Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Es muss doch möglich sein, kritische Bemerkungen zu machen, wenn eben junge Menschen nicht in betriebliche Ausbildungsplätze vermittelt werden, oder es muss doch möglich sein, kritische Bemerkungen hinsichtlich der Berufsvorbereitung machen zu können, wenn das selbst von der Wirtschaft, wenn das selbst vom Wirtschaftsstaatssekretär in Ausschuss-Sitzungen - leider in der Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht, aber dort zumindest - definitiv angesprochen wird. Wenn das nicht mehr geht, dann verabschieden wir uns, über die Zukunft von jungen Menschen nachzudenken. Himmel noch mal, kein Mensch hat gesagt, dass Sie nichts getan haben, Herr Minister Krapp. Kein Mensch hat gesagt, dass die Lehrer nichts tun. Wir haben gesagt, Eltern haben Verantwortung und wir ha

ben lediglich darauf verwiesen, dass genau die Bereiche noch enger und besser miteinander arbeiten müssen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie mir dann nicht zuhören, ich gebe es Ihnen gern auch noch mal schriftlich. Ich habe gesagt, um das Bild der Thüringer Ausbildungsmisere abzurunden, ca. 2.400 junge Menschen nehmen eine Berufsausbildung in den alten Ländern auf und es sind eindeutig die besten Bewerber. Das war der Punkt zur Abwanderung und da nehme ich auch nichts davon zurück. Ich habe gesagt, wenn sich der Berufsberatungsprozess während der Schulzeit gemeinsam mit Schülern und Eltern nicht grundlegend verändert - ich habe nicht mal "Lehrer" gesagt -, gemeinsam mit Schülern und Lehrern nicht verändert, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn 5.500 Jugendliche abbrechen. So!

(Beifall bei der SPD)

Jetzt erklären Sie mir bitte, was ich an diesem Punkt falsch gemacht habe. Wären Sie bereit, so wie der Kollege Michel und andere auch mal die offene Diskussion zu betreiben, zum Beispiel im Ausschuss für Bildung und Medien, zum Beispiel im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik,

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Das haben wir doch schon.)

dann würden Sie auch feststellen, auch wenn Sie mit den Jugendlichen mal selber reden bei solchen Berufsbildungsmessen, Herr Krapp, das meine ich jetzt gar nicht böse, aber wenn man nicht da oben stehen muss wie Sie, ein Grußwort halten und wie das alles so ist und Sie müssen ja den Rundgang machen, mit den Vertretern der Betriebe reden, ich halte das auch alles für richtig. Wenn man die Zeit hätte, die der Minister nicht immer haben kann, mal mit den Jugendlichen zu reden, wie diese durchsausen und dann vor der Tür stehen - ich kriege es in der Thüringenhalle des Öfteren mit -, und wenn man dann mal mit den Jugendlichen selber redet, wie kann ich denn so eine Ausbildungsbörse oder -messe noch attraktiver machen, auch in ihrem Interesse, dann ist das doch verdammt noch mal nicht böse gemeint. Ich bin Herrn Reinholz dankbar für das, was er hier zum Schluss gesagt hat. Auch ich bin es manchmal Leid, immer alles doppelt und dreifach runterzubeten und immer darauf zu verweisen, wir sind nicht die bösen Menschen, wir wollen was für die jungen Leute tun. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie in Ihrem letzten Wortbeitrag hier gesagt haben, in erster Linie hat für Ausbildungsplätze die Wirtschaft Verantwortung und genau daran wollen wir erinnern und das würden wir gern mit Ihnen gemeinsam tun. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Nun liegen hier keine Wortmeldungen mehr vor.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Schade.)

Es ist beantragt worden, an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zu überweisen. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Gibt es nicht. Die Ausschussüberweisung ist abgelehnt.

Es ist beantragt worden, an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Die gibt es nicht. Auch diese Ausschussüberweisung ist abgelehnt worden.

Frau Pelke, Sie haben jetzt zum Schluss noch gesagt, auch im Bildungsausschuss müsste man mal darüber sprechen. Das war keine Beantragung?

