Und nun stellt sich heraus, dass nicht nur ohne Rechtsgrundlage eine Erfassung von Daten von Polizeifahrzeugen erfolgt ist, sondern eine riesige Anzahl von Kennzeichen privater Fahrzeuge. Das hat die Datenschutzbeauftragte festgestellt. Die Datenschutzbeauftragte, meine Damen und Herren, ist im Übrigen ein eigenes Kapitel, zu dem ich mich hinreichend im Zusammenhang mit der Videoüberwachung geäußert habe.
Zweierlei bleibt für uns festzustellen - erstens: Frau Liebaug nimmt die Sicherung des Datenschutzes nicht offensiv genug wahr und sie verlässt sich auf
Auskünfte derer, die Sie eigentlich kontrollieren sollte. Zweitens: Im Nachhinein sanktioniert Frau Liebaug das ominöse Projekt, indem sie Pilotversuche für legitim hält, denen die Rechtsgrundlagen fehlen. Frau Liebaug, ich habe
es Ihnen auch schon persönlich gesagt, Sie sind zu gutgläubig und damit ist bei Ihnen der Datenschutz nicht in guten Händen.
Herr Minister, nach allem Bisherigen können wir Ihnen nicht glauben, dass Sie von alledem nichts gewusst haben. Selbst wenn es glaubhaft wäre, dann wäre es wirklich unglaublich, dass Sie nicht wussten, was Sie hätten wissen können, was Sie hätten wissen müssen. Was aber in Ihrer Verantwortung im Innenministerium geschieht, ist nicht eigentlich unglaublich, sondern ungeheuerlich. Wenn die Abgeordneten und die Öffentlichkeit sich auf die Aussagen von Regierungsmitgliedern nicht verlassen können, gibt es keine verlässliche Grundlage für die politische Arbeit mehr.
Herr Innenminister, Ihre Politik ist geprägt von sicherheitspolitischen und charakterlichen Sünden, Generalverdacht gegen alle und jeden, Law-and-Order-Denken von oben; sogar vor Missachtung des ohnehin schon viel zu restriktiven Aufgabengesetzes schreckt man in Ihrem Verantwortungsbereich nicht zurück. Gleichzeitig werden Missstände in Ihrem Hause gedeckelt. Ich erinnere nur an ominöse Überstundenabrechnungen, während sich bei einfachen Beamten die Überstunden abgeltungslos auftürmten. Für Ihre Politik müssen Beamte und Angestellte herhalten, denen Sie zutiefst ungerecht Urlaubsgeld streichen und Weihnachtsgeld kürzen.
Das Ganze paart sich mit einer selektiven Sicht auf Wirklichkeit, falscher Deutung der Tatsachen, wahrheitswidriger Darstellung der Gegebenheiten. Eine solche Politik, meine Damen und Herren, mündet zwangsläufig in ein Höchstmaß an Restriktion, in systematische Geheimniskrämerei und am Ende in ein Netz aus Lügen. Das gipfelt dann in den Irreführungen des Ausschusses und der Öffentlichkeit. Denn, Herr Minister, Sie hätten vor dem Innenausschuss am 10. Dezember, nachdem es die Presseberichte über diese Videoüberwachung gegeben hat, die Pflicht gehabt, sich zu informieren bis in die letzte Ecke Ihres Ministeriums.
Aber Sie haben diese Irreführung des Ausschusses zu verantworten. Sie sind eine Entwertung des Gesetzgebers und ignorieren den Anspruch der Öffentlichkeit auf wahrheitsgemäße Informationen. Innenpolitik kann nicht auf irgendwelche durch den Minister geschönten, umgedeuteten, verheimlichten oder falschen Informationen und Daten beruhen, sonst wird sie selbst zur Gefahr für die Sicherheit der Menschen im Land.
Wir sind zwar der festen Überzeugung, dass ein personeller Wechsel an der Spitze des Hauses ohne eine Veränderung der Politik dieses Hauses und ohne Änderung seiner systematischen Grundlagen nicht viel ändern wird. Aber, Frau Groß, wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dies kein Grund sein kann, einen Innenminister, der weder sein Haus noch sich selbst im Griff hat, im Amt zu dulden.
Also sage ich Ihnen, Herr Trautvetter, was ich in den 13 Jahren meiner Parlamentszugehörigkeit noch nicht gesagt habe: Nehmen Sie Ihren Hut und nehmen Sie alle Ihre Kameras mit, auch die, von denen wir noch nichts wissen.
