Protokoll der Sitzung vom 03.04.2009

Weitere Redemeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Für die Landesregierung Minister Reinholz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE möchte die Beteiligungen, die von der Tochter des E.ONKonzerns Thüga an den Thüringer Stadtwerken gehalten werden, kommunalisieren. Offen bleibt, warum sie das unbedingt will.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren der Linksfraktion, wir wissen natürlich, warum Sie das immer wieder fordern. Ihnen geht es darum, über die Kommunen in einem wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge, nämlich der örtlichen Energieversorgung, Ihren Einfluss zu stärken mit der Vorstellung, der Staat wird es schon richten.

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Wozu sind die Kommunen da!)

Darf ich Sie aber daran erinnern, dass es die Thüga war, die unmittelbar nach der Wende in kurzer Zeit eine Nachbarschaftshilfe für die ostdeutschen Energiekombinate organisiert hat. Das Unternehmen war ganz entscheidend daran beteiligt,

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, DIE LINKE: Das spielt überhaupt keine Rolle.)

den Grundstein insbesondere für den Aufbau einer flächendeckenden Erdgasversorgung in den neuen Ländern zu legen. Deshalb können Sie doch in der Rückschau nicht so tun, als sei das alles schlecht gelaufen, was dank dieser Unterstützung im Bereich der örtlichen Energieversorgung geleistet wurde. Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren, wenn Sie sich heute umschauen, müssen Sie doch einfach zur Kenntnis nehmen, dass wir mithilfe der Thüga und vor allem des regionalen Versorgers E.ON Thüringen eine moderne und leistungsfähige Energieinfrastruktur aufgebaut haben. Das lässt sich nicht einfach ignorieren, auch wenn Sie das gern so möchten.

In der Sache selbst, meine Damen und Herren, ist festzuhalten, dass es offensichtlich Überlegungen im Konzern E.ON Ruhrgas gibt, die Thüga zu veräußern, die für das deutschlandweit größte Netzwerk kommunaler Energieversorger steht. Die Thüga ist in Deutschland über Minderheitsbeteiligungen, wie Sie vielleicht wissen, an rund 110 Unternehmen beteiligt, wovon etwa 90 Energieversorger sind. In Thüringen, das wurde schon genannt, betrifft das aktuell acht kommunale Energieversorger. Die Beteiligung an zwei Stadtwerken wurde im Jahre 2006 an die E.ON Thüringer Energie AG veräußerst. Aus Sicht des Konzerns E.ON Ruhrgas wäre es bei einer etwaigen Veräußerung der Thüga nahe liegend, das Unternehmen natürlich als Ganzes zu verkaufen. Wenn das so käme, müsste das nicht gleich totale Veränderung bedeuten. Auch mit dem neuen Eigentümer könnte man an dem bisherigen Beteiligungsmodell festhalten. Das wäre nicht das Schlechteste, denn gerade auf dem Gassektor, auf dem der Wettbewerb unverändert um jeden Fortschritt kämpft, erscheint es nach wie vor sinnvoll, wenn sich kommunale Energieversorger über den Weg der Minderheitsbeteiligung weiterhin kompetente und leistungsstarke Partner ins Boot holen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat nach der Wiedervereinigung die Gründung leistungsfähiger kommunaler Versorgungsunternehmen nach Kräften unterstützt und dabei nachdrücklich dem Gedanken der kommunalen Selbstverwaltung Rechnung getragen. Das ging damals nur mithilfe der ausdrücklich gewollten Beteiligung von regionalen Stromversorgern und überregionalen Gasversorgern, die bis heute auch fortbestehen. So hält die E.ON Thüringer Energie AG aktuell an 29 Thüringer Kommunalversorgern Beteiligungen zwischen 10 und 49 Prozent, wie Sie wissen. Es sind aber nicht die Beteiligungen, die die kommunale Handlungsfähigkeit behindern, wir haben es heute bekanntermaßen - darüber haben wir schon einmal gesprochen - mit weltweiten Entwicklungen zu tun, die maßgeblich Wettbewerb und Preisentwicklung auch bestimmen, auf die wir als Landesregierung nur bedingt einwirken können. Eine Kommunalisierung der Thüga Beteiligungen würde daran kaum etwas ändern, deshalb lehnen wir den Antrag der Linksfraktion ab. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Abgeordneter Gerstenberger, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, noch gibt es eine Gewaltenteilung, der Antrag ging an den Landtag. Sie haben als Minister gesprochen. Sie können höchstens was empfehlen, aber nicht ablehnen. So viel sollten wir vielleicht auch in den letzten Monaten für dieses Parlament als demokratische Spielregel zumindest aushalten wollen und die Demokratie nicht von vorn verbiegen.