(Zuruf Abg. Pelke, SPD)

Akustisch habe ich das zwar nicht ganz verstanden, aber es wird offensichtlich nicht beantragt, dass das an den Ausschuss für Bildung und Medien noch überwiesen wird, so dass ich feststelle, es ist keine Ausschussüberweisung erfolgt und es wird unmittelbar über den Antrag der SPD-Fraktion abgestimmt. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 13

Koordination und Qualifizierung der überregionalen Aktivitäten gegen Rechtsextremismus Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3817

Es gibt einen Sofortbericht zu Nummer 2 des Antrags. Herr Staatssekretär Scherer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, dem Plenum liegt ein Antrag der Fraktion der SPD zur Koordination und Qualifizierung der überregionalen Aktivitäten gegen Rechtsextremismus vor, dem aus Sicht der Landesregierung aus folgenden Gründen zu widersprechen ist:

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiierte im Jahre 2001 innerhalb des Aktionsprogramms "Jugend für Toleranz und Demokratie gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" die drei Bundesprogramme, nämlich CIVITAS, Entimon und XENOS. Die Beurteilung von Projektkonzeptionen, die daraus resultierende Mittelbewilligung verantworten allein nicht die Servicestellen der Bundesprogramme und die Beratung sowie eine Evaluation der Projektträger erfolgt ebenfalls durch die Beauftragten des Bundes. Diese Struktur sichert den Trägern Eigenständigkeit innerhalb ihrer Präventionsarbeit und setzte zunächst - laut Leitlinien der Programme, die ursprünglich einmal da standen - nicht zwingend eine Zusammenarbeit mit Kommunen und Landesinstitutionen voraus. Damit wurde dem freien Agieren der CIVITASStrukturprojekte ABAD, Opferberatung und MOBIT - mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus - auch diese Möglichkeit gegeben, so zu agieren.

Im Sommer 2003 wurden dann Leitlinien und Finanzierungskonzeptionen der Servicestelle CIVITAS zum Teil erheblich verändert, aus unserer Sicht zu Recht auch verändert. Beispielsweise erfolgt nun eine weitere Förderung der Strukturprojekte durch den Bund nur bei vorhandener 20-prozentiger Kofinanzierung von dritter Stelle und, was ich für sehr wichtig halte, bei Vernetzung der Strukturprojekte mit der kommunalen Ebene, was vorher eben so nicht gefordert war. Ob der Bund die im Freistaat Thüringen bisher voll finanzierten, überregional tätigen Projekte ABAD und MOBIT weiter fördert, ist derzeit noch nicht vom Bund entschieden. Solide Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus verlangt die Nutzung der vorhandenen Strukturen und die Stärkung von Kompetenzen und ergebnisorientierte - und ich betone -, auch nachhaltige Konzeptionen.

Die Thüringer Landesregierung hat im Jahr 2001 reagiert. Übrigens war bundesweit die wahrnehmbare Zunahme von antidemokratischem und gewaltbereitem Denken und Handeln von Jugendlichen festzustellen. Wir haben reagiert durch die Schaffung der interministeriellen Koodinierungsstelle Gewaltprävention. Diese Koordinierungsstelle verfolgt einen ressortübergreifenden Präventionsansatz. Dieser lässt bereits existierende Strukturen sowie Verantwortungsträger in den Kommunen miteinander ergebnisorientierte Präventionsarbeit gegen Gewalt und politischen Extremismus leisten. Die Koodinierungsstelle sieht sich dabei nicht nur in einer koordinierenden Rolle, sondern versteht sich auch als Initiator oder auch als Berater. Die Wahrung der Eigenständigkeit der vor Ort Handelnden ist dabei aus unserer Sicht auch unverzichtbar. Schon im Herbst 2001 wurde im Freistaat Thüringen die Arbeitsgemeinschaft "Arbeit gegen Rechtsextremismus" gegründet. Diese Arbeitsgemeinschaft verfolgt die Zielstellung, die im Bereich der Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus Tätigen intensiver zu vernetzen und den Erfahrungsaustausch auch sicherzustel

len. Die Koodinierungsstelle ist neben anderen Vereinen, Initiativgruppen und Institutionen Mitglied in dieser Arbeitsgemeinschaft. Aus dieser heraus wurde ein Sprecherrat gebildet, dem neben jeweils einem Vertreter der Koordinierungsstelle und der Landesarbeitsgemeinschaft "Katholische Jugendsozialarbeit" ein Vorstandsmitglied des Vereins MOBIT e.V., ABAD und L'amitié angehören. Die Arbeitsgemeinschaft veranstaltete z.B. gestern in der Europäischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar eine gemeinsame Tagung zur Thematik "Zwischenbilanz, aktuelle Problemlage in Thüringen und die Arbeit des Kooperationsnetzwerkes gegen Rechts".

