Protokoll der Sitzung vom 09.06.2006

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Abgeordneter Kummer, Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Rose, so richtig konnte ich erstens nicht entnehmen, wo Sie hinwollen, und zweitens haben Sie auch Dinge in unseren Antrag hineininterpretiert, die ich daraus so nicht entnehmen kann.

Es geht uns hier ganz eindeutig um die von Kali + Salz geplante zusätzliche Versalzung der Werra. Dass mit dem Abbau von Kali natürlich auch weiterhin eine Versalzung gegeben ist, solange der Abbau stattfindet, und dass ein sofortiger Stopp dieser Versalzung erstens nicht möglich ist und zweitens eine drastische Reduzierung auch die Arbeitsplätze gefährden würde, ist uns klar. Wir wollen auch die Kaliindustrie weiterhin behalten. Es geht hier aber um

andere Dinge.

Meine Damen und Herren, wir haben gestern hier in diesem Haus die DDR-Vergangenheit ziemlich heftig diskutiert. Ein Grund für viele Bürger der DDR, das System damals abzulehnen, diesen Staat abzulehnen, war die Art und Weise, wie dieser Staat mit der Umwelt umgegangen ist.

(Beifall bei der SPD)

Gerade viele Umweltgruppen haben zu Wendezeiten auch die Demonstrationen mit gefüllt. Ein Beispiel für Umweltbelastung zu DDR-Zeiten war eben die Werra. Das ist ja vorhin auch schon angesprochen worden. Die Belastung, die es gegeben hat, entsprach teilweise in etwa dem, was wir im Atlantik an Salzkonzentrationen haben, und das in einem normalen Fließgewässer, wo das wirklich nicht reingehört. Nach der Wende ist zum Glück viel getan worden. Es gab eine Aufbruchstimmung auch in Sachen Umweltschutz. Wir haben hier in Thüringen angefangen, die Halden, die übrig geblieben sind von der DDR-Kaliindustrie, entsprechend abzudecken. Es wurden enorme auch finanzielle Anstrengungen unternommen. Bisher sind ca. 140 Mio. € aus dem Sondervermögen ökologische Altlasten - bezahlt vom Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland - zur Sanierung dieser Kali-Altlasten geflossen.

Meine Damen und Herren, damit wurde erreicht, dass wir seit 1999 in etwa 2.500 Milligramm Chlorid pro Liter in der Werra haben, auch durch die Schließung der Kaliindustrie, das kommt noch mit hinzu, aber auch durch die Abdeckung der Halden, wodurch natürlich hier entsprechend weniger Haldenabwässer in die Werra geraten. Bei Hochwasser haben wir in etwa 500 Milligramm Chlorid pro Liter zu verzeichnen. Deshalb unser Antrag auch zu diesem Punkt, hier mit der Forderung nach einem neuen Grenzwert. Aber dazu komme ich noch. Diese ganzen positiven Entwicklungen führten dazu, dass wir im Thüringer Landtag in der letzten Legislatur den Mut hatten, ein Wanderfischprogramm zu beschließen, welches der Werra und ihrem Nebenfluss Ulster - die ja ebenfalls von der Kaliindustrie betroffen ist - eine wesentliche Aufgabe zuwies, nämlich z.B. erster Laichplatz für Langdistanzwanderfische wie den Lachs zu sein. Es gibt in Thüringen inzwischen das Projekt „Lebendige Werra“, das u.a. auch zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie dienen soll, die ja einen guten Zustand für unsere Gewässer ab dem Jahr 2015 vorschreibt. Mit der Verabschiedung dieser europäischen Wasserrahmenrichtlinie ging auch große Hoffnung durchs Land, große Hoffnung, dass unsere Fließgewässer bis zum Jahr 2015 ein ganz anderes Gesicht haben könnten und dass wir hier dann wieder mit Arten zu rechnen hätten, von denen wir schon lange nur noch träumen konnten.

