Protokoll der Sitzung vom 04.07.2006

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass das Berichtsersuchen zu Ziffer 1 des Antrags erfüllt ist - oder erhebt sich da

gegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall, dann ist das Berichtsersuchen erfüllt. Wir kommen nun zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags … Zur Geschäftsordnung, Abgeordneter Schröter.

Frau Präsidentin, namens der CDU-Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung zu Nummer 2 in der Drucksache 4/2005.

Ja, wenn ich das recht verstanden habe, wurde keine Ausschussüberweisung beantragt. Damit kommen wir direkt zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags der Fraktion der Linkspartei.PDS in Drucksache 4/2005, und dieses in namentlicher Abstimmung. Ich bitte die Stimmkarten einzusammeln und wäre dankbar, wenn Abgeordneter Gentzel mir vielleicht die Stimmkarten bringen könnte.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das steht nicht in der Geschäftsordnung.)

Das steht nicht in der Geschäftsordnung, nein.

Hat jetzt jeder Abgeordnete mitgestimmt?

Jetzt sind alle Stimmkarten eingesammelt. Damit ist die Wahlhandlung geschlossen. Ich bitte auszuzählen. Entschuldigung, die Wahlhandlung war geschlossen.

Das Ergebnis liegt vor. Es wurden 73 Stimmen abgegeben: Jastimmen 30, Neinstimmen 43, Enthaltungen gab es keine. Damit ist die Ziffer 2 des Antrags mit Mehrheit abgelehnt worden und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4

Kommunale Handlungs- fähigkeit sichern Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drucksache 4/2006 -

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich Abgeordnete Enders, Die Linkspartei.PDS-Fraktion, auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Lage der Kommunen hat sich seit Beginn der Amtszeit dieser Landesregierung weiter verschlechtert. Viele Thüringer Kommunen sind gegenwärtig finanziell nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Ausdruck

hierfür ist unter anderem, dass rund ein Viertel der Thüringer Kommunen bis Ende des ersten Quartals noch immer keinen genehmigten Haushalt hatten. Die Folgen werden zum Teil verheerend sein. Die Investitionen sinken, die kommunalen Entgelte steigen, Vermögen wird notveräußert, Einrichtungen müssen geschlossen werden oder ihre Bewirtschaftung erfolgt nur noch eingeschränkt. Letztendlich müssen die Bürger die Folgen dafür tragen. Doch diese Situation haben nicht die Kommunen allein selbst verschuldet, sondern es ist vielmehr Ausdruck einer allgemeinen Finanzkrise der öffentlichen Hand. Hierfür tragen der Bund und die Länder die Hauptverantwortung, denn sie bestimmen den Rechts- und Finanzrahmen für das kommunale Handeln. Hinzu kommt, dass sich die Thüringer Landesregierung zunehmend nur noch in die Rolle eines Beobachters begibt und die Kommunen weitgehend ohne konkrete Landesunterstützung auskommen müssen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeugt von wenig Verantwortungsbewusstsein.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Kommunen - und das sage ich hier auch ganz deutlich - werden nicht allein die Finanzkrise bewältigen können. Es ist die Verantwortung des Landes, hier unterstützend zu wirken. Und ich betone es noch einmal ganz bewusst: Eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen ist kein Gnadenakt des Landes, sondern Verfassungsauftrag.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Kommunen, meine Damen und Herren, haben den Nachweis erbracht, dass sie im Wesentlichen bereit und in der Lage sind, ihre Finanzen zu ordnen. Ausnahmen bestätigen die Tendenz. Jetzt aber ist das Land gefordert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich in den nächsten Jahren die bedrohliche Finanzlage der Thüringer Kommunen nicht verbessern, eher verschlechtern wird. Es ist damit zu rechnen, dass in den kommenden Jahren die Landeszuweisungen an die Kommunen weiter reduziert werden, unter anderem, weil der Solidarpakt, an dem die Kommunen anteilig beteiligt sind, bis 2019 vollständig abgeschmolzen wird. Prognosen gehen zwar davon aus, dass auch unter einem geringen Wirtschaftswachstum die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand leicht steigen werden, doch diese Zugewinne werden durch das Abschmelzen der Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen mehr als aufgezehrt. Wenn überhaupt, dann wird das Niveau der Einnahmen allenfalls auf dem gegenwärtigen Stand verharren, darüber sind sich die Kommunen bewusst und fordern deshalb zu Recht ein rechtzeitiges Gegensteuern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wenn schon die kommunalen Einnahmen nicht insgesamt steigen, muss ein weiterer Rückgang verhindert werden. Der Mitteleinsatz muss den künftigen Rahmenbedingungen angepasst werden. Zudem ist zu befürchten, dass die Kommunen zusätzliche Ausgaben haben werden, weil Aufgaben auf die Kommunen übertragen werden, ohne die entsprechende Finanzausstattung zur Verfügung zu stellen, oder weil das Land neue gesetzliche Regelungen beschließt wie die Familienoffensive, in deren Folge die Kommunen zur Niveausicherung zusätzliche Kosten tragen müssen. Seit Jahren fordern die Kommunen deshalb zu Recht - und wir unterstützen diese Forderung -, dass das so genannte Konnexitätsprinzip strikt eingehalten wird, und zwar nicht nach Kassenlage des Landes.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Hier gibt es allerdings in der Thüringer Verfassung dringenden Regelungsbedarf. Die Handlungsfähigkeit der Kommunen lässt sich nur dann dauerhaft erhöhen, wenn die erforderlichen Reformen im Einklang miteinander durchgeführt werden und damit meine ich die Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform. Ich hoffe, die Landesregierung hat gestern in der Enquetekommission genau zugehört, als Prof. Ruffert darstellte, dass eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform nur aus einem Guss gemacht werden kann. Das Land darf hier nicht länger nur als Zuschauer agieren, die Kommunen sind zu Reformen bereit, jedoch blockieren hier Landesregierung und CDU.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das ist ein Witz.)