Zu ein paar Richtigstellungen im Antrag: Ihre einleitenden Sätze hatten weder einen Bezug zum Antrag noch einen Bezug zu den Reden. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, dem Herrn Kummer zuzuhören, anstatt das vorgefertigte Redemanuskript noch zweimal zu wenden, um es dann hier vorzulesen. Er hat nicht davon gesprochen, dass es uns um eine Kritik an der Thüga ging. Er hat auch nicht davon gesprochen, dass es in der Vergangenheit kritische Bemerkungen zur Beteiligung gab. Es gibt eine Aussage, dass E.ON diesen Anteil verkaufen will und verkaufen muss. Mit diesem Fakt ist umzugehen. Ihre unzulässigen Bewertungen haben den Umgang mit dem Fakt lediglich verwässert.

(Beifall DIE LINKE)

Die zweite Frage, und die ist eigentlich die entscheidende, Herr Minister: Wie steht dieses Parlament zu Stadtwerken? Diese Frage hat Herr Carius durch Unwissenheit beim Durchlesen des Antrags beantwortet. Diese Frage haben Sie auch deutlich beantwortet: Das interessiert Sie nicht und das interessiert die CDU-Fraktion nicht. Wir haben eine etwas andere Haltung. Wir sind der Auffassung, dass es dort durchaus ein Interesse geben sollte sowohl von Landesregierungsseite, aber auch von diesem Haus, die Kommunen dabei zu unterstützen, selbst zu entscheiden, mit wem sie zusammenarbeiten, und da liegt das Problem.

(Beifall DIE LINKE)

Es geht darum, dass sie sich den Partner selbst aussucht, mit dem sie anschließend eine Tätigkeit und eine Arbeit in dieser Gesellschaft im Interesse der Bürger, zur Sicherung der Versorgungssicherheit der Bürger eingeht. Es gibt eben keinen Freiheitsgrad, wenn die Thüga ein Paket verkauft und auf diese Art und Weise den Stadtwerken ein neuer Minderheitsbeteiligter vor die Nase gesetzt wird. Uns geht es darum, Einfluss darauf zu nehmen, die Selbstentscheidung und den eigenen Willen der Kommunen durchzusetzen. Ihnen geht es darum, an dem Problem nicht beteiligt zu sein, Arbeit zu sparen und den Kommunen bitte schön die Schuld dafür zu geben, dass sie ja die Beteiligung mit der Thüga eingegangen sind. Sie hätten sich ja auch jemand anderen

suchen könne, weil jetzt die Thüga veräußert wird. So geht es unserer Meinung nach nicht und das ist auch nicht der Gegenstand. Also ich plädiere noch mal dafür, die Frage zu entscheiden: Liegt uns als Landtag, liegt dieser Landesregierung etwas an den Thüringer Stadtwerken und den Partnern, die in den Stadtwerken zusammenarbeiten mit unseren Kommunen, oder liegt Ihnen, dieser Landesregierung und der CDU, nichts an der Zusammenarbeit und der Einflussnahme auf diese Prozesse? Das ist simpel und ergreifend der Inhalt dieses Antrags. Wir stehen klar dafür, dass wir sagen, wir versuchen mit den Kommunen gemeinsam eine Lösung zu finden, die ihnen den Handlungsspielraum bei der Suche nach einem Partner ermöglicht und nicht einen Fremden vor die Nase setzt. Sie müssen für sich jetzt entscheiden, ob Sie sich diesem Antrag anschließen, diese politische Aussage selber treffen wollen oder ob Ihnen Entwicklung in diesem Land Thüringen völlig egal ist. Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Abgeordneter Carius, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es gab ja früher mal einen Spruch, der hieß „Elektrifizierung plus Sowjetmacht ist gleich Kommunismus“. Heute drängt sich ja der Eindruck auf: Elektrifizierung plus Kommunalisierung ist gleich günstige Energieversorgung. Meine Damen und Herren, dieser Eindruck ist völlig falsch. Was Sie, Herr Gerstenberger, sagen zur Frage, wie die CDU-Fraktion und diese Landesregierung zu den Stadtwerken stehen, ich glaube, da sprechen unsere Taten in der Vergangenheit Bände. Wir stehen zu den Thüringer Stadtwerken, wir stehen zu den Möglichkeiten der Stadtwerke. Das haben wir in der Kommunalordnung verankert; wir haben das mit zahlreichen anderen Maßnahmen in den vergangenen Jahren immer wieder unterstrichen und belegt.

