Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Abschließend dann noch etwas zu unseren Vorstellungen, wie wir die Lohnnebenkosten senken würden. Es ist Ihnen bekannt, aber ich sage es hier trotzdem. Die Linkspartei.PDS will erreichen, als Teil einer Reform der sozialen Sicherungssysteme die heutigen Lohnnebenkosten der Unternehmen komplett vom Faktor Arbeit abzukoppeln und durch eine Wertschöpfungsabgabe zu ersetzen. Unternehmen zahlen heute nach der Zahl ihrer Beschäftigten und der Höhe ihrer Bruttolöhne in die sozialen Sicherungssysteme ein. Aufgrund der ökonomischen Entwicklung ist die Zahl der Beschäftigten eines Unternehmens aber eben nicht mehr das entscheidende Moment der wirtschaftlichen Stärke. Und, meine Damen und Herren, Wachstum löst das Problem nicht, selbst wenn eine Riesenwelle über uns kommen würde, Wachstum löst das Problem nicht. Das jetzige System belastet arbeitsintensive Unternehmen und entlastet kapitalintensive. Und das, meinen wir, gilt es zu ändern.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: So ein Schwachsinn.)

Das ist kein Schwachsinn. Es ist ein Unterschied, ob ich eine Firma habe, in der wenig lebendige Arbeit ist, also wenig Arbeitskräfte, die davon geringer in die sozialen Sicherungssysteme abführen müssen, oder ob ich gerade im Dienstleistungsbereich sehr arbeitsintensive, also viele Menschen beschäftigt habe. Die werden nämlich dafür bestraft. Deswegen ist es strategisch richtig, die Zahlung in die sozialen Sicherungssysteme vom Faktor Arbeit, also von der lebendigen Arbeit zu entkoppeln und die Unternehmen nach der tatsächlichen Leistungskraft zu besteuern. Nichts anderes will diese Wertschöpfungsabgabe. Und wir werden uns eines Tages wieder sprechen, das wird auch eines Tages passieren, da bin ich überzeugt davon, weil Sie ansonsten von den Lohnnebenkosten, da können Sie Mehrwertsteuer erhöhen, so viel Sie wollen, und dort absenken, nicht runterkommen. Ich glaube, dass das wirklich ein Irrglaube ist. Deshalb wollen wir das ändern und mit der Linkspartei würden wir natürlich auch beim Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent bleiben, denn die Besteuerung geht zu Lasten der kleinen Leute, das ist hier schon mehrfach gesagt worden. Wir würden allerdings eines machen: Nach unseren Vorschlägen und auch nach unserem durchgerechneten Steuerkonzept würden wir z.B. Handwerker von der Mehrwertsteuer - also würden wir die absenken auf 7 Prozent. Das wäre dann ein wirklicher Beitrag, wenn die weniger dort zahlen müssten, was wirklich zu mehr Dienstleistungen und letztendlich auch zu mehr Kaufkraft führen würde. Das wären echte Reformen und kein Verschiebebahnhof, wie Sie das hier vorschlagen. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Wehner, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Problem bei dieser Betrachtung ist halt, dass man diesen Vorgang sehr, sehr häufig einfach statisch betrachtet. Das Ganze funktioniert aus einem ganz einfachen Grund nicht, weil Wirkungen dieser Gesetzgebung auch im Vorhinein nicht genau abschätzbar sind. Deswegen haben Sie auch vorhin gehört, dass die Finanzministerin keine genauen Zahlenangaben liefern kann. Das liegt in der Natur der Sache. Die Frage, die man sich hier stellen muss, ist: Was wirkt in Deutschland in erster Linie einstellungshemmend? Das sind die Lohnnebenkosten. Das muss man erst mal so feststellen, denn die Mehrwertsteuer interessiert bei der Einstellung eines Arbeitnehmers keinen Unternehmer. Es interessieren ihn nur die Beträge, die er für Arbeitslosenversiche

rung, Krankenversicherung usw. abzuführen hat. Dass dies so ist, zeigt übrigens auch die Zunahme der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse. Erst heute ist von Seiten des DGB dazu neues Zahlenwerk im Prinzip veröffentlicht worden. Warum flüchten Arbeitgeber immer mehr in Richtung geringfügige Beschäftigungsverhältnisse? Weil dort Lohnnebenkosten kalkulierbar sind und mit einem Pauschalsatz von 25 Prozent für den Arbeitgeber - für den Arbeitnehmer übrigens null - dort nur zu entrichten sind. Aus diesem Grund ist erst einmal bewiesen, dass die Lohnnebenkosten das entscheidende Einstellungshindernis sind und nicht die Mehrwertsteuer.

