Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Kollegin Zitzmann, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Inhalt und Umfang des Sicherstellungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen sind in § 75 in Verbindung mit § 73 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V - geregelt. Der Auftrag zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung umfasst in erster Linie die ambulante ärztliche Behandlung und die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. Des Weiteren muss in den sprechstundenfreien Zeiten der so genannte Notdienst sichergestellt werden.
Zu Frage 2: Nach § 72 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch wirken bei der Erfüllung des Sicherstellungsauftrags Vertragsärzte und Krankenkassen zusammen. Auf Grundlage der bundesrechtlichen Vorgaben schließen die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen und die Landesverbände der Krankenkassen landesweit gültige Verträge. Diese sollen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleisten. Im Rahmen eines Bedarfsplans werden für die 20 Thüringer Planungsbereiche nach Fachrichtungen aufgeschlüsselte Ärztezahlen für eine bedarfsgerechte Versorgung ermittelt. Diese Bedarfsplanung wird durch die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen im Einvernehmen mit dem Landesverband der Krankenkassen erstellt. Maßnahmen zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung sind insbesondere die Möglichkeit der Anstellung von Sicherstellungsassistenten und die Gewährung von Umsatzgarantien in schlecht versorgten Planungsbereichen. Im gemeinsamen Landesausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen und der Krankenkassen wurden Anfang Dezember 2004 Kriterien für die Feststellung von Unterversorgung vereinbart. Darauf aufbauend verhandeln derzeit beide Partner vor allem über finanzielle Anreize zur Übernahme einer Praxis in einem unterversorgten Planungsbereich.
Zu Frage 3: Zurzeit ist flächendeckend eine ausreichende ambulante Versorgung in Thüringen sichergestellt. Mit längeren Wartezeiten bei Ärzten müssen Patienten aber im Einzelfall rechnen. In den nächsten Jahren wird insbesondere eine wachsende Zahl von Hausärzten aus Altersgründen ausscheiden. Hinzu kommt die Abwanderung von ausgebildeten Medizinern in die Industrie. Beide Faktoren können in einzelnen Regionen Thüringens zu einer Gefährdung des Sicherstellungsauftrags führen. Deshalb muss es uns gelingen, mehr junge Ärzte für eine Übernahme einer frei werdenden Praxis in unserem Freistaat zu gewinnen. Hier ist jedoch auch ganz wesentlich die Bundesregierung gefragt. Noch vor wenigen Jahren wollte sie das Problem nicht sehen. Nunmehr appelliert die zuständige Bundesministerin an junge Ärzte, sich in den jungen Ländern niederzulassen. Dieser Appell ist aber zu wenig, um wirklich gegensteuern zu können. Ich verweise
auf die unterschiedlichen Einkommen von Ärzten in den jungen und in den alten Ländern. Dies geht einher mit einem größeren Arbeitspensum in den jungen Ländern. Die Forderung zur Angleichung der Ärztehonorare hat Thüringen in den letzten Jahren maßgeblich vorangetrieben.
Danke, Herr Minister Zeh. Wir haben noch zwei Anfragen. Ich würde vorschlagen, dass wir die behandeln, damit dann alle Fragen in diesem Plenum abgehandelt worden sind. Das sind vielleicht jetzt noch vier Minuten, die wir dann zusätzlich brauchen.
In einem Grundsatzurteil vom 11. Januar 2005 (AZ: C-26/03) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Kommunen auch mehrheitlich von ihnen beherrschte kommunal-private Gesellschaften nicht ohne vorherige Ausschreibung beauftragen können.
1. Welche Auswirkungen hat das genannte Urteil auf die bisherige Auftragsvergabepraxis der Thüringer Kommunen an kommunal-private Gesellschaften?
2. Welche gesetz- und/oder verordnungsgeberische Maßnahmen sowie rechtsaufsichtliche Handlungen hält die Landesregierung für erforderlich, um das genannte Urteil in Thüringen umzusetzen?