(Beifall CDU)

Ich will zur Wortmeldung des Ministers nur sagen: Er hat völlig recht. Sie haben hier überhaupt nicht dargestellt, welchen Vorteil das denn für die Thüringer Kommunen haben soll, sich an der Thüga letztlich zu beteiligen. Fest steht doch für uns eines: Die E.ON muss und will verkaufen. Das hat zum einen wettbewerbsrechtliche Gründe und zum anderen hat es den Grund - das hört man ja in allen Fluren und in allen Ecken -, dass die E.ON natürlich überlegt, wir verdienen mit dem Geschäft, was wir bisher hatten, überhaupt kein Geld mehr. In dieser Situation

wollen Sie die Thüringer Kommunen da hineindrücken, dass die ein Geschäft übernehmen, wo man kein Geld mehr verdienen kann? Da fragt man sich doch, was daran sinnvoll sein soll.

Mit der Debatte um Kommunalisierung nehmen Sie grundsätzlich Bezug auch darauf, dass - berechtigt oder unberechtigt - Angst besteht, dass Finanzinvestoren sich an irgendetwas beteiligen könnten. Gegenwärtig - ich möchte keine Frage von Herrn Gerstenberger beantworten, er kann ja gern noch mal vorkommen -, darauf möchte ich aufmerksam machen, fällt es außerordentlich schwer, überhaupt irgendeinen Finanzinvestor zu finden, der sich in einer solchen Größenordnung beteiligt, so dass sich gegenwärtig kommunale Konsortien bilden. Ich frage mich da wirklich, was denn das Problem ist, wenn ein kommunales Konsortium aus Kommunen anderer Länder sich hier an der Thüga beteiligt und damit die Beteiligung letztlich übernimmt. Das wird langfristig überhaupt kein Problem für die Versorgungssicherheit sein. Das wird auch kein Problem sein, wo Sie berechtigt oder unberechtigt irgendwelche Finanzinvestoren hier zu Felde führen können und sagen können, da gibt es riesige Probleme, die wollen jetzt hier gar nicht richtig investieren. Ich denke, wenn ein solches Konsortium sich findet - und gegenwärtig hat sich, das war jedenfalls die heutige aktuelle Meldung, ein solches Konsortium erneut gebildet -, ist die langfristige Versorgung unserer Bevölkerung hier absolut gesichert. Deswegen kann ich auch nicht empfehlen, dass die Landesregierung, ohne irgendeine rechtliche Handhabe zu haben, Gespräche mit E.ON aufnimmt, um in irgendeiner Weise letztlich den Gesamtverkauf hier zu unterbinden.

Ich will an der Stelle auch nur sagen: Die E.ON hat ein natürliches Interesse daran, sich nicht bei dieser Verkaufsgeschichte in Vorkaufsrechtsdiskussionen zu verheddern. Insoweit ist es völlig unnütz, ob unsere Landesregierung mit E.ON spricht oder nicht spricht. Das ist genauso gut, als wenn Ihr Fraktionsvorsitzender mit der E.ON Thüringen spricht. Das würde nämlich auch kein Ergebnis zeitigen. Deswegen werden wir weiter für die Ablehnung Ihres Antrags plädieren. Danke.

Abgeordneter Gerstenberger, war das eine Wortmeldung? Bitte, dann erteile ich Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird ja nicht besser, wenn man Unsinn erzählt, und das zum zweiten Mal. Ich versuche es noch mal mit dem Verlesen des Antragstextes, Herr Carius: „Die Landesregierung wird aufgefordert,

