Auch unterstützen wir ein drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, mit dem so genannte Ehrenpensionen für Opfer des SED-Regimes eingeführt werden sollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Auseinandersetzung mit Diktaturen und totalitären Ideologien muss weitergehen. Das setzt auch voraus, dass nichts unter den Teppich gekehrt wird. Deshalb hat Thüringen sich für eine Verwendung der "Rosenholz-Dateien" eingesetzt. Ich freue mich, dass wir im Bundesrat dafür eine Mehrheit bekommen haben, dass sich insgesamt in Deutschland die Politiker, die Länder führen, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im öffentlichen Dienst besondere Ver
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist für mich ein Akt der Gerechtigkeit, wenn wir Abgeordneten und Beamten in den alten Ländern das zumuten, was die Menschen in den jungen Ländern inzwischen mehrfach akzeptiert haben und auch weiterhin akzeptieren müssen. Niemand in politischen Ämtern darf sich dieser Verantwortung entziehen. Sich überprüfen zu lassen ist eine Frage der persönlichen Integrität, aber auch der politischen Glaubwürdigkeit.
Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch für die SED-Diktatur gilt: Die Vergangenheit ist nicht vorbei. Es gibt menschliche, mentale, wirtschaftliche und soziale Folgen, die auch noch, wie wir alle spüren, nach 13 Jahren fortwirken. Das ist im Übrigen einer der Gründe, warum ich "Ostalgie-Shows" für problematisch halte. Sie verstellen nicht nur den Blick auf die Geschichte, sondern auch auf unsere heutige Wirklichkeit.
Wer meint, die DDR sei nur die Summe der privaten Erlebnisse, wird nicht den Menschen gerecht, im Besonderen auch denen nicht, die zu Opfern geworden sind, aber er wird auch dem totalitären Regime der DDR nicht gerecht.
Ich meine, wir sollten uns immer in die Traditionen stellen, die dieses Regime beendet und Freiheit und Einheit ermöglicht haben. Mein Vorschlag ist, dass wir uns im kommenden Jahr in besonderer Weise mit dem 15. Jahrestag der Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 auseinander setzen sollten - ohne Zweifel, ein entscheidender Ausgangspunkt für die friedliche Revolution im Herbst 1989,
und auch mit den dann folgenden ersten freien und geheimen Wahlen im Jahr 1990 zur Volkskammer und den Kommunalwahlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an solchen Beispielen kann Geschichte nachempfunden werden und kann auch Gesellschaft in ihren Strukturen nachvollzogen werden. In diesem Jahr hat an den Schulen, in den Kommunen und in den Bildungseinrichtungen eine breite Auseinandersetzung mit dem 17. Juni 1953 stattgefunden und sie war, wie ich meine, beispielhaft. Ich bin allen dankbar, die sich daran beteiligt haben und ich bin sicher, dass sich Ähnliches wiederholen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Urteilskraft, Verantwortungsbewusstsein, Mitmenschlichkeit und Toleranz entstehen nicht von allein. Deshalb kommt der Bildung und Erziehung in der Familie und in allen Bildungseinrichtungen entscheidende Bedeutung zu. Wir wissen, dass Gewalt oft aus Langeweile oder auch aus Lebensüberdruss entsteht. Um der seelischen Verrohung entgegenzuwirken, ist Mut zur Erziehung gefragt. Die Familie ist der erste und wichtigste Ort sozialen und emotionalen Lernens. Sie bietet Geborgenheit und ist der Ort, an dem fundamentale Werte verinnerlicht, persönliche Stärken entwickelt und soziale Kompetenzen herangebildet werden. Wer Menschen gegen Gewalt und gegen extremistische und fremdenfeindliche Denkmuster stark machen will, der muss die Familie fördern. Deshalb ist es richtig, dass Thüringen die Familie in den Mittelpunkt der Politik stellt.
