweisen. Durch die Änderung des Satzungsmusters wurde den Aufgabenträgern empfohlen, nicht nur einen Monat zwischen Bescheiderstellung und Fälligkeit in der Satzung festzulegen, sondern diese auf drei Monate auszudehnen. Dann kann man sich besser darauf einstellen. Viel besser ist es eigentlich für den Beitragspflichtigen, wenn der Aufgabenträger in Feststellungsbescheid und Leistungsbescheid trennt. Das sagen wir jedem. Es ist ja nicht verständlich zu machen, warum im Trinkwasserbereich, wo vielleicht die Hälfte der Investitionen getätigt geworden ist und die andere Hälfte erst in den nächsten 10, 15 Jahren getätigt werden wird, der Bürger jetzt schon die Beiträge bezahlen muss für die nächsten 15 Jahre. Ich kann aber trennen zwischen Festsetzungsbescheid, der die

Globalkalkulation für die gesamte Investition beinhaltet, und einem Leistungsbescheid, der eigentlich nur die getätigten Investitionen beinhaltet. Ich frage mich, warum das nicht mehr gemacht wird in den Bereichen. Überall dort, wo es gemacht wird, sind seltsamerweise auch die Bürgerproteste relativ niedrig.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wir sind uns voll bewusst, dass einzelne Aufgabenträger in der Vergangenheit zu wenig Gebrauch gemacht haben von den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und vor allem auch die Beitragspflichtigen nicht immer ausreichend informiert haben. Durch bessere Information und konsequente Anwendung der vorhandenen Instrumente hätten sehr viele Verunsicherungen vermieden werden können. Wir werden dranbleiben, denn nächstes Jahr entstehen dann wieder Verjährungsfristen; es ist ja nicht so, dass das mit Ende 2002 abgeschlossen ist. Ich bin mir sicher, dass der Innenausschuss die Landesregierung in diesem Tätigkeitsfeld weiter sehr intensiv begleiten wird

(Beifall bei der CDU)

und die Landesregierung den Innenausschuss auch immer informieren wird.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich schließe damit die Aktuelle Stunde. Wir kommen zurück zum Tagesordnungspunkt 5. Minister Schuster noch einmal zur Begründung.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Entwurf der Landesregierung zum Thüringer Bergbahngesetz soll im Freistaat die Rechtsgrundlage für das Betreiben sowie die Durchführung von technischen Änderungen und den Neubau von Liftanlagen schaffen. Diese Gesetzesinitiative wird aufgrund der technischen Entwicklung notwendig. Zugleich soll damit eine Richtlinie der EU umgesetzt werden. Derzeit besteht bei uns noch eine Rechtsnorm der ehemaligen DDR, die allerdings technisch überholt und nicht EU-konform ist. Deshalb bedarf es einer Neuregelung. Neuregelung muss aber auch zum Inhalt haben, auf die spezifischen Erfordernisse unserer Touristikunternehmen Rücksicht zu nehmen. Auch dies ist geschehen, indem nun ein Bestandsschutz gewährt wird für die bestehenden Anlagen.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist notwendig, auch wenn es nicht unmittelbar einsichtig ist. Es ist notwendig aus formalrechtlichen Gründen. Vielen Dank.