1. bei dem von der E.ON AG geplanten Verkauf der Stadtwerke-Holding Thüga AG Einfluss auf den Energiekonzern zu nehmen, die Beteiligungen einzeln zu verkaufen.“ Das hat den Grund, Herr Carius, dass man diese Vorkaufsrechte, die in aller Regel in Gesellschaftsverträgen enthalten sind, damit auch ziehen kann. Ansonsten hätte man nämlich diese Vorkaufsrechte nicht reinschreiben müssen. Ein Vorkaufsrecht - noch mal für Sie zur Erläuterung - hat den Vorteil, dass sich der Partner, der übrig bleibt im Unternehmen, seinen zukünftigen Partner selbst aussuchen kann. Das macht mitunter Sinn. Das hat was mit Psychologie zu tun, das hat was mit Unternehmenschemie zu tun. Das hat auch mitunter etwas mit unterschiedlichen Marktanteilen zu tun, wo man sagt, dieser oder jener Partner wäre mir genehmer. Das ist also eine strategisch richtige Entscheidung, den Partner selbst auszusuchen. Diese Chance wird aber unseren Stadtwerken dadurch genommen, dass E.ON festgelegt hat, Thüga-Anteile werden im Paket verkauft. Das heißt, es handelt sich um eine Einschränkung der Gestaltungsspielräume des kommunalen Gesellschafters durch die E.ON. Und jetzt geht es darum, mit Landesunterstützung - und das ist der weitere Teil des Antrags - diese Einschränkung, die aus einem rein rechtlichen Kalkül durch die E.ON gemacht wurde, aufzulösen im Interesse unserer Kommunen. Da habe ich die Frage gestellt an Sie: Wollen Sie diese Interessen der Kommunen unterstützen oder wollen Sie es nicht? Das manifestiert sich ganz einfach in der Feststellung, ob man dem Antrag zustimmen will oder ob man den Antrag ablehnt. In dem Antrag steht nicht, wie Sie eingangs noch mal versucht haben zu suggerieren, die Kommunen sollten sich an der Tüga beteiligen. Das ist schlicht und ergreifend der Tatsache geschuldet, wenn Sie so eine Behauptung aufstellen, dass Sie den Text in der Wortabfolge zwar gesehen, aber nicht verstanden haben, denn das steht nicht drin, darum geht es nicht. Noch mal, es geht um etwas anderes, es geht um die Sicherung der kommunalen Interessen. Das wird nicht dadurch erreicht, dass man sich hier vorn hinstellt und sagt, wir sind für die Sicherung der Interessen, sondern das wird dadurch erreicht, dass man etwas tut. Der Antrag möchte, dass Sie etwas tun und dass die Landesregierung etwas tut. Sie sagen, Sie wollen das nicht, das ist ein klares Signal an die Kommunen. Das sollten wir kommunizieren, Herr Carius, und nicht vom Thema ablenken und solche unsinnigen Aussagen machen, wie Sie sie getroffen haben. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist beantragt die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Wer für die

Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung. Damit ist die Überweisung mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag selbst, über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 4/4663. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung. Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 27

Novellierung des Thüringer Mit- telstandsförderungsgesetzes Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/4775 -

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung erstattet Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Reinholz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der Grundlage des vorliegenden Antrags der CDU-Fraktion befasst sich der Thüringer Landtag mit dem Mittelstandsfördergesetz und dem Vergaberecht.

Ich will gleich vorweg sagen, das ist ein Themengebiet, bei dem aus Sicht der Landesregierung der Grundsatz der Deregulierung, der Entlastung von Unternehmen und der Vereinfachung von Verfahren im Vordergrund stehen muss. Es geht schließlich um die Mittelstandsförderung und eine Vergabepraxis, die Unternehmen in Thüringen zugute kommen soll. Die wiederholt vorgetragenen Vorschläge der Opposition für immer neue Vorschriften, Regularien und Anforderungen, die im Vergaberecht berücksichtigt werden sollen, stehen dem diametral gegenüber. Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch die Landesregierung ist z.B. gegen Lohndumping oder für Gleichstellung, aber das ohnehin schon komplett durchregulierte komplexe Vergaberecht ist nicht der geeignete Ort, um solche Normen quasi durch die Hintertür einzuführen.

Die Thüringer Landesregierung hat in der Vergangenheit deshalb strikt am Grundsatz der Vereinfachung festgehalten, und wir haben allen Bestrebungen, die z.B. im Bereich des öffentlichen Auftragswesens

einer weiteren Bürokratisierung Vorschub geleistet hätten, stets widersprochen. Die Erfahrungen, die wir in Thüringen mit dem Vergaberecht und der Vergabepraxis gemacht haben, sind durchweg positiv. Zu den Einzelheiten hat mein Haus dem Thüringer Landtag im Mai 2007 einen Bericht zugeleitet. Da sich die Rechtslage bis heute nicht verändert hat, haben die dort gemachten Aussagen natürlich auch weiterhin Gültigkeit.

Ich möchte an dieser Stelle daher nicht alle Einzelheiten dieses Berichts, der eine umfassende Standortbestimmung des öffentlichen Auftragswesens in Thüringen vornimmt, wiederholen. Stattdessen werde ich mich auf einige grundsätzliche Aussagen beschränken.

