Protokoll der Sitzung vom 02.06.2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDUFraktion hat betont und dabei bleiben wir, in dieser Legislatur wird es keine Gebietsreform von oben geben. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass wir freiwillige Bestrebungen von kommunaler Seite her unterbinden werden. Im Gegenteil, wir werden heute oder morgen, je nachdem, wann der Tagesordnungspunkt dran sein wird, die Richtlinie für die Gewährung von Zuweisungen des Freistaats zur Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse behandeln. Damit geben wir den Verantwortlichen vor Ort einen finanziellen Anreiz, um effektivere Strukturen zu bilden.

Diskussionen zu diesem Thema gibt es landauf und landab, leider fehlt mir bei den ganzen Diskussionen die Aussage, dass sich die Strukturen, die wir im Land haben, bewährt haben. Dies sollte man gelegentlich betonen dürfen. Es mag einige Regionen geben, in denen man sich nicht zusammengefunden hat nach der letzten Gebietsreform, aber die übergroße Mehrheit hat eine gute Entwicklung genommen. Ich war vor kurzem zu einer Podiumsdiskussion - Herr Hauboldt und Herr Matschie waren ebenfalls anwesend - bei der Friedrich-Ebert-Stiftung eingeladen, die ihre kommunalpolitische Tagung unter dem Motto „Gebiets- und Verwaltungsreform - eine oder keine Chance für den Freistaat“ stellte. Auch auf dieser Tagung stellte sich heraus, dass es ein sehr unterschiedliches Meinungsbild zu diesem Thema gibt.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Sie dürfen aber die Frösche nicht fragen.)

Frau Becker, ich bezeichne unsere Bürgermeister in den Kommunen, egal welcher Partei, nicht als Frösche.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte es nicht für richtig, die Verwaltungsgemeinschaften generell zu verteufeln. Eine gut funktionierende Verwaltungsgemeinschaft hat dafür gesorgt, dass die Mitgliedsgemeinden zusammengerückt sind, und die Bürger haben gespürt, auch wenn nicht mehr in jeder Gemeinde eine eigene Verwaltung sitzt, so werden alle Belange der Menschen ortsnah und kompetent abgearbeitet. Den Schritt zu gehen, eine Einheitsgemeinde zu bilden, ist heute wesentlich einfacher und für den Bürger vor Ort nachvollziehbar. Man kann nicht in jeder Legislatur nach einer Gebietsreform schreien. Sie muss sachlich fundiert sein und wir müssen die Menschen in unserem Land mitnehmen. Keiner von uns bestreitet, dass der demographische Wandel in Thüringen Konsequenzen haben muss. Aber die platte Aussage, alles muss viel größer sein, hält nicht. Prof. Sedlacek von der Uni Jena, der sich häufig zu diesem Thema äußert, malt ein sehr trübes Bild von der Zukunft Thüringens. Seine Ist-Zahlen, die er zugrunde legt, sind natürlich korrekt. Aber wenn man nach seinen Vorstellungen die Gemeinden und Kreise strukturieren würde, dann würde unsere ländlich geprägte Struktur in Thüringen abgeschafft werden. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Identität behalten, denn sie stellt Heimat für uns dar. Selbst der Landrat des Saale-Orla-Kreises, Frank Roßner, SPD, äußerte sich in der „Frankfurter Allgemeinen“ zu Kreisgrößen, die der Professor erst ab 300.000 Einwohner für effektiv hält. Ich zitiere, Frau Präsidentin: „Roßner verwies auf die benachbarten bayerischen Kreise, die mit 70.000 Einwohnern zweifellos effektiv arbeiten. Ein Gespräch mit der Ratingagentur Standard and Poors habe ihm gezeigt, dass Größe nicht mehr Effizienz bedeutet.“ Auf die Äußerung der PDS zu etwa vier Großkreisen möchte ich hier nicht weiter eingehen, denn den meisten von uns kommt dies aus der Vergangenheit mit den Bezirksstrukturen sehr bekannt vor.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Nichts als die alte Leier!)

Meine sehr verehrten - ach, Herr Ramelow, sind Sie auch da - schön.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Ich kann Sie doch nicht allein lassen, dann werden Sie doch übermütig!)

