Protokoll der Sitzung vom 24.02.2005

(Beifall bei der SPD)

Altministerpräsident Dr. Vogel hat nur noch residiert und der neue Ministerpräsident Herr Althaus fasste vor der Landtagswahl auch kein heißes Eisen mehr an. Schon bei den vorangegangenen Doppelhaushalten wurde vertuscht und verschleiert, dass sich die Balken bogen, nur um den Schein eines gut dastehenden Landes vor der Landtagswahl um jeden Preis zu wahren. Die Parole hieß "Augen zu und durch". Aus politischem Kalkül wurden im Bundesrat Einnahmeverbesserungen der öffentlichen Hand durch die Abschaffung steuerlicher Subventionstatbestände blockiert. Auch jetzt ist im Interview von Ministerpräsident Althaus mit der "Leipziger Volkszeitung" zu lesen, dass er die Union vor einer Unterstützung der Bundesregierung bei Reformen warnt. Anscheinend hat die Union keine anderen Rezepte für die Bundestagswahl 2006 als die Blockadepolitik im Bundesrat.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU:... mit Lafontaine und seiner Politik.)

Meine Damen und Herren, einerseits wird also der Abbau von Steuersubventionen blockiert, andererseits schöpft Thüringen seine eigenen Einnahmemöglichkeiten nicht aus. Bei den Steuerprüfdiensten sind 121 Stellen nicht besetzt. Das sind 21 Prozent aller Stellen in der Betriebsprüfung, der Steuerfahndung und der Umsatzsteuersonderprüfung. Hier hat die Landesregierung seit Jahren ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

Anstatt auf die Warnblinkanlagen und Bremslichter der anderen Fahrzeuge zu reagieren, abzubremsen und das eigene Fahrzeug sicher zum Stehen zu bringen, wurde noch einmal auf das Gaspedal getreten. Kein Preis war Ihnen zu hoch um die Landtagswahl für sich zu entscheiden. Sie schreckten selbst vor einem 1 Mrd.    : 

nicht zurück. Obwohl sie wussten, dass der Freistaat so gut wie pleite ist, haben sie in unverantwortlicher Art und Weise die Abschaffung der Wasserbeiträge versprochen und damit nicht nur dem Land zusätzliche Kosten in Höhe dieser Milliarde  dern auch unkalkulierbare juristische Risiken aufgebürdet.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Wahlkampfgeschenk wird den Freistaat Thüringen und seine Bürger noch teuer zu stehen kommen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das hilft den Bürgern, aber das verstehen Sie nicht.)

Nur die ersten Auswirkungen davon sind im Haushalt 2005 verankert.

Meine Damen und Herren, so war der folgenschwere Auffahrunfall der CDU die logische Folge dieser riskanten Raserei. Jetzt haben wir die Bescherung. Uns wird ein Haushaltsplan vorgelegt mit katastrophalen Eckwerten:

1. fast 1 Mrd.  )   men werden;

2. eine Deckungslücke in Form einer riesigen Globalen Minderausgabe in Höhe von 158 Mio. *  noch einmal dazu;

3. die verdeckte Schuldenaufnahme über ein neues Sonderteilvermögen;

4. riesige Lasten, wie die Leasingverschuldung und die Pensionslasten, werden einfach ausgeblendet. Diese von uns und dem Thüringer Rechnungshof schon seit langem kritisierte Verfahrensweise hat dazu beigetragen, Thüringens Handlungsfähigkeit auf das heutige niedrige Maß einzuschränken.

5. Eine über Jahre hinweg geschönte Investitionsquote, die nur dazu dient, den Haushalt bei der Verabschiedung als verfassungsgemäß auszuweisen, in Wahrheit aber eine reine Luftbuchung ist, da beispielsweise die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe Wirtschaftsförderung immer wieder zur Erbringung der Globalen Minderausgabe herangezogen werden und damit als Investitionen ausfallen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dieser Haushaltsentwurf stellt entscheidende Weichen in die falsche Richtung und ist deshalb in der vorliegenden Form für die SPD nicht zustimmungsfähig. Inzwischen hat auch die CDU gemerkt, dass sie dieses Zahlenwerk nicht Reformhaushalt nennen kann und spricht nach

den vollmundigen Ankündigungen nun von einem Übergangshaushalt. Dieses Stückwerk hätte aber auch schon im Oktober oder November dem Landtag zugeleitet werden können.