Und wenn die Landesregierung schon mal handelt, meine sehr verehrten Damen und Herren, macht sie den fünften Schritt vor dem ersten. Dies belegt eindrucksvoll die Umsetzung des so genannten Behördenstrukturkonzepts, das zu Recht draußen als Chaos- und Behördenschließungsprogramm bezeichnet wird. Es lässt ganzheitliche und nachhaltige Betrachtungen völlig vermissen und steht auch im Widerspruch zu den Grundsätzen der unbestritten notwendigen Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, dass die Thüringer CDU die Kommunen offenbar benachteiligt, hat auch der Verfassungsgerichtshof im vergangenen Jahr zum Ausdruck gebracht, indem er wesentliche Bestandteile des Finanzausgleichsgesetzes als mit der Verfassung nicht vereinbar erklärte. Bis Ende nächsten

Jahres muss dem Landtag ein neues Finanzausgleichsgesetz vorgelegt werden. Derzeit wird der Finanzbedarf für die Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises ermittelt, was die Landesregierung - und das sage ich hier auch ganz deutlich - im Grunde schon immer hätte tun müssen. Zu oft scheut die Landesregierung notwendige Entscheidungen und überlässt diese vielmehr den Gerichten. Meine Damen und Herren, das ist kein überzeugendes Politikkonzept, sondern muss eher als Ausweichen vor der Verantwortung bewertet werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Bis zur Sommerpause nächsten Jahres soll ein neues Kommunales Finanzausgleichsgesetz vorgelegt werden. Wir fordern hier, dass diesem ein ordentlicher Diskussionsprozess mit den Thüringer Kommunen vorausgeht, damit handwerkliche Fehler und eine fortwährende Unterfinanzierung der Kommunen vermieden werden. Das sage ich auch ganz bewusst mit dem Blick auf das hilflose und widersprüchliche Agieren der Landesregierung beim Kommunalabgabengesetz. Dies darf sich beim Kommunalen Finanzausgleichsgesetz nicht wiederholen.

Meine Damen und Herren, die finanzielle Lage der Gemeinden, Städte und Landkreise wird sich also kaum verbessern, sondern offenbar weiter verschärfen. Ein Ausstiegsszenario oder Lösungen aus dieser prekären Situation hat uns die Landesregierung bisher nicht präsentiert. Stattdessen hat der Berichterstatter der Landesregierung für die demografische Entwicklung in der vergangenen Woche einen Bericht vorgelegt, der als Grundlage für die öffentliche Debatte zur Zukunft Thüringens dienen soll. Im Grunde hätte allerdings schon längst gehandelt werden müssen. Die Landesregierung hat lediglich andere dazu eingeladen, den Bericht als Denkanstoß zu sehen. Andere sollen nun der Landesregierung Vorschläge unterbreiten. Meine Damen und Herren von der Landesregierung, das, was Minister Trautvetter dort bekanntgegeben hat, also, ich muss Ihnen ganz klar und deutlich sagen, das pfeifen die Spatzen schon seit zehn Jahren von den Dächern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es muss Schluss sein, dass die Landesregierung Zustände nur feststellt. Vielmehr sind Agieren, Reagieren, Handeln gefragt. Das muss die Devise der Landesregierung sein, und zwar nachhaltig und ganzheitlich und das ist auch ihre Regierungsaufgabe.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, die finanzielle Schieflage haben die Kommunen nicht allein zu verantworten. Sie sind schließlich in hohem Maße von den Ent

scheidungen des Bundes und des Landes abhängig. Die Einnahmen der Kommunen speisen sich aus drei verschiedenen Bereichen: eigene Steuereinnahmen, Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb und schließlich die Zuweisungen des Landes. Bei einer gesunden Struktur verteilen sich die Einnahmen auf diese Bereiche gleichwertig, doch die kommunale Steuerdeckungsquote in Thüringen beträgt gerade mal 18 Prozent.

