Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Forderung meiner Fraktion seit 2004. Es wird unter Verweis auf die durchgeführte Anhörung zum Urteil des Verfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern einfach nur festgestellt, dass eine Reform aus verfassungsrechtlichen Gründen unmöglich und zudem prinzipiell nicht erforderlich sei. Herr Carius hat das in seinen Ausführungen soeben nochmals betont. Sie haben sich hinter diesem Urteil versteckt und es als Totschlagargument genutzt, um sich damit jeglicher Debatte zu entziehen. Ich sage Ihnen, in Mecklenburg-Vorpommern ist momentan selbst Ihre Partei - das wissen Sie am besten - dabei, diesen Sachverhalt aufzuarbeiten und an dieser Kreisreform weiterzuarbeiten. Auch mit Blick in Richtung SachsenAnhalt oder Sachsen hat man diese Konstrukte genau weiterverfolgt. Allein die Erfahrungen, die dort gesammelt worden sind, haben Sie hier in den Wind geschlagen und sie haben keine Berücksichtigung gefunden. Dabei wissen wir alle, wie solche Anhörungen ablaufen und auch abgelaufen sind. Jede Fraktion hat ihre Experten favorisiert und vorgeschlagen in Erwartung dessen, was sie natürlich auch hören wollen.

Im Abschlussbericht wird deshalb sehr häufig, nach unserem Empfinden sogar etwas überproportional häufig, auf den angehörten Prof. Hennecke verwiesen. Die Position von Prof. Hennecke war dabei schon von Anfang an klar, schließlich ist er der Geschäftsführer des Deutschen Landkreistags, also des Interessenverbands der Landkreise in Deutschland. Meine Damen und Herren, ich konnte weder vom Deutschen Landkreistag noch vom Thüringischen Landkreistag erwarten, dass eine Art Opferbereitschaft in Form von Strukturveränderungen aufgebracht wird. Ich sage ganz deutlich, da ist die Familie des Gemeinde- und Städtebunds in Thüringen viel weiter. Bei ihr ist das Signal ausgesandt, auch selbst über eigenen Strukturen nachzudenken, und die Bereitschaft erklärt worden, diese Systematik anzugehen, sich inhaltich einzubringen. Ich bedaure es zutiefst, dass der Deutsche Landkreistag und auch der Thüringische Landkreistag sich dieser Debatte mit Vehemenz verweigert haben. Wesentlich kritischere Stimmen, die sich mit dem Urteil befasst haben, wie z.B. die von Prof. Meier, bekamen vergleichsweise wenig Beachtung im Abschlussbericht eingeräumt - auch das bedaure ich zutiefst. Diese Auffassung vertritt im Übrigen auch der Gemeinde- und Städtebund. An der Stelle den Vertretern des Gemeinde- und Städtebunds noch mal Dank - auch aus der Sicht der Opposition -, die eine sehr engagierte Arbeit geleistet haben. Sie haben auch ihrer Enttäuschung Luft gemacht über ein mangelndes Votum zu einer Kreisgebietsreform durch die CDU-Mehrheit in der Kommission. Dazu hatte sich der Spitzenverband schriftlich geäußert und angekündigt, dem Abschlussbericht mit seinen Empfehlungen eben nicht zuzustimmen. Der Verband

hat darauf verwiesen, dass die Gemeinden und Städte viel weiter seien als die Landkreise. Die Gemeinden und Städte hätten sich bereits bewegt, wie wir in den zahlreichen Neugliederungsmaßnahmen der letzten Jahre bereits erkennen konnten und auch die Jahresversammlungen des Gemeinde- und Städtebundes haben immer auf diese Problematik hingewiesen.