Das, was im Antrag der SPD-Fraktion gefordert wird, findet bereits auf Arbeitsebene statt. Dieser Prozess wird von der Landesregierung auch unterstützt. Geboten ist eine Intensivierung der Arbeit der bereits existierenden Arbeitsgemeinschaft. Strukturen sind geschaffen; auf Arbeitsebene werden entsprechende Problemfelder auch diskutiert. Das Gegeneinander, das zu Anfang sicher auch da war, wandelt sich nach meiner Wahrnehmung in eine konstruktive Arbeitsatmosphäre, denn es geht darum, den Rechtsextremismus im Freistaat Thüringen zu minimieren und zu bekämpfen, wo immer es möglich ist.

In Ihrem Antrag fordert die SPD-Fraktion unter Punkt 2, über erzielte Ergebnisse der bisherigen Arbeit der überregionalen Strukturprojekte im Rahmen der Bundesprogramme CIVITAS und Entimon sowie der Koordinierungsstelle zu informieren. Modellprojekte wie MOBIT und ABAD, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verantwortet, werden durch dieses fachwissenschaftlich begleitet und deren Arbeitsergebnisse werden auch dort ausgewertet. Die Erkenntnisse des Bundesministeriums über die Arbeit der überregional tätigen Projekte in Thüringen sind der Landesregierung des Freistaats nicht zugänglich. Der im November 2003 erstellte erste Zwischenbericht der Universität Bielefeld über die ersten Modellphasen der Strukturprojekte innerhalb des Bundesprogramms CIVITAS wird erst im Frühjahr 2004 veröffentlicht werden. Die Zusammenarbeit zwischen den Servicestellen der Bundesprogramme und der Koodinierungsstelle hat sich - das kann ich, glaube ich, berichten - deutlich verbessert. Die Koordinierungsstelle berät bei Anfragen selbstverständlich auch Projektträger zu allen drei Bundesprogrammen bei der Erstellung von Präventionskonzeptionen. Diese Beratungstätigkeit unterstützt eine koordinierte Gewaltprävention in der Fläche.

Über die Arbeit der Koordinierungsstelle Gewaltprävention selbst ist am 23.10. dieses Jahres im Innenausschuss ausführlich berichtet worden. Ein schriftlicher Gesamtbericht wird demnächst den Mitgliedern des Ausschusses auch zugeleitet werden.

Zusammenfassend will ich nochmals betonen: Der Freistaat Thüringen setzt innerhalb seiner Präventionsarbeit gegen Gewalt und politischen Extremismus nicht vor

rangig auf das vom Bund aufgelegte Aktionsprogramm mit CIVITAS, Entimon oder XENOS, er nimmt es aber durchaus in seine Beratungen mit auf. Das ist bereits die bekannte Position der Landesregierung. Innerhalb der Ressorts der Landesregierung des Freistaats Thüringen erfolgt die Unterstützung und Anregung von Präventionsarbeit auch in der Praxis an der Basis bereits gewachsener Strukturen. Die Landesregierung sieht daher in diesem Bereich zurzeit keinen darüber hinausgehenden Handlungsbedarf. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Möchte eine Fraktion die Aussprache zu diesem Bericht beantragen? Ich sehe, es sind alle drei Fraktionen, so dass wir jetzt zu diesem Bericht die Aussprache führen und zum Punkt 1 des Antrags. Ich rufe als ersten Redner auf den Abgeordneten Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Zitat: "In Anbetracht der Ergebnisse des Thüringen-Monitors" - mit diesen Worten beginnt der vorliegende Antrag der SPD. Mit der Zustimmung zu dem Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, ein Konzept zur Koordinierung staatlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtsextremismus in Thüringen zu erarbeiten. Ja, "in Anbetracht der Ergebnisse des ThüringenMonitors", nach denen jeder vierte Thüringer rechtsextrem eingestellt ist und sogar mehr als die Hälfte der Befragten rassistische Aussagen unterstützen. Angesichts dessen brauchen wir zivilgesellschaftliche Konzepte, die auf eine Abänderung dieses verheerenden politischen Alltagsklimas abzielen. Denn die Gegenwehr gegen Rechtsextremismus und Rassismus wird nur dann erfolgreich und andauernd sein, wenn der ideologische Teich abgelassen wird, in dem sich Neonazis wie Fische im Wasser bewegen können. Deshalb unterstützen wir den Grundgedanken des CIVITAS-Bundesprogramms, nicht täterorientiert den einzelnen Rechtsextremisten zum Zentrum eines Gegenkonzepts zu machen, sondern den Neonazis das Umfeld zu entziehen. Denn diese Neonazis fühlen sich als Vollstrecker eines zwar nur heimlich, aber oft schon mehrheitlich geäußerten Willens der Bevölkerung. Solange ein gesellschaftliches Klima besteht, wie es der Thüringen-Monitor beschreibt, wird jedem Neonazi, der ins Gefängnis wandert oder der aus der rechten Gemeinschaft durch Angebote aus einer neuen Perspektive herausgelöst wird, ein neuer Neonazi folgen. Solange sich die Alltagskultur und die politischen Einstellungen in der Bevölkerung nicht ändern, werden Opfer rechter Gewalt auch weiterhin auf parteiliche Unterstützung angewiesen sein. Notwendig sind auch weiterhin Beratungsangebote, die sich die Perspektive der Betroffenen von rechter und rassistischer Gewalt zu eigen machen und nicht gleichzeitig die Täter im Blick haben.