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, anhand vorliegender Statistiken, mit denen sich die Enquetekommission auch befassen wird, wird man ersehen, dass manch kleiner Landkreis und manche Gemeinde vielleicht mit 4.000 Einwohnern in Thüringen effizient und sparsam arbeitet. Größe allein kann also nicht das Kriterium für eine Gebietsreform sein. „Masse statt Klasse“ sollte nicht der Leitfaden für die Arbeit der Enquetekommission sein. Ich wünsche der Enquetekommission, dass sie besonnen und fundiert an ihre Arbeit geht und die Handlungsschwerpunkte für die nächste Legislatur aufzeigt. Bis dahin sollten wir die vorhandenen Strukturen arbeiten lassen und der kommunalen Selbstverwaltung etwas mehr Vertrauen schenken. Selbst Exinnenminister Dewes ließ in einem Presseartikel verlauten: Es ist ganz gut so, wie es ist - auch wenn ihn keiner gefragt hat. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Doch, bitte, Herr Abgeordneter Kuschel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe mich aus unterschiedlichen Gründen noch einmal zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Doch nicht wegen mir.)

Zum einen möchte ich dem Herrn Innenminister Gasser die Möglichkeit geben, hier noch in die Debatte einzugreifen, denn er redet sehr gern nach mir, um mich dann zu belehren, was ich wieder alles für „Blödsinn“ erzählen würde.

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Das stimmt doch nicht.)

Natürlich hat auch das, was Frau Groß und Herr Matschie erzählt haben, mich animiert, hier noch einmal das Wort zu nehmen. Also, Frau Groß, Sie haben formuliert: Sie stehen zu Ihrer Politik. Das adelt Sie zunächst. Aber wenn das auch eine Politik ist, die grottenfalsch ist, dann sollten Sie darüber nachdenken. Sie haben hier noch einmal verkündet, Ihre Politik im Hinblick auf eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform in dieser Legislaturperiode heißt: Bis 2009 Stillstand, nicht handeln und Blockade. Wenn Sie diese Botschaft verkünden, dann frage ich mich, weshalb Sie den Anspruch erheben, die CDU als Thüringenpartei zu bezeichnen. Frau

Groß, wenn Sie unser Strukturmodell mit den vier Regionalkreisen nur dahin gehend kritisieren, dass Sie sagen, es erinnert Sie zu sehr an die Strukturen vor 1989, ist natürlich ein sehr schwaches Argument. Ich würde mich endlich einmal freuen, wenn Sie sich inhaltlich damit auseinander setzen würden, dann wäre es auch etwas spannender. Aber bloß der Verweis, er ähnelt sehr dem Bezirksmodell, ist wirklich sehr schwach und stimmt zudem nicht, denn Sie wissen genau, unser Regionalkreismodell basiert auf dem Modell der vier Planungsregionen. Die vier Planungsregionen waren nun keine Erfindung der PDS, sondern sind 1993 durch den Landtag auf den Weg gebracht worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir könnten Wetten annehmen, dass die Endergebnisse der Arbeit der Enquetekommission vor 2009 nicht vorliegen. Dazu braucht man überhaupt nicht groß zu spekulieren, sondern alle Aussagen der CDU zielen ganz genau darauf hin und ich bedauere, dass die SPD wieder gekämpft hat bis zum Umfallen. Herr Matschie, Sie haben selbst die Begründung gegeben, dass es eigentlich dringend notwendig ist, jetzt zu handeln. Sie haben richtigerweise darauf verwiesen, dass die Kommunen Planungssicherheit brauchen, weil ihre Haushalte jetzt bereits - nach Angaben des Gemeinde- und Städtebundes sind 60 Prozent der Gemeinden betroffen - nicht mehr ordnungsgemäß aufgestellt werden können. In einer solchen Situation, wo Sie das erkennen, nach der Devise zu verfahren: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis, der heißt jetzt nur Enquetekommission, das ist schon bedauerlich. Wenn Sie dann noch zustimmen, dass die Endergebnisse ohne Konkretisierung eines Datums auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, dann weiß ich nicht, ob es nicht auch einfach - wie hier oft im Landtag formuliert wird - ein Schaufensterantrag ist. Wir haben gesagt, wir verwehren uns dieser Enquetekommission nicht,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Was ist denn Ihre Alternative?)

