Also, Frau Taubert, wir haben ja in der Enquetekommission "Bildung und Erziehung in Thüringen" u.a. sehr lange darüber geredet, dass Schulen mit ihren Partnern zusammenarbeiten sollen
und dass mehr kooperiert werden soll zwischen allen, die an Bildungs- und Erziehungsprozessen beteiligt sind, von Eltern über Schule, Kindertagesstätten, Sozialhilfeeinrichtungen, Vereinen ect. Genau in dieser Kooperation liegt Potenzial zur Qualitätsverbesserung. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass aus vertiefter Kooperation und mehr Verantwortung im Sozialraum kommunal vor Ort mehr Qualität erwachsen wird.
Gibt es jetzt weitere Redewünsche? Das ist nicht der Fall. Damit kann ich die Aussprache schließen. Ich stelle fest, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist. Dem wird auch nicht widersprochen. Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 8.
Die Weichen für die künftige EU-Strukturpolitik jetzt stellen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/560
Auch hier wird keine Begründung durch die einreichende Fraktion gewünscht, weil der Sofortbericht der Landesregierung zu Nummer 1 des Antrags gegeben wird. Bitte, Herr Minister.
Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, vorab danke ich der CDU-Fraktion für den wichtigen Antrag, denn übernächstes Jahr beginnt die neue Förderperiode. Die Entscheidungen über die künftige Ausrichtung der EU-Strukturpolitik stehen jetzt in das europäische Haus. Der ehemalige EUKommissar für Regionalpolitik Barnier hat gesagt, die Strukturpolitik ist alt, aber nicht altmodisch. Er hat Recht. Die Entscheidungen über die künftige EUStrukturpolitik sind aktueller denn je, denn sie beeinflussen wesentlich die Zukunft der europäischen Regionen und damit auch des Standorts Thüringen. Entscheidungen, die deshalb nicht allein in Brüssel diskutiert und getroffen werden dürfen, sondern auch auf Bundes- und Länderebene mitgestaltet werden müssen. Ohne Frage, die Vorzeichen haben gewechselt. Europa ist größer geworden. Die Erweiterung im letzten Mai hat eine Neuorientierung in der Strukturpolitik notwendig gemacht.
Die neuen Mitgliedstaaten brauchen die Hilfe der europäischen Nachbarn. In Warschau, in Prag, in Riga erwartet man zu Recht, gleichberechtigt in die europäische Solidarität und damit auch in die EUStrukturpolitik einbezogen zu werden. Das darf nicht zulasten der Wettbewerbsfähigkeit Thüringens und der jungen Länder gehen. Wir haben mit den Ziel1-Fördermitteln viel erreicht, aber das Erreichte darf jetzt nicht gefährdet werden, denn es gibt nach 40 Jahren Sozialismus immer noch Defizite. Deshalb sind wir auch in der nächsten Zeit auf die verstärkte Förderung angewiesen. Wir wollen unsere Erfolge fortführen. Inwieweit uns das gelingt, hängt maßgeblich von den künftigen finanziellen und vor allem beihilferechtlichen Fördermöglichkeiten ab. Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden.
Meine Damen, meine Herren, die Frage nach der Zukunft der EU-Strukturpolitik steht auf unserer europapolitischen Agenda ganz oben und das nicht erst seit heute. Gemeinsam mit den anderen jungen Ländern unter Federführung von Sachsen-Anhalt und Thüringen haben wir in den vergangenen Jahren drei Positionspapiere ausgearbeitet, in denen wir unsere gemeinsamen Forderungen untermauert haben. Außerdem hat sich, Sie erinnern sich, bereits im März 2003 auch der Thüringer Landtag auf Antrag der Fraktion der CDU in die EU-Strukturpolitikdebatte eingeschaltet. Der damalige Beschluss ist nach wie vor aktuell. Er lautete:
Es kommt darauf an, dass wir in Brüssel mit einer Stimme sprechen. Deshalb setzen wir uns für unsere strukturpolitischen Interessen sowohl auf europäischer als auch auf Bundesebene mit Nachdruck ein, ausdauernd und konsequent.