Vor wenigen Wochen haben wir ein "Landesbündnis für Familie" ins Leben gerufen, das umfassend zu einer noch familienfreundlicheren Gestaltung der Umwelt beitragen soll. Zum 1. Januar 2004 geben wir die Thüringer Familiencard heraus, mit der wir eine größere Teilhabe insbesondere von kinderreichen und sozial schwachen Familien am gesellschaftlichen Leben fördern wollen. Im Mai 2004 wird es erstmals einen Landesfamilientag geben, um Familien zu informieren, aber auch um die Gesellschaft stärker darüber zu informieren, welchen Wert Familie hat und wie wir diesen Wert stärken und stützen müssen.
Eine Initiative in Eisenach, von Eltern gegründet, heißt "Starke Eltern - starke Kinder". Ich kann Eltern in Thüringen nur bestärken, auf diesem Weg voranzugehen, ihren eigenen Erziehungsauftrag zu diskutieren, aber auch diejenigen mitzunehmen, Schule, Nachmittagsbetreuungseinrichtungen, die ebenfalls mit ihren Kindern auf dem Weg sind. Das Land geht diesen Weg mit, jetzt auch mit der Elternakademie; sie soll die Familienbildungsangebote leichter zugänglich machen und miteinander vernetzen. Auch die Änderung des Erwachsenenbildungsgesetzes war ein wichtiger Schritt zu noch mehr Elternbildung in Thüringen. Weil wir wissen, dass derjenige meist zu Gewalt greift, der Gewalt erfahren hat, müssen wir dazu beitragen, häusliche Gewalt zu unterbinden. Ein entsprechendes Handlungskonzept liegt vor, aber wir wollen noch mehr tun, um Gewalt in der Familie einzudämmen. Entscheidend ist, dass wir möglichst früh ansetzen. Deshalb hat sich Thüringen in diesem Jahr an einem Modellprojekt zur Förderung der Eltern-Kind-Beziehung beteiligt, das vor allem die frühkindliche Entwicklung in den Blick nimmt. Diesen Ansatz wollen wir weiter verfolgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben den Familien sind es die Schulen, die bei der Erziehung zu Toleranz, Mitmenschlichkeit und Demokratie eine entscheidende Rolle spielen. Lehrer, Erzieher, sonderpädagogische Fachkräfte leisten hier eine herausragende Arbeit und sie verdienen dabei unsere Unterstützung. Wir wollen ihnen helfen, ihre verantwortungsvolle Aufgabe wahrzunehmen, z.B. mit der Initiative "Juregio", die mehr Handlungssicherheit im Umgang mit Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Drogenmissbrauch schaffen soll. Oder mit dem Landesprogramm "Demokratie und Toleranz", das der Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendarbeit dient. Natürlich findet, das weiß ich, an Schulen eine Vielzahl von Projekten statt, die sich gegen Gewalt, Intoleranz und Ausländerfeindlichkeit richtet. Allein seit Beginn dieses Jahres wurden 91 solcher Projekte in den verschiedenen Schularten gefördert. Selbstverständlich stützen wir uns nicht nur auf temporäre Projekte. Die Erziehung zu Gewaltfreiheit, Toleranz und Frieden ist auch in den Lehrplänen ein fächerübergreifendes Thema in allen Klassenstufen und allen Schularten. Zum Beispiel lernen die Schülerinnen und Schüler in allen 6. Klassen das "Tagebuch der Anne Frank" kennen. Nationalsozialismus und die sozialistische Diktatur sind also zentrale Themen des Geschichtsunterrichts, aber auch anderer Fächer. Beim rechtskundlichen Unterricht kommen Richter und Staatsanwälte in die Schulen und diskutieren mit den Schülern auch über die juristischen Konsequenzen von Extremismus und Gewalt. Thüringen ist ein weltoffenes Land und fördert