aber wir können es nicht nachvollziehen, dass die Enquetekommission zeitlich sehr weit gestreckt wird. Sie haben auch selbst analysiert, dass wir hier schon ausreichend Daten haben, sowohl aus Thüringen als auch aus anderen Bundesländern, so dass wir jetzt bereits in eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform schrittweise einsteigen könnten, wenn es die Mehrheit in diesem Landtag wollte, aber sie will es nicht. Ich bin davon überzeugt, wer glaubt, dass die Erde eine Scheibe ist oder Schweine fliegen können, der glaubt auch, dass die Ergebnisse der Enquetekommission durch eine Mehrheit in diesem Landtag gesetzgeberisch umgesetzt werden. Von daher noch einmal: Wir verwehren uns nicht ge

gen diese Enquetekommission, aber der hier ausgewiesene Zeithorizont mit einem Zwischenbericht 2006 und einem dann offenen Endbericht wird nicht zu den Ergebnissen führen, die hier erwartet werden, sondern wir schüren wieder Hoffnungen und während in der Enquetekommission debattiert wird, schafft die CDU Tatsachen - darauf wurde ja schon verwiesen -, der Einstieg wird ja heute oder morgen mit der Kopfgeldrichtlinie zur Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse vollzogen. Da schafft die CDU Tatsachen und die Enquetekommission beschäftigt sich mit Wissenschaftlern und entwirft Modelle und eine Mehrheit im Landtag wird dann die Ergebnisse der Enquetekommission zur Kenntnis nehmen, weglegen und sagen: Das Leben ist ein anderes und hier sind Strukturen entstanden, die dann, auch wenn die Enquetekommission noch so gute Ergebnisse hervorbringt, in keinster Art und Weise noch umgesetzt werden können. Danke.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit beende ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ja nicht freiwillig was zulassen.)

Wir stimmen als Erstes über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 4/886 ab. Wer ist für diese Beschlussempfehlung des Innenausschusses, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Empfehlung des Innenausschusses? Wer enthält sich der Stimme? Bei einer Reihe Enthaltungen und 1 Gegenstimme ist die Beschlussempfehlung des Innenausschusses angenommen.

Wir stimmen ab über den Antrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/716 unter Berücksichtigung der eben erfolgten Abstimmung über die Beschlussempfehlung in Drucksache 4/886. Wer ist für den Antrag der Fraktion der SPD? Danke. Wer ist gegen diesen Antrag unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung? Wer enthält sich der Stimme? Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen ist diesem Antrag der Fraktion der SPD zugestimmt worden.

Ich möchte auf Folgendes hinweisen: Ich bitte die Fraktionen, die 11 Mitglieder der Enquetekommission, die dem Landtag angehören, gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung zu benennen und die 11 Sachverständigenmitglieder gemäß § 84 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Geschäftsordnung zu bestimmen. Jede Fraktion kann darüber hinaus bis zu zwei ständige Ersatzmitglieder benennen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf

Umsetzung der Empfehlungen des Abschlussberichts der En- quetekommission 3/3 „Erzie- hung und Bildung in Thüringen“ Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/806 -

Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung hat einen Sofortbericht angekündigt. Damit erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Prof. Dr. Goebel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gern berichte ich über den gegenwärtigen Stand der Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission. Am 9. September 2004 hatte ich einen ersten Bericht dazu an dieser Stelle abgegeben. Dabei möchte ich eines vorab feststellen: Alle bereits in die Wege geleiteten und weiteren geplanten Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit den Schwerpunkten unserer Bildungspolitik. Wir haken nicht einfach die Liste der Empfehlungen der Enquetekommission als erledigt oder unerledigt ab, alles was machbar ist oder nicht, sondern wir ordnen sie in einen Gesamtzusammenhang ein.

Drei Schwerpunkte bestimmen derzeit unsere Bildungspolitik. Das ist erstens die stärkere Fokussierung auf die frühkindliche Bildung und Erziehung, zweitens das Entwicklungsvorhaben eigenverantwortliche Schule und drittens die Verbesserung der Unterrichtsqualität als systematisches Schulentwicklungsinstrument.