(Zwischenruf Staatssekretär Baldus: Ja, warum wohl.)

Zwei Drittel der Einnahmen bestehen aus den Zuweisungen des Landes. Damit sind die Thüringer Kommunen geradezu vom Land abhängig und unterliegen, ich sage das hier einmal ganz ketzerisch, der tagesformabhängigen Kreativität der Finanzministerin. Es muss aber im Interesse der Kommunen sein, diese Abhängigkeit vom Land zu verringern. Eine Möglichkeit dazu sind ernsthafte Verhandlungen auf Bundesebene, damit die Mittel der öffentlichen Hand grundsätzlich neu verteilt werden. Wir brauchen eine Gemeindefinanzreform in Deutschland, die diesen Namen auch tatsächlich verdient. Die mit der großen Finanzreform 1969 eingeführten Steuer- und Finanzbünde stellen sich sehr problematisch dar. Das lehrt uns nicht nur die Erfahrung aus dem eigenen Erleben, sondern ist bereits in wissenschaftlichen Abhandlungen seit mindestens 20 Jahren bekannt. Die Kommunen brauchen eine Steuerart, die als Bindeglied zu den Bürgern und der Wirtschaft fungiert und deren Ertrag ausschließlich den Gemeinden zufließt. Die hohe Abhängigkeit von Landeszuweisungen muss endlich überwunden werden. Hier muss eine Landesregierung ansetzen. Doch eine solche Reform hat es bisher nicht gegeben und wird es auch in Zukunft mit der kurz vor dem Abschluss stehenden Föderalismusreform nicht geben. Die Folgen werden die Kommunen in den kommenden Jahrzehnten weiter auszubaden haben. Jetzt wird auf die zweite Stufe der Föderalismusreform verwiesen; hier sollen die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern neu geordnet werden. Der CDU-Antrag, den wir hier heute behandelt haben, lässt auch vermuten, dass die Kommunen hier wieder nur am Rande betrachtet werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen weiteren Sachverhalt erwähnen, der es verdient hat, an dieser Stelle auch hier benannt zu werden. Die jüngste Steuerschätzung erwartet für das Land zusätzliche Einnahmen in Höhe von 138 Mio. € in diesem und im nächsten Jahr. Wir wissen, das löst die Finanzierungsprobleme des Landes nicht. Andererseits ist klar, dass nach der gegenwärtigen Rechtslage die Kommunen mit 34 Prozent an die

sen Mehreinnahmen beteiligt sind. Dies würde immerhin etwas mehr als 33 Mio. € zugunsten der Kommunen ausmachen. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Einnahmen im vergangenen Jahr weniger stark eingebrochen sind als zuvor befürchtet. Statt 40 Mio. € wird das Negativsaldo für 2005 bei nur noch 25 Mio. € liegen. Was bedeutet das für die Thüringer Kommunen? Das bedeutet, dass die Kommunen einen Anspruch auf 48 Mio. € haben, die ihnen das Land gegenwärtig noch verweigert, weil wir bekanntlich einen Doppelhaushalt haben, der diese Entwicklung nicht berücksichtigt. Die Folge ist, dass den Kommunen das ihnen zustehende Geld erst mit dem nächsten Landeshaushalt erhalten werden und sie somit bis zum nächsten Landeshaushalt, der erst 2008 in Kraft tritt, zum Geldgeber des Landes werden. Dies ist im Übrigen auch bei der Weiterleitung des angesparten Landesanteils beim Wohngeld der Fall. Zu Recht kritisiert der Thüringische Landkreistag diese Vorgehensweise der Landesregierung und fordert deshalb umgehend einen Nachtragshaushalt, der diese Entwicklungen berücksichtigt, damit die Kommunen das ihnen rechtmäßig zustehende Geld schnellstmöglich erhalten. Wir als Linkspartei.PDS-Fraktion unterstützen diese Forderung des Thüringer Landkreistags. Wir dürfen eines nicht vergessen, dass viele Kommunen nur unter äußersten Anstrengungen überhaupt noch einen ordnungsgemäßen Haushalt aufstellen können. Vielfach müssen die Gemeinden, Städte und Landkreise teure Kassenkredite aufnehmen, um überhaupt noch ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Während die Kommunen also hohe Zinsbelastungen zu tragen haben, müssen sie zuschauen, wie das Land das ihnen zustehende Geld zunächst einbehält und eigene Zinsgewinne erwirtschaftet bzw. die eigene finanzielle Schieflage vor dem endgültigen Umkippen bewahrt, und das, meine Damen und Herren, zulasten der Kommunen.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss meiner Ausführungen noch einmal auf die Notwendