Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Das wird Ihre Antwort zeigen, Herr Mohring, also ob es zur Erhellung beiträgt. Sie haben noch mal betont, dass eine Familie mit zwei Kindern erst ab 38.000 € Jahreseinkommen in die Steuerprogression kommt. Würden Sie mir zustimmen, dass Sie dabei die Kinderfreibeträge berücksichtigt haben? Sie müssten jetzt aber erklären, dass für diesen Fall diese Familie kein Kindergeld bekommt. Oder wollen Sie einen Paradigmenwechsel, dass Sie jetzt sagen, Kinderfreibeträge und Kindergeld soll bei Ihrem Konzept künftig parallel gezahlt werden, also nicht mehr als Optionsleistung, sondern parallel. Wenn es bei der jetzigen Optionsleistung bleibt, würde diese Familie 3.000 € Steuern bezahlen müssen, weil sie dafür noch das Kindergeld erhält. Das müssten Sie jetzt noch mal erklären, ob es bei dieser Option bleiben soll - Kindergeld oder Kinderfreibetrag - oder ob Sie das parallel zahlen wollen. Dann würde Ihre Rechnung stimmen, ansonsten nicht.

Sie kapieren es halt nicht, echt schlimm. Weil es total einfach ist. 8.000 € für jedes Kind, 8.000 € für jede Mutter, 8.000 € für jeden Vater, 8.000 € für jedes Geschwisterkind. 8.000 € Freibetrag, das gab es noch nie in Deutschland, egal, wer regiert hat.

(Beifall bei der CDU)

Das gab es noch nie. Weil wir sagen, dass auch Kinder gleichberechtigt zur Familie und zu unserer Gesellschaft dazugehören und egal, ob sie beitragen, weil sie arbeiten, noch gar nicht arbeiten können, sind sie steuerrechtlich gleichgestellt und werden mit 8.000 € begünstigt. Es gab noch nie so eine Vergünstigung wie diese 8.000 € Freibetrag und deshalb werde das Familieneinkommen bis zur Höhe von 38.200 € komplett entlastet und befreit. Es bedarf über diese Befreiung keiner weiteren staatlichen Förderung, sonst würde die doch ad absurdum geführt. Wer keine Steuern mehr zahlt, braucht auch gar nicht mehr andere Modelle und andere staatliche Leistungen, weil er vom Staat bis auf null entlastet worden ist. Das ist das entscheidende Merkmal und das Neue an unserem Steuerrecht.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, Die Links- partei.PDS: Also kein Kindergeld mehr, dann sagen Sie es.)

Und das Zweite ist - da müssen Sie schon zuhören -, dass niemand, weder die Finanzministerin noch Wolfgang Wehner, noch Angela Merkel, noch Dieter Althaus, noch ich, noch irgendjemand anderes hier, an sonst welchen Tagen gesagt hat, dass das Kindergeld angetastet werden soll, sondern wir wollen auf das bestehende System, so wie es ist, unser Steuerrecht hinaufsetzen und die befreien, die arbeiten in diesem Staat, damit sie mehr Netto haben und damit eine höhere Kaufkraft da ist und damit wir es auf gerechtere Füße stellen. Deshalb soll es genauso sein, wie wir es hier verkündet haben. Deshalb gelten auch keine Zwischenargumente. Die, die arbeiten, sollen entlastet werden, weil das gut ist für dieses Land. Es ist gut für Thüringen, es ist gut für Deutschland und es wird Arbeitsplätze schaffen und wir werden uns daran messen lassen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung hat sich Ministerin Diezel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kuschel, Sie haben eben so eine Entlastungsrechung aufgemacht, dass dabei überhaupt nichts rauskommen würde oder nur 0,8 Prozent, wie mit der Teuerung. Das habe ich in meinem Vortrag hier auch gesagt, aber dass niemand motiviert wird, zusätzliche Arbeitskräfte einzustellen und dass Arbeitsplätze nicht entstehen. Ich möchte zitieren aus der Veröffentlichung des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln - ich glaube, das zweifeln Sie auch nicht an - am 16. Juni 2005. Die haben sich damit sehr ausführlich beschäftigt in volkswirtschaftlichen Berechnungen und Prognosen und sie kommen zu dem Schluss: „Allein“ - also, sie reden von einer 1-prozentigen Erhöhung der Mehrwertsteuer und 1-prozentigen Absenkung der Lohnnebenkosten; damals nicht 2 Prozent und 2 Prozent - „diese 1-prozentige Absenkung würde 100.000 zusätzliche Jobs in Deutschland bringen." Das möchte ich Ihnen als Antwort entgegenhalten.