Sie haben den Bogen überspannt und den Anspruch auf das Vertrauen des Parlaments und der Öffentlichkeit verspielt. Ein Ministerium im demokratischen Staat braucht einen Dienstherrn, keinen Gutsherrn. Einen angemessenen Preis für Ihre Politik haben Sie im November erhalten. Der Big-Brother-Award, der Negativpreis für Datenkraken, war hinreichende Quittung Ihres Wirkens. Seien Sie bescheiden und bemühen Sie sich nicht um noch weitere solche zweifelhaften Anerkennungen, sondern treten Sie zurück.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Mittwoch, 17. Dezember gegen Mittag, da sitzt nun der Herr Innenminister deutlich in der Klemme. Am Morgen haben Sie in der Zeitung gelesen, dass es doch eine solche automatische Kennzeichenerfassung per Video im Rennsteigtunnel gab. Sein Sprecher hat es inzwischen auch eingeräumt. Aus dem Ticker kommen die Rücktrittsforderungen der Oppositionsparteien und kurz vor ihm liegt seine Bekenntnispressekonferenz. Nunmehr muss er sich entscheiden: Gibt er zu, dass er dem Innenausschuss und der Öffentlichkeit bewusst die Wahrheit über die Installation und Inbetriebnahme der entsprechenden Technik vorenthalten hat, oder bekennt er, dass er von einem solchen so sensiblen und ungesetzlichen Vorgang einfach nichts gewusst hat?
In dieser Klemme werden Sie wohl, Herr Innenminister, zum Telefonhörer gegriffen haben, um sich mit dem Ministerpräsidenten, Herrn Althaus, zu beraten. Für den Innenminister gilt nun das Eingeständnis, dass in seinem Bereich quasi ungesetzliche Handlungen durchgeführt werden und wurden und die entsprechenden Informationswege in dieser Periode in einem katastrophalen Zustand sind.
Damit räumen Sie auch, Herr Innenminister, ein, dass jene, die für die möglichen Desinformationen zuständig waren und sind, seelenruhig mit im Innenausschuss saßen und zuhörten, wie Sie die möglichen Unwahrheiten und auch Unterlassungen uns im Innenausschuss überbrachten.
Für den Ministerpräsidenten besteht nun unwiderruflich Gewissheit, dass sein Stellvertreter, der Innenminister, zum wiederholten Male seine Unsensibilität für den Rechtsstaat unter Beweis gestellt hat.
Meine Damen und Herren, was ist denn eigentlich geschehen? In der Innenausschuss-Sitzung am 10.12. hat der Herr Innenminister Trautvetter trotz drängender Nachfragen der Abgeordneten erklärt, dass eine Überwachung des Rennsteigtunnels mit ihm nicht zu machen sei und dass die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine solche Überwachung nicht gegeben seien und dass eine solche Sache weder verfolgt noch geplant und jegliche Informationen diesbezüglich purer Unsinn wären.
Doch nun ist alles anders. Die Anlage wurde installiert. Es wurden Daten erhoben, so wie wir das heute früh auch noch einmal von der Beiratssitzung bekamen, wo wir informiert worden sind.
Es wurden nach den 125.000 knapp 140.000 verwandt. Nun, Herr Innenminister, zum damaligen Zeitpunkt machten Sie uns glaubhaft, von diesem Vorgang nichts gewusst zu haben. Aber es kann nicht sein, was nicht sein darf. Ich, Herr Innenminister, bin persönlich von der Amtsführung tief enttäuscht. Ich gebe zu, dass ich vor einem Jahr äußerst optimistisch war, als ich von Ihrer Amtsbestellung erfuhr, denn ich habe Sie nach der Wende kennen gelernt als einen zupackenden Mann. Aber "zupackend" heißt auch, ich habe mich an Recht und Gesetz zu halten. Die Innenausschuss-Sitzung vom 10.12. setzte dann, wie ich bereits schon einmal gesagt habe, dem Ganzen eine bestimmte Krone auf, indem im öffentlichen Teil erklärt wurde, eine solche Sache werde weder verfolgt noch geplant und jegliche Informationen diesbezüglich seien purer Unfug. Auch sinngemäß erklärten Sie mir, eine Überwachung sei mit Ihnen nicht zu machen. Oder die Antwort auf die Frage eines anderen Abgeordneten: Eine Überwachung im Rennsteigtunnel werde es in Verantwortung dieser Landesregierung nicht geben.
Ich gestehe, ich habe das nach dieser Innenausschuss-Sitzung geglaubt. Da bin ich, als ich die Pressemeldung des Kollegen Fiedler gelesen habe, mit ihm einig; ich war genauso der Meinung, wie Sie es damals waren. Das enttäuscht mich eben ganz besonders.
Die Sache stellt sich nun mittlerweile laut Pressemitteilungen so dar, dass der Innenminister und sein Staatssekretär einen Vermerk über die Auftragserteilung abgezeich
net haben sollen und dass am 24.10. die Anlage vom PVA abgenommen wurde. Zuvor lief die Testphase vom 9. bis zum 23.10. - vollzogen mit der Firma und entsprechenden Polizeiautos. Für mich steht auch die Frage, Herr Innenminister: Warum beendeten Sie am 28.10., nämlich entsprechend der Aussage im Innenausschuss, ein Projekt, von dem Sie am 10.12. nichts gewusst haben wollen?