(Beifall bei der PDS)

Für die Thüringer Wirtschaft, für Handwerk und Gewerbe, für die Kommunen sind wertvolle Monate Verzögerung eingetreten.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Gerade wegen den Kommunen hat es so lange gedauert, das wissen Sie ganz genau. So eine Schauspielerei!)

Meine Damen und Herren, es wäre ein Zeichen von Realitätssinn, wenn die CDU nach diesem selbst verschuldeten Auffahrunfall in sich gehen würde.

(Unruhe bei der CDU)

Es heißt in einem Sprichwort, jede vernünftige Therapie verlangt zuerst eine ehrliche Diagnose. Und genau hier liegt in Thüringen der Hase im Pfeffer. Seit Jahren drücken Sie, meine Damen und Herren der CDU und der Landesregierung, sich um eine ehrliche Diagnose, weil Sie mit dieser Diagnose das Versagen Ihrer Politik in Thüringen eingestehen müssten.

(Beifall bei der SPD)

Statt nach dem Crash besonnen zu handeln und erste Hilfe zu leisten, setzt die allgemeine Beschimpfung der Bundesregierung ein. Schuld sind natürlich an dem Unfall alle anderen, das Wetter, die nasse Autobahn, die anderen Fahrzeugführer und warum gibt es denn da überhaupt noch andere Autos auf der Autobahn?

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Geisterfahrer Eichel, dem gehört der Führerschein weggenommen!)

(Beifall bei der CDU)

Am entstandenen Schaden sollen sich nun alle beteiligen, so sagt es eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Alle Welt dachte, die Thüringer CDU habe genug Zeit gehabt, sich auf eine weitere Legislaturperiode in Regierungsverantwortung inhaltlich vorzubereiten. Doch auch jetzt stochert die Union wieder nur im Nebel herum. Mühsam werden noch Monate danach die Begründungen für die von Herrn Althaus in seiner Regierungserklärung angekündigten Maßnahmen erfunden. Klare und durchdachte Strategien für die Lösung der Probleme und die Entwicklung Thüringens sind auch jetzt wieder Fehlanzeige.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin mir deshalb sicher, dass die Konzepte der Union für ein zukunftsfähiges Thüringen auf einen ihrer berühmten Bierdeckel passen.

Meine Damen und Herren, die vorgeschlagene Verteilung der Schadenssumme, sprich die Kürzungsmaßnahmen im Haushalt, ist hart, ungerecht und undifferenziert.

(Beifall bei der SPD)

Besonders bestraft werden in Thüringen die Kommunen, besonders bestraft werden Familien und besonders bestraft werden sozial Schwache, die gerade unsere größte Aufmerksamkeit brauchen. Was sich die Landesregierung mit dem Haushaltsentwurf im Hinblick auf die Kommunen leistet, ist schon ein starkes Stück. Mit Berechenbarkeit und Verlässlichkeit hat das Ganze überhaupt nichts mehr zu tun. Wenn vor der Wahl am 1. Mai 2004 auf dem CDUParteitag bei voller Kenntnis der finanziellen Situation für die nächsten Jahre von Ihnen, Herr Ministerpräsident, versprochen wird, ich zitiere Frau Präsidentin mit Ihrer Erlaubnis: "Wir stehen zu dieser Zusage, den Beitrag zum Kommunalen Finanzausgleich nicht entsprechend der Steuerausfälle zu reduzieren." Vielleicht war das ja gar kein Versprechen, sondern eine Ankündigung und alle haben sie nur missverstanden, denn Sie haben ja wirklich nicht entsprechend der Steuerausfälle gekündigt, sondern sogar viel mehr. Trotz einer Abmilderung der Kürzungen durch die im Haushalts- und Finanzausschuss erarbeitete Beschlussempfehlung sollen bei den Kommunen insgesamt fast 200 Mio.  *  $ den.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: 160!)

