Protokoll der Sitzung vom 06.03.2003

Unterbringung nachzusteuern. Aber die Richter hatten bislang nicht die Möglichkeit, wenn sich während des Justizvollzuges die besondere Gefährlichkeit herausstellt - und solche Leute wird es geben -, dann herzugehen und zu sagen, wir müssen verhindern, dass dieser Straftäter aus dem Strafvollzug entlassen wird, solange die höchste Gefährlichkeit besteht. Wir können es nicht verantworten, ihn in die Gesellschaft zu entlassen, so dass dieses Gesetz sehr wichtig und bedeutsam ist, um auch erhebliche weiterbestehende Gefahren durch Straftäter zu verhindern. Ich möchte Sie bitten, dem Entwurf der Landesregierung zuzustimmen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Beschlussempfehlung des Justizausschusses in Drucksache 3/3129. Wer dieser Beschlussempfehlung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenprobe. Eine Reihe von Gegenstimmen. Enthaltungen? 1 Enthaltung. Mit einer Mehrheit so angenommen.

Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 3/2493 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung der eben angenommen Beschlussempfehlung ab. Wer diesem Gesetzentwurf, so geändert, die Zustimmung gibt, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. Danke. Gegenprobe. Eine Reihe von Gegenstimmen. Enthaltungen? Keine Enthaltung. Mit einer Mehrheit so angenommen. Das bitte ich, weil es ein Gesetzentwurf ist, auch durch Schlussabstimmung noch einmal zu dokumentieren. Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, bitte ich, sich zu erheben. Danke. Wer dagegen stimmt, den bitte ich, sich ebenfalls von den Plätzen zu erheben. Danke. Enthaltungen? Das ist nicht der Fall, dann auch in der Schlussabstimmung so mit einer Mehrheit angenommen. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 1.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 2

Thüringer Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen und zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Bestimmungen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2548 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 3/3122

dazu: Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3181 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD - Drucksache 3/3182 ZWEITE BERATUNG

Dazu wiederum soll es einen Änderungsantrag der CDUFraktion geben. Ist das richtig?

(Zuruf Abg. Kölbel, CDU: Genau.)

Die SPD-Fraktion ist einverstanden, dass zu ihrem Änderungsantrag noch einmal ein Änderungsantrag der CDU eingereicht wird, wodurch ihr Änderungsantrag natürlich geändert wird. Aber wenn das Einverständnis da ist, kann man so verfahren. Ich bitte jetzt den Abgeordneten Wetzel um Berichterstattung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, werte Gäste, wie die Präsidentin eben ausführte, wird es im Anschluss daran zu den Änderungen, so wir uns heute zum Beschließen durchringen, noch kommen. Ich trage lediglich die Beschlussempfehlung des Innenausschusses vor, die uns in der Drucksache 3/3122 vorliegt. Der Gesetzentwurf der Landesregierung "Thüringer Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen und zur Änderung verfassungsrechtlicher Bestimmungen" in der Drucksache 3/2548 ist durch den Beschluss des Landtags vom 22. August 2002 an den Innenausschuss überwiesen worden. Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 48. Sitzung am 29. August 2002 und in seiner 49. Sitzung am 26. September 2002 sowie in seiner 56. Sitzung am 6. Februar dieses Jahres beraten und ebenfalls eine schriftliche Anhörung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt. Die Beratungen geschahen in enger Zusammenarbeit mit der Landesdatenschutzbeauftragten Frau Liebaug. Es wurden in acht Fällen Paragraphen geändert. Es sind dies die §§ 1, 2, 5, 6, 12, 13, 22 und 34. Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses empfiehlt mehrheitlich, den Gesetzentwurf mit den in der Drucksache 3/3122 gefassten Änderungen anzunehmen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das war die Berichterstattung. Jetzt kommen wir zur Aussprache. Es hat der Abgeordnete Dr. Hahnemann, PDSFraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe selten erlebt, dass ein Gesetz ohne eine nochmalige Begründung durch den Innenminister im Ausschuss verab

schiedet wird. Obwohl eine Reihe diskussionswürdiger schriftlicher Stellungnahmen vorlag, kam es nicht zu einer ernsthaften Aussprache. Selbst Änderungsanträge wurden in der Ausschussberatung nicht begründet.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Na, na, na.)