Kali + Salz möchte, dass wir darauf noch tausend Jahre warten, mehr als tausend Jahre. Denn wenn wir die Kalihalde in Neuhof nicht abdecken im Gegensatz zu den Thüringer Halden, weil es dort angeblich nicht in Frage kommt, werden wir eben warten müssen, bis diese Halde vom Niederschlagswasser in die Werra gespült wird. Das wird einen Zeitraum von über tausend Jahren in Anspruch nehmen. In Neuhof liegen 93 Mio. Tonnen Salz und es sollen in den nächsten 30 bis 35 Jahren - so lange, wie man dort noch produzieren will - noch weitere 89 Mio. Tonnen dazukommen. Das heißt, von einer richtigen Altlast kann man dort nicht sprechen; es ist auch eine Neulast, die dort prognostiziert wird. Ich finde, das ist in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptabel. Außer der Atomindustrie nimmt sich kein anderer Industriezweig in diesem Land das Recht heraus, auf tausend Jahre und länger die Umwelt belasten zu wollen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, nun kann man natürlich die Frage stellen: Warum ist das nicht akzeptabel? Im Moment haben wir ja schon 14 Mio. Kubikmeter, die in die Werra eingeleitet werden, da kommt nur noch 1 Mio. Kubikmeter dazu, das ist also ein Fünfzehntel der Gesamtbelastung. Letzten Endes ist es damit ja nicht so sonderlich viel. Außerdem wird die Versalzung gleichmäßiger. Das heißt also, salzliebende Pflanzen und Tierarten können sich viel besser in der Werra etablieren und wir haben dann in 30 Jahren dort eine wunderschöne Salzflora und -fauna.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, Die Linkspartei.PDS: Genau das!)

Vielleicht sollten wir dann in 30 Jahren die Werra entsprechend als Salzbiotop unter Schutz stellen und dafür sorgen, dass wir künftig diese Salzlast bis ans Ende aller Zeiten sichern. Vielleicht müssen wir dann irgendwann mal noch Nordseewasser wieder in die Werra pumpen, weil wir ja hier in Thüringen nicht mehr genügend Salz dafür haben. Ich glaube, das ist nicht der richtige Ansatz und das hat mit einer ökologischen Strategie für die Werra nichts zu tun.

Meine Damen und Herren, wir wollen auch nicht, dass der Kaliabbau in naher Zukunft beendet wird, aber die Belastung der Werra soll, wenn der Kaliabbau aufhört, beendet werden. Dafür müssen wir etwas tun. Delbst wenn wir nach Ende der Abbauzeit des Kalis nur noch diese eine Salzpipeline haben, die nur noch das Abwasser der Halde in Neuhof in die Werra leitet, dann haben wir immer noch in der Werra mit einer Salzbelastung zu tun, die in etwa dem Dreifachen von dem entspricht, was in der Fliede, wo Kali + Salz jetzt auch schon Abwasser einleitet, jetzt

der Grenzwert ist, nämlich 87 mg pro Liter. Das hat konkrete Auswirkungen, auch wenn es dann vielleicht nur 200 mg pro Liter sind, konkrete Auswirkungen zum Beispiel auf den Lachs, der ja dann in der Ulster laichen soll. Der Fisch orientiert sich, wenn er zu seinen Laichgründen schwimmt, am Geruch. Nun muss man sich vorstellen, er kommt im Meer langgezogen und versucht dort nun rauszufinden, wenn er so durch die Mündungsbereiche schwimmt, wo er denn jetzt hergekommen ist als junger Fisch, und versucht dann durch die Geruchsaufnahme sich zurechtzufinden und dort hinzukommen, wo er ursprünglich mal geboren wurde. Dann schwimmt er im Süßwasser lang und irgendwann wird das immer salziger und er denkt, irgendwie hast du dich jetzt verlaufen, bist doch wieder im Meer gelandet. Dann dreht der um und schwimmt woanders hin, verirrt sich und wird nie wieder heim finden. Ich glaube, das ist eine Geschichte, die sollten wir ihm nicht zumuten. Das ist also ein Punkt.