Die Landkreise hingegen verharren in einer Art Schockzustand und ignorieren beharrlich alle Reformbemühungen, die sie irgendwie betreffen könnten. Ich bedaure das zutiefst und es hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass die Landräte immer die Befürchtung geäußert haben, ihren jeweiligen Status zu verlieren und - diese Erfahrung haben wir zum Thüringischen Landkreistag auch gemacht - erst nach Ausscheiden aus ihrem Amt haben sich ehemalige Landräte zu diesem Thema geäußert und durchaus Vorschläge für eine Gebietsreform der Kreise geäußert, aber erst nach der Niederlegung ihrer Amtsgeschäfte. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass auch der renommierte Experte der Universität Jena, Prof. Sedlacek, sich dem Abschlussbericht ebenfalls nicht anschließen konnte. Er hat leider aus Zeitgründen auf eine schriftliche Stellungnahme mit einem Minderheitenvotum verzichtet, aber ich verrate mit Sicherheit kein Geheimnis, das kennen Sie auch aus seinen wissenschaftlichen Ausarbeitungen, dass er sich durchaus auch für eine Veränderung der Kreisstrukturen ausgesprochen hat. Das tat im Übrigen auch der Vertreter der SPDFraktion, aber ich gehe mal davon aus, dass Sie von der SPD sich dazu auch noch selbst positionieren werden. Auch Prof. Backhaus von der Universität Erfurt hat sich ja sonst den Ideen der CDU nicht gerade verschlossen, er war ja ihr Vertreter. Er hat aber auch seine Zustimmung zum Abschlussbericht verweigert. Bitte nehmen Sie auch dies zur Kenntnis. In seinem Minderheitenvotum greift er in einem Punkt erstaunlicherweise auch einen ehemaligen Vorschlag von uns auf, nämlich was die Erweiterung der Möglichkeiten des kommunalen Wirtschaftsrechts betrifft. Hier haben wir seit 2005 mit dem Konzept zur Reform der Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung das in Bayern bewährte Modell der Anstalt des öffentlichen Rechts als Vorschlag gemacht, die Zweckverbände zu reformieren. Herr Prof. Backhaus fordert nun auch generell diese Option. Ein weiteres Minderheitenvotum von Herrn Schemmel, das hatte ich kurz angesprochen, geht ja auch in diese Richtung. Ich denke, auch das bestätigt uns in den notwendigen Reformvorhaben.

Erstmals haben in der Kommission neben unserer Fraktion, die bereits zu früheren Zwischenberichten ein Minderheitenvotum abgegeben hatte, auch mehrere Sachverständige - das ist neu - eine abweichende Meinung formuliert. Die Fraktion DIE LINKE

war in der Kommission die Fraktion, die ein Konzept für eine geschlossene Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform in der Kommission fortwährend zur Diskussion gestellt hat. Das hat auch nicht jedem Mitglied gefallen, aber ich denke, wir haben beharrlich - und das Ergebnis gibt uns recht - in dieser Forderung nicht nachgelassen. Dabei dürfen wir erfreulicherweise feststellen, dass wesentliche Kernelemente unseres Konzepts durchaus auch von Sachverständigen in Teilfragen bestätigt worden sind. So konnte beispielsweise aufgrund der Erfahrungen anderer Bundesländer nachgewiesen werden, dass es möglich ist, auch in Thüringen von der Dreistufigkeit der Landesverwaltung auf die Zweistufigkeit umzustellen. Es ist auch kein Geheimnis und ich nehme das Herrn Stephan auch nicht übel, wenn er als Präsident des Thüringer Landesverwaltungsamts keine Laudatio zur Auflösung seiner Behörde hält. Es ist logisch, dass er als Chef seine Verwaltung natürlich mit Klauen und Zähnen verteidigt, aber ich denke, auch in diesem Bereich gilt es, darüber nachzudenken - und die Erfahrungen der anderen Bundesländer haben bewiesen, dass es geht -, mit dem politischen Sachverstand und dem politischen Willen diese Aufgabe umzusetzen.

Die Einrichtung von Bürgerservicebüros wurde vielfach als wünschenswert bezeichnet. Selbst der Vorschlag zur Bildung sogenannter Regionalkreise wurde nicht prinzipiell - und da widerspreche ich Herrn Carius - verworfen, sondern es wurde lediglich in einzelnen Detailfragen deutlich, dass wir offensichtlich noch stärker als bisher für Klarheit sorgen müssen, was Aufgabenstellungen von Regionalkreisen sind. Hier gibt es eine Gemengelage zur Bedeutung dieser Regionalkreise, eine Zudeutung zu Regionalkreisen, die in allen drei Fraktionen wohl sehr unterschiedlich aufgenommen und diskutiert worden ist.

Meine Damen und Herren, es wird deutlich, dass die Enquetekommission dem eigentlichen Anspruch des Auftrags nicht gerecht wurde. Ein Problem war dabei - und da widerspreche ich auch Herrn Carius -, dass man nicht ergebnisoffen in die Sacharbeit gehen konnte, weil - und das waren meine Ausführungen anfangs - der Ministerpräsident schon die Messlatte sehr hoch gehangen hatte in Richtung CDU-Fraktion, sich nicht unmittelbar um Reformen in dieser ganzen Frage zu bemühen, sondern immer wieder der Verweis auf das Behördenstrukturkonzept gemacht worden ist.

Ich habe bereits gestern das Ergebnis der Enquetekommission bzw. die Handlungsempfehlungen der CDU bewertet mit der Aussage: Der Berg kreißte und gebar nicht einmal eine Maus, aber ich sage auch ganz deutlich, dass, wer niemals - das ist eine optimistische Aussage - anfängt, wird auch nie

mals etwas zustande bringen. Insofern will ich auch diesen Abschlussbericht bewerten, weil eine Menge an Analyse- und Datenerfassung vollzogen ist, die auch für eine künftige, vielleicht entscheidungsfreudigere Landesregierung vonnöten ist, um diesen Reformprozess weiter voranzubringen, der jetzt die letzten vier oder fünf Jahre nicht möglich war. Insofern ist dieses zusammengetragene Datenmaterial sinnvoll für ein weiteres politisches Herangehen zu dieser Strukturfrage hinsichtlich effizienter Verwaltungs- und Gebietsstrukturen.

Wir, meine Damen und Herren, als Fraktion DIE LINKE sind dazu bereit. Mit dem Minderheitenvotum haben die Mitglieder der Enquetekommission der Fraktion DIE LINKE ihre Handlungsempfehlungen abweichend von den Handlungsempfehlungen der Mehrheit der Enquetekommission formuliert, weil Sie, meine Damen und Herren von der CDU, mit Ihren Handlungsempfehlungen ab Seite 185 den demographischen Wandel als zentrales Handlungsfeld der Politik, die Zwei- oder Dreistufigkeit mit und ohne Landesverwaltungsamt, die Haushaltsentwicklung von Land und Kommunen, die Kreisgebietsstrukturen, e-Government sowie Privatisierung und PPP-Modelle dargestellt und dann letztendlich aber parteipolitisch dem Ganzen Ihren Stempel aufgedrückt haben. Das wird und kann nicht unsere Zustimmung finden.

Ich will abschließend auf einen Satz verweisen, den gestern die Präsidentin des Landtags bei der Übergabe des Abschlussberichts formuliert hat: Der Abschlussbericht sollte die Zukunftsfragen für den Freistaat Thüringen beantworten. Ich darf heute feststellen, diese Antwort vermissen wir. Diese Antwort hat der Abschlussbericht nicht gegeben. Es wurde ebenfalls darauf verwiesen, es sei ein zukunftsfähiges Papier für die Weiterentwicklung mit Handlungsempfehlungen. Auch das kann ich in den Handlungsempfehlungen der Mehrheit der Enquetekommissionsmitglieder nicht erkennen. Das bedaure ich zutiefst, deshalb war es notwendig, dass sich unsere Fraktion mit einem Minderheitenvotum lautstark und sehr tiefgründig dazu geäußert hat. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt Abgeordnete Taubert, SPDFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte im Rahmen der Diskussion zum Abschlussbericht der Enquetekommission 4/1 noch

mals kurz darauf eingehen, warum damals überhaupt so eine Situation war, die die Notwendigkeit dieser Enquetekommission hat ergeben lassen. Wir haben zum damaligen Zeitpunkt zunehmend Gemeinden gehabt, die unter die Mindestgrenze von 3.000 Einwohner rutschten, und das Innenministerium musste Ausnahmegenehmigungen schreiben. Das hat zu Unsicherheit bei Bürgermeistern und Gemeinderäten geführt, wie es denn weitergeht.

Zum Zweiten hatte zum damaligen Zeitpunkt auch die Diskussion über Regionalkreise etwas für Unruhe gesorgt und es gab andere, noch unausgegorene Vorschläge zur Verwaltungs- und Gebietsreform. Ich erinnere daran, dass auch die Funktionalreform im Gespräch war. Auch da war nicht ganz klar, was passiert jetzt. Wir hatten ja über mehrere Jahre z.B. in dem Bereich der Kommunalisierung der Umweltämter die Diskussion gehabt, kommt es nun dazu oder kommt es nicht.

All die Punkte haben dazu geführt, dass wir den Vorschlag machten, eine solche Enquetekommission einzusetzen, um diese Vorschläge auch wissenschaftlich zu untersetzen, den Ausgangszustand zu bewerten und einen fundierten, brauchbaren, vor allem die zukünftigen Veränderungen beinhaltenden Expertenvorschlag zu machen. In dem Zusammenhang möchte ich auch allen Experten, die außer den Abgeordneten zugeladen waren, Mitglieder der Enquetekommission waren, ganz herzlich danken. Es ist schon angesprochen worden, es waren oft lange Sitzungen, umfängliche Beratungen notwendig. An dieser Stelle sei allen gedankt, egal mit welchem Vorschlag oder welchem Minderheitenvotum oder welcher Zustimmung sie auch am Ende aus der Enquetekommission gegangen sind.

Wir sehen es auch so, dass die Datensammlung ein gutes Fundament ist für eine weitere Diskussion. Das sollten wir auch nicht negativ reden, das ist gut gewesen. Trotz alledem sind wir natürlich schon unzufrieden, wir haben das ja auch mit unserem Austritt dann aus der Enquetekommission, mit dem Rückzug der SPD-Mitglieder kundgetan, weil dieser Minimalkonsens, den wir mit der Landgemeinde gefunden haben - und das ist ein Minimalkonsens gewesen -, der ist noch nicht mal in dem Maße dann auch gesetzlich umgesetzt worden, sondern nur zum Teil. Wir stimmen da deutlich zu, auch die Verwaltungsgemeinschaften dürften in der Kommunalordnung nicht mehr drinstehen, dass sie noch gegründet werden können. Das ist heute nicht mehr zeitgemäß, das hat auch nichts damit zu tun, dass die gut oder schlecht arbeiten, es geht einfach um eine Form der Verwaltung, die effizient ist und die auch für die Zukunft noch erwarten lässt, dass Verwaltungsaufgaben in einer guten Qualität erfüllt werden können.

Was die Frage einer weiteren Verwaltungsreform, Funktionalreform bzw. dann auch nachführend Strukturreform sowohl auf Landes- als auch vor allen Dingen auf Kreisebene betrifft, da hat die Enquetekommission leider abschließend mehrheitlich gesagt, es soll sich da nichts mehr ändern, der Status quo ist schön. Der Status quo ist fatal und nicht schön und auch nicht dauerhaft haltbar und die Argumente, die angeführt werden, da stimme ich Herrn Hauboldt durchaus zu, die sind sehr einseitig. Wer die Funktional- und Kreisgebietsreform in Sachsen verfolgt hat, der sieht, dass durchaus gute Argumente dafür sprechen, dass man trotz Dreistufigkeit größere Gebiete braucht, um Aufgaben auf kreislicher Ebene - das sind ja Aufgaben, die die Gemeinde allein nicht lösen kann - in größeren Gebieten zu lösen. Dort sind alle Einwände, die mir bisher bekannt sind, auch rechtlich abgewiesen worden, also den Einsprüchen ist nicht stattgegeben worden, so dass wir uns schon an Sachsen messen könnten. Sachsen hat ja schon 1994 größere Kreise gebildet, doppelt so große Kreise, wie wir sie hatten. Man kann auch nicht sagen, dass die Quer- und Längstäler in Sachsen andere sind. Wenn Sie ans Erzgebirge denken, da ist ja im Übrigen der größte Kreis gebildet worden, nicht ganz ohne Probleme, die Leute haben sich auch versucht, aber trotz alledem ist auch da gesagt worden, es ist rechtens, so dass wir nicht sagen können, unsere geographische Lage ist in der Form anders, sondern sie ist durchaus vergleichbar mit Sachsen. Deswegen ist dieses Votum schon misslich. Die kommunalen Spitzenverbände, insbesondere der Gemeinde- und Städtebund, haben das ja auch bedauert, dass jetzt so ein einseitiges Votum aus der Enquetekommission herausgekommen ist. Es soll uns nicht entmutigen, wir haben ja wieder eine neue Legislatur und dann kann man auch darüber reden. Da bin ich auch froher Hoffnung, dass da mehr möglich ist, weil der Zwang einfach größer wird. Wir haben die demographische Entwicklung, wie sie ist, und ich habe schon den Eindruck, dass es sehr viele Menschen gibt, die in Verantwortung stehen, vor allem die in der Mitte dieses Plenums sitzen, die denken, so schlimm, wie es kommen könnte, wie man sagt von der Wissenschaft aus, so schlimm wird es gar nicht kommen. Aber die Kinder sind geboren, die die nächsten 20 Jahre Eltern werden. Wir wissen, dass wir demographisch ein Problem haben, damit auch ein finanzielles Problem haben werden. Wenn wir tatsächlich unsere Verwaltungsaufgaben - wie gesagt - stetig in guter Qualität noch anbieten wollen, werden wir Veränderungen vornehmen müssen. Auch den Kreisen wird einleuchten, dass sie in ihrer Struktur schon jetzt stark begrenzt sind. Wir können die Landräte verstehen aus ganz persönlichen Erwägungen, das ist menschlich verständlich, es ist aber nicht weitsichtig. Jeder, der in der Lage ist und stark genug ist, zu sagen, ich

kann mich auch selbst abschaffen, der braucht sich um seine Zukunft überhaupt keine Gedanken zu machen.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Wohl weil er dann keine mehr hat?)

Herr Carius, nein - wer so mutig ist und mutige Entscheidungen trifft, der wird immer wieder angefragt, ob er nicht auch andere Aufgaben übernehmen kann. Herr Carius, noch eins, weil ich vorhin interveniert habe, weil Sie sagten, die SPD hat die Großkreise drauf auf dem Schirm. Was ist ein Großkreis? Fridolin, der Dachs, zählte eins, zwei, drei, viele, mehr konnte der nicht und wenn größer als jetzt groß ist, ist das auch nur eine Interpretationsfrage, also 200.000 Einwohner sind noch nicht riesengroß. Sie sind im Verhältnis zu Sachsen schon relativ klein.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Im Ver- hältnis zu Apolda sind sie ziemlich groß.)

Im Verhältnis zu Apolda mag es recht groß sein. Aber das ist eine relative Frage. Insofern, denke ich, ist das auch nicht die richtige Bewertungsgrundlage, zu sagen, die einen Großkreise und die anderen haben Regionalkreise und das lehnen wir alles ab. Für mich ist wichtig, dass es auch in einem verfassungsrechtlichen Rahmen bleibt. Ich denke, da haben selbst Sie, Herr Hauboldt von der Linksfraktion gesagt, unser Masterplan, den stecken wir lieber wieder in die untere Etage, das ist dann doch nicht so ganz umsetzbar. Sie sagen ja manchmal, Sie sind lernfähig. Also auch da hoffen wir darauf, dass wir gemeinsam, da halte ich es auch mit den Ausführungen vom Gemeinde- und Städtebund, in der nächsten Legislatur tatsächlich auch in der Frage Funktional- und Kreisgebietsreform ein Stück weiterkommen. Danke.

(Beifall SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit kann ich den Tagesordnungspunkt 24 abschließen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6

Thüringer Bildungsfreistellungs- gesetz (ThürBfG) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 4/4966 - ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Aussprache und als erste Rednerin hat das Wort Abgeordnete Skibbe, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Fraktion DIE LINKE stimmt dem Gesetz, dem Bildungsfreistellungsgesetz, nach wie vor zu. Wir halten es für dringend notwendig und längst überfällig. Dennoch sind wir noch immer der Meinung, wir diskutieren diesen Gesetzentwurf zur falschen Zeit.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Blödsinn.)

Wir haben auch Zweifel daran, ob man ernsthaft mit diesem Thema umgeht. Wenn wenigstens der Ansatz einer ernsthaften Behandlung bestehen würde, hätte man das Thema vielleicht auch in den Bildungsausschuss nehmen können und die Behandlung dort beantragen können.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das liegt doch nicht an uns, das liegt an denen hier. Das ist die Mehrheit.)

Das wäre auch bei einer Ablehnung, so wie das die CDU-Fraktion bereits in der ersten Lesung signalisiert hatte, möglich gewesen. Ich denke, eine Initiative Richtung SPD-Fraktion hätte man auch hier erwarten können. Ein Austausch von Argumenten wäre an dieser Stelle vielleicht auch umfangreicher möglich gewesen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Eine Anhörung wäre möglich gewesen.)

Ja, sogar auch eine Anhörung wäre möglich gewesen, Sie sagen es, Herr Abgeordneter Döring. Unsere Forderungen bezüglich Bildungsfreistellung sind in einigen Punkten weitergehend als der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Ich möchte es noch einmal benennen: Zum einen fordern wir flexiblere Lösungen für eine Bildungsfreistellung für zwei und mehr Jahre. Wir wollen außerdem den Kreis der Berechtigten für Bildungsfreistellung nicht einschränken und erwarten, dass auch Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Asylbewerber diese Leistung nutzen können. Zum Dritten müssen natürlich ausreichende Haushaltsmittel bereitgestellt werden, die nicht aus dem Topf der Erwachsenenbildung kommen dürfen. Wir halten es auch nicht für ausreichend, dass sich die Unternehmen eine Selbstverpflichtung auferlegen. Gerade für Klein- und Kleinstunternehmen muss eine Verpflichtung per Gesetz bestehen, dass sich ihre Arbeitnehmer ausreichend qualifizieren und weiterbilden können.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Die ist auch da.)

Wenn Sie, Herr Abgeordneter Emde, wie in der ersten Lesung bereits geschehen, kritisieren, dann denke ich, es müssen entsprechende Bestimmungen in das Gesetz mit eingearbeitet werden, damit auch diese Betriebe entsprechende Rechtssicherheit bekommen.

In Tagesordnungspunkt 5 hat der Abgeordnete Fiedler zum Gesetz zur Änderung von Vorschriften zum Brand- und Katastrophenschutz sowie zum kommunalen Versorgungsverband von Ehrenamt pur gesprochen. Ich denke, dieses Gesetz hier ist nicht nur für Ehrenamtliche da, aber auch für Ehrenamtliche. Ich denke, Weiterbildungsmaßnahmen, die heutzutage für Ehrenamtliche häufig an den Wochenenden passieren, könnten auch in der Woche getätigt werden. In anderen Bundesländern - genau gesagt in 12, wir hatten es in der ersten Lesung deutlich gesagt - ist das Bildungsfreistellungsgesetz längst Usus. Wir fordern das auch für Thüringen und werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Döring, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eine starke Strömung ist der Ansicht, allzu viel Bildung schadet nur, die Leute könnten ja wirklich kritisch werden. Diese Äußerung der auch von mir hoch geschätzten Politikerin Hildegard Hamm-Brücher mag einem in den Sinn kommen, wenn man an die Reaktion der CDU-Fraktion auf unseren Gesetzentwurf in der ersten Lesung zurückdenkt. Die Ablehnung dieses Gesetzesvorschlags durch die Landtagsmehrheit hat uns in keiner Weise verwundert. Schon immer ist die CDU vornweg, wenn es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Rechte zu verweigern.

(Beifall SPD)

Bereits 1992 hat die Landtagsmehrheit einen Gesetzentwurf der SPD zurückgewiesen; 17 Jahre später sind die Argumente der CDU nicht besser geworden. Sie dienen ausschließlich der Vernebelung der Tatsache, dass die CDU als Interessenvertreterin der Arbeitgeberseite fungiert. Mitten zur Unzeit, stöhnte der Abgeordnete Emde, käme unsere Initiative und Frau Ministerin Lieberknecht sekundierte, es sei zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Arbeitgeber und spricht von einem Moratorium für unsere derzeit belastete Wirtschaft. Doch, Frau Lie

berknecht, wann wäre es für die CDU nicht mitten zur Unzeit, wenn es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Rechte zu gewähren. Wenn es Ihnen wirklich um die Wirtschaftskrise ginge, so müssten Sie sich fragen lassen, warum Sie 1992 unserem Gesetzentwurf nicht zugestimmt haben, wo doch nach Ihrer Meinung damals blühende Landschaften bevorstanden. Wenn die Wirtschaft boomt, darf der Boom nicht gefährdet werden, wenn die Wirtschaft kriselt, darf die Wirtschaft nicht belastet werden, so bewegen wir uns ewig in der Unzeit.

(Beifall SPD)

Ich wiederhole noch einmal, es geht Ihnen um die grundsätzliche Abwehr von Arbeitnehmerrechten. In wohl- und hohlklingenden Worten hat der Abgeordnete Emde von Selbstverpflichtung gegenüber Vertrauen, mehr gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung von denen, die Arbeit schaffen, und denen, die sie leisten, gesprochen, um eine gesetzliche Regelung zu negieren.

Hier wird deutlich, meine Damen und Herren, dass wir als Sozialdemokraten uns grundsätzlich von diesem Ansatz unterscheiden. Wir wollen, dass die Arbeitnehmer Rechte haben und selbst entscheiden können, ob diese in Anspruch genommen werden oder nicht. Wir wollen keine Fortbildung als Gnadenakt des Unternehmers, weil wir wissen, dass Seminare, die nicht dem unternehmerischen Interesse dienen, dann kaum noch möglich wären. Besonders hanebüchen ist dabei der von Frau Ministerin Lieberknecht konstruierte Zusammenhang, dass die Länder ohne Bildungsfreistellungsgesetz die leistungsstarken, die wirtschaftsstarken, die pisastarken Länder seien. Wirtschaftlich starke Länder wie z.B. Hessen und wirtschaftlich schwache Länder wie Sachsen-Anhalt verfügen über ein Bildungsfreistellungsgesetz. Es besteht schlichtweg kein Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stärke und der Frage der Existenz oder Nichtexistenz eines Bildungsfreistellungsgesetzes. Wenn Sie jedoch, werte Frau Ministerin Lieberknecht, hier einen Zusammenhang konturieren wollen, können Sie offensichtlich Parallelität und Kausalität nicht auseinanderhalten. Das zeugt nicht gerade von PISA-Stärke.

Meine Damen und Herren, auch andere Länder mit Bildungsurlaubsgesetzen haben eine kleine und mittelständische Wirtschaftsstruktur. Wir wissen sehr wohl um die besonderen Probleme dieses Bereichs. In keinem dieser Bundesländer ist es durch Bildungsurlaubs- bzw. Bildungsfreistellungsgesetze dazu gekommen, dass deren Existenz gefährdet worden sei. Nennen Sie mir einen einzigen Betrieb in Deutschland, der durch Inanspruchnahme von Bildungsfreistellung in den Ruin getrieben worden wäre. Das Geschrei der Arbeitgeberverbände

und ihrer politischen Lautsprecher, also Ihrer Partei, wäre doch nicht zu überhören gewesen.