Herr Pidde, Sie sprachen von Unehrlichkeit der CDU. Also, wenn eine Partei ehrlich in ihrem Wahlkampfprogramm sagt, wir werden eine Steuer erhöhen, und auch sagt, wofür sie sie erhöhen wird, dann ist das ehrlicher, als wenn ein Finanzminister Streichlisten, wie man heute in der "Osterländer Volkszeitung" nachlesen kann und in anderen Zeitungen, verheimlicht und wenn er dann noch den Beamten, die das vermeintlich erarbeitet haben sollen, das Haushaltsreferat, mit Strafanzeige droht, so wie man lesen kann. Sie sagen vor der Wahl nicht, was Sie streichen wollen. Sie sagen vor der Wahl nicht, wo Sie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz erhöhen wollen. Sagen Sie doch das, wie Sie das strukturelle Defizit Ihres Haushalts in Berlin reduzieren wollen.

Und zum Mittelstand: Sie haben gesagt, Mittelstandsförderung, Herr Dr. Pidde, ja, Mittelstandsförderung. Aber die Unternehmenssteuerreform im Jahr 2000 war alles andere als eine Mittelstandsförderung. Sie hat vor allen Dingen den großen Kapitalgesellschaften gedient und nicht den Personengesellschaften, die über 90 Prozent hier in Thüringen ausmachen. Das war doch der Punkt, das Nachjustieren. Sie mussten nachjustieren und wir haben bis heute noch keine Gleichbehandlung von Personengesellschaften mit Kapitalgesellschaften.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Das haben Sie doch verhindert.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen in unserem Wahlprogramm vor allen Dingen das, und das wird immer wieder vom Mittelstand und vom Handwerk deklariert, wir wollen vor allen Dingen Ist- und Soll-Besteuerung erhöhen auf 1 Mio. €;

wir liegen jetzt in den neuen Ländern bei 500.000 € - das wissen Sie - und in den alten Ländern bei 125. Das ist eine wichtige Maßnahme zur Förderung des Mittelstandes.

Herr Huster, Sie haben das ja sehr sanft gemacht, ich glaube, auch bewussterweise sehr sanft gemacht und sind nicht eingegangen auf das Wahlprogramm und auf Vermögenssteuer und auf all diese steuerlichen Aspekte in Ihrem Wahlprogramm, denn das Urteil anerkannter Wirtschaftsweiser ist ja vernichtend. Ich verweise nur auf das, was Prof. Pohl zum Steuerkonzept der Linkspartei.PDS gesagt hat oder was - jetzt veröffentlicht im Handelsblatt - andere Wirtschaftsweise am 31. August zu Ihrem Konzept gesagt haben: völlig daneben, völlig sinnlos finanziert,

(Zwischenruf Abg. Huster, Die Linkspar- tei.PDS: Das hätte mich auch gewundert, wenn Sie uns gelobt hätten.)

keine Durchfinanzierung. Es gibt Journalisten, die nennen es nur „Wunsch und Wolke“; dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Ach, das sind jetzt die Steuer- experten.)

Ja, nicht nur die Journalisten, sondern Prof. Pohl, Prof. Peffekoven, das sind die Steuerexperten - nachzulesen am 31. August 2005, geschrieben von Sebastian Großert im Handelsblatt. „Ökonomisch völlig sinnlos“ war die Überschrift zu Ihrem Steuerkonzept.