Der zweite Punkt, das ist die Frage der Auenversalzung. Ich glaube, hier greift spätestens das Verschlechterungsverbot der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Denn wenn ich eine Hochwassersituation habe, wo die Auen überflutet werden, haben wir zurzeit etwa 500 mg pro Liter Salz, was schon ganz schön heftig ist, aber trotzdem noch Landwirtschaft auf den Auen zulässt und auch noch zulässt, dass die Fische, die Auen zur Vermehrung brauchen in Überflutungssituationen, sich dort noch vermehren können. Wenn das in den nächsten 30 Jahren gleichmäßig bei 2500 mg pro Liter Belastung liegen wird, dann werden sich hier Fischeier nicht mehr entwickeln können und ich weiß nicht, was die Landwirte mit uns machen werden. Die werden uns auf jeden Fall tüchtig Vorwürfe machen.

Ein nächster Punkt ist die Frage Haldenentwässerung über die Leitung über 1.200 Jahre: Die Kollegen von Kali + Salz haben uns in der Ausschuss-Sitzung allen Ernstes gesagt, ja, dafür haben wir die Rücklagen schon gebildet. Das ist ein prima Planungshorizont. Ich weiß ja nicht, wer von Ihnen noch ein Sparbuch von vor 1.000 Jahren zu Hause hat. Ich weiß auch nicht, was in 1.000 Jahren noch für eine Währung gelten sollte. Ich weiß nur ganz gewiss, der Euro wird es nicht mehr sein. Deshalb, denke ich, wird es ganz einfach sein...

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Woher willst du das wissen?)

Ja, ich weiß, es haben schon viele von 1.000 Jahren geschwärmt, aber es war immer falsch, zum Glück.

Meine Damen und Herren, das heißt, irgendwann wird die Bevölkerung dieses Landes die Kosten für die Entsorgung dieser Altlast zu tragen haben, weil

eben Rücklagen über 1.000 Jahre nicht zu bilden sind. Deshalb brauchen wir Alternativen, denn das, was hier geplant ist, ist ein Verstoß gegen die Nachhaltigkeit und ist eine Unsicherheit für kommende Generationen.

(Beifall bei der SPD)

Und diese Alternativen gibt es. Natürlich können wir Hohlräume verfüllen. Sicherlich muss man das richtig machen, aber da haben wir doch trotzdem auch Erfahrungen. Wir haben doch in den letzten Jahren auch Hohlräume vefüllt, verfüllen sie heute immer noch, sogar mit Sondermülldeponien, die wir in Thüringen erst eröffnet haben. Außerdem können wir auch abdecken. Was auf Thüringer Halden geht, warum soll es denn in Hessen nicht gehen? Da frage ich mich auch so ganz nebenbei, wieso man gerade für diese Halde 108 Mio. Tonnen Abdeckmaterial braucht. Wir haben ja rein zufällig eine Ausstellung zur gleichen Zeit hier im Landtag und wenn Sie mal hochgehen, im Funktionsgebäude, 3. Etage, gegenüber dem Fraktionssitzungsraum der PDS, da können Sie sich ansehen, was denn die Abdeckung der Thüringer Halden bisher an Material gebraucht hat. Merkwürdigerweise haben wir hier zurzeit 75 Hektar abgedeckt und dafür 1,5 Mio. Tonnen Abdeckmaterial gebraucht. Die Halde in Neuhof wird in etwa doppelt so groß sein wie diese 75 Hektar von der Oberfläche her, es sind rund 85 Hektar Aufstandsfläche, da haben wir uns erkundigt. Das heißt also, da könnte ich vielleicht das Doppelte brauchen. Gut, wenn ich jetzt noch sage, dass der Müll, der auf die Thüringer Halden aufgetragen wurde, ebenfalls als Abdeckung notwendig gewesen sein soll, woran ich ein bisschen zweifle, noch dazu bei den unterschiedlichen Müllmengen, die wir je Halde aufgetragen haben - also Sollstedt ist da ein ganz hervorragender Vorreiter, wo wir das Zehnfache an Müll haben als bei den anderen Halden -, aber selbst wenn das wäre, haben wir bisher 16 Mio. Tonnen Müll aufgebracht auf die Thüringer Halden. Das heißt, bei Neuhof - wenn ich es jetzt mal zwei rechne überschlagsmäßig - wäre es das Doppelte, da sind wir auch noch lange nicht bei 108 Mio. Tonnen. Deshalb darf an der Zahl von Kali + Salz durchaus gezweifelt werden.