internationale Begegnungen z.B. in den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Die Wissenschaftsministerin hat kürzlich zum zweiten Mal den Wettbewerb "Miteinander studieren in Thüringen" ausgerufen. Dabei werden besonders erfolgreiche Projekte der Integration ausländischer Studentinnen und Studenten prämiert. Wie wichtig die Frage der Integration ist, haben die aktuellen Ereignisse in Weimar einmal mehr eindringlich unterstrichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Familie, Schulen, Hochschulen können viel, aber ohne einen Widerhall in der Gesellschaft sind die positiven Auswirkungen begrenzt. Auch bei der Bekämpfung von Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt brauchen wir bürgerschaftliches Engagement. Deswegen ist es erfreulich, dass es in Thüringen inzwischen rund 250 Initiativen gibt, die sich mit dem Thema "Extremismus" auf unterschiedlichste Art und Weise auseinander setzen. Der erst kürzlich gegründete Verein "neue ebenen" will die Initiativen miteinander vernetzen - ein Vorhaben, das ich sehr begrüße, denn es ist gut, voneinander zu wissen, um sich auch gegenseitig zu unterstützen. Deshalb habe ich gern die Schirmherrschaft über die Thüringer Präventionsfachtagung in Nordhausen übernommen, weil auch hier eine wesentliche Informations- und Vernetzungsarbeit geleistet wurde. Gemeinsam ist diesen Initiativen, dass sie Zivilcourage fördern, ein Ziel, das wir unterstützen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Leitbild der Bürgerinnenn und Bürger, die für Demokratie und Freiheit einstehen, ist in Thüringen lebendig. Die freiheitliche Ordnung hat ein solides Fundament. Der Freiheitswille, der 1989 den Sturz der sozialistischen Diktatur möglich machte, bleibt die wirksame Kraft. Aber angesichts des "Thüringen-Monitors 2003" stellt sich eine Frage, die die Vordenker der modernen Demokratie bereits vor mehreren 100 Jahren bewegte: Wie gestalten wir unsere demokratische Gesellschaft, damit die Bürger den Geschmack der Freiheit, so Alexis de Tocqueville sprach, nicht verlieren - den Geschmack der Freiheit nicht verlieren?
Erstens: Der bundesweite Vertrauensverlust der Politik ist nicht zu übersehen. Die Menschen erwarten zu Recht, dass sich die Politik nicht in Grabenkämpfen des 20. Jahrhunderts verliert, sondern die anstehenden Probleme löst.
Zweitens: Wer ständig nach dem Staat ruft, schränkt seine eigenen Gestaltungsmöglichkeiten ein und riskiert staatliche Bevormundung.
Wir müssen deshalb wieder deutlicher machen, dass staatliche Bevormundung in allen Lebenslagen der Menschenwürde widerspricht. Der Staat kann und darf nicht alles regeln, auch darf der soziale Rechtsstaat keine Gleichmacherei betreiben und sich anmaßen, Geborgenheit zu organisieren, das ist Aufgabe der ganzen Gesellschaft.
Natürlich muss er Entfaltungsmöglichkeiten und Entwicklungschancen eröffnen, vor allem bei unseren Kindern und Jugendlichen an Schulen und Hochschulen. Und wir müssen die Eltern ermutigen, ihre Kinder als selbständige Persönlichkeiten anzuerkennen und ihnen zu helfen, den Weg in der Freiheit zu gehen, auch mit Verantwortungsbewusstsein.
Drittens: Stolz auf Thüringen zu sein, kann nicht bedeuten, sich allein der schönen Landschaft oder anderer Sehenswürdigkeiten zu erfreuen; stolz auf Thüringen zu sein, heißt auch, für und mit diesem Land zu arbeiten; die Fundamente sind gut gelegt.