Thüringen hat sich mit seinen Argumenten in Brüssel Gehör verschafft. Das hat unsere Position wesentlich verbessert. In Berlin sind unsere Forderungen allerdings in wichtigen Fragen auf taube Ohren gestoßen. Vor gut einem Jahr hat die Europäische Kommission ihren 3. Kohäsionsbericht vorgelegt und damit die Weichen für die Ausgestaltung der künftigen EU-Strukturpolitik gestellt. Ich denke, unsere Forderungen haben dort in vielen Punkten ausreichend Niederschlag gefunden. Auch unsere damalige Befürchtung, Thüringen laufe Gefahr, das maßgebliche Förderkriterium für die höchstmögliche EU-Förderung, nämlich ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts, aus rein rechnerischen Gründen nicht mehr zu erfüllen, hat die Kommission in ihrem Bericht angemessen berücksichtigt. In ihrem Bericht stellt sie in Aussicht, dass das neue Ziel 1, jetzt als Ziel Konvergenz bezeichnet, sowohl Regionen bis zu 50 Prozent als auch Regionen, die vom statistischen Effekt betroffen sind, also nur rein statistisch reich gerechnet werden, umfassen soll. Der damals zuständige EUKommissar Barnier hat vorgeschlagen, die vom statistischen Effekt betroffenen Regionen mit 85 Prozent der Ausstattung für klassische Ziel-1-Gebiete zu fördern. Dieses Förderniveau sollte dann nach seiner Auffassung bis zum Ende der Förderperiode 2013 auf ca. 60 Prozent der Finanzausstattung sinken. Ich denke, ein akzeptabler Kompromiss, wenn damit zugleich der bisherige Beihilfestatus erhalten bleibt.
Seit Juli 2004 liegen die Verordnungsvorschläge der Europäischen Kommission für die künftige EU-Strukturpolitik auf dem Tisch und werden in der so genannten Ratsarbeitsgruppe Strukturmaßnahmen in Brüssel diskutiert. Eine Diskussion, in die wir uns aktiv einbringen, damit wir die zukunftsfähigen Rahmenbedingungen für die weitere Förderpolitik des Freistaats erhalten können.
Den künftig vom statistischen Effekt betroffenen Regionen räumt die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag einen Sonderstatus im Rahmen
des neuen Ziel 1 ein. Das neue Ziel 1 soll mit insgesamt 264 Mrd. #$%& samten Strukturfondsmittel, ausgestattet werden. Allein in der laufenden Förderperiode 2000 bis 2006 erhielt Thüringen über 3 Mrd. ' EU-Strukturpolitik. Mittlerweile liegen neue Daten von Eurostat vor, die unsere Argumente bestätigen. Danach liegt Thüringen mit 73,1 Prozent unter der Höchstfördermarke und wird damit wahrscheinlich in der höchsten Förderkategorie verbleiben. Nach den Berechnungen hätten die neuen Länder fast flächendeckend Anspruch auf die EU-Höchstförderung nach 2006. Aber es gibt Ausnahmen: Brandenburg-Süd-West mit 77,5 Prozent, Dresden mit 75 Prozent, Leipzig mit 77,2 Prozent und Halle mit 75,1 Prozent.
Die Thüringer Landesregierung hat sich entschieden, konsequent die Gesamtfläche des Freistaats als maßgebliche statistische Gebietseinheit für die Erhebung des regionalen Bruttoinlandsprodukt nach Brüssel zu melden. Das war, wie ich finde, richtig.
Meine Damen, meine Herren, ich weiß nicht, wo der Raum Jena gelegen hätte, aber mir schwant Böses. Möglicherweise wäre dieser Raum auch rausgefallen. Vielmehr ist uns daran gelegen, dass möglichst ganz Thüringen mit höchster Priorität gefördert wird. Eine Abkopplung der so genannten ländlichen Provinz, von der Bundesminister Stolpe im Sinne seiner Leuchtturmpolitik spricht, kommt für uns ebenso wenig in Frage
wie ein förderpolitisches Kaltstellen prosperierender Gebiete. Wir lehnen außerdem alle Bestrebungen ab, die darauf abzielen, den nationalen Wohlstand als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Kohäsionspolitik ist Regionalpolitik. Es geht letztendlich um die Angleichung der Lebensverhältnisse, insbesondere auch im ländlichen Raum.