Meine Damen und Herren, eine Bündelung der verschiedenen Alternativen ist möglich. Damit lässt sich eine Lösung schaffen, dass wir eine Salzabwassereinleitung von dieser Halde verhindern können. Eine Einleitung über 1.000 Jahre ist für uns überhaupt nicht akzeptabel. Thüringen muss sich dafür stark machen, dass es diese Einleitung nicht gibt, schließlich sind wir vor der Europäischen Union für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Bereich Werra verantwortlich. Ich glaube, da werden wir von der EU auch bei der Verantwortung genommen werden. Das Verschlechterungsverbot, das die Wasserrah

menrichtlinie vorsieht, gilt eben auch für die Werra. Deshalb, meine Damen und Herren, fordern wir die Ablehnung der Pipeline. Die Arbeitsplätze in der Kaliindustrie können auch ohne diese dauerhafte Umweltbelastung von 1.000 Jahren weiter existieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern auch, dass bei Hochwasser 500 mg pro Liter als Grenzwert vorgeschrieben werden. Da kann man sich auch einigen, ob das vielleicht nur 200 sein sollten. Wir wollten mit der Zahl 500 mg pro Liter deutlich machen - das ist das, was jetzt bei Hochwasser erreicht ist, und dass wir auch die Arbeitsplätze nicht gefährden wollen -, aber wir wollen damit klarmachen, wir dulden nicht, dass die Auen versalzen werden.

Wir stehen mit unserer Forderung nicht allein, meine Damen und Herren. Es gibt schon jetzt von 25 Landesangelverbänden Deutschlands Protestresolutionen, da stehen eine halbe Million Mitglieder dahinter. Es gibt auch Protestaktionen der Umweltverbände in Thüringen und auch in benachbarten Bundesländern. Ich hoffe, dass diese Proteste erhört werden. Dementsprechend hoffe ich auf eine angeregte Beratung unseres Antrags im Ausschuss für Naturschutz und Umwelt, wohin wir die Überweisung gerne hätten. Ich hoffe, dass wir eine mündliche Anhörung dazu zustande bringen, damit wir hier die entsprechenden Fachexperten einladen können, um uns ein unabhängiges Bild zu machen von dem, was in der Werra geplant ist. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen vor. Abgeordneter Krauße, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, natürlich ist die weitere Salzbelastung in der Werra ein großes Problem. Wir wollen, und das hat mein Kollege Rose ja schon gesagt, auch diesen Antrag im Ausschuss weiterbehandeln. Ich gehe davon aus, dass uns dieses Thema noch einige Zeit beschäftigen wird, allein schon deshalb, weil es ja bis jetzt noch keine Planungs- oder Genehmigungsverfahren gibt. Wir wissen also noch nicht exakt, was Kali + Salz tun will. Die Pipeline ist im Gespräch, zweifellos. Alternativen werden auch diskutiert. Uns wurde auch gesagt, dass natürlich die im Ausschuss angesprochenen möglichen Alternativen in die Planungen mit einbezogen werden. Von daher gesehen ist es für mich auch überhaupt kein Problem, darüber zu reden, dass wir eine öffentliche Anhörung dazu

machen; das kann in jedem Fall hilfreich sein.