Man kann nach dieser Erfahrung - Herr Fiedler, ich habe mir genau berichten lassen

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Diffamie- rung. Das ist unerhört.)

wohl auch hier kaum eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf erwarten. Wir haben schon in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs unsere Kritik formuliert. Das Gesetz stellt einen tiefen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und in die Berufsfreiheit dar. Ferner wird gegen den Gesetzesvorbehalt, gegen das Bestimmtheitsgebot und gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Auf diese Weise, meine Damen und Herren, will der Gesetzgeber die Freiheit schützen. Wir bleiben aber bei unserer Position, es macht keinen Sinn, Freiheitsrechte einzuschränken, um Freiheitsrechte zu erhalten.

(Beifall bei der PDS)

Der Staat hat nur insoweit eine Daseinsberechtigung, als er in der Lage ist, die Freiheit seiner Bürger zu schützen, ohne sie zugleich und in gleichem Maße in ihren Freiheitsrechten zu beschneiden.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das ist Utopie.)

Hier werden die Grundlagen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zugunsten eines Vorrangs des Sicherheitsdenkens gegenüber der Freiheitsidee bis hin zum Sicherheitsfanatismus verschoben.

(Beifall bei der PDS)

Im Innenministerium hat man nach Pressemitteilungen schon Szenarien für Terroranschläge in Thüringen durchgespielt. So war in der Presse von möglichen Anschlägen auf die Trinkwasserversorgung, auf Talsperren und auf Elektrizitätswerke zu lesen. Ich frage mich nun aber, inwieweit dieses Bedrohungsszenarium realistisch ist, und nicht nur das, sondern auch, inwieweit der personelle Sabotageschutz vor solchen Anschlägen schützen kann. Der Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon wäre doch auch nicht verhindert worden, wenn das Personal der Fluggesellschaften geheimdienstlich durchleuchtet worden wäre.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das sind aber schändliche Vergleiche.)

Die Attentäter von Djerba oder Bali wären doch nicht gestoppt worden, wenn die Mitarbeiterschaft der Reisegesellschaften einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden wären.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Wissen Sie, was Sie hier erzählen?)

Frau Groß, beruhigen Sie sich doch!

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Nein, ich beruhige mich nicht.)

(Beifall bei der PDS)

Nein, meine Damen und Herren, es mangelt nicht am Sabotageschutz. Der islamistische Terror ist der Reflex einer verfehlten Außenpolitik

(Beifall bei der PDS)

und nur in der Änderung dieser Politik liegen die Potenzen für einen wirksamen Schutz vor Anschlägen der genannten Art. Es hätte niemals die Kriege, auch nicht die der Sowjetunion gegen die Regionen und nicht die Aufrüstung z.B. der islamistischen Bewegungen in Afghanistan im Kampf gegen die Sowjetunion geben dürfen. Es muss ein für alle Mal Schluss sein mit einer Politik, die kurzsichtig den Feind des Feindes automatisch zum Freund macht, ohne dass auch nur eines der Probleme in Angriff genommen wird, die die Gegnerschaften begründen.

(Beifall bei der PDS)

Frau Zimmer hat uns neulich dazu ganz klar positioniert.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Prima.)

Sicherheitsüberprüfungen sind weder effektiv noch sind sie angemessen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das kann doch wohl nicht wahr sein.)