Die Mehrwertsteuer, das ist richtig, wirkt sicherlich verbraucherpreissteigernd. Das allerdings auch nie 1 : 1, denn logischerweise sind nicht alle Preiserhöhungen am Markt auch realisierbar. Deswegen ist es auch von vornherein unreal und auch eigentlich Lüge, wenn man es genau nimmt, wenn man vorher prognostizieren wollte, es würde zu einer Preissteigerung von 2 Prozent in allen Bereichen kommen. Das ist falsch und das werden Sie nach einer gewonnenen Bundestagswahl seitens der CDU und erfolgter Mehrwertsteuererhöhung auch tatsächlich feststellen können, dass die Verbraucherpreise nicht um 2 Prozent steigen werden.

Die Mehrwertsteuer ist eine soziale Steuer auch, denn der, der sich z.B. durch den Erwerb von Luxusgütern enorm viel leistet, führt auch enorm viel Steuern ab. Und die soziale Komponente über die Mehrwertsteuer ist dadurch geregelt, dass nämlich für Lebensmittel beispielsweise der verminderte Mehrwertsteuersatz gilt, und das soll auch im Unterschied zur SPD nach CDU-Modell zukünftig so gelten. Dass z.B. andere Länder mit wesentlich höheren Mehrwertsteuersätzen höhere Beschäftigtenzahlen haben, zeigt auch, dass dieser Zusammenhang, den Sie hier immer konstruieren, einfach falsch ist. Das Beispiel der skandinavischen Länder könnte ich hier auswalzen, es gibt aber …

Herr Abgeordneter Wehner, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Dr. Fuchs?

Ich bin gleich fertig, Sie können dann fragen, Frau Kollegin Fuchs.

Das Beispiel der skandinavischen Länder hatte ich gerade angeführt, ist ein gutes Beispiel dafür. Wichtig ist eigentlich nur, dass wir eine Politik in diesem Land endlich machen, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Menschen in Arbeit kommen.

Wenn Menschen in Arbeit kommen, sind sie auch in der Lage, die Mehrwertsteuer zu zahlen, und damit ist die Senkung der Lohnnebenkosten - das ist Ziel der CDU-Politik in diesem Bereich - die entscheidende Aufgabe, die wir in Angriff nehmen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt dürfen Sie gern eine Frage stellen.

Bitte, Frau Abgeordnete.

Bei chronisch kranken Menschen ist auch bekannt, dass sie mehr Medikamente brauchen als nicht chronisch kranke Menschen. Finden Sie das dann auch sozial, denn wir haben hier keinen verminderten Mehrwertsteuersatz, sondern den hohen, dass hier auch automatisch dann wieder neben den Praxisgebühren usw. die Belastung gerade für diesen Bereich mehr wird? Halten Sie das für sozial?

Frau Dr. Fuchs, das ist überhaupt nicht die Frage an dieser Stelle. Sie sind wieder bei der statischen Betrachtung. Sie beschreiben einen jetzt gültigen Zustand. Wie sich das verändert, wenn man eine Mehrwertsteuererhöhung eingeführt hat und welche Bereiche mit dem verminderten Mehrwertsteuersatz zu versehen sind, das wissen Sie doch überhaupt nicht an dieser Stelle. Den heutigen Zustand zu beschreiben, bringt doch überhaupt nichts.

Lieber Herr Abgeordneter, wenn ich noch mal sagen darf, ich habe nirgendwo gelesen, ich wäre sehr froh darüber …

Entschuldigen Sie bitte, normalerweise muss die Frau Präsidentin das Wort erteilen.

Ich muss erst einmal fragen, ob die Anfrage gestattet ist, Herr Wehner.

Aber gern.

