Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

Ein weiteres Wahlversprechen des Ministerpräsidenten wird meiner Meinung nach noch viel teurer werden, es ist das Vermögen - Sondervermögen, wie Sie es nennen - ich sage, die Sonderschulden, denn durch die neue Kreditaufnahme beim Abwasser und Wasser wird es kein Sondervermögen geben, im Gegenteil, Sie werden dadurch zusätzliche Schulden machen. Wir haben uns im Ausschuss

auch darüber unterhalten, Frau Ministerin, und ich glaube, durch diese zusätzlichen Schulden, mit denen Sie die Kommunen entschulden wollen, die dazu gezwungen werden, erst Schulden zu machen, haben Sie sich optisch nur daran beteiligt, den Landeshaushalt geschönt vorzulegen, und durch die Anwendung solcher Buchhaltertricks konnten Sie nur einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen. Aber die Zukunft, über die Sie so gerne reden, ist damit nicht gesichert, möchte ich nur mal sagen.

(Beifall bei der SPD)

Positiv zu erwähnen sind die relativ moderaten Kürzungen im Bereich der Landwirtschaft. Dies liegt aber weniger an der Politik der Landesregierung, sondern vor allem an der konstanten Mittelzuweisung der EU und des Bundes. Aber immer, wenn es nicht so richtig läuft, sind die EU und der Bund Schuld, aber die Mittel werden konstant im Landeshaushalt eingearbeitet. Zumindest auf dem Papier haben wir durch diese Mittel eine gewisse Planungssicherheit im Bereich der Landwirtschaft. Ungewiss ist jedoch, Herr Kummer ist darauf schon eingegangen, ob die GAMittel denn auch immer kofinanziert werden. Auch da würde ich bitten, dass das in diesem Jahr vielleicht in Gänze erfolgen könnte. Thüringen wird gern als grünes Herz Deutschlands bezeichnet. Dies ist weniger politisch gemeint, das kann man auch bedauern, sondern mehr auf den hohen Waldanteil der Mittelgebirgsregion, und dient der touristischen Vermarktung. Der aktuelle Waldschadensbericht bescheinigt dem grünen Herzen aber keinen guten Gesundheitszustand. Maßnahmen zur Verbesserung der Waldgesundheit in Thüringen sind daher verstärkt erforderlich. Um diese Maßnahmen zu unterstützen, hatte die SPD-Fraktion einen Antrag gestellt zur Bodenschutzkalkung, aber auch leider - der betraf auch keine hohen Mittel - wurde er im Haushalts- und Finanzausschuss abgelehnt.

Noch ein Wort zu dem 08er - Verbraucherschutzzentrale Thüringen: Wir haben gerade den Verbraucherschutzbericht der Bundesrepublik und der Verbraucherzentralen gehört und wir sind da eindringlich gelobt worden über unser Netz der Verbraucherzentralen. Nun wird auch in diesem Titel, obwohl wir da wirklich federführend in Deutschland sind, gekürzt, so dass es schwierig wird, das flächendeckende Netz der Verbraucherzentralen zu erhalten. Wir hatten auch da einen Antrag gestellt. Das waren nicht so hohe Summen, aber auch dieser Antrag wurde leider im Haushalts- und Finanzausschuss abgelehnt. Wir haben es unterlassen, diese Änderungsanträge noch mal ins Plenum zu bringen, weil wir ja die politische Mehrheit im Haushalts- und Finanzausschuss und auch in diesem hohen Haus kennen, wollen aber damit nicht kundtun, dass wir politisch daran nicht interessiert sind, Herr Minister,

also wenn Sie noch Möglichkeiten sehen, unsere Ansätze doch zu unterstützen, würden wir Ihnen sehr dankbar sein.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen vor. Das bleibt auch so. Dann schließe ich den 8. Komplex.

Im 9. Komplex beraten wir den Einzelplan 10 - Ministerium für Bau und Verkehr - gemeinsam mit dem Einzelplan 18 - Staatliche Hochbaumaßnahmen - und den Artikeln 16, 17, 18 und 19 des Thüringer Haushaltsstrukturgesetzes.