Nun zu den Verordnungsvorschlägen der Kommission: Für den Zeitraum 2007 bis 2013 schlägt die Kommission insgesamt 336,1 Mrd. ( derziele der Strukturfonds vor. Neben dem für Thü- ringen hauptsächlich relevanten Ziel Konvergenz möchte die Kommission mit dem neuen Ziel 2 die regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in den Regionen fördern, die nicht zu den schwäch- sten gehören. Das Ziel 2 soll mit 57,9 Mrd. sind 17,2 Prozent der Strukturfondsmittel, ausgestattet werden. Innerhalb Deutschlands ist das für einige alte Länder von Bedeutung. Für das neue Ziel 3 - Euro- päische territoriale Zusammenarbeit - schlägt die Kommission 13,2 Mrd. )& Mittel, vor. Thüringen hat bereits mit der Gemeinschaftsinitiative INTERREG gute Erfahrungen ge
Thüringen hat in der laufenden Förderperiode die transnationale und interregionale Zusammenarbeit sinnvoll genutzt. Innerhalb wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Projekte hat Thüringen europaweite Kontakte geknüpft und zur nachhaltigen Entwicklung genutzt, Kontakte, die fortgeführt und vertieft werden sollen.
Damit das gelingt, muss allerdings das Ziel 3 so, wie es vorgeschlagen worden ist, verändert werden. Die bewährte interregionale Zusammenarbeit wäre laut Kommissionsvorschlag nur in der Form von Netzwerk und Erfahrungsaustausch förderfähig. Ich bin überzeugt, das zielt in die falsche Richtung. Die interregionale Zusammenarbeit muss als eigenständiger Programmbereich innerhalb des neuen Ziels möglich bleiben. Dafür setzen wir uns ein gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Union.
Meine Damen, meine Herren, wir begrüßen die Verordnungsvorschläge der Kommission als solide Grundlage für weitere Verhandlungen. Ministerpräsident Althaus hat das Anfang Dezember 2004 in Brüssel auch gegenüber der für die EU-Regionalpolitik zuständigen Kommissarin Hübner betont. Auch auf Bundesratsebene macht sich Thüringen für die künftige EU-Strukturpolitik stark. Mitte Oktober hat der Bundesrat einen entsprechenden Entschluss verabschiedet, in dem wir unsere Position trotz unterschiedlicher Interessen der einzelnen Länder angemessen verankern konnten. Mit Fug und Recht lässt sich sagen, unsere Argumente sind überzeugend, die Kommission greift unsere Forderungen in weiten Teilen auf. Allerdings hat die Bundesregierung die Forderung des Bundesrates ignoriert, obwohl es hier allein um Länderangelegenheiten geht. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass sich die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung schwierig gestaltet. Demgegenüber ist mit der Europäischen Kommission manches einfacher zu gestalten. Aber Thüringen steht, Gott sei Dank, nicht allein, wir haben mit den jungen Ländern und mit etlichen anderen europäischen Regionen Partner, die uns helfen, unsere Forderungen in Brüssel zu vertreten. Unsere Kernforderungen lauten: Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verteilung der Mittel auf die
einzelnen Förderziele sind für uns nur in den Größenordnungen der Gesamtmittel akzeptabel, wie sie die Kommission empfiehlt. Die Beibehaltung des Verteilungsschlüssels im Falle von Mittelkürzungen so, wie sie die Bundesregierung einfordert, lehnen wir ab. Sie führt zu einer einseitigen Belastung der bisherigen Ziel-1-Gebiete, also auch für Thüringen eine Benachteiligung. Außerdem darf die Kofinanzierung die Sturkturpolitik die Haushalte der Fördergebiete nicht übermäßig belasten. Die Forderung der Bundesregierung, die Beteiligungshöchstsätze für EU-Mittel innerhalb öffentlich geförderter Vorhaben herabzusetzen, zielt genau darauf ab. Den Strukturfondsverordnungen darf deshalb erst dann zugestimmt werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: erstens, wenn für die beihilferechtlichen Interessen der Länder akzeptable Lösungen da sind, und zweitens, wenn das Fördergefälle zwischen den ostdeutschen Fördergebieten und angrenzenden neuen Mitgliedstaaten begrenzt wird. Noch sind die Verhandlungen über die finanzielle Vorschau der EU für die Jahre 2007 bis 2013 zwar nicht abgeschlossen, die künftigen finanziellen Rahmenbedingungen bestimmen aber auch die EU-Strukturpolitik ab 2007 maßgeblich. Weil dieses so ist, verfolgen wir die Verhandlungen sehr aufmerksam. Die derzeitige luxemburgische Ratspräsidentschaft will die Verhandlungen über die finanziellen Grundlagen der EU bis Juni 2005 abschließen. Das ist im Sinne Thüringens, denn eine spätere Einigung würde den Start der Thüringer Förderprogramme hinauszögern. Mit dieser Auffassung stehen wir nicht allein. Ratspräsident Junker hat uns ebenso seine Unterstützung zugesagt wie Kommissar Verheugen Anfang Dezember 2004.