Solange es richtig bleibt zu sagen, dass fremdenfeindliche, antisemitische und neofaschistische Äußerungen nicht randständig sind, sondern sich in der Mitte der Gesellschaft finden, solange müssen bürgerschaftlich engagierte Personen und Initiativen gestärkt werden, die auch kritisch gegenüber staatlichen Stellen und politischen Parteien sind, weil auch in Amtsstuben und auf Parteiversammlungen rassistischen Diskriminierungen nicht der nötige entschiedene Widerstand entgegengesetzt wird. Aus dieser gesellschaftspolitischen Analyse heraus und mit einer zivilgesellschaftlichen Strategie setzt das Konzept des Bundesprogramms CIVITAS an. So heißt es in den Richtlinien für das Jahr 2004, Zitat: "Ziel des Programms CIVITAS - Initiative gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern - ist es, eine demokratische, gemeinwesenorientierte Kultur in den neuen Bundesländern einer Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen, die sich in Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus ausdrückt, entgegenzusetzen. Die Arbeit soll menschenrechtsorientiert sein und die Perspektive der Opfer rechtsextremistischer Gewalt im Blick haben." Dem zivilgesellschaftlichen Konzept des Bundesprogramms, nämlich Rechtsextremismus mit der Verankerung einer Gegenkultur und mit Blickwinkel der Opfer zu begegnen, steht der Ansatz der Koordinierungsstelle Gewaltprävention im Prinzip diametral gegenüber. Schaut man sich die Genese dieser Stelle - schon immer ohne eigene Haushaltsmittel - an, dann ist es auch nicht weiter verwunderlich. Die Forderung vieler gesellschaftlicher Akteure nach einem dem bürgerschaftlichen Engagement verpflichteten Landesprogramm gegen Rassismus und Neofaschismus wurde durch die Mehrheitsfraktion immer abgelehnt. Das CIVITAS-Programm verfolgte bisher den zivilgesellschaftlichen Ansatz der Förderung staatsferner bürgerschaftlicher Strukturen im Gemeinwesen mit dem Ziel, ein ideologisches und kulturelles Gegengewicht zu rechtsextremen und rassistischen Einstellungen zu entwickeln. Die Koordinierungsstelle Gewaltprävention hat von ihrem politischen Ansatz her mit dem Bundesprogramm CIVITAS widerstreitende Arbeitsschwerpunkte und -methoden. So befasst sich die KOST-G z.B. mit Rechtsextremismus unter dem Aspekt des Gewaltbegriffs oder unter dem Titel "Politischer Extremismus". Außerdem forciert die KOST-G einen täterorientierten Umgang mit Neofaschismus und hat diesem Ansatz entsprechende Projekte eingeleitet. Im Sammelsurium der Themen, die von der KOST-G weiterbearbeitet werden, finden sich dann auch noch Drogenprävention und häusliche Gewalt. Außerdem ist die Koordinierungsstelle Gewaltprävention eine staatliche Einrichtung, darüber hinaus noch angesiedelt in einem Ministerium, das dem sicherheitspolitischen Profil der CDU-Fraktion im Landtag verpflichtet ist. Die Landesregierung hat bisher aus ihrer Ablehnung gegenüber dem Leitgedanken des Bundesprogramms CIVITAS keinen Hehl gemacht. Minister Trautvetter äußerte sich bei unterschiedlichen Gelegenheiten dahin gehend, dass eine enge Zusammenarbeit der KOST-G mit den landesweit wirksamen CIVITAS-Projekten aufgrund der unterschiedlichen Herange

hensweise an die Problematik Rechtsextremismus nicht möglich sei. Und er bestätigt es auch gerade im Moment.