Frau Ministerin, der Abgeordnete Kuschel möchte Ihnen gerne eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Am Ende. Ja, in einem gebe ich Ihnen Recht, Herr Huster: Die Maßnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten müssen von anderen strukturellen Veränderungen flankiert werden. Das tun wir - Flexibilisierung am Arbeitsmarkt, Flexibilisierung des Arbeitsrechts,

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Kündigungsschutz.)

ja, Kündigungsschutz, vor allen Dingen, dass man den Mut hat, wieder neu einzustellen, gerade im Thüringer Bereich, dort, wo wir die kleinteiligen Unternehmen haben, dass der Handwerker nicht von Kündigungsschutz beeinträchtigt wird, sondern neue Jobs schaffen kann. Und wir sagen Entbürokratisie

rung. Wir haben das schlimmste Steuerrecht, was man sich in der Welt vorstellen kann. Allein 60 Prozent der Steuerliteratur ist deutsche Steuerliteratur. In einem Finanzamt müssen die Bediensteten 185 Vordrucke ausfüllen, die es für einzelne Steuerarten gibt. Und es gibt 116 Steuergesetzgebungen mit über 90.000 Einzelbeschreibungen. Das muss entschlackt werden. Das ist eine begleitende Maßnahme.

Zur Börsensteuer: Wir haben uns an dieser Stelle - Vermögenssteuer - Herr Huster, schon mehrfach unterhalten. Sie haben ja wenigstens zugegeben, dass die Reichensteuer der SPD mit 1,2 Mio. € in Thüringen mit 206 Fällen nicht den Effekt erreicht, dass wir damit Haushalte sanieren können. Im Gegenteil, wir betreiben Kapitalflucht. Bitte schön, jetzt die Frage.

Frau Ministerin, der Abgeordnete Bärwolff steht noch am Mikrofon. Kann der dann auch noch eine Frage stellen?

Ja.

Gut, dann in der Reihenfolge: Herr Kuschel, dann Herr Bärwolff.

Frau Ministerin, würden Sie mir zustimmen, dass Ihr Generalsekretär jetzt eine neue „Giftliste“ eröffnet hat, indem er abweichend von den bisherigen Äußerungen der CDU zu ihrem Steuerkonzept hier verkündet hat, dass neben dem Steuerfreibetrag für Kinder auch das staatliche Kindergeld weiter gezahlt werden soll, was eine Deckungslücke von 30 Mrd. € aufmacht? Will die CDU gegebenenfalls, um diese zu schließen, den Mehrwertsteuersatz von 18 auf 22 Prozent erhöhen?

Die CDU will den Mehrwertsteuersatz von 16 auf 18 Prozent erhöhen und die Lohnnebenkosten im Bereich der Arbeitslosenversicherung um 2 Prozentpunkte senken.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Rechnung mit den 6 Prozent, das mag „Rechnen 1 Prozentrechnung“ sein, aber es geht um Prozentpunkte. Den Äußerungen des Generalsekretärs über die Entlastung von Familien mit Kindern im

Steuerkonzept ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Huster, Die Linkspar- tei.PDS: Das haut aber nicht hin, was Sie da sagen.) Vizepräsidentin Dr. Klaubert: Herr Abgeordneter Bärwolff. Abgeordneter Bärwolff, Die Linkspartei.PDS: Frau Diezel, können Sie diesen dialektischen Widerspruch auflösen, den ich nicht so ganz verstehen mag, (Unruhe bei der CDU)

wie man das hinbekommen möchte, dass man durch die Abschaffung des Kündigungsschutzes mehr Arbeitsplätze schafft? Das scheint mir doch ein sehr großer Widerspruch zu sein und ich bitte um Auflösung. Danke schön.

Ja, da empfehle ich Ihnen, sich mit vielen Handwerkern und Unternehmen zu unterhalten, die in dem Bereich sind, die unter 20 Mitarbeiter haben. In vielen Beratungen mit Handwerkern wird eindeutig geäußert, dass sie mehr Flexibilität haben möchten, dass sie nicht über diesen strengen Kündigungsschutz die Möglichkeit haben, kurzzeitig einzustellen, dass sie das als Hemmnis sehen, und das ist für die ein dialektischer Widerspruch.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, Die Links- partei.PDS: Es geht um den kurzzeitig... Nutzen.)