Wir machen uns aber nichts vor. Wenn Bundeskanzler Schröder - so hat es momentan den Anschein - in der Diskussion um die künftige Finanzausstattung der EU einlenkt, dann tut er das nicht den jungen Ländern zuliebe. Ihm geht es allein darum, den Stabilitätspakt aufzuweichen. Der österreichische Finanzminister Grasser hat Recht: Schröder will einen Persilschein für schlechte Finanzpolitik. Mitte Dezember gab sich der Bundeskanzler im Gespräch mit den Regierungschefs der Länder noch hart - zum haushaltspolitischen Ziel der Bundesregierung, die EU-Ausgaben auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU zu begrenzen, gäbe es keine Alternantive. Es stimmt schon bedenklich, wenn der Kanzler und sein Finanzminister nun in Brüssel die Folgen der Teilung Deutschlands anführen, um - wie Hans Eichel sagt - eine ökonomisch sinnvolle Anwendung des Stabilitätspakts zu erwirken, die neuen Länder aber beim Thema "EU-Strukturpolitik" durch die angestrebte Reduzierung der Förderhöchstsätze allein lassen.
Am 2. Mai 2005 werden sich die Regierungschefs der neuen Länder mit Kommissarin Hübner treffen und weiter für ihre Interessen kämpfen. Bereits für April ist ein Treffen aller deutschen Länderchefs mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission Barroso geplant. Und zu guter Letzt, wir zählen auch auf unsere Abgeordneten im Europäischen Parlament.
Fazit: Die Zukunft Thüringens, die wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven unseres Landes hängen maßgeblich von den künftigen finanziellen und vor allem beihilferechtlichen Förderungsmöglichkeiten ab. Dafür gilt es jetzt die richtigen Weichen zu stellen. In diesem Sinne werbe ich um Ihre Unterstützung für den vorliegenden Antrag. Vielen Dank.
Wer möchte zu diesem Bericht die Aussprache eröffnen? Die PDS-Fraktion und CDU-Fraktion beantragen die Aussprache zu diesem Bericht. Ich rufe als Erste in der Aussprache auf für die PDS-Fraktion Frau Abgeordnete Naumann.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich finde es ja lobenswert, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sich des Themas angenommen haben. Auch die PDS-Fraktion hält die Fortführung der Förderung durch die Europäische Union zumindest für die nächste Förderperiode für notwendig. Ich muss allerdings zugeben, dass bei mir doch mehr die Enttäuschung über Ihren Antrag überwogen hat, denn sehr viel Konkretes findet man außer der Fortführung der bisherigen Förderungen und der mittlerweile ritualartigen Schelte gegenüber der Bundesregierung in dem CDU-Antrag und auch in den Ausführungen von Minister Wucherpfennig leider nicht. Dabei gäbe es eine ganze Reihe von Dingen in diesem Zusammenhang zu besprechen. Anstatt im allgemeinen Nebel zu stochern, hätte eine nüchterne und vor allem selbstkritische Bilanz der bisherigen Förderung durch die EU auf den Tisch gehört. Dabei hätte man die Erfolge, aber auch die Probleme benennen und daraus Schlüsse für die Schwerpunktsetzung Thüringens in der künftigen Förderpolitik ziehen müssen.