Ich eröffne die Aussprache. Es hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Doht, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thüringer Bergbahngesetz gilt nicht für die Oberweißbacher Bergbahn, wie viele vielleicht im ersten Moment gedacht haben, sondern in der Mehrzahl für Seilbahnen, Schlepplifte, betrifft also auch den Bereich des Wintertourismus in Thüringen. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass bislang für diesen Bereich alte DDR-Standards galten, die inzwischen technisch überholt sind, und dass es sich aus diesem Grunde notwendig macht, ein solches Gesetz zu schaffen. Auch wenn wir hier in Thüringen nicht diese riesengroßen Abfahrtshänge haben und die großen Liftanlagen wie z.B. im Alpenraum, so sollte auch bei uns Sicherheit oberste Priorität haben. Da gilt es sicherlich keine Abstriche zu machen. Wir begrüßen es auch, dass in diesem Gesetz Ansätze enthalten sind, auch die Wirtschaftlichkeit solcher Einrichtungen und der entsprechenden Betreiber zu überprüfen. Auch das kann sicherlich dazu beitragen, in Zukunft Fehlinvestitionen zu vermeiden. Wir sind allerdings andererseits auch der Auffassung, dass einige Dinge hier zu stringent geregelt sind. Ich will es nur an zwei Beispielen mal verdeutlichen: Wenn ich z.B. sehe, dass nach den Buchstaben des vorliegenden Gesetzentwurfs ein Wintersportverein, der irgendwo einen Schlepplift betreibt, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, sondern nur für die eigenen Vereinsmitglieder - und ich kenne solche Lifte auch aus meiner näheren Umgebung -, dann einen Betriebswart einstellen muss, dann halte ich das für etwas überzogen. Ein anderer Punkt ist auch die Genehmigungsfrist. Es ist schön, dass die bisherigen Anlagen damit einen Bestandsschutz bekommen, aber es soll ja auch die Regelung getroffen werden, dass, wenn eine Liftanlage oder eine Bahn zwei Jahre nicht in Betrieb ist, die Genehmigung entzogen werden kann. Wenn ich mir die letzten Winter hier in Thüringen anschaue, dann könnte ich mir durchaus vorstellen, dass es einzelne Anlagen gibt, wo keine Schneekanonen vor Ort sind, die schon aufgrund der Witterungsbedingungen zwei Jahre nicht betrieben werden können. Die dann gleich aus dem Betrieb zu nehmen, halte ich auch nicht für gerechtfertigt. Ich denke, hier sollten wir nach anderen Möglichkeiten suchen, ohne dass die Sicherheit der Anlagen und damit letztendlich die Sicherheit der Touristen und der Sportler darunter leidet, diese Dinge zu regeln. Aus den genannten Gründen, und es gibt noch andere Punkte im Gesetz, über die zu reden ist, beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Es liegen keine weiteren Redeanmeldungen vor, ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt worden, an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es hier Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Demzufolge wird im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik dieser Gesetzentwurf fortberaten.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 6

Thüringer Gesetz zu dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/3023 ERSTE und ZWEITE BERATUNG

Herr Minister Krapp übernimmt die Begründung.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf enthält die gemäß Artikel 77 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen notwendige Zustimmung des Landtags zum Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien sowie die damit verbundene Übertragung in das Landesrecht.

Nach der Zustimmung durch die Landesregierung in ihrer Kabinettssitzung am 27. August 2002 und der Unterrichtung des Landtags gemäß Artikel 67 Abs. 4 der Thüringer Verfassung wurde der Staatsvertrag durch Herrn Ministerpräsidenten Dr. Vogel am 13. September 2002 unterzeichnet.

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist Teil der gemeinsamen Reform des Jugendschutzrechts durch Bund und Länder. Er soll zeitgleich mit dem Jugendschutzgesetz des Bundes am 1. April 2003 in Kraft treten. Mit dem Staatsvertrag soll der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die ihre Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden, durchgesetzt werden. Die bisher aufgeteilten Zuständigkeiten zum Jugendschutz in elektronischen Medien zwischen Bund und Ländern stand dieser Einheitlichkeit im Wege. Zugunsten des neuen Oberbegriffs "Telemedien" wird für den Bereich des Jugendmedienschutzes die bisherige, in der Praxis schlecht handhabbare Unterscheidung zwischen "Mediendiensten" in Länderzuständigkeit und "Telediensten" in Bundeszuständigkeit aufgehoben. Ziel ist es, den Jugendschutz wirkungsvoller, transparenter und in den Zuständigkeiten übersichtlicher zu gestalten. Darüber hinaus werden die Freiwilligen Selbstkontrolleinrichtungen gestärkt und die Auf

sichtsfunktionen der Landesmedienanstalten gebündelt. Diese Bündelung soll mit der Bildung einer gemeinsamen Stelle der Landesmedienanstalten in Form der Kommission für den Jugendmedienschutz, kurz KJM, erreicht werden, die u.a. für die Anerkennung oder eben auch Nichtanerkennung der Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle zuständig sein wird.

Nach langen und schwierigen Verhandlungen hat Erfurt sehr gute Aussichten, Sitz der Geschäftsstelle dieser nach dem Staatsvertrag neu zu schaffenden Kommission für den Jugendmedienschutz zu werden. Einzige noch verbliebene ernsthafte Konkurrentin ist Schwerin. Eine Entscheidung wird voraussichtlich anlässlich der März-Ministerpräsidentenkonferenz fallen.

Meine Damen und Herren, gerade vor dem Hintergrund der schrecklichen Geschehnisse am Gutenberg-Gymnasium am 26. April 2002 sollte Erfurt Standort der KJM werden. Wie Herr Ministerpräsident anlässlich des siebenten Thüringer Mediensymposiums dazu sagte, ich darf zitieren: "Wo sollte die Kommission für Jugendmedienschutz einen größeren Rückhalt finden als hier in Erfurt." Darüber hinaus bietet Erfurt als Medienstandort beste Voraussetzungen. Für den Fall, dass Erfurt den Zuschlag erhält, ist geplant, die KJM und die TLM, also die Thüringer Landesmedienanstalt, möglichst noch in diesem Jahr als räumliche Einheit in Erfurt anzusiedeln, wodurch dieser Medienstandort weiter an Bedeutung zunimmt.

Mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag wird erstmalig ein einheitlicher Schutz der Kinder und Jugendlichen vor bestimmten Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien verankert. Grundlage dafür bildeten Gespräche zwischen Bund und Ländern, in deren Ergebnis man sich auf Eckwerte einer Neuregelung zum Jugendschutz im März 2002 geeinigt hatte. Auf dieser Basis wurde das vorliegende Vertragswerk ausgearbeitet. Mit dem Vertragswerk wird ein Paradigmenwechsel einhergehen. Für den Jugendmedienschutz wird künftig gelten, so viel Selbstkontrolle wie möglich und so viel Aufsicht wie nötig. Durch eine in einer gemeinsamen Protokollerklärung aller Länder vorgesehene Evaluierung des Gesamtkomplexes innerhalb von fünf Jahren nach In-Kraft-Treten ist Entwicklungsoffenheit und Flexibilität gegeben. Sollte sich das neue System, das auf weit gehender Selbstkontrolle der Anbieter und einer gebündelten Aufsicht beruht, nicht bewähren, könnte es durch eine strengere hoheitliche Aufsicht ersetzt werden. Unabhängig davon wird die Effektivität der Freiwilligen Selbstkontrolleinrichtungen und der KJM bereits drei Jahre nach In-Kraft-Treten des Staatsvertrags überprüft. Die Entwicklung ist also mit den vorliegenden Regelungen keineswegs abgeschlossen. Gemeinsam mit elf anderen Ländern hat Thüringen weitere Protokollerklärungen abgegeben. Sie betreffen die Konkretisierung der Definition des Begriffs der Telemedien, die Behandlung von Gewaltdarstellungen mit menschenähnlichen Wesen im Rahmen des § 131 des Strafgesetzbuchs, die weitere Abstimmung von Jugendschutzgesetz und Ju

gendmedienschutz-Staatsvertrag im Bereich der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie die kompetenzgerechte Schließung eventueller Strafbarkeitslücken.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Thüringer Gesetz zu dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag werden die Grundlagen für einen verbesserten Schutz geschaffen. Durch die vorgesehene Überprüfung und die Evaluierung sowie die Protokollerklärungen ist auch die weitere Entwicklung vorgezeichnet und gesichert, um so einen umfassenden Schutz für unsere Kinder und Jugendlichen zu erreichen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet für die PDS-Fraktion Frau Abgeordnete Dr. Kaschuba.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir hatten im vergangenen Jahr sehr viele Diskussionen zum Jugendschutz, zur Rolle der Medien, zur Vermittlung von Werten, ihrer Gültigkeit und zum Erwerb von Medienkompetenz. Das hat alles nicht zum Anpassungsgesetz geführt. Es wäre so oder so gekommen, aber es schlägt sich Einiges darin nieder. Darauf möchte ich aufmerksam machen. Ich verweise hier auf die Protokollerklärung zu § 4 Abs. 1. Sie bezieht sich auf die Darstellung menschenähnlicher Wesen und ihrer eventuellen Indizierung. Schwer wiegender erscheint mir jedoch die Protokollerklärung der Länder, die sich auf die vorgesehene Evaluierung des Gesetzes in einem Zeitraum von fünf Jahren bezieht - Herr Seela, ich sage auch gleich, warum - und überprüfen soll, inwieweit die Neuregelung eine Verbesserung des Jugendschutzes erreicht, ob die neue Struktur wirksam und praxisgerecht ist. Weiter ist ausgeführt, ob das Verfahren der Indizierung als Mittel zum Umgang mit jugendgefährdenden Inhalten noch zeitgemäß ist oder ob ein anderes Vorgehen zum Schutz vor Jugendgefährdung angezeigt ist. Das halte ich für einen sehr schwer wiegenden Punkt, der auch schon lange in der Diskussion ist. Es wäre sicher auch sinnvoll gewesen, im Vorfeld dieses Gesetzes das einmal etwas weitreichender zu diskutieren. Die Frage, die auch immer wieder gestellt wird, ist: Schützt man Kinder und Jugendliche tatsächlich ausschließlich über gesetzlich geregelte Verbote? Wir wissen das alle, dass es längst unmöglich ist oder fast unmöglich ist. Das Internet ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Positiv finden wir, dass mit diesem Staatsvertrag der Versuch unternommen wird, auf die Herausforderungen des Internetzeitalters zu reagieren, dass die verabschiedete Novelle zum Jugendschutzgesetz mit dieser Ratifizierung in Kraft treten kann und mit dem Staatsvertrag versucht wird, in unterschiedlich strukturierten Medien Jugendschutz mit einheitlichen Kontrollvorschriften zu ermöglichen. Gleichzeitig erfolgt auch eine ein