Da stelle ich die Frage anders. Ist zu erwarten, wenn Sie dann die Regierung haben, dass Sie die Mehrwertsteuer für verschreibungspflichtige Medikamente als CDU auf den minderen Satz setzen bzw. - was noch idealer wäre - wie in anderen westlichen Ländern sogar auf null, weil das kein Luxusgegenstand ist, sondern eine Notwendigkeit, die kranke Menschen brauchen, um wieder zu genesen?

Diese Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Ich bin in diesen Bereich der Steuergesetzgebung leider nicht so tief eingebunden. Vielen Dank.

Das Wort hat Abgeordneter Dr. Schubert, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Diezel, Sie haben wieder einmal nichts unversucht gelassen, den Standort Deutschland hier schlechtzureden. Ich muss Ihnen sagen,

(Unruhe bei der CDU)

vom Ausland wird das mittlerweile ganz anders gesehen. Deutschland gilt mittlerweile als einer der attraktivsten Investitionsstandorte auf der ganzen Welt.

(Unruhe bei der CDU)

Nehmen Sie mal das Handelsblatt von gestern „Aufstieg eines Absteigers“.

(Beifall bei der SPD)

Es ist durch die Reform gelungen, die die Bundesregierung eingeleitet hat, das umzudrehen und Deutschland für Investoren der Welt wieder interessant zu machen.

Jetzt zu dem Thema „Lohnnebenkosten“: Wir haben trotz aller Unkenrufe ein von vielen Ländern beneidetes Gesundheitswesen. Wir sind eines der wenigen Länder in Europa, in denen es eine solidarisch organisierte Pflegeversicherung gibt, und auch unser Rentensystem ist nicht so schlecht, wie es oft gemacht wird. Und trotzdem wird kaum einer in diesem Haus hier letztendlich die negative Auswirkung von zu hohen Lohnnebenkosten auf Arbeit und Beschäftigung in Deutschland in Zweifel ziehen können. Kaum einer kann die großen Herausforde

rungen, vor denen unsere sozialen Sicherungssysteme stehen, negieren. Deshalb gibt es in den Wahlprogrammen der meisten Parteien Punkte, die sich mit der Realisierung der Lohnnebenkosten beschäftigen, um Arbeit in Deutschland auch im internationalen Vergleich bezahlbar zu halten und zu machen. Die Vorschläge, wie dies geschehen soll, unterscheiden sich jedoch sehr stark voneinander. Während die CDU mit der Kopfpauschale und der 2 Prozent Mehrwertsteuererhöhung auf Umverteilung zulasten der einfachen Bürger setzt, sieht die SPD mit ihrem Modell einer Bürgerversicherung der Kranken- und Pflegeversicherung eine Verbesserung des Solidaritätsprinzips. Verschiedene Gründe haben dazu geführt, dass die Situation der Sozialkassen heute so ist, wie sie ist. An allererster Stelle möchte ich die Entscheidung der Kohl-Regierung nennen, die Kosten der Wiedervereinigung nicht über Steuern, sondern über die sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren. Das wird in der heutigen Diskussion oft vergessen oder bewusst verschwiegen. Am Anfang 1990 stand die verhängnisvolle Wahlaussage - oder sollte man besser sagen: Wahllüge - vom damaligen Bundeskanzler, keine Steuererhöhung im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Eine verheerende Aussage, deren negative Auswirkungen im innerdeutschen Verhältnis noch bis heute nachwirken. Es wurde damals bewusst der Eindruck erweckt, Deutschland kann die Wiedervereinigung aus der Portokasse bezahlen. Die in weiten Teilen der Bevölkerung vorhandene innere Einstellung, für die Einheit auch persönliche Opfer zu bringen, wurde wahltaktischen Spielchen geopfert. In Wirklichkeit bezahlen es die Bürger dann doch, denn die sozialen Sicherungssysteme wurden mit versicherungsfremden Leistungen überfrachtet, obwohl eine Steuerfinanzierung wirtschaftspolitisch viel sinnvoller gewesen wäre. Und spätestens 1991 mit der Einführung des Solidaritätszuschlags wurden die Wahlaussagen zur Wahllüge, denn das Geld reichte am Ende doch nicht, weshalb die Kohl-Regierung die Einkommensteuer um den Solizuschlag erhöhte. Dass gerade Sie von der CDU die hohen Lohnnebenkosten beklagen, ist wirklich der Hohn. Unter der Kohl-Regierung ist der Gesamtbeitrag der Sozialversicherungssysteme von 35,6 im Jahre 1990 auf 42,1 im Jahr 1998 angestiegen. Die 2 Prozent der Arbeitslosenversicherung, die Sie jetzt wieder zurücknehmen wollen, das ist genau das, was in der Zeit zwischen 1990 und 1997 an Erhöhung stattgefunden hat. Die Regierung Schröder hat dann ab 1999 mit der Verwendung der Einnahmen aus der Ökosteuer für die Rente einiges gerade gerückt, was die Union Anfang der 90er-Jahre versaut hat, kann man sagen. 16,5 Mrd. an Einnahmen von 18 Mrd. werden zur Reduzierung und Stabilisierung des Rentenversicherungsbeitrags verwendet. Ohne die Einnahmen aus der Ökosteuer hätten 2003 bis 2005 die Rentenbeitragssätze um 1,7 Prozent höher fest