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: So ist es.)

Insbesondere die Ausrichtung des CIVITAS-Programms auf Realisierung eines örtlichen Gegengewichts zu rechtsextremen Tendenzen und Förderung aufsuchender und niedrigschwelliger Beratungsangebote für Betroffene von rechter Gewalt wird durch die Landesregierung nicht befürwortet. Aber gerade die beiden landesweit wirkenden Projekte MOBIT und ABAD setzen diese Kriterien des Bundesprogramms in ihrer Arbeit um. Unter den oben skizzierten grundlegenden Unterschieden des CIVITASProgramms zum politischen Ansatz der Koordinierungsstelle bleibt es unverständlich, wieso die SPD-Fraktion die Erarbeitung eines gemeinsamen Konzepts für möglich hält und dazu auch noch eine Landesregierung beauftragt, die nicht anerkennen will, dass es in Thüringen zwar parteilich ungebundene, aber dennoch höchst verbindliche Strukturen des Rechtsextremismus gibt, die sich auf eine zunehmend ideologische Basis in der Bevölkerung stützen können.

Die ewige Leier vom personellen Rückgang in der rechtsextremistischen Szene in Thüringen, von der vermeintlichen Auslösung struktureller Zusammenhänge und die Reduzierung des Rechtsextremismus auf ein Gewaltoder Jugendproblem, das ist wohl bekannt und das verstellt der Landesregierung nachhaltig den Blick auf die tatsächliche Entwicklung in Thüringen. Hier hat sich nämlich ein flächendeckendes Netz so genannter freier Kameradschaften entwickelt, die über die diversen Informationssysteme ihre Aktivitäten koordinieren, ihre Strategien abstimmen und auch Straftaten planen. Nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens, an dem Thüringen einen nicht ganz unwesentlichen Anteil hatte, wird die Zusammenarbeit zwischen den freien Kameradschaften und der NPD offen gepflegt. So kandidiert der Kameradschaftsführer Thorsten Heise auf der Landesliste der NPD zu den nächsten Landtagswahlen auf Platz 3. In den letzten Monaten ist eine Zunahme von lokalen Aktivitäten zu beobachten: Verherrlichung von NS-Kriegsverbrechen, Infostände, Schulungsversammlungen, Skinhead-Konzerte.

Meine Damen und Herren, es ereigneten sich 2003 weit mehr rassistische oder rechtsextrem motivierte Angriffe auf Migranten oder andere Bevölkerungsgruppen, die nicht ins völkische Weltbild der Neonazis passen, als das Innenministerium glauben machen will. Verständigungsprobleme, tiefstes Misstrauen gegenüber staatlichen Behörden auf der Seite der Opfer und oftmaliges Ignorieren oder Verschweigen des politischen Hintergrundes auf der Seite der Institutionen machen erklärbar, warum unabhängige und klientelnahe Beratung der Betroffenen zu weit höheren Opferzahlen in Thüringen kommt als die Landesregierung.

Die Landesregierung ignoriert weiterhin diese Entwicklung und hat sich in den letzten Monaten lieber intensiv damit beschäftigt, die landesweit wirkenden CIVITASProjekte zu diskreditieren. Es wäre sinnvoller, die Vielfalt des Engagements gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu begrüßen und zu befördern. Die Entscheidung über das Fortbestehen dieser Projekte wird endgültig wohl heute in Berlin getroffen. Schon jetzt steht zu befürchten, dass dem Anspruch des Bundesprogramms verpflichtete Projekte in Thüringen keine weitere Förderung erhalten, da eine befürwortende Stellungnahme der Landesregierung ausblieb, oder sie werden inhaltlich und von ihrem Wirkungskreis her beschnitten werden.