Nein, nicht kurzzeitig, sondern überhaupt neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Ich sehe jetzt keine weiteren Fragesteller, keine weiteren Redeanmeldungen und schließe damit die Aussprache zu den beiden Berichten. Zu beiden Berichtsersuchen kann festgestellt werden, dass sie erfüllt sind. Erhebt sich dagegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Tagesordnungspunkte 11 und 13.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12

Auswirkungen der Energiepolitik der gegenwärtigen Bundesregie- rung auf Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/1080 -

Die antragstellende Fraktion hat keine Begründung beantragt und die Landesregierung hat angekündigt, dass sie den Sofortbericht erstattet. Ich bitte Herrn Minister Reinholz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine leistungsfähige und preiswerte Energieversorgung ist ein Standortfaktor ersten Ranges, das nicht nur in Thüringen, sondern in Deutschland und ganz Europa. Energiepolitik entscheidet ganz maßgeblich über Investitionen, über die Schaffung von Arbeitsplätzen, über das wirtschaftliche Wachstum einer Nation und natürlich letztendlich damit auch über den sozialen Wohlstand. Es steht daher völlig außer Frage, Energiepolitik ist Standortpolitik. So war beispielsweise die Investition für die Papierfabrik Jass in Schwarza ganz entscheidend von der Darstellung des Kostenfaktors „Energie“ abhängig. Die Landesregierung hat seinerzeit in sehr zähen Verhandlungen mit der Strom-, aber auch mit der Gaswirtschaft eine vergleichsweise günstige Gestaltung des Energiepreises für Jass erreichen können, was letztendlich dann den Ausschlag für diese wichtige Industrieansiedlung hier in Thüringen gegeben hat.

Meine Damen und Herren, wenn ich sage, zähe Verhandlungen, dann können Sie sich denken, dass die energiepolitischen Vorgaben aus Berlin uns das Leben hier in Thüringen nicht gerade leicht gemacht haben. Wenn wir also heute die Auswirkungen von sieben Jahren rotgrüner Energiepolitik hier diskutieren, dann geht es wenige Stunden vor der Bundestagswahl auch um eine Bilanz dieser sieben Jahre. Diese Bilanz - lassen Sie mich das vornweg schicken - fällt mehr als verheerend aus. Die Ursachen dafür lassen sich auf einen sehr einfachen Nenner bringen: Man kann keine fairen Marktpreise erwarten, wenn man Wettbewerb verhindert oder ihn gar, wie das Rotgrün getan hat, aushebelt.

Meine Damen und Herren, die von der unionsgeführten Bundesregierung im Jahre 1998 durchgesetzte Liberalisierung des deutschen Energiemarkts war zunächst im Strombereich mit deutlich rückläufigen Preisen verbunden. Dadurch wurden Strompreisnachlässe in einer Größenordnung von jährlich rund 7,5 Mrd. € realisiert. Dies hat zu einer

Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft geführt und die Budgets der Verbraucher ganz deutlich entlastet. Der aber ausgeprägte Hang der rotgrünen Bundesregierung hin zu einer ideologieorientierten Energiepolitik war mit weit reichenden dirigistischen Maßnahmen verbunden, die die Anfangserfolge der Liberalisierung wieder zunichte gemacht haben. Mit entsprechenden Gesetzesvorhaben ist man jedenfalls immer schnell zur Hand gewesen, ich denke da nur an Ökosteuer, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und Erneuerbare-Energien-Gesetz. Sie alle waren die Zündschnüre an den jetzt explodierten Energiepreisen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Da fra- gen Sie mal die Bauern in Thüringen!)

Allein die staatlich bedingten Sonderlasten, Frau Becker, auf den Strompreis sind von seinerzeit etwa 2,2 Mrd. € im Jahr 1998 inzwischen auf rund 12 Mrd. € im Jahr 2004 gestiegen und sie haben es tatsächlich geschafft, die Belastung damit zu verfünffachen.

Die Strompreise in Deutschland, meine Damen und Herren, und das kann jeder zu Hause nachvollziehen, gehören inzwischen wieder nach rotgrüner Regierungsübernahme zu den höchsten in Europa. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen ist dadurch seit Jahren nachhaltig beeinträchtigt, was insbesondere für energieintensiv produzierende Unternehmen gilt. Gehen Sie einfach mal raus zu den Unternehmen. Gehen Sie einfach mal hin zum Stahlwerk Thüringen und lassen Sie sich sagen, mit welchen wettbewerbsverzerrenden Energiepreisen sie im Vergleich zu Luxemburg, wo der Sitz des Unternehmens ist, hier in Thüringen konfrontiert werden.