Protokoll der Sitzung vom 09.06.2006

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Für die Landesregierung hat das Wort Minister Dr. Zeh.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, auch ich hätte gern zu Herrn Gentzel - jetzt kommt er wieder rein, er hat seinem Laster doch nicht so sehr gefrönt, wie er wollte. Ich halte, Herr Gentzel,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Mit Ihnen rede ich gerne.)

Ihre Ausführungen zu Schnarchern, Schauspielern und Lügnern mit Blick auf meinen Kollegen Herrn Panse

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

nicht nur ehrverletzend, sondern auch unwürdig. Und Sie torpedieren damit ein Stück unsere gemeinsame Linie,

(Beifall bei der CDU)

die wir mit vielen Diskussionen nun auch erreicht haben mit dem gemeinsamen Antrag. Also, Herr Gentzel, ich meine schon, Sie sollten sich in dieser Frage etwas mäßigen. Wir beklagen ja alle gemeinsam, dass in den Medien immer häufiger über Gewaltstraftaten aus dem extremistischen Spektrum und leider auch in Thüringen berichtet wird. Exemplarisch nenne ich die Vorfälle der letzten Tage in Weimar und in Eisenach. Auch die Verfassungsschutzberichte des Bundes sowie des Freistaats Thüringen geben hinsichtlich extremistischer Aktivitäten leider keine Entwarnung. Angesichts dieser Lage sind Gegenmaßnahmen erforderlich, da sind wir auch Ihrer Meinung. Aber dabei müssen wir stets auch immer beachten, dass es sich bei der Bekämpfung des politischen Extremismus und des Antisemitismus um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt. Der Staat allein wird hier auf Dauer keine Erfolge erzielen können; die gesamte Zivilgesellschaft ist hier gefragt.

Nichtsdestoweniger sind natürlich auch wir - das habe ich auch immer wieder gesagt - als politisch

Verantwortliche gefordert. Dass der Thüringer Landtag den Kampf gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit als zentrale Aufgabe betrachtet, beweist der jüngst von allen Fraktionen verabschiedete Beschluss „Initiative für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt“.

Nun liegt dem Landtag ein Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD vor. Ich teile das Anliegen, dass wir praktikable Antworten auf die Herausforderungen des rechtsextremen Spektrums finden müssen. Was wir brauchen, ist eine Prävention von Gewalt und Extremismus, die keine bloße Symbolpolitik ist, sondern auf Nachhaltigkeit setzt und damit das demokratische Gemeinwesen dauerhaft stärkt. Wiederholt haben wir in diesem Haus über die Effektivität verschiedener Formen von Präventionsarbeit gegen Gewalt gestritten. Es ging in diesem Zusammenhang auch um die Qualität von Aktionsprogrammen des Bundes, die demnächst auslaufen oder vielleicht auch umgestellt werden. Die Landesregierung hat wiederholt dazu Stellung genommen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, Forderungen sollten zumindest eine Chance auf Verwirklichung haben, sie müssen also wenigstens real sein. Herr Gentzel hat gesagt, sie sind natürlich überholt, deswegen will ich das nicht vertiefen. Aber es ist eben in diesem Falle so und deswegen muss man das hier auch in der Öffentlichkeit ja so sagen. Die Bundesregierung hat beschlossen, das auslaufende Bundesprogramm nicht fortzuführen. Daran kann die Landesregierung sie nicht hindern. Was der Bund aber ab 2007 konkret im Einzelnen beabsichtigt, ist offensichtlich noch nicht abschließend entschieden. Am 13. Juni wird in Berlin den Ländern das inhaltlich überarbeitete neue Bundesprogramm vorgelegt werden, zumindest ist es so angekündigt. Wir werden den 13. Juni abwarten müssen. Er trägt den Titel „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“. Es ist zu erwarten, dass die ab 2007 geltenden Konzepte der neuen Bundesregierung nun auch eine neue Ausrichtung erfahren werden. Die Chancen dafür stehen jedenfalls recht gut. Die Länder sind, anders als bei den seinerzeitigen Programmen, von Anfang an eingebunden und bringen ihre eigenen Vorstellungen und Strategien in die neuen Bundesprogramme ein. Ich stelle mit Genugtuung fest, dass der Thüringer Weg, projektbezogen vor allem regionale Strukturen zu fördern, in den neuen Bundesprogrammen auch seinen Niederschlag finden wird. Die Landesregierung wird derweil aber die Gespräche mit den Mitarbeitern der Strukturprojekte fortsetzen. Ziel ist es, gemeinsame Projekte zu erarbeiten, und ich sage ausdrücklich „Projekte“. Dabei müssen wir natürlich auch, das ist jedem klar, die finanzielle Lage beachten, um zu klären, welche Projektmodule gefördert werden können und welche

nicht. Ich denke, es ist ein praktikabler Weg. Der vorliegende Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS und SPD bringt uns hingegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht weiter. Wir wollen dann, wenn die Bundesprogramme vorliegen, entscheiden, welche Projekte wir weiter verfolgen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es gibt noch eine Wortmeldung - Entschuldigung - von Abgeordneten Dr. Hahnemann, Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich glaube ja, dass der Vorwurf berechtigt ist, dass bestimmte Verbalien dem Hause nicht angemessen sind. Vor allem aber wird die Art und Weise der Debatte, glaube ich, dem Problem, über das wir eigentlich reden, nicht gerecht. Ich verstehe überhaupt nicht, warum man nicht über die Angelegenheit reden kann, so wie es die Kollegin Berninger gemacht hat. Wenn das im Grunde genommen der Ausfluss des gemeinsamen Antrags ist, dann sage ich ganz ehrlich und etwas härter als Kollegin Berninger, dann wird es nicht mehr lange dauern und ich bereue meine Zustimmung zu diesem Antrag.