Und Viertens: Der Rechtsstaat, unser Rechtsstaat hat die Aufgabe, konsequent gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt und damit für Demokratie einzustehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe in der letzten Woche, genau heute vor einer Woche, im Bundesrat gesagt: "Thüringen steht wie kein anderes deutsches Land für die Janusköpfigkeit und die Brüche der deutschen Geschichte." In der Tat, wer in diesem Land nicht nur vor sich hinlebt, der kommt an den Schattenseiten der Geschichte nicht vorbei, aber er kommt auch nicht an den vielen unzähligen positiven Beispielen für das Streiten für die Menschenwürde, für den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit vorbei. In den vergangenen 14 Jahren ist bereits viel geschehen, um sich diese freiheitlichen und demokratischen Bestände wieder bewusst zu machen. Aber auf diesem Feld liegt auch noch eine ganze Menge wichtiger Arbeit vor uns. Freiheitliches und demokratisches Bewusstsein entsteht nicht von selbst. Die Ergebnisse des "Thüringen-Monitors 2003" sind sehr ernst zu nehmen, aber es führt nicht weiter, sie nur zu beklagen. Sie sollten uns Politiker zu noch deutlicherer zielgerichteten und ergebnisorientierten Arbeit bewegen und sie sollten uns einmal mehr bewusst machen: Wer die freiheitliche Demokratie verteidigen will, der darf sie nie als etwas Selbstverständliches abtun. Sie ist nicht selbstverständlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir kommen jetzt zur Aussprache. Es hat als Erster das Wort der Abgeordnete Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Extremismusbetrachtung, Innen- und Sicherheitspolitik, wie sie uns heute begegnen, werden fehlschlagen. Innenpolitik kann man nicht nach dem Motto machen "Wo gehobelt wird, da fallen Späne". Dort, wo restriktive und undemokratische Politik walten, da fallen keine Späne, da fallen Grundund Bürgerrechte, da fallen Transparenz und Bürgernähe wie welke Blätter vom Baume der Demokratie und der Freiheit und das, meine Damen und Herren, hat Folgen. Es ist zwar bekannt, dass man sich dabei auf diejenigen stützt, die meinen, mit dem Abbau von Grundrechten die Freiheit und Offenheit der Gesellschaft sichern zu können, aber so wenig wie ein Krieg im Irak Frieden und Demokratie ins Land bringen kann, so wenig können die schützenswerten Grundwerte dieser Gesellschaft dadurch garantiert werden, dass man Grund- und Freiheitsrechten Knebel anlegt.
Der "Geschmack der Freiheit" vergeht genau auf diese Weise. Dass solche Politik fehlschlägt, haben wir in Weimar gesehen. Die mit den Anschlägen vom 11. September gerechtfertigten neuen Instrumente des Polizeiaufgabengesetzes wurden gegen Pressefreiheit und schutz
Diese Art Sicherheit macht schließlich vielen Menschen Angst, so dass der Freilandversuch zur Einschränkung von Grundrechten auf dem Theater- und dem Goetheplatz in Weimar erst einmal eingestellt wurde. Gerade die Debatte um die Videoüberwachung in Weimar hat eines deutlich gemacht: Die technische Aufrüstung des Staates, der unbedingte Drang, alles Machbare auch tatsächlich zu tun, und die zunehmende Bekämpfung sozialer Probleme mit Ordnungsmaßnahmen haben die Thüringer Polizei- und Sicherheitspolitik von den Bürgerinnen und Bürgern ein Stück entfernt. Solche Sicherheitspolitik lehnen wir ab. Bürgernahe Polizei ist eine Polizei zum Anfassen, keine Distanzbehörde und schon gar keine leblose Überwachungstechnik.
Gut ausgebildete, gut bezahlte und entsprechend motivierte Polizeibeamte, die ihr Revier nicht nur vom Bildschirm her kennen, sondern vor allem vom Angesicht, sind unser Ziel. Eine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik nimmt Kriminalitätsängste der Bevölkerung ernst, wo sie berechtigt sind, zerstreut diese, wo sie keine Grundlage haben, aber reagiert immer darauf durch angemessene Maßnahmen.
Meine Damen und Herren, ein Minister, dem sein Kabinettschef erst rechtsstaatliche Zügel anlegen muss, ist eine Last.
Er lobte auf einer Pressekonferenz überschwänglich die Ruhe und Sicherheit in Moskau. "Von Moskau lernen, heißt siegen lernen", war das offensichtlich verbreitete Credo.