Das ist für mich unverständlich. Jetzt gibt es für mich auch nur zwei Dinge, Herr Innenminister: Entweder haben Sie uns am 10.12. die Wahrheit verschwiegen - und das ist schlimm und unwürdig - oder Sie haben sich, wie es auch in den Pressemitteilungen immer wieder mit gesagt worden ist, von den Mitarbeitern Ihres Hauses bewusst getäuscht gesehen und das ist dann eigentlich noch schlimmer, denn das würde ja beweisen, dass dieses Haus, dieses Innenministerium, ein Eigenleben hat und der Innenminister sein Haus in dieser Frage nicht im Griff hat.
Ich habe auch ein gewisses Verständnis, wenn ich im "Freien Wort" - ich weiß nicht mehr genau, wann - in der Überschrift gelesen habe: Die CDU steht zu Trautvetter. Aber es muss doch andererseits auch einen Minister kränken, wenn ich in der STZ lese, der Herr Innenminister hat quasi Narrenfreiheit und er braucht nichts zu befürchten. Das ist verheerend. Ich meine, Sie sind erst 13 Monate im Dienst, aber das Füllhorn von vielen Ungereimtheiten ist schon beeindruckend. Sicherlich gibt es auch noch einige Altlasten, die Sie mit übernehmen mussten. Ich will nicht die ganzen Dinge jetzt noch aufzählen, die mir als Ungereimtheiten hier aufstoßen. Aber es liegt ja noch nicht lange zurück, dass auf dem Weimarer Goetheplatz durch eine unqualifizierte, nicht zu rechtfertigende Videoüberwachung Bürgerrechte in einem solchen Maße verletzt worden sind, dass selbst der IHK-Präsident, Herr Chrestensen, feststellte, ob es der Landesregierung passt oder nicht, das war ein Angriff auf die Pressefreiheit und damit auf die Grundrechte. Offenbar hat man sich nicht ernsthaft genug damit befasst und Schlamperei geduldet, die der Demokratie nicht dienlich ist. Eine peinliche Sache, die dem Standort Thüringen schadet.
Bei der Videoüberwachung in Weimar wurden gesetzliche Vorschriften missachtet und Bürgerrechte verletzt. Für mich steht auch in dieser Frage fest, dass Sie einen Drang haben, Daten anzuhäufen. Wäre es anders, dann hätten Sie nicht vor wenigen Wochen live im MDR-Fernsehen sinngemäß verkündet: Je mehr ich Daten erhebe, umso zielgerichteter kann ich Verbrechensbekämpfung begehen - Datenerhebung also ohne Wenn und Aber und ohne Rücksicht auf Verluste.
Zu kritisieren ist auch, dass für die durchgeführten Testläufe vom 09.09. bis zum 23.10. der ausführenden Firma keine Freigabe gemäß § 34 Abs. 2 des Thüringer Datenschutzgesetzes von Seiten des Thüringer Innenministeriums vorlag. Ich kritisiere auch, dass die Datenschutzbeauftragte, Frau Liebaug, erklärte: Dass Kameras zur automatischen Kennzeichenerfassung im Einsatz gewesen sein sollen, habe ich aus Pressemeldungen entnommen. Erst das war der Anlass, den Sachverhalt umfassend zu kontrollieren.
Meine Damen und Herren, einen solchen Eingriff, den mache ich doch nicht allein, den mache ich doch mit der Datenschutzbeauftragten gemeinsam, denn das ist doch ein wichtiger Garant; dafür haben wir sie doch, dafür ist sie doch für uns entsprechend da. Es wurde auch festgestellt, dass gerade in dieser Zeit vom 09.09. bis 23.10. mit Unterbrechung im Rahmen der Übergabe der technischen Ausrüstung die Testläufe mit Polizeiautos stattgefunden haben. Nun weiß ich jetzt technisch nicht ganz genau, wie das nun vor sich geht. Hat man da nur die Polizeiautos erfasst? Was hat man denn mit dem öffentlichen Verkehr, der auch durchgerollt ist, gemacht? Das muss man mir technisch erst einmal erklären. Aber da bin ich vielleicht nicht ganz auf der Höhe der Sache.
Meine Damen und Herren, bevor man sich dafür entscheidet, eine solche Maßnahme durchzuführen, muss konkret geprüft werden, ob diese auch rechtlich abgedeckt ist. Ich habe letztens gesagt, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit muss gewahrt bleiben. Auch das Polizeiaufgabengesetz, was wir im vergangenen Jahr novelliert haben, gibt in § 33 rechtlich eine Videoüberwachung in dem Tunnel nicht her - auf dem Goetheplatz in Weimar ja, bloß da hat man handwerklich schlecht gearbeitet, aber hier war es eben nicht gesetzlich abgedeckt.
Meine Damen und Herren, das Vertrauen zwischen dem Mitglied der Landesregierung und dem Parlament und die Grundlage einer seriösen Zusammenarbeit sind ernsthaft gestört. Ich kann nur sagen, Herr Ministerpräsident, es muss gehandelt werden. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns heute hier zu einer Sondersitzung zusammengefunden, um den...
Das ist Ihre Sondersitzung, die Sie beantragt haben. Lassen Sie mich doch wenigstens am Anfang noch sagen, ich bin der Meinung, dass diese Sondersitzung nicht notwendig gewesen wäre, denn