Für eines kann ich Sie, Herr Panse, in ironischer Weise loben, Sie können sich zumindest bei dem Niveau der Debatte über ein solch brisantes Thema unserer Gesellschaft noch wundern. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die lange genug da sind, um sich über bestimmte Dinge schon nicht mehr zu wundern. Insofern spricht das für Sie. Was gegen Sie spricht ist, dass Sie ganz offensichtlich die Zielrichtung des Antrags nicht verstehen wollen. Diesen Vorwurf erhebe ich Ihnen gegenüber, denn wenn Sie den Antragstext nehmen und sich gar nicht bei der Frage, wer hat mit wem wie verhandelt, aufhalten, dann dürften die Absicht und auch die Durchführbarkeit der hier zur Beschlussvorlage gemachten Dinge eigentlich auf der Hand liegen.

Ich glaube sowieso, dass wir uns angesichts des Problems, das wir mit Rechtsextremismus haben, im Thüringer Landtag und auch anderswo nicht mehr länger leisten können, uns vor irgendwelchen Berliner Bedingungen oder Berliner Denkarten zu verneigen. Die Zeiten, meine Damen und Herren, sind vorbei. Wenn Sie sich die Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahl und der Kommunalwahl hernehmen, dann werden Sie früher oder später zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir unseren Bedingungen ge

mäß handeln müssen und nicht nach Berlin schauen, was genehmigen uns denn die Berliner aus ihrer Sicht auf die Dinge, und danach Thüringer Politik ausrichten. Ich bin der tiefen Überzeugung, meine Damen und Herren, wir können uns den Grundsatz „Modellprojekte ja - Strukturprojekte nein“ nicht leisten. Schauen Sie in die Neonaziszene, die machen genau das, was wir uns nicht leisten wollen. Sie strukturieren sich, und zwar in einem Maße, das so schnell fortschreitet, dass ganz offensichtlich bestimmte geheimdienstliche Einrichtungen des Landes nur nachhinken können. Wir können uns diesen Grundsatz nicht leisten. Und weil ich glaube, dass wir darüber reden müssen, ob wir es uns leisten können, auf Strukturprojekte zu verzichten, und wie gegebenenfalls, wenn wir es uns nicht leisten können, Strukturprojekte aussehen und arbeiten müssten, bitte ich Sie inständig, diesen Antrag nicht von vornherein abzulehnen, sondern ihn an den Ausschuss zu überweisen. Wir können uns bei dem Problem, was wir haben, nicht auf die begrenzte Weisheit in Berlin verlassen. Verlassen können wir uns in dieser Angelegenheit nur auf uns selbst. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen jetzt nicht vor. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, wenn ich das richtig verstanden habe, an den Innenausschuss. Dann lasse ich jetzt darüber abstimmen. Wer für den Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD in Drucksache 4/1987 für die Ausschussüberweisung an den Innenausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Eigentlich müssten wir es ja mal auszählen lassen. Ich bitte noch mal, wer für die Überweisung ist, um das Handzeichen. Ich bitte die Kollegen hier zu zählen. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen? Keine. Also, durch spontane und wundersame Vermehrung ist mit knapper Mehrheit die Ausschussüberweisung abgelehnt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

38 zu 34, das war relativ knapp.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag direkt. Wer für den Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD in Drucksache 4/1987 ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Dann in gleicher Größenordnung ist dieser Antrag abgelehnt und ich schließe den Tagesordnungspunkt 11 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 12

Keine Versalzung der Werra zulassen! Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/1988 -

Es ist angezeigt worden die Begründung des Antrags durch Abgeordnete Katja Wolf. Bitte schön.

Danke. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zur Mittagszeit passend, ich hoffe, dass das Essen in der Kantine heute nicht ein Beitrag zum Thema war nach dem Motto: „Wie viel Salz verträgt Thüringen“. Der Hering hatte eindeutig zu viel abgekriegt, aber vielleicht sollte das ja die Sensibilisierung für das Thema sein.