Ich möchte dazu noch sagen, die Genehmigung für die Haldenerweiterung, der Planfeststellungsbescheid, ist im Juli 2003 vom Hessischen Regierungspräsidium in Kassel erteilt worden. Zu dem Zeitpunkt lagen schon 90 Mio. Tonnen auf den Halden in Neuhof-Ellers und Hattorf. Man wusste also damals schon, was dazukommt, und man muss sich nach meiner Meinung auch in dem Planfeststellungsbescheid informieren, welche Maßnahmen zur Beseitigung der Haldenabwässer vorgesehen waren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man vor drei Jahren noch keine Ahnung hatte, dass da Abwässer auftreten werden. Was nun diese ominösen 1.000 Jahre sind, hört sich gut an, liest sich gut in der Presse. Es ist ein sehr schlagendes Argument. 1.000 Jahre - das würde bedeuten, man lässt die Halden so, wie sie jetzt sind, im Regen liegen und tut gar nichts. Ich glaube nicht, auch im Hinblick auf die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und andere Umweltgesetze, dass man so etwas tun kann, dass man solche Halden einfach liegen lässt und überhaupt nichts tut. Insofern bin ich optimistisch, dass es hier Lösungen geben kann und Lösungen geben muss. Unsere Aufgabe ist es selbstverständlich, uns dafür einzusetzen, dass eine noch höhere Belastung oder gar eine Belastung, die dauerhaft über den jetzt schon relativ hohen Grenzwert von 2.500 mg hinaus geht, nicht auf Dauer akzeptiert wird. Natürlich müssen wir gemeinsame Lösungen suchen. Ich denke aber, da ist der Fachausschuss, der Ausschuss für Naturschutz um Umwelt, das richtige Podium. Ich denke, dass wir dort, wenn auch im kleineren Kreis, aber doch sehr intensiv diese ganze weitere Thematik diskutieren können. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten mehr vor. Für die Landesregierung hat das Wort Staatssekretär Prof. Dr. Juckenack.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrtes Hohes Haus, ich habe die Reden wohl vernommen, erinnere mich gut an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt und darf Ihnen vorweg auch danken für die angeregte Diskussion im Ausschuss für Naturschutz und Umwelt. Sie war aufschlussreich und sie war vor allem rechtzeitig. Das sei vorweggeschickt. Wir sind in einer Phase, in der noch keine Entscheidungen gefallen sind. Wir sind in einer Phase, in der das Unternehmen Kali + Salz zu uns, und zwar noch nicht einmal vorab nach Hessen, sondern zu uns gekommen ist, um im Ausschuss mit einer entsprechenden Fach

vertretung umfänglich Rede und Antwort zu stehen. Ich will jetzt keine Details aus der Ausschuss-Sitzung berichten, aber so viel festhalten - und ich glaube, da teilen sich unsere Ansichten -, es war sachlich, es war offen und die Firma hat zugesagt, die Anregungen, die dort gekommen sind, mitzunehmen, zu überdenken und in ihre Planung einzubeziehen. Das möchte ich einfach deswegen festhalten, weil das ein guter Ansatz war und wir im Weiteren doch denken, am Schluss mit einem Ergebnis herauszukommen, mit dem wir leben können - und zwar gemeinsam. Natürlich gehört es dann zu einer anderen Thematik, dieses - zumal im Plenum - zu diskutieren, dieses auch zu politisieren.

Nun, meine Damen und Herren, zum Umweltthema insgesamt: Ich glaube, wenn ein Thema sich zunehmend weniger eignet, dann eben der Umweltbereich. Entstanden in Zeiten der 60er-, 70er-Jahre weltweit, sind wir heute in einem Zustand, wo wir gerade als Deutschland einen Spitzenplatz europaweit haben, wo wir nach der Wiedervereinigung enorme Fortschritte gemacht haben im Bereich der Luftreinhaltung, im Bereich der Abwassersituation, auch im Bereich des Bodenschutzes. An der Stelle machen wir auch weiter. Nur muss es eben zwischendurch auch mal gesagt werden: Es ist eben bei der Umweltpolitik keine Zwangsläufigkeit, dass dieses parteipolitisch gesehen wird, und es ist keine Zwangsläufigkeit, dass es zu einer Polarisierung, Ökologie oder Ökonomie, kommt. Dafür sprechen gerade die deutschen Firmen eine beredte Sprache, wenn Sie schauen, wie viele in dem „Ökoprofit“ oder „EMAS“ oder entsprechenden Akkreditierungen tätig sind, wie viele Unternehmen im Ausland tätig sind mit deutschen hohen Umweltstandards, ohne dass das in dem jeweiligen Ausland gefordert wird.