Kritik an dieser Stelle muss aber auch in Richtung des Bundesprogramms CIVITAS selbst gehen. Es ist doch eigentlich absurd, die Förderung staatsferner Projekte von der Zustimmung einer Landesregierung abhängig zu machen. Alleiniger Maßstab bei der Vergabe von Mitteln darf doch nur die fachliche Bewertung sein und nicht die Frage nach dem Wohlverhalten gegenüber den jeweiligen Landesregierungen. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag eigentlich nicht geeignet, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, das Fortbestehen der landesweit arbeitenden CIVITAS-Projekte zu sichern oder zu befördern. Aber der Antrag wird auch nicht schaden. Er zeigt immerhin ein hilfloses Bemühen, Restbestände der Projekte in eine Kooperation mit der KOST-G hinüberzuretten. Aber statt Abwicklung von ABAD, Zurechtstutzen von MOBIT und der Installierung von Projekten, die dem Leitgedanken des Bundesprogramms wenig entsprechen, sollte die Notwendigkeit staatlich unabhängiger, überregional tätiger und zivilgesellschaftlicher Projekte gegen Rechtsextremismus anerkannt und gefördert werden. Doch das ist leider nicht die Intention des Antrags. Deshalb habe ich meiner Fraktion nur die Enthaltung in der Abstimmung empfehlen können. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Als Nächste hat sich Frau Groß zu Wort gemeldet. Bitte, Frau Abgeordnete.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß eigentlich gar nicht, Herr Dr. Hahnemann, ob man auf Ihre Rede etwas sagen sollte. Wenn Sie die...

(Zwischenruf Abg. Dr. Hahnemann, PDS:... tun Sie es nicht...)

Ja, am besten wäre es wirklich, man sagt nichts, weil es eigentlich auch nicht angebracht ist.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Sie können es ja auch nicht.)

Wenn Sie von der ewigen Leier und vom Rückgang extremistischer Straftaten sprechen, das mag für Sie eine ewige Leier sein, auch im Thüringen-Monitor war das zu lesen, ich denke, wir oder die Masse hier im hohen Haus sind froh, wenn Straftaten dieser Art zurückgehen. Scheinbar scheint Ihnen das nicht zu gefallen. Da Sie aber immer sagen, dass die Landesregierung oder die CDUFraktion Programme kritisiert, so darf ich Ihnen sagen, auch der Bundesrechnungshof hat die Regierungsprogramme gegen Rechtsextremismus charakterisiert und hat sie als uneffektiv dargestellt. Selbst - an die Damen und Herren der SPD-Fraktion - die Friedrich-Ebert-Stiftung hat die Maßnahmen gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit des Bundes evaluiert, mit dem Fazit: Nicht alle Programme, die sich "gegen Rechts" nennen, sind automatisch gut, sondern es ist oft kurzfristige und symbolische Politik.

Das Projekt CIVITAS, eins von drei Aktionsprogrammen des Bundes, wurde im Jahr 2000 aufgelegt. Thüringen erhielt im Jahr 2001 über 5 Mio.   jekte. Als gut zu bewerten ist der Anstieg der kommunalen Präventionsprojekte. Ich denke, das ist eine Folge der verbesserten Zusammenarbeit zwischen Bundesministerium, der Servicestelle CIVITAS und auch der KOST-G. Im SPD-Antrag wird die Zusammenarbeit zwischen der KOST-G und dem Bundesprogramm als nebeneinander und als gegeneinander bezeichnet. Ich denke, auch schon in dem Sofortbericht, den Herr Staatssekretär Scherer gehalten hat, sind Punkte aufgezeigt worden, wo zusammengearbeitet wird. Es kann nicht Aufgabe des Landes Thüringen sein, diese Projekte auszuwerten. Im Übrigen war das auch vom Bund so anfangs nicht gewollt, denn bis zum Sommer dieses Jahres ist ja diese Vollfinanzierung gewesen; es gab keinerlei Koordinierung mit den Ländern. Erst nachdem die Finanzierung verändert worden ist, ist ja jetzt das Land mit gefragt. Diese Modellprojekte aus Ihrem Antrag, MOBIT und ABAD, werden vom Bundesministerium selbst bewertet. Wie wir gehört haben, wird wohl im Frühjahr 2004 das Ergebnis erwartet. Die Zusammenarbeit, die schon angesprochen worden ist, hat sich wesentlich verbessert. Aber ich glaube, das ist zurückzuführen auf die Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle Gewaltprävention des Innenministeriums. An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeitern der KOST-G im Innenministerium für ihre engagierte Arbeit danken.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Reihe lokaler Projekte, die ihre Anerkennung im kommunalen Bereich finden. Über Sicherung oder Nichtsicherung der Projekte, wie im Antrag beschrieben, wird der Bund selbst entscheiden. Der Antrag hat mich aber veranlasst, die Erfahrungen der Regionalbüros, die es in Gotha und Saalfeld-Rudolstadt gibt, ein

mal zu erfragen.