Zum ersten Schwerpunkt: In der frühkindlichen Bildung und Erziehung berühren sich Bildungs- und Familienpolitik besonders eng. Zwei Reformprojekte haben wir hier auf den Weg gebracht. Das Konzept „Bildung und Betreuung 2 bis 16“ und den „Bildungsplan bis 10“. Mit dem Konzept „Bildung und Betreuung 2 bis 16“ stärken wir das Elternrecht durch Kompetenzverlagerung vor Ort. Wir verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Qualität der Horterziehung. Langfristig führt unser Konzept dazu, dass alle an der Bildung und Betreuung Beteiligten noch enger zusammenarbeiten, das pädagogische Personal des Kindergartens, die Erzieher, die Lehrer an der Schule und die Eltern. Wenn wir diese Erziehungsgemeinschaft Eltern, Kindergarten, Schule stärken, dann werden Synergieeffekte genutzt, es entstehen verlässliche Strukturen. Verlässlichkeit, meine Damen und Herren, ist es, was Fa

milien zu Recht immer wieder von staatlichen Erziehungs- und Betreuungsangeboten verlangen. Die Verlässlichkeit der Angebote muss aber auch gepaart sein mit inhaltlicher Qualität. Deshalb erarbeiten wir in enger Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis einen Bildungsplan bis 10. Der Bildungsplan bedarf der Konkretisierung unter Berücksichtigung der lokalen Bedingungen und der besonderen Bedürfnisse der Kinder und deren Eltern. Aus dem Bildungsplan soll unter Mitwirkung der Eltern und der jeweiligen Träger, unter der Federführung der Leitung der jeweiligen Einrichtungen, ein Einrichtungsplan für jeden Kindergarten entstehen. In diesen Bildungsplan werden auch Ziele und Schwerpunkte für die außerschulische Bildung und Betreuung im Primarbereich, das heißt für Kinder im Grundschulalter, festgelegt werden. Die wesentlichen Inhalte des Bildungsplans werden in den Lehrplan der Erzieherausbildung übernommen werden. Hinzu kommt, der Übergang vom Kindergarten in die Schule muss flexibel und kindgerecht sowie familienfreundlich gestaltet werden. Mit der Neugestaltung der Schuleingangsphase wirken wir ganz bewusst einem Trend der letzten Jahre entgegen, dass Eltern ihre Kinder lieber später einschulen lassen. Die Schuleingangsphase verbindet die vorschulische und schulische Phase flexibel und pädagogisch sinnvoll. In der konzeptionellen Gestaltung der Schuleingangsphase haben wir festgelegt, dass der Klassenlehrer der künftigen 1. Klasse aktiv das Einschulungsverfahren begleitet, z.B. durch eine enge Zusammenarbeit mit den Kindergärten.

Der zweite Schwerpunkt unserer Bildungspolitik, die eigenverantwortliche Schule, steht in engem Zusammenhang mit dem dritten Schwerpunkt, der Verbesserung von Unterrichtsqualität. Mit dem Entwicklungsvorhaben „eigenverantwortliche Schule“ starten wir eine neue Schulkultur. Die eigenverantwortliche Schule gestaltet in enger Zusammenarbeit mit ihren Partnern aus dem sozialen Nahraum, vor allem den Eltern, ihr Schulleben weitgehend selbständig und verantwortet dabei ihr Handeln selbst. Sie hat die Möglichkeit, ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Sie trägt somit zu mehr Wettbewerb, zu mehr Vielfalt im Schulwesen bei. Die eigenverantwortliche Schule evaluiert sich selbst und stellt sich, wenn nötig, der Fremdevaluation. Wir entwickeln die Schulämter zu Qualitätsagenturen weiter. Sie sollen kompetente Partner sein, die mit den Schulen auf gleicher Augenhöhe kommunizieren und den Schulen als Dienstleister gegenüberstehen - Dienstleister im Dienst der Weiterentwicklung der Schul- und Unterrichtsqualität. Jeder Partner muss seine Verantwortung wahrnehmen. Die Schulen sollen vor allem bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsvorhaben unterstützt werden. Sie erwarten eine konstruktiv kritische Begleitung bei ihrem Handeln, Hilfe bei der Selbstevaluation, Vermittlung von Peer- oder Fremdevaluation