gelegt werden müssen. Aber die SPD hat bei der Rente nicht nur die Beiträge und die Lohnnebenkosten gesenkt damit, es wurde auch mit der staatlich geförderten Riester-Rente eine weitere Säule der Altersversorgung aufgebaut. Mit der Gesundheitsreform haben SPD und CDU gemeinsam dazu beigetragen, die Krankenkassen zu entlasten, das war wichtig und notwendig, auch wenn nicht alles, was dabei umgesetzt worden ist, sehr populär war. Wie sich die Union nach dieser Reform in die Büsche geschlagen hat und die eigene Vaterschaft beispielsweise für die Praxisgebühr verleugnete, das war schon ein starkes Stück. Die übermorgen, am Sonntag, anstehende Bundestagswahl wird eine Richtungsentscheidung werden, ob es in der Sozialversicherung trotz der ohne Zweifel notwendigen Veränderung weiter eine solidarische Finanzierung geben wird oder ob mit der Kopfpauschale eine weitere Entsolidarisierung Einzug hält. Für mich eine der entscheidenden Fragen in diesem Wahlkampf ist, wie die Union all ihre Wahlkampfversprechungen denn überhaupt finanzieren will. Sie behaupten von sich, meine Damen und Herren von der CDU, ehrlich zu sein und den Bürgern nichts zu versprechen, was nicht finanzierbar sei, bleiben aber an entscheidenden Stellen die Erklärung schuldig. Woraus sollen doch die Gelder für den bei der Kopfpauschale erforderlichen steuerlichen Sozialausgleich in Höhe von 26 Mrd. € kommen, wenn sie gleichzeitig die Einkommensteuer drastisch senken, die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte erhöhen und das dort hereinkommende Geld in den Länderhaushalten und für die Arbeitslosenversicherung verfrühstücken. Ganz zu schweigen von den 43 Mrd. € Steuerausfällen, die alle Finanzminister gemeinsam dem Kirchhof-Modell einer Steuerreform bescheinigt haben. Sie bleiben diese Antworten schuldig.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Mike Huster, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema an sich und damit auch beide Anträge sind durchaus interessant und ich meine auch die Finanzministerin so verstanden zu haben, dass man durchaus über verschiedene Wirkungen von beabsichtigten Maßnahmen kontrovers diskutieren kann.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Ja.)

Ich halte allerdings, werte Kollegen, ich will das auch ganz ehrlich sagen, den Zeitpunkt der Debatte trotz aller Verständlichkeit für nicht angemessen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich bezweifle, dass wir uns Freitag, zwei Tage vor einer so wichtigen Wahl, hier überzeugen, und ich bezweifle auch, selbst wenn unsere Auffassungen medial verbreitet werden, dass das noch tatsächlich ankommt. Ich denke, die Standpunkte der drei hier im Haus vertretenen Fraktionen und der dahinter stehenden Parteien sind im Wesentlichen bekannt. Ich jedenfalls bin sehr dafür, dass wir uns über diese Fragen unterhalten. Ich bin sicher, wir werden uns künftig ständig über die Vielzahl der Fragen unterhalten. Ich bezweifle nur, ob dies heute der richtige Zeitpunkt dafür ist, das auch ausreichend seriös zu tun.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ausgehend davon, dass ich bezweifle, dass wir uns hier gegenseitig überzeugen, möchte ich Ihnen in der gebotenen Kürze und in Ergänzung zu dem, was meine Kollegin Leukefeld hier vorgetragen hat, unsere Standpunkte vortragen, die sich explizit auf die Frage Mehrwertsteuer beziehen. Ich will allerdings an einigen Stellen versuchen, auch auf die Argumente der anderen Kollegen einzugehen.