Wollen wir uns wirklich vor Anschlägen schützen, Frau Groß, so müssen wir z.B. den bevorstehenden Krieg im Irak verhindern.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Er wird Terroristen den Vorwand für Anschläge liefern. Wir sollten aufhören mit Waffenlieferungen an Verbündete von heute und mit der Missachtung ihrer Ansprüche gegenüber der westlichen Welt, denn das sind die Ursachen für Bedrohung und sind die Ursachen für Terrorismus von heute und morgen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, ich bin schon in der ersten Beratung ausführlich auf unsere Bedenken eingegangen, auf die Bedenken hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und auf die Bedenken hinsichtlich einiger arbeitsrechtlicher Bestimmungen. Ich will jetzt noch einmal klarstellen, es obliegt einzig dem Parlament, über Maßnahmen zu entscheiden, die, wie im vorliegenden Gesetz vorgesehen, in ihrer Breite und in ihrer Tiefe erheblich in Grundrechte eingreifen. Die Verlagerung einer so zentralen Entscheidung, Herr Minister, wie die der Ausweisung sicherheitsempfindlicher Stellen hin zum Ministerium, widerspricht dem Gesetzesvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot. Artikel 84 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung schreibt zwingend vor, dass das Gesetz, welches zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen muss. Das bedeutet, dass bereits aus dem Gesetz selbst hinreichend deutlich vorhersehbar sein muss, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die Verordnungen haben dürfen. Das wird mit dem vorliegenden Gesetz nicht geleistet und so erklärt sich auch der Sinn des Änderungsantrags der SPDFraktion. Die Unbestimmtheit der Definition der sicherheitsempfindlichen Stellen gestattet es nämlich dem Verordnungsgeber, die Schwelle der Sicherheitsrelevanz hoch oder niedrig zu legen, wie es ihm beliebt.

Herr Minister, Ihr Vorgänger hat in der ersten Beratung ausgeführt, dass bisher lediglich in der Hansestadt Hamburg eine Rechtsverordnung erlassen worden sei und diese kenne als einzige sicherheitsempfindliche Stelle die Elektrizitätsversorgung. Das ist richtig, nur eines hat Herr Köckert verschwiegen: Die Rechtsverordnung stammt aus dem März 2000, ist also eben keine Folge der Verschärfung des Bundesgesetzes im Rahmen des Antiterrorpakets 2. In dessen Folge gibt es meines Wissens weder die nötige Bundesverordnung noch irgendeine Landesverordnung. Liegt das vielleicht auch daran, dass sich die Privatwirtschaft gegen einen staatlichen Eingriff in ihre Personalpolitik wehrt? Haben wir nicht auch deshalb keine jeweiligen Verordnungen, weder im Bund noch in den Ländern?

Ein weiterer Einwand: Wir haben immer wieder gehört, die Teilnahme an der Sicherheitsüberprüfung sei freiwillig. Meine Damen und Herren, das ist einfach wirklichkeitsfremd. Mit einem Änderungsantrag der CDU-Fraktion sind die Sicherheitsüberprüfungen auf Bewerbungsverfahren ausgeweitet. Die Freiwilligkeit liegt spätestens jetzt hier auf der Hand, entweder man unterwirft sich der Prozedur oder man kann den Job gleich vergessen. Dieses "Friss oder stirb", meine Damen und Herren, kenne ich aus DDR-Zeiten. Herr Köckert hat in der ersten Beratung gesagt, der Unterschied zur Stasi sei offensichtlich, Zitat: "Die Leute, die von der Stasi in der DDR bespitzelt wurden, zu denen ist keiner gekommen und hat gesagt, also wir überprüfen Sie jetzt einmal." Das ist nur bedingt richtig. Ich habe es anders erlebt und Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen müssen, weil ich meine Fami

lie in Braunschweig nicht verleugnen wollte. Aber mir als bespitzelter Bürger ist es doch letztlich egal, ob ein Geheimdienst mich mit oder ohne Ansage ausspioniert. Ich möchte überhaupt nicht ausgeforscht werden.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns doch folgende Fragen stellen: Wie wird sich eine offene Gesellschaft verändern, wenn ganze Arbeitswelten durchgerastert werden? Welches Menschenbild befördern wir eigentlich mit einer Debatte

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Malen Sie nicht so ein Szenario hier auf.)