und deren Auswertung. Die dialogische Schulaufsicht wird dabei sehr viel stärker der Kommunikation, dem Dialog und der Vermittlung von Personen aus dem Unterstützersystem verpflichtet sein als der Kontrolle oder der Aufsicht. Das Schulamt muss verlässlicher Partner zur Unterstützung der Schulen sein. Dabei hat die Schulaufsicht selbstverständlich nach wie vor die Aufgabe, Chancengleichheit abzusichern und zu verhindern, dass es zu Benachteiligungen kommt. Ebenso wird es Aufgabe der Schulaufsicht sein, sozusagen von außen für Evaluation und Förderung der Qualitätsentwicklung an den Schulen zu sorgen, die aus eigener Kraft dies nicht bewältigen können oder wollen. Das heißt, wir lassen Schulen los, aber wir lassen sie nicht allein.

Thüringen investiert in das Unterstützersystem seiner Schulen bundesweit die meisten Ressourcen, mehr als 5.000 Lehrerwochenstunden oder umgerechnet fast 220 Lehrerstellen. Das ThILLM hat neben den Fachberatern auch Schulentwicklungsberater und didaktische Trainer qualifiziert. Die Schulen haben ein eigenes Fortbildungsbudget.

Meine Damen und Herren, wir setzen also bei der Unterrichtsqualität und im Kindergarten bei der pädagogischen Qualität an, wir legen den Akzent auf die Wirkung erzieherischer Arbeit. Unsere Bildungspolitik setzt exakt justierte Förderinstrumentarien genau dort ein, wo sie auch tatsächlich wirken. Besonders Begabte haben in gleichem Maße wie die langsamer lernenden Kinder Anspruch auf individuelle Förderung. Ein differenziertes, auf die Anschlussmöglichkeiten bezogen offenes und flexibles Bildungssystem vermag am besten alle Kinder, alle Schülerinnen und Schüler individuell, alters- und begabungsgerecht zu fördern, sie optimal auf die Erfordernisse des Lebens und des späteren Berufes vorzubereiten und ihnen Schlüsselkompetenzen für das lebenslange Lernen zu vermitteln. Jeder soll das lernen, was er für die Bewältigung seines Alltags und für sein späteres privates und berufliches Lernen braucht. Berufswahlvorbereitung in der Schule hat bei uns einen hohen Stellenwert.

Im Kontext der drei genannten Schwerpunkte unserer Bildungspolitik sind alle bisherigen und künftigen Umsetzungsmaßnahmen aus dem Katalog der Empfehlungen der Enquetekommission einzuordnen. Wir haben ein ganzheitliches pädagogisches und schulpolitisches Konzept. Jede Einzelmaßnahme ist ein Zahnrad, ein passgenau konstruierter Baustein. Im Zusammenwirken entsteht ein funktionierendes Gesamtsystem - unsere Thüringer Bildungslandschaft.

Kommen wir zu einer konkreten Zwischenbilanz unter drei Leitfragen: Was haben wir bisher umgesetzt? Was ist auf den Weg gebracht? Was ist für die nä

here Zukunft geplant? Ich orientiere mich dabei systematisch an fünf zentralen Themenblöcken aus dem Bericht der Enquetekommission:

1. Familie und Bildungssystem, 2. Frühkindliche Bildung, 3. Schule und ihre Partner, 4. Bildung und Entwicklung des pädagogischen

Personals, 5. Lebenslanges Lernen.

Zum ersten Bereich - Familie und Bildungssystem: Zentrale Handlungsempfehlung war hier die Einbeziehung der Eltern in die alltägliche Arbeit von Schulen und Kindergärten, vor allem aber auch bei der Erarbeitung von Bildungs- und Erziehungszielen. Die Eltern sind einbezogen. Die wichtige, die besondere Stellung der Elternbildung als wichtiger Teil der allgemeinen Erwachsenenbildung, dies ist uns ein entscheidender Grundsatz. Wir sind der Empfehlung gefolgt, die einladende durch aufsuchende Elternarbeit zu ergänzen. Seit der Novellierung des Schulgesetzes sind Hausbesuche eine gesetzlich geregelte Option. Es befindet sich ein KMK-Projekt in Planung, das an der Universität Erfurt das Thema „Frühe Förderung in benachteiligten Familien“ in den Blick nimmt.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Und die Finanzierung?)