Zunächst einmal ist zu betonen, dass sich der Verzicht auf ein spezifisches Vergabegesetz einschließlich Durchführungsverordnungen in Thüringen bewährt hat. Im Bereich des nationalen Vergaberechts gelten in Thüringen die Verdingungsordnungen VOL/A und VOB/A. Da sie selbst keine staatlichen Normen sind, sind die gesetzlichen Grundlagen für ihre Anwendung die Thüringer Landeshaushaltsordnung und die Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung. Diese beiden Gesetzesbestimmungen schreiben die Anwendung der Verdingungsordnung im Bereich der nationalen Vergaben zwingend vor. Über diese ohnehin relativ komplizierten und unübersichtlichen Regelungen hinaus wurden in Thüringen keine weiteren Rechtsvorschriften erlassen. Stattdessen wurde eine Thüringer Vergabemittelstandsrichtlinie erlassen, die den Vergabestellen Auslegungshilfen bei der Vorbereitung und Durchführung der Vergaben gibt. Die Erfahrungen mit der Vergabemittelstandsrichtlinie werden durchweg als positiv bewertet. Der Aufbau der Vergabemittelstandsrichtlinie folgt den einzelnen Verfahrensschritten eines Vergabeverfahrens und dient damit als Handlungsanleitung für eine mittelstandsfreundliche Vergabe.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der in der Diskussion um ein Vergabegesetz in Thüringen zuletzt verstärkt in den Fokus gekommen ist. Es geht um das Nachprüfungsverfahren. Natürlich gibt es auch in Thüringen die Möglichkeit der Nachprüfung von Vergabeentscheidungen. Die Opposition muss das Rad an der Stelle nicht noch mal neu erfinden. Beim Thüringer Landesverwaltungsamt waren im letzten Jahr 71 Nachprüfungsverfahren unterhalb der EG-Schwellenwerte bei der Rechtsaufsicht des Landesverwaltungsamts anhängig. Im Oberschwellenbereich waren dies im gleichen Zeitraum 78 Verfahren. Das spricht einerseits für die hohe Akzeptanz der Vergaben in Thüringen. Nur ein Beispiel: Bei 2.466 Vergaben im Baubereich in 2007 und 2008 hatte das Landesverwaltungsamt lediglich 52 Vergabebeschwerden zu entscheiden. Das entspricht

einer Beschwerdequote von 2,1 Prozent. In keinem Fall dieser Beschwerdeverfahren ergab die Nachprüfung, dass dem übergangenen Bieter im Ergebnis der Zuschlag zu Unrecht verwehrt wurde. Das zeigt andererseits, dass die derzeitige Regelung zu Nachprüfungsverfahren einen guten Kompromiss darstellt zwischen dem Recht, eine Vergabe anzufechten und dem Anspruch der Vergabestelle und des erfolgreichen Bieters, dass eine erfolgte Vergabe nicht endlos hinausgezögert werden darf.

Ich denke, das von der Bundesregierung beschlossene Konjunkturpaket II, das unter anderem auch eine zeitlich befristete Vereinfachung des Vergaberechts für Vergabestellen des Bundes vorsieht, verdeutlicht die Notwendigkeit einer gewissen Flexibilität der Vergaberegeln. Hier profitiert Thüringen von der klaren Linie, die die Landesregierung in dieser Hinsicht stets verfolgte. Das beginnt schon bei der Umsetzung der Bundesvorgaben auf Landesebene. Wir haben relativ kurzfristig durch eine Änderung der Vergabemittelstandsrichtlinie den Beschluss des Bundes in Thüringen umgesetzt. Es gelten nunmehr auch in Thüringen befristet, wie Sie wissen, bis zum 31.12.2010 die von der Bundesregierung beschlossenen erhöhten Wertgrenzen für die freihändige Vergabe, 100.000 € im Bereich VOL/A und VOB/A, für die beschränkte Ausschreibung 100.000 € im Bereich VOL/A und 1 Mio. € im Bereich VOB/A. Damit ist auch in Thüringen diese zur Unterstützung der Konjunktur ergriffene Maßnahme wirksam.