3. In welcher Art und Weise ist das genannte Urteil auf bereits erfolgte Auftragsvergaben anzuwenden?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, für die Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel wie folgt:
oberhalb der EU-Schwellenwerte vergeben. Sie klärt die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein ausschreibungsfreies Eigengeschäft, so genanntes Inhausgeschäft, vorliegt. Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt ein Inhausgeschäft unter anderem voraus, dass der öffentliche Auftraggeber an dem Unternehmen, welches die Leistungen erbringen soll, beteiligt ist und er über das Unternehmen eine ähnliche Kontrolle wie über die eigene Dienststelle ausübt. Bislang war umstritten, unter welchen Voraussetzungen das Kontrollkriterium bei einem gemischt-wirtschaftlichen Beteiligungsunternehmen erfüllt ist. Überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass die Minderheitsbeteiligung eines Privaten einem ausschreibungsfreien Inhausgeschäft nicht von vornherein entgegensteht. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem aktuellen Urteil vom 11. Januar 2005 entschieden, dass jede private Beteiligung an dem Unternehmen des öffentlichen Auftraggebers eine Inhausvergabe ausschließt. Es ist anzunehmen, dass sich die deutschen Gerichte bei der Auslegung des überwiegend bundesrechtlich geregelten Vergaberechts an der Rechtsprechung des EuGH orientieren werden. Darauf muss sich jeder öffentliche Auftraggeber, auch die Kommunen, einstellen.
Zu Frage 2: Die Umsetzung der europäischen Vergaberichtlinien obliegt dem Bundesgesetzgeber. Die Auswirkung durch den EuGH wirkt sich, wie bereits dargelegt, auf die Interpretation des nationalen Rechts aus. Die Landesregierung hat mit einem Rundschreiben vom 14. Januar 2005 die Vergabestellen, also auch die Kommunen, über die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs informiert und um Beachtung gebeten. Die Rechtsaufsicht handelt nach § 117 Abs. 1 Thüringer Kommunalordnung nur im staatlichen Interesse. Konkurrierende Bieter haben die Möglichkeit, Rechtsschutz vor der Vergabekammer und dem Oberlandesgericht in Anspruch zu nehmen.
Zu Frage 3: Das Urteil hat keine direkten Auswirkungen auf bereits erfolgte Auftragsvergaben. Nachprüfungsverfahren bei öffentlichen Aufträgen sind auf den Primärrechtsschutz, also auf die gerichtliche Kontrolle eines laufenden Vergabeverfahrens ausgerichtet.
Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort auf die EU-Schwellenwerte verwiesen, ab deren Größenordnung erst dieses Urteil offensichtlich Anwendung finden soll. Können Sie mitteilen, welche EU-Schwellenwerte dort ge
meint sind, da es dort unterschiedliche Schwellenwerte gibt, beispielsweise hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Aufträge oder hinsichtlich der Schwellenwerte in der Transparenzrichtlinie?
Einschlägig sind hier die EU-Schwellenwerte für Lieferverträge. Der Schwellenwert liegt bei 200.000 Diese Grenze umfasst ebenfalls Dienstleistungen. Bei Bauleistungen liegt der Schwellenwert bei 5 Mio.
Wir kommen zur nächsten Anfrage. Das ist eine Anfrage der Abgeordneten Zitzmann in Drucksache 4/582. Bitte, Frau Zitzmann.
Schon seit Jahren wird von verschiedenen Seiten die Einrichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena gefordert. Bislang ist das Vorhaben nicht realisiert worden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Zitzmann in Drucksache 4/582 beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1 und Frage 2 gebündelt: Die Planungen zur Einrichtung einer Professur für Allgemeinmedizin sind am 8. Mai 2002 konzeptionell beschlossen worden. Das Konzept wird mitgetragen von der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, von der Landesärztekammer Thürin
gen, vom Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und vom Kultusministerium. Die erforderlichen zusätzlichen Landesmittel in Höhe von 350.000 4/ 5 als Anschubfinanzierung im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung für 2006 eingestellt. Sobald der Haushalt - jetzt geschehen - mit dieser Verpflichtungsermächtigung verabschiedet ist, wird die Medizinische Fakultät der FSU Jena mit der Berufungsvorbereitung und den weiteren Planungen beginnen. Die Professur soll im Jahr 2006 besetzt sein.
Zu Frage 3: In der Einrichtung der Professur sieht die Landesregierung zum Ersten einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der im Oktober 2003 in Kraft getretenen novellierten Approbationsverordnung für Ärzte, mit der die Allgemeinmedizin in der medizinischen Ausbildung ein erheblich stärkeres Gewicht erhalten hat. Die Allgemeinmedizin gehört damit zu den obligatorischen Prüfungsfächern, und es sind zukünftig zwingend in diesem Fachblock Praktika anzubieten. Fachlich-inhaltlich und organisatorisch wird für die erforderlichen Veränderungen im Lehrbetrieb diese Professur als notwendig angesehen. Zum Zweiten ist eine eigene Professur prädestiniert, frühzeitig, das heißt also schon während des Studiums, bei den angehenden Ärzten das Interesse für eine spätere Tätigkeit in der Allgemeinmedizin zu wecken. Darin sieht die Landesregierung eine Chance, dem drohenden Hausarztmangel in Thüringen aktiv zu begegnen. Derzeit entscheiden sich nämlich weniger Nachwuchsärzte für eine allgemeinmedizinische Weiterbildung als umgekehrt Hausärzte altershalber ihre Praxis aufgeben. Diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der Altersstruktur der Hausärzte in Thüringen noch verschärfen.
a) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: "Pläne der Thüringer Landesregierung zur Einführung allgemeiner Studiengebühren" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 4/562
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Beginn meiner Rede möchte ich vor allem noch mal eines feststellen, weil es offensichtlich in den letzten Wochen dem einen oder anderen CDUPolitiker entgangen ist: Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit seinem Urteil vom 26. Januar dieses Jahres nicht für die Zulässigkeit oder gar die Sinnhaftigkeit von Studiengebühren ausgesprochen. Es hat lediglich festgestellt, dass dem Bund in dieser Frage keine gesetzgebende Kompetenz zukommt. Es muss noch juristisch geklärt werden, ob Studiengebühren tatsächlich im Einklang mit dem Grundgesetz und dabei speziell mit dem Artikel 12, der die freie Wahl von Ausbildung und Beruf vorschreibt, stehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Fraktion - ich sagte es vorhin schon - lehnt die Einführung von allgemeinen Studiengebühren kategorisch ab. Wir haben diese Position, weil aus unserer Sicht viele Gründe dagegen sprechen, von denen ich jetzt nur die wichtigsten nennen möchte.
Erstens: Allgemeine Studiengebühren sind sozial ungerecht. Sie manifestieren die ohnehin schon vorhandene und durch unser Schulsystem mit verursachte soziale Schieflage an den Hochschulen. Auch wenn sie nachgelagert, also erst nach dem Abschluss des Studiums erhoben werden, sind sie sozial ungerecht. Es kann doch nicht im Interesse der Politik sein, dass gerade fertige Hochschulabsolventen mit vielen Tausend Euro in das zuweilen sehr unsichere Berufsleben starten. Das wäre auch unter familienpolitischen Gesichtspunkten eine Katastrophe, weil die Rückzahlung genau in eine Lebensphase fallen würde, in der junge Menschen für gewöhnlich eine Familie aufbauen. Massive Schulden würden dies zumindest behindern, von den enormen Verwaltungskosten gerade bei nachgelagerten Studiengebühren möchte ich in dem Zusammenhang gar nicht reden.
Zweitens, Herr Schwäblein, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Nicht nur einige nord- und westeuropäische Länder haben keine Studiengebühren, sondern die Mehrzahl der nord- und westeuropäischen Länder haben keine Studiengebühren und Deutschland ist mit der Gebührenfreiheit, die wir ja zum Glück noch haben, eher die Regel als die Ausnahme. Um noch mal auf das Beispiel Finnland zu verweisen, die Finnen haben im Jahr 1997 die Gebührenfreiheit für sämtliche Hochschulstudien festgeschrieben. Ich glaube, auch bei diesem Thema wäre es durchaus sinnvoll - ähnlich wie beim Thema längeres gemeinsames Lernen
mal über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, Herr Emde, und vielleicht mal nach Finnland zu schauen. Das würde Ihnen auch mal ganz gut tun.
Drittens: Es ist mehr als fraglich, ob die durch die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren eingenommenen finanziellen Mittel wirklich als zusätzliches Geld den Hochschulen zugute kommen oder ob nicht auf der anderen Seite die gleiche Summe von den Ländern wieder gekürzt wird. Erste Äußerungen von Herrn Stoiber lassen genau so etwas befürchten.
Viertens: Studiengebühren gefährden die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir sind in Deutschland aufgrund unserer nicht vorhandenen natürlichen Ressourcen elementar auf den Faktor Bildung angewiesen. Deswegen brauchen wir in den kommenden Jahren deutlich mehr Studierende und nicht deutlich weniger Studierende. Im Gespräch ist da eine Quote von ca. 40 Prozent eines Altersjahrgangs, die zum Hochschulstudium geführt werden müssen. Studiengebühren würden dieser Erhöhung der Studierendenquote natürlich absolut entgegenwirken. Die Position hier im Haus ist ja bei zwei der drei Fraktionen völlig klar. Meine Fraktion lehnt, wie gesagt, allgemeine Studiengebühren ab;