Hier steht aufsuchende Familienarbeit im Vorlese- und Spielbereich im Mittelpunkt. Die aufsuchende Elternarbeit wird als Pflichtanteil in die Inhalte der zweiten Phase der Lehrerausbildung eingehen. Wir haben eine Elternakademie errichtet. In enger Kooperation mit den Volkshochschulen treiben wir die Elternbildung voran. Dem Fachbeirat zur Erarbeitung des Bildungsplans bis 10 gehören auch Elternvertreter an. Das als internationales Netzwerk aufgebaute Selbstevaluationsinstrument zur Prozessqualität „INIS“, das von über 170 Schulen in Thüringen eingesetzt wird, bezieht Eltern, Lehrer und Schüler in vollem Umfang mit ein. Das INIS-Projekt erfasst systematisch die Sichtweisen aller schulischen Akteure. Eine der Handlungsempfehlungen aus dem Bericht lautet: „Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Erwachsenenbildung und Familienbildung, Schulen und Betreuungseinrichtungen“. Zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Lernschwierigkeiten initiiert das Kultusministerium in enger Zusammenarbeit mit den Eltern lokale Netzwerke. Ein erstes entsteht gerade in Gotha. Im von der Wirtschaft gesponserten Gesundheitsprojekt „PRIMA - Primärprävention bei Essstörungen“ werden Eltern systematisch eingebunden. Sie sind da sogar die tragende Säule.

Allein schon diese Beispiele zeigen, für uns hat Elternrecht Vorfahrt. Wir bauen die Beteiligung der Eltern am Geschehen im Kindergarten und in der Schule weiter aus. Eltern sind die wichtigsten Partner von Kindergarten, Schule und Jugendarbeit. Der Thüringer Ministerpräsident hat kürzlich die „Thüringer Familienoffensive“ vorgestellt, die zum 1. Januar 2006 in Kraft treten wird. Die wichtigsten Neuerungen sind das Thüringer Erziehungsgeld für alle Kinder im dritten Lebensjahr, die Kinderpauschale statt anteiliger Personalkostenfinanzierung, ferner die kommunale Investitionspauschale und die Landesstiftung Familiensinn. Die Vorteile dieser Offensive: echte Wahlfreiheit für die Eltern, weniger Bürokratie, verlässliche Förderung, Sicherung des hohen Betreuungsstandards.

Kommen wir zum zweiten Bereich der Empfehlungen - frühkindliche Bildung: Zentrale Forderung war hier die Erarbeitung eines verbindlichen Bildungsrahmenplans für den Elementarbereich. Den aktuellen Sachstand zum Bildungsplan bis 10 habe ich Ihnen bereits berichtet.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Richtig!)

Hier noch einige zusätzliche Details - zunächst die Zeitschiene: Die Entwurfsfassung soll bis September 2006 zur Erprobung vorliegen und ab 2008 systematisch implementiert werden. Bereits im Vorfeld ist der Fachbeirat um eine hohe Akzeptanz bemüht. Die zweijährige Erprobung wird durch eine Evaluierung begleitet. Eine intensive Qualitätsentwicklung ist an unseren Kindergärten bereits in vollem Gange. Die Enquetekommission verbindet mit dem Bildungsplan zu Recht auch die Hoffnung, milieubedingte Benachteiligung im Kindergarten teilweise ausgleichen zu können. Im Projekt „Förderung von Kindern mit besonderen Lernschwierigkeiten im Schriftspracherwerbsprozess werden die Möglichkeiten der Sprachförderung im Kindergarten untersucht. Es liegen bereits erste durchaus positive Zwischenergebnisse vor. Thüringen nimmt am BLK Verbundprojekt „Stärkung der Bildungs- und Erziehungsqualität in Kindertagesstätte und Grundschule und Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten in die Schule“ teil. Dieses Projekt soll spezielle Curricular- und Förderkonzepte entwickeln, verbunden mit der Fortbildung für Pädagogen und der Förderung einer wirkungsvollen Zusammenarbeit mit Lehrern. In diesem Zusammenhang verdient auch die Innovationspartnerschaft mit der Fa. Microsoft, die wir heute unterzeichnet haben, Erwähnung. Auch hier werden künftig Kindergärten zusätzlich mit entsprechendem Equipment ausgestattet werden können, um die Entwicklung der Sprachfähigkeit zu fördern.