Wenn Sie alles zusammennehmen, sind es fast 200 Mio. % $     ber zu diskutieren. Nicht umsonst die schon dramatischen Forderungen der Kommunalpolitiker, allen voran Ihres Parteikollegen Oberbürgermeister Ruge! Nicht umsonst die Aussagen des Geschäftsführers des Landkreistags, der der Landesregierung Wortbruch vorwirft! Nicht umsonst das Ausscheren Ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Herrn Köckert, in der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses! Die Kürzungen bei den Kommunen treffen unter dem Strich alle Bereiche. Sie treffen aber besonders stark die Bildung, weil die Investitionsmittel für die Schulsanierung zusammengekürzt werden. Dadurch können die Lernbedingungen, wenn überhaupt, nur noch langsamer als bisher verbes

sert werden. Bei den Schulcomputern kürzen Sie genauso wie bei der Schülerbeförderung, der Schuljugendarbeit, bei der Schülerspeisung, der Lernmittelfreiheit, der Erwachsenenbildung und bei der politischen Bildung. Die kommunalen Kürzungen sind also gleichzeitig starke Kürzungen im Bereich der Bildung. Wir brauchen jedoch Investitionen in die Köpfe und nicht über die Eigenheimzulage in Beton, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der SPD)

Wann werden sie in diesem Punkt endlich einlenken? Ihr Vorzeigechristdemokrat Lothar Späth hat es erkannt und gibt der Politik der Bundesregierung indirekt Recht, indem er am 20.10.2004 im Handelsblatt ausführte - ich zitiere, Frau Präsidentin: "Die Krise besteht nicht darin, dass bestimmte Produktionen aus Deutschland abwandern, sondern dass wir keinen Ersatz in Form innovativer Technologien schaffen." Nicht nur diese Aussage von Herrn Späth zeigt, dass Kürzungen bei der Bildung genauso kontraproduktiv sind wie die Kürzungen im Bereich der Forschung. Beides wird jedoch von der Landesregierung mit dem Landeshaushalt 2005 massiv getan - eine Schwerpunktsetzung, die für uns nicht zu verstehen ist.

Die kommunalen Kürzungen treffen auch den Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung. Über das Stadium des Nachdenkens ist die Landesregierung bei der Jugendpauschale längst hinaus. Schritt für Schritt wird die bestehende Jugendbetreuungsstruktur in Thüringen kaputtgemacht. Wenn man die Kürzungen bzw. Streichungen beim Landeserziehungsgeld, beim Blindengeld, bei den sozialen Beratungsdiensten hinzuzieht, dann kann man durchaus von Kahlschlagpolitik in Thüringen sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Unverständlich ist auch die Energiepolitik der CDU. Es ist schon ein starkes Stück, wenn sich das Umweltministerium für die Förderung erneuerbarer Energien brüstet, wie in der "Osterländer Volkszeitung" vom 15. Februar dieses Jahres nachzulesen ist, das zuständige Wirtschaftsministerium das entsprechende Landesprogramm im Haushalt 2005 aber auf Null eingedampft hat. Weiß die linke Hand nicht, was die rechte macht, oder wie ist das zu verstehen?

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Angst vor der Zukunft aufgrund von Arbeitslosigkeit ist hier in den neuen Bundesländern das größte Problem. Und was machen Sie von der CDU? Sie kürzen in einem Bereich, der für viele Langzeitarbeitslose immer noch ein Hoffnungsschimmer ist, bei der Finanzierung des

zweiten Arbeitsmarkts. Aber das hat ja bei der CDU System. Bei den Beratungen zum Bundeshaushalt hat ja auch die CDU-Fraktion einen Antrag eingebracht, wonach die Arbeitsmarktmittel des Bundes um 1 Mrd.   $ den sollen. Vielleicht haben Sie sogar Interesse, politisches Kalkül, an einer hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland?

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist ja unverfroren.)

Neben der hohen Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen Zukunftsängsten ist aus meiner Sicht eines der größten Probleme der Wegzug vieler junger Leute aus Thüringen. Wir müssen uns an dieser Stelle alle fragen, ob das, was wir dagegen tun, wirklich ausreicht. Der Ausbildungspakt hat sicherlich dazu beigetragen, die Situation zu stabilisieren. Doch wie sieht es bei der Landesregierung selbst aus? Ein Ausbildungspakt für den öffentlichen Dienst wäre nötig. Ich fordere die CDU auf, alle eigenen Möglichkeiten zur Ausbildung zu nutzen und nicht wie im vergangenen Jahr Ausbildungsstellen im öffentlichen Dienst unbesetzt zu lassen.

(Beifall bei der SPD)