deutige Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Der Minister hatte bereits darauf hingewiesen, welche Dinge im Staatsvertrag und im Anpassungsgesetz neu geregelt sind. Das ist die Kommission für Jugendmedienschutz und dieser Kommission wird die bereits bestehende Stelle "jugendschutz.net" organisatorisch angeschlossen. In § 19 sind die Regelungen zur Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle getroffen. Dazu möchte ich einige Bemerkungen machen. Die Bestätigung dieser Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle erfordert mindestens in der Zusammensetzung: eine Unabhängigkeit der Prüfer, die sachgerechte Ausstattung und die Einrichtung einer Beschwerdestelle. Das ist sicher nicht ganz unkostenintensiv für die Anbieter, die sich auf diese Freiwillige Selbstkontrolle beziehen wollen, privatisiert aber gleichzeitig in einem bestimmten Umfang Jugendschutz und schränkt die derzeitige Rolle der Landesmedienanstalten ein. Das ist aus unserer Sicht ein größeres Problem, das man nicht einfach so oder so bewerten kann, sondern dessen Wirkung man dann sehen wird.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte es noch etwas verdeutlichen. Die Überprüfung der Einhaltung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags wird durch die KJM als Organ der zuständigen Landesmedienanstalten vorgenommen. Sie ist bei konkreten Jugendschutzentscheidungen jedoch auf eine fast reine Überprüfungstätigkeit beschränkt. Eigene Maßnahmen sind nur zulässig, wenn die Entscheidung der Selbstkontrolleinrichtung unvertretbar ist und - ich zitiere - "rechtliche Grenzen des Beurteilungsspektrums überschritten sind". Dort liegt ein Problem aus unserer Sicht.

Meine Damen und Herren, wann ist eine Sendung tatsächlich geeignet, Kinder und Jugendliche nicht zu beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen oder zu gefährden, und wann kann diese Selbstkontrollentscheidung auch auf eine angemessene Bewertung der Jugendschutzaspekte zurückgreifen? Das heißt, die konkrete Jugendschutzrelevanzbewertung einer Sendung wird der KJM weitestgehend entzogen; sondern sie bleibt bei den Selbstkontrolleinrichtungen. Ein weiteres Problem, das wir sehen, ist bei dieser Freiwilligen Selbstkontrolle, dass Veranstalter oder Anbieter unabhängiger Einrichtungen um Prüfaufträge konkurrieren werden. Nur wer sich keiner Selbstkontrolleinrichtung anschließen will, kann weiterhin die für ihn vielleicht preiswertere KJM beanspruchen. Die Selbstkontrolleinrichtungen, wenn sie denn gebildet werden, übernehmen in vollständiger eigener Verantwortung alle bisher von den Landesmedienanstalten wahrgenommenen Aufgaben und ich betone es noch einmal, das schränkt die Kompetenz der Landesmedienanstalten ein.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte noch auf eine Frage in diesem Zusammenhang aufmerksam machen, die uns zumindest auffällig ist. Das ist die Frage, wie die Landesmedienanstalten ih

ren Aufgaben auch in diesem Zusammenhang nachkommen sollen, wenn sie ab 01.01.2004 laut Rundfunkstaatsvertrag nicht mehr an der Erhöhung der Rundfunkgebühren beteiligt werden, und wie die zusätzliche Finanzierung der Arbeit der KJM und dieser Einrichtung selbst möglich sein soll. Das ist eine offene Frage, glaube ich, die Finanzierung der gesetzgeberischen Maßnahme insgesamt.

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

Ich möchte hier noch einmal die Hoffnung meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, dass der Wunsch des Ministers oder der Landesregierung, dass der Sitz der KJM nach Erfurt kommt, wahr werden möge. Da würden wir Sie sehr unterstützen,

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

wenn das irgendetwas nützt.

Dann insgesamt zur Bewertung des Gesetzentwurfs: Wir glauben, dass gerade durch die Erhöhung der Bedeutung der Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle insgesamt der Gesetzentwurf hinter bereits erreichte Standards im privaten Rundfunk und im Internet zurückgeht.