Frau Diezel, es gibt eine zentrale Frage, die ich bei Ihnen festgestellt habe, und zwar einen ungebremsten Optimismus, den Sie, wenn Sie erst mal über die Senkung der so genannten Lohnnebenkosten ins Geschäft kommen, einen Optimismus aussprühen, dass dann sozusagen die Jobmaschine richtig in Gang kommt.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Weil es in den anderen Ländern funktio- niert hat.)

Ich bezweifle diesen kausalen Zusammenhang, ich bezweifle ihn zumindest dann, wenn man ihn nicht mit Programmen flankiert, die explizit auch auf die Stärkung der öffentlichen Investitionen ausgerichtet sind. Ich bezweifle ihn, wenn man es nicht mit Programmen flankiert, die explizit auf die Stärkung der Binnennachfrage ausgerichtet sind, zu denen natürlich die öffentlichen Investitionen gehören. Solange die Kofinanzierung einzelner Maßnahmen damit gewährleistet werden soll, dass man die Leute auf der anderen Seite wieder in Sorge und Angst versetzt und eher die Kaufzurückhaltung fördert, dann, glaube ich, wird das Ganze nicht funktionieren. Sie alle kennen die Größen des Wirtschaftswachstums, das erreicht werden müsste, um überhaupt Arbeitsplätze zu

schaffen.

Meine Damen und Herren, die Linkspartei schließt sich den Kritikern einer geplanten Mehrwertsteuererhöhung an. Wir halten in der jetzigen Situation diese Diskussion allein für absolut falsch und eine Mehrwertsteuererhöhung an sich auch für unrichtig. Wir denken, dass sie schädlich ist für das angestrebte wirtschaftliche Wachstum, so wie es von Ihnen formuliert worden ist. Wir befürchten eher, dass die Umsätze weiter zurückgehen in vielen Branchen und insbesondere die Binnenkaufkraft gesenkt wird.

Frau Diezel, wenn Sie die Folgen der Senkung der Lohnnebenkosten selbst auch in gewisser Weise als durchaus vage beschrieben haben, also Sie zwar glauben, dass das funktioniert, aber Sie sagen, natürlich ist das von sehr vielen Faktoren abhängig, so sind doch auf der anderen Seite die direkten Effekte einer Mehrwertsteuererhöhung relativ klar beschrieben in der Diskussion. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die jede Zahl aus jedem Gutachten 1 : 1 auch annehmen, aber ich meine, wenn das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft sagt, in einem Zeitraum von zwei, drei Jahren fallen erstmal 500.000 Arbeitsplätze weg, dass das durchaus ernst zu nehmen ist. Also habe ich auf der einen Seite Ihre geplante Maßnahme der Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine relativ sichere Aussage darüber, dass das zunächst Jobs vernichtet, und ich habe auf der anderen Seite die Aussicht, die Sie formuliert haben, die äußerst vage ist, weil sie von vielen, vielen anderen Faktoren abhängig ist und Sie über ein bestimmtes Level von Wirtschaftswachstum ja erst einmal kommen müssen, um überhaupt einen Arbeitsplatz neu zu schaffen. Wenn ich dann noch an die globalen Krisen denke und die Verwerfungen, die jederzeit möglich sind, wir wissen, wie labil mittlerweile auch die internationale Wirtschaft ist, wenn ich darüber nachdenke, dass die BolkensteinRichtilinie noch längst nicht vom Tisch ist, dass insbesondere die CDU-Vertreter und FDP-Vertreter im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments sich auch in den letzten Tagen sehr stark für diese Richtlinie gemacht haben und für die Weiterentwicklung sozusagen, dann sehe ich doch viel mehr heute noch sozialversicherte Jobs in Deutschland gefährdet und Ihre Maßnahme - geplante Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge um zwei Prozent - wird dadurch doch völlig konterkariert.