Davon habe ich heute vom Minister nichts gehört. Zweifellos sind mit europäischen Mitteln eine Vielzahl von Dingen auf den Weg gebracht worden. Sanierungsvorhaben wurden finanziert, Unternehmen unterstützt, Investitionen wirkungsvoll getätigt, Bil
dungs- und Sozialprojekte initiiert. Aber eine nüchterne Bilanz ziehen heißt auch, die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, und die Realität ist, mit den Projekten wurde kein nachhaltiger Aufschwung für Thüringen erreicht. Ausdruck dessen ist, dass unser Land noch immer zu den Ziel-1-Gebieten gehört. Das mag angesichts des dadurch zu erwartenden Fördersatzes beruhigend klingen, darf jedoch niemanden zu Freudensprüngen veranlassen, Minister Wucherpfennig. Denn im Grunde lautet doch die Botschaft: Eine sich selbst tragende Entwicklung ist noch nicht in Sicht. In diesem Zusammenhang sollte man auch überlegen, woran es lag, dass dieser Aufschwung ausblieb. Ist wirklich nur die Bundesregierung Schuld, wie heute wieder suggeriert wurde? Hat nicht vor allem auch diese Alleinregierung hier in Thüringen eine große Aktie an diesem Zustand? Etwas mehr Selbstkritik hätte Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, gut zu Gesicht gestanden und wäre zumindest ehrlich gewesen.
Es drängt sich der Eindruck auf, einiges einfach weggelassen, geschönt oder bewusst verdreht zu haben. So wurde beispielsweise mit keiner Silbe erwähnt, dass auf sehr merkwürdigen Wegen in der Vergangenheit mit europäischen Mitteln Unternehmen finanziert wurden, deren Pleite bereits von Wirtschaftsprüfern im Vorfeld der Mittelvergabe prognostiziert wurde. Einige dieser Unternehmen sind mittlerweile folgerichtig vom Markt verschwunden. Von großem Wirtschaftssachverstand der Beteiligten zeugt dies nicht. Aber vor allem steht die Frage: Was hätte man an anderen Projekten dafür wirkungsvoller und vielleicht mit größerem Erfolg fördern können?
Zum Teil stehen auch noch Rückforderungen durch die EU aus. So war kürzlich der Presse zu entnehmen, dass gegen Kahla-Porzellan noch immer Forderungen erhoben werden. Über deren Berechtigung wird nun vor Gericht gestritten, da nicht unbedingt das Unternehmen der Verursacher der Probleme war, jedoch jetzt die Zeche für diese Ungereimtheiten zu bezahlen hat. Das ist auch für ein so erfolgreiches Unternehmen wie Kahla-Porzellan sehr problematisch. Es war sehr bedenklich, zu lesen, dass die Europäische Kommission in einem Amtsblatt vom 9. Juni 2001 wörtlich kritisierte, dass der Thüringer Industriebeteiligungsfonds - ich zitiere "weit gehend unabhängig und praktisch unbeaufsichtigt von der Landesregierung agiert habe". Die Entscheidung dazu hat die Kommission am 10. Dezember 2003 zwar eingestellt, aber das ist beileibe kein Grund zum Jubeln für die Landesregierung, denn den Fakt der mangelnden Kontrolle ließ die Kommission bestehen. Von Rückforderungen bei einigen Unternehmen, darunter auch Simson Suhl,
wurde abgesehen. Die Begründung für diesen Schritt spricht Bände. Ich zitiere: "Angesichts der Tatsache, dass diese Unternehmen den Wettbewerb nicht mehr verzerren und dass eventuelle Rückforderungsansprüche damit ins Leere gehen würden, sollte das Verfahren eingestellt werden." Das bedeutet nichts anderes, dass das Verfahren nicht eingestellt wurde, weil das Land die Kritikpunkte ausgeräumt hat, sondern weil ganz simpel nichts mehr zu holen war. Angesichts einer solchen Praxis mag es darum auch nicht verwundern, dass durch die Europäische Kommission im Frühjahr 2004 ein beihilferechtliches Prüfverfahren zur Errichtung und zum Ausbau von Gewerbe- und Technologiezentren in Deutschland eingeleitet wurde. Es ist folgerichtig, dass auch der Bau des Medienapplikations- und -gründerzentrums in Erfurt ein Teil dieses Prüfverfahrens ist. Gerade hier an dieser Stelle gilt es seitens des Landes seine Hausaufgaben zu machen und für Kontrolle und Transparenz zu sorgen. Beides war in der Vergangenheit nicht immer der Fall.