Nun zur Sache: Die Unterstellung, die gekommen ist, dass hier eine gewisse Einäugigkeit bestünde, weise ich mit Entschiedenheit zurück. Die ist nicht gegeben. Es gibt auch keine Vorwegnahme von Ergebnissen. Wir haben das gemeinsame Ziel, die Versalzung der Werra mittelfristig/langfristig zu reduzieren. Wir müssen aber schauen, wo wir heute stehen. Nach 100 Jahren Kaliindustrie heißt das 100 Jahre Wirtschaft, 100 Jahre Arbeitsplätze. Und dass eine menschliche Tätigkeit nicht ohne Eingriff in die Natur geht, ist bekannt. Das ist seit den alten Römerzeiten schon so, als dort Köhlereien zur Versauerung der Waldböden geführt haben. Das ist ein langjähriges Thema. Heutzutage ist zu Recht die Forderung, dass die Unternehmen den Stand der Technik nutzen, um die Umweltbelastung auf ein Minimum zu reduzieren. 1992 wurden im Rahmen eines Abkommens umfangreiche Maßnahmen zur WerraWeser-Entsalzung vorgenommen bei Kosten von insgesamt 105 Mio. DM. Ziel war, die Abwassermenge insgesamt zu verringern, die Aufbereitungsrück

stände der Kaliindustrie möglichst als Spülversatz dorthin zu bringen, wo sie herkommen, nämlich unter Tage, und ein wichtiger dritter Punkt, die Salzabwässer auch zwischenzuspeichern, um die dann nötige restliche unvermeidliche Entfrachtung über einen Vorfluter so zu steuern, dass Flora und Fauna dort mit einer minimalen Belastung auskommen. Fakt ist, und das wurde schon zu Recht mehrfach gesagt, heutzutage beträgt die Belastung 10 Prozent, 10 Prozent der Ausgangsbelastung von 1990. Das ist eine gewaltige Leistung und wir wissen, dass wir im Kontext einer europäischen Umweltpolitik noch vieles in den nächsten Jahren erleben, wie auch speziell osteuropäische Länder sich an dieser Messgröße Deutschlands werden orientieren müssen.

Der zweite Punkt ist die Vergleichmäßigung, die eine Stabilisierung in der Besiedlung und eine Reproduzierbarkeit der Fauna und Flora zunehmen lassen soll. Dieses wurde durch Zwischen- und Stapelbecken ebenfalls angegangen.

Heute geht es um das Thema einer zusätzlichen Befrachtung und auch hier bitte vorab der klare Hinweis: Diese zusätzliche Befrachtung ist eine Menge von deutlich unter 10 Prozent der jetzigen Menge. Von daher wäre an dieser Stelle schon eine gewisse Relativierung geboten, weil wir jetzt über diese Auswirkung einer einstelligen Prozentzahl Mehrbefrachtung reden und diskutieren. Es ist ein komplexes Thema und es mag vielleicht emotional zu vorauseilenden Forderungen verführen oder zu vorschnellen Schlüssen, was alles machbar sei. Wir orientieren uns schlicht an den Fakten und die gilt es zu überprüfen, gemeinsam. Das ist überhaupt keine Frage und ich glaube, da sind wir auch auf einem guten Weg. Der Antrag fordert die Landesregierung auf, im Rahmen ihrer Zuständigkeit bei der Koordinierung von Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie die geplante Kaliabwasserpipeline zu verhindern - zu verhindern, ausdrücklich. Das ist eben eine dieser Maximalforderungen, zu Recht. Man kann sich diesem Thema als Erstes zuwenden und das werden wir tun. Auch hier darf ich noch einmal wiederholen, was unser Kenntnisstand ist, eine abschließende Entscheidung über dieses Thema ist uns noch nicht bekannt.

Der nächste Punkt, wir schauen einmal auf die Zuständigkeit; die Zuständigkeit rein formal, was die Leitung, so sie denn käme, anbetrifft, liegt in Hessen. Die komplette Leitung läge in Hessen.

Der nächste Punkt: Die Einleitungsstelle dieser Leitung in die Werra läge in Hessen.