Hier betragen die vereinbarten Redezeiten für die Fraktionen: CDU 22 Minuten, PDS 16 Minuten, SPD 12 Minuten. Nach 7 Minuten Redezeit der Landesregierung verlängert sich die entsprechende Redezeit der Fraktionen. Für die PDS-Fraktion rufe ich Abgeordneten Lemke auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Zitat aus dem Thüringer ÖPNVGesetz beginnen. Darin heißt es in § 2 Abs. 1 unter anderem - ich zitiere: "ÖPNV ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Er soll im Interesse der Herstellung und Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen, der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit eine attraktive Alternative zum motorisierten Individualverkehr darstellen und damit einen weiteren Anstieg des motorisierten Individualverkehrs insbesondere in und zwischen den Verdichtungsräumen verhindern." In Absatz 3 heißt es: "Grundsätzlich soll für die Bevölkerung in allen Landesteilen erreicht werden, dass jeder die wichtigen Ziele seiner täglichen Lebensgestaltung unter zumutbaren Bedingungen zu sozialverträglichen Tarifen mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann."

Meine Damen und Herren der CDU, Sie verstoßen mit der Zustimmung zu Artikel 16 des Haushaltsstrukturgesetzes gegen das Gesetz.

(Beifall bei der SPD)

Sie zwingen die Aufgabenträger und -umsetzer dazu, Streckenkürzungen oder Ausdünnungen vorzunehmen. Sie schließen gerade die Schwächeren der Gesellschaft von der Teilhabe am ÖPNV aus. Von der Erreichbarkeit bzw. Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Landesteilen kann gar keine

Rede mehr sein. Sie verabschieden sich immer weiter von Ihrer Aufgabe der Daseinsvorsorge. Sie zwingen durch Ihre Kürzung immer mehr Menschen dazu, ihre Mobilitätsbedürfnisse durch die Nutzung von Verkehrsmitteln des Individualverkehrs zu befriedigen. Sie nehmen dabei billigend in Kauf, dass durch die Zunahme des Individualverkehrs die Verkehrssicherheit maßgebend negativ beeinflusst wird. Sie nehmen in Kauf, dass die Umweltbelastung weiter steigt, Sie gefährden damit das Leben und die Gesundheit der Menschen. Die Verkehrspolitik der Landesregierung orientiert sich nicht an den Bedürfnissen des Großteils der Bevölkerung. Sie ist - wie in anderen Politikbereichen auch - reine Lobbypolitik. Ein gravierendes Beispiel ist die Bezuschussung des Luftverkehrs, insbesondere die Subventionierung von Linienflügen und die jährlichen Zahlungen für den Flughafen Erfurt. Sie leisten es sich, Fluglinien zu subventionieren. Diese Flugverbindungen werden von nahezu 99 Prozent der Bevölkerung gar nicht genutzt und deshalb gar nicht gebraucht. Sie betreiben hier einen Angebotsverkehr für ein privilegiertes Klientel, der es auch zuzumuten wäre, die relativ nahe gelegenen internationalen Flughäfen Frankfurt/Main oder Leipzig zu nutzen.

Beim ÖPNV sind Sie dagegen von angebotsorientierten Verkehrsleistungen weit entfernt. Sie werden mit Ihrer Finanzpolitik noch nicht einmal mehr ein bedarfsorientiertes Angebot erreichen.

Meine Damen und Herren! Herr Mohring - jetzt ist er nicht da -, also kann er auch nicht sagen, ich bin doch da. Da ist er - Herr Mohring.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Herr Mohring hat sich heute früh hier hingestellt und ein Klagelied über den bestehenden Schuldenberg und über die Fehlleistungen der Bundesregierung angestimmt. Er tat so, als ob die Schulden, die Thüringen vor sich herschiebt, von der Union übernommen worden sind und sie nun die undankbare Aufgabe hätten, diesen Berg abzutragen. Herr Mohring, Ihre Partei ganz allein hat Thüringen in diese Lage gebracht. Die CDU hat zu verantworten, dass es kaum noch finanziellen Spielraum für Gestaltung von Politik im Sinne der hier lebenden Bürger gibt.

(Beifall bei der PDS)

Sie haben unseriös gewirtschaftet und tun es auch immer noch. Als Beispiel will ich Ihnen sagen, dass der ÖPNV in Thüringen inzwischen fast komplett aus Regionalisierungsmitteln finanziert wird, aus Mitteln des Bundes, die eigentlich für den Schienenpersonennahverkehr vorzusehen sind. Sie bestreiten die Zuschüsse für den Schülerverkehr inzwischen fast komplett aus Regionalisierungsmitteln, die Zuwen

dungen an Aufgabenträger im straßengebundenen ÖPNV fast komplett aus Regionalisierungsmitteln. Sie schreiben diese Regelung fest, obwohl Sie genau wissen, dass der Bundesrechnungshof die Auslegung des Regionalisierungsgesetzes in dieser Form problematisiert hat und spätestens im Jahr 2007 Ihnen das gesamte Konstrukt um die Ohren fliegt, da die Regionalisierungsmittel nach der dann anstehenden Überprüfung um genau den Teil gekürzt werden, den Sie dem SPNV durch Umwidmung entzogen haben.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, ein besonderes Bonbon haben Sie uns ja mit der von Ihnen vorgeschlagenen Änderung des Artikels 16 des Entwurfs des Haushaltsstrukturgesetzes geliefert. Nachdem die Festlegung in Artikel 16 des Haushaltsstrukturgesetzes die Fixierung von Finanzmitteln des Landes zu den Betriebskosten und Investitionen für Stadtbus- und Straßenbahnsysteme zu massiven Protest geführt haben, bieten Sie nun die Aufweichung dieser Festlegung an, indem Sie nur noch von Zuwendungen des Landes reden und alles andere solle der zuständige Minister in einer Förderrichtlinie regeln. Sie versuchen hier, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Erstens bekommen Sie die für Sie unangenehme und lästige Diskussion mit dieser schwammigen Aufweichung vom Tisch und zweitens kann Ihr Minister da völlig unabhängig vom Parlament in seiner Förderrichtlinie genau das festlegen, was Sie mit der geplanten Gesetzesänderung sowieso bezweckt haben.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie sind scheinbar gar nicht daran interessiert, Politik aktiv zu gestalten. Sie wollen Ihre Gestaltungsmöglichkeit an einen Ihrer Minister übertragen und damit das Parlament bei der aktiven Gestaltung außen vor lassen. Die PDS-Fraktion will ihre Handlungsaktion an keinen Minister abtreten. Einem Minister Trautvetter Handlungsspielraum bei politischen Entscheidungen über das zwingend vorgeschriebene Maß hinaus einzuräumen, führt, wie wir alle wissen, ins Chaos.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, um unsere Handlungsfähigkeit zu bewahren, um eine auch in Zeiten knapper Kassen zukunftsfähige Verkehrspolitik zu gestalten, stimmen Sie den von uns vorgelegten Änderungsanträgen zu und lehnen Sie den Artikel 16 des Haushaltsstrukturgesetzes ab. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Doht zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Mohring, ob Sie da sitzen oder nicht, ist völlig unerheblich für meine Rede.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS, SPD)

Aber aus unserer Sicht weist der Einzelplan 10 doch noch einige Sparpotenziale auf. So hätte z.B. die Landesregierung jährlich 128.000 ! gehalt plus ca. 100.000 #)sekretärs sparen können.

(Beifall bei der CDU, PDS)

Damit hätte man auch schon was anfangen können, aber man musste ja Herrn Minister Trautvetter mit einem eigenen Ministerium versorgen. Als Innenminister war er nicht mehr tragbar, deswegen hat man dieses neue Ministerium für ihn geschaffen, aber als Bau- und Verkehrsminister stiftet er genauso viel Verwirrung hier wie als Innenminister.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Die Vorgänge und die Sperrung des Altenburger Flughafens sprechen dazu eine deutliche Sprache. Im Luftverkehr gibt es auch im Haushalt einige Ungereimtheiten. Da soll z.B. für 50.000 ) über den Nutzen des gewerblichen Luftverkehrs in Thüringen erstellt werden. Zur Vergabe eines Gutachtens zur Mittelverwendung im Rahmen der Finanzierung des Flughafens Erfurt sind 100.000  eingeplant. Ich frage mich, was soll das? Erst fördert diese Landesregierung das Flugwesen in Thüringen über Jahre, um dann Studien und Gutachten zu erstellen. Ist sich denn die Landesregierung hinsichtlich ihrer eigenen Förderpolitik so unsicher, dass das im Nachgang jetzt alles gutachterlich geprüft werden muss?

(Beifall bei der PDS, SPD)

Die SPD-Fraktion ist jedenfalls der Auffassung, dass diese Mittel an anderer Stelle nutzvoller einzusetzen wären und hatte auch entsprechende Änderungsanträge gestellt, die leider im Haushalts- und Finanzausschuss blockiert wurden.

Probleme sehen wir auch beim ÖPNV - der Kollege von der PDS-Fraktion sprach das bereits an -, besonders hinsichtlich der Regelung in Artikel 16 des Haushaltsstrukturgesetzes. Die bisherige Förderung

des ÖPNV in Thüringen und insbesondere das Prinzip der kommunizierenden Röhren wird allgemein als Garant für eine beständige und positive Entwicklung des ÖPNV in den betreffenden Verkehrsbereichen angesehen. Wir halten es daher für völlig verfehlt, dass ein in der Praxis bewährtes Finanzierungssystem in der vorgesehenen Weise radikal geändert werden soll. Es gibt dafür auch keine finanzpolitische Rechtfertigung,

(Beifall bei der SPD)

denn Einsparungen im Bereich des ÖPNV sind ja dem Haushaltsansatz zufolge nur in vergleichsweise geringem Umfang geplant. Auch können wir eine sonstige Rechtfertigung für diese geplante Änderung nicht sehen. Wir befürchten jedoch, dass ein derart radikaler Wandel zum Wegbrechen zahlreicher Linien, insbesondere in den ländlichen Regionen führen wird. Damit wird die Erreichbarkeit der zentralen Orte für viele Bewohner der ländlichen Räume erschwert und die Umlandfunktion dieser Orte geschwächt. Leidtragende dieser Politik sind insbesondere ältere Leute, Kinder und Jugendliche in den ländlichen Regionen, die auf den ÖPNV angewiesen sind. Zuschüsse zu den Betriebskosten müssen daher weiterhin möglich bleiben. Dies ist allerdings auch nach der nun vorliegenden Fassung des Artikels 16 nicht gegeben, auch wenn immerhin die von den Beteiligten heftig kritisierte Konzentration der Mittel auf die städtischen Verkehrssysteme durch den CDU-Änderungsantrag aufgegeben wurde. Doch dieser Antrag greift zu kurz.

(Beifall bei der SPD)

Sofern eine Umschichtung von Zuschüssen zwischen den Verkehrsbereichen erforderlich sein sollte, kann und muss dies ausschließlich über eine Anpassung der jeweiligen Sollkostensätze für die einzelnen Verkehrsbereiche geschehen. Diese Sollkostensätze werden als Ausgleich für die Betriebskostendefizite je Fahrplankilometer in den einzelnen Verkehrsbereichen pauschal bezahlt. Eine etwaige Umverteilung innerhalb des bisherigen Systems würde die Möglichkeit von Korrekturen im Vollzug nicht versperren. Mit der Beibehaltung des gegenwärtigen Systems bliebe auch die von den Betroffenen geforderte Austauschbarkeit der Finanzhilfen erhalten. Die Fraktion der SPD beantragt daher heute noch einmal die ersatzlose Streichung des Artikels 16 im Haushaltstrukturgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Wir bitten Sie im Interesse eines auch in Zukunft funktionierenden ÖPNV in Thüringen, unserem Antrag zuzustimmen.

Meine Damen und Herren, im Bereich Landesstraßen...

(Unterbrechung der Sitzung durch ausgelösten Feueralarm)

Frau Abgeordnete Doht, Sie können wieder nach vorn kommen. Ich weiß allerdings nicht, ob Sie Ihre Rede von vorn noch einmal vortragen oder dort einsetzen, wo Sie unterbrochen wurden.

Meine Damen und Herren, ich hatte 4 Minuten und 10 Sekunden Redezeit gehabt und ich würde gern an der Stelle fortfahren, wo ich aufgehört habe. Ich war mir im Übrigen nicht bewusst, dass ich hier so eine Brandrede halte, dass gleich Feueralarm ausbricht.

(Beifall bei der PDS, SPD)