Damit komme ich nun zum Vergaberechtsmodernisierungsgesetz, mit dem sich der Bund übrigens selbst sehr eindeutig zu den Grundsätzen der Mittelstandsfreundlichkeit, der Effizienz sowie der Beschleunigung von Verfahren bekannt hat. Die Schlussabstimmung im Bundesrat hat zu diesem Gesetz am 13. Februar dieses Jahres stattgefunden. Die Mehrheit der Länder hatte sich trotz Bedenken zu der im Gesetz nicht geregelten Vergaberechtsfreiheit von bestimmten kommunalen Zusammenschlüssen dazu entschlossen, dem Gesetz zuzustimmen, um die Verbesserung für die mittelständische Wirtschaft alsbald wirksam werden zu lassen und nicht durch ein zeitaufwendiges Vermittlungsverfahren zu gefährden.

Das Gesetz, meine Damen und Herren, wird in Kürze in Kraft treten. Die Kernpunkte des Gesetzes sind bekannt. Sie umfassen eine mittelstandsfreundlichere Ausgestaltung des Vergaberechts, eine Beschleunigung im Rechtsschutzverfahren und eine Umsetzung der EG-Vergaberichtlinien sowie der Rechtsmittelrichtlinie. Der mittelstandsfreundlichen Zielsetzung der Gesetzesnovellierung soll in erster Linie durch die Änderung des Gesetzes gegen die Wettbewerbsbeschränkung entsprochen werden. Diese Änderung besagt, öffentliche Auftraggeber haben

zukünftig grundsätzlich eine Losvorgabe vorzunehmen und dürfen davon nur abweichen bzw. Lose zusammen vergeben, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies auch erfordern. Dadurch sollen die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft bei der Vergabe großer Aufträge ausgeglichen werden. Der Deutsche Bundestag hat die Verpflichtung zur Losteilung aus diesem Grund auch auf die ÖPPProjekte ausgedehnt. Im Hinblick auf diesen Punkt halte ich auch eine Novellierung des Thüringer Mittelstandsfördergesetzes für angezeigt, das sich in § 13 mit dem öffentlichen Auftragswesen und insbesondere auch mit der Frage der Losvergabe befasst. Wir werden daher prüfen, ob dieser Paragraph mit der Zielrichtung einer noch mittelstandsfreundlicheren Ausgestaltung an die aktuellen Anforderungen angepasst werden sollte. Weitere Änderungen des GWB betreffen die Anpassung an die EG-Vergaberichtlinie. Dies entspricht allerdings schon einer geltenden Rechtslage seit Einführung EG-Vergaberichtlinie im Jahre 2004. Der Begriff des Bauauftrags wird klargestellt. Dies hat besondere Bedeutung für Grundstücksveräußerungen im Rahmen städtebaulicher Verträge. Die Regelungen über das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer bzw. dem Oberlandesgericht wurden geändert mit dem Ziel einer Beschleunigung der Verfahren. So weit zu den Grundsätzen des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes.

Handlungsbedarf für Thüringen sehe ich, wie erwähnt, vor allem in der Frage der Losvergabe, die im Mittelstandsförderungsgesetz verankert werden sollte. Die Landesregierung wird selbstverständlich prüfen, ob es nach Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes weitere Auswirkungen gibt, an die das Mittelstandsförderungsgesetz dann ebenfalls anzupassen wäre. In diesem Zusammenhang ist natürlich eine grundsätzliche Novellierung des Mittelstandsförderungsgesetzes denkbar. Da liege ich 100-prozentig auf der Linie des Antrags der CDU-Fraktion. Das derzeit gültige Mittelstandsförderungsgesetz ist bereits im September 1991 als eines der ersten Wirtschaftsgesetze nach der Wende in Kraft gesetzt worden. Dieses Gesetz war und ist die Grundlage für nahezu alle Mittelstandsförderprogramme des Freistaats und hat sich in der Praxis auch bewährt. Seitdem sind allerdings 18 Jahre vergangen, die Wirtschaft in Thüringen hat sich erfreulich gut entwickelt, die Aufbauphase der ersten Jahre ist abgeschlossen. Neue Themen haben an Bedeutung gewonnen, zum Beispiel Unternehmensnachfolge, Existenzgründungen oder Innovation. Die Förderlandschaft hat sich verändert, neue gesetzliche Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene sind in Kraft getreten. Alle diese Umstände lassen es durchaus sinnvoll erscheinen, das Mittelstandsförderungsgesetz nach der kleinen Novelle 2005 noch einmal grundlegend zu überarbeiten. Damit könnte aus meiner

Sicht vor allem eine Straffung, Deregulierung und Klärung der Mittelstandsförderung erreicht werden.