Es käme der dritte Punkt, und das ist die Grenzwertthematik. Der Kontrollpegel liegt in Thüringen. Das ist der Pegel Gerstungen mit dem dort bekannten

Grenzwert, der für eine Kontrolle genutzt wird von Thüringen und von Hessen. Im Rahmen des weiteren Vorgehens sind nun die hessischen oberen Wasserbehörden gefordert. Es liegt noch kein Antrag vor, es ist dort noch nichts in Bewegung geraten; es wird aber selbstverständlich, zumal Hessen von einer doch umweltpolitischen Prägung herkommt, in umfänglicher Art und Weise im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung alles diskutiert. Es werden vor allem auch die Grünen Verbände in Größenordnungen dort mitsprechen. Der Grenzwert 2.500 Milligramm/Liter ist ein Thema, was wir ebenfalls diskutiert haben, diskutieren werden. Er wird nicht überschritten. Diese Feststellung ist ein weiterer formal wichtiger Punkt, denn nur wenn er formal relevant angegangen würde, hätten wir faktisch einen rechtlichen Ansatz, um direkt dort hineinzugehen. Also reden wir jetzt über ein Ziel, ein strategisches Ziel der Frage der Alternativen, technischer Alternativen und der mittelfristigen Entwicklung, greifen aber einer Detailbetrachtung vor, die uns momentan gar nicht zusteht. Hier stochern wir mangels Daten, Fakten, Hintergründen schlicht im Nebel. Das wäre im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu leisten. Hier werden wir selbstverständlich dafür Sorge tragen, dass wir beteiligt werden.

Lassen Sie mich noch kurz auf die weitere Diskussion eingehen. Ich denke, das Plenum ist nicht der Ort für Fachdiskussionen. Insofern, ohne eine vorherige Festlegung in dieser Thematik treffen zu wollen, ohne mich jetzt in die einzureihen, die Prognosen abgeben, ich glaube, von der Grundeinschätzung her wird es bei dieser Frage am Schluss nicht um das Thema einer nachhaltigen Schädigung durch eine geringe zusätzliche Salzfracht bei Einhaltung des Grenzwertes kommen. Eine Verschlechterung der nun damit assoziierten Ziele „Tourismus“ kann hier auch nicht zwingend abgeleitet werden. Eine Verbesserung des Zustands der Werra als solche hängt - auch dieses wurde schon gesagt - in Größenordnungen von Hintergrundbelastungen ab, die ebenfalls nicht über eine Oberflächenfracht in das Oberflächengewässer deutlich zu- oder abnehmen, sondern hier spielt auch das Grundwasser eine entscheidende Rolle, dort insbesondere die Infiltrationen von Salz aus Inhalten heraus, bei denen wir, wollten wir nicht die Halden als solche entweder abtragen oder aber sie in der Tat abdecken - dann reden wir aber über Zeiträume von zweistelligen Jahren -, kurzfristig keine Änderung erfahren werden. Es ist bedauerlich, aber es ist so.

So heißt es, die Zukunft dahin gehend ganz konkret zu fassen. Wir fordern gemeinsam hieb- und stichfeste Begründungen, Unterlagen, Prüfungen der sachlichen, technischen Alternativen. Wir ziehen hier am selben Strang mit Hessen. Auf Ebene der Landesregierungen gibt es schon seit geraumer Zeit Ab

stimmungen. Ich habe gerade bei der Umweltministerkonferenz mit meinem Kollegen aus Hessen darüber gesprochen. Das wird auch zukünftig so bleiben. Der Versuch, hier mit dem Unternehmen selbst ins Gespräch zu kommen, ist bereits gelungen. Mehr, als diese Fakten und diese auch als positive Grundbausteine zu werten, kann man eigentlich an dieser Stelle nicht sagen.

Insofern abschließend: Lassen Sie uns versuchen, hier am gemeinsamen Strang zu ziehen. Ich glaube, das ist im Interesse der Nachhaltigkeit und der Wasserrahmenrichtlinie geboten. Es macht sicherlich wenig Sinn zu polarisieren, einmal im Hinblick, dass man darauf verweist, man könne dieses doch bitte schön in Hessen einleiten - das wäre dann wiederum eine Negierung der übergeordneten Anstrengungen der Wasserrahmenrichtlinie -, und dann auf der anderen Seite aber darauf verweist, dass wiederum die Thüringer Bevölkerung hier keinen Schaden erleidet. Dazu gehören dann auch wiederum die Arbeitsplätze.