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Werra ist für manchen hier im Saal wahrscheinlich so weit weg wie der Mond, was verständlich ist

(Unruhe bei der CDU)

- hören Sie mir doch erst einmal zu -, wenn man keinen persönlichen Bezug dazu hat, weil, ich gebe zu, so geht es mir in gewisser Weise mit der Elster, aber die Werra ist ein wunderschöner Fluss mit einem riesigen Potenzial für den Tourismus. Ich möchte Sie recht herzlich einladen, entweder mit dem Boot oder mit dem Rad eine Tour zu machen, z.B. von Creuzburg nach Treffurt durch das Werratal, und Sie werden begeistert sein von diesem Fluss. Das Image der Werra jedoch war schlecht und ist nur langsam dabei, sich mühsam wieder zu erholen, denn die Werra hatte das Image eines toten Flusses. Auch jetzt noch werden jedes Jahr 14 Mio. Kubikmeter Salzlauge in den Fluss geleitet. Der Grenzwert für Salzeinleitung beträgt 2.500 mg Chlorid pro Liter und ist dementsprechend ungefähr 30 mal höher als in Nachbarflüssen. Das bedeutet

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Ich denke, ihr habt schon Heringe drin.)

- das war ein ganz großartiger Beitrag -,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

dass in der Werra pro Liter 4 Gramm Salz gelöst sind und, Herr Wetzel, das empfehle ich im Besonderen Ihnen, Sie können das einmal im Selbsttest probieren, es ist wirklich hochgradig ekelig. Die Werra soll jetzt noch stärker belastet werden und die Abwässer sollen nicht mehr nur aus der Kaliindustrie aus der Produktion kommen, sondern über eine 60 Kilometer

lange Leitung von der Halde bei Fulda abgeleitet werden. Ich glaube, dass es nicht wirklich klar ist, was es bedeutet, Haldenabwässer einzuleiten, das heißt nämlich, dass Kali + Salz plant, die nächsten mehr als 1.000 Jahre die Halden langsam wegspülen zu lassen durch Regenwasser. Das ist in unseren Augen völlig unhaltbar, zumal es Alternativen gibt. Sie können sie sich in der Ausstellung „Thüringen steinreich“ ansehen. Es gibt die Alternativen der Abdeckung wie z.B. in Sondershausen und Bleicherode geschehen, es gibt die Alternativen der Zurückverbringung unter Tage und auch der Behandlung der Abwässer.

Eine weitere Belastung der Werra ist für uns völlig inakzeptabel. Nach unserer Meinung darf die Werra nicht der billige Abwasserkanal von Kali + Salz oder der Kaliindustrie insgesamt werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das wollen wir mit unserem Antrag klarmachen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Damit eröffne ich die Aussprache. Als erste Rednerin hat das Wort Abgeordnete Becker, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Anlass des Antrags der Linkspartei.PDS ist die geplante zusätzliche Einleitung von Kalihaldenwasser aus dem Raum Fulda, dem Werk Neuhof, in die Werra und der damit verbundene Bau einer 63 Kilometer langen Pipeline. Durch den Bau dieser Leitung will Kali + Salz den aus dem Jahre 1913 stammenden Einleitungsgrenzwert von 2.500 mg, dementsprechend 4 g pro Liter Salz, wie Frau Wolf das auch schon erklärt hat, für die nächsten tausend Jahre festschreiben. Das hat nicht nur Herrn Kummer im Umweltausschuss die Sprache verschlagen, ich hatte auch das Gefühl, dass es bei den Herren der CDUFraktion auch auf Unverständnis stieß.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Solche oder ähnliche Forderungen sind wir in den letzten Jahren, spätestens seit 1991 - da hieß das alles noch ein bisschen anders -, von Kali + Salz gewöhnt. Ob es bei dem Staatsvertrag von 1996 zum grenzüberschreitenden Abbau von Salzen im Werra-Kali-Revier, wo es um die Verschiebung der Markscheide ging, darum ging, von Hessen das Kalisalz abzubauen, ob es um den Altlastenvertrag von 1998 ging oder ob es um die Änderung des Staatsvertra

ges im Jahre 2002 beim Bau des Rolllochs ging, immer ging es um die Stärkung der Werra-Kali-Region und um die Erhaltung der Arbeitsplätze. Als ob das nicht schon genug wäre, auch heute geht es wieder - im „Freien Wort“ zu lesen - für die Landesregierung bei der Diskussion um den Erhalt der Arbeitsplätze. Da frage ich mich, nicht dass der falsche Gedanke entsteht, wir sind auch für den Erhalt der Arbeitsplätze in Unterbreizbach, aber wir versprechen das in 16 Jahren mindestens das siebte Mal und diese Landesregierung ist da nicht bereit, Einhalt zu gebieten,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Kali + Salz mal zu sagen, bei jeder Verhandlung haben sie die Arbeitsplätze in den Raum gestellt, und das reicht. Irgendwann muss auch mal ein Ende sein.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Es kann doch nicht sein, dass die letzten Arbeitsplätze, die in Thüringen vorhanden sind, jetzt wieder infrage gestellt werden, weil eine Pipeline von 63 km von einer Altlastenhalde, die im Westen entstanden ist, hier eingeleitet werden soll. Ich verstehe nicht, warum Sie dann so ruhig sein können, warum die Landesregierung so eine defensive Haltung dabei einnimmt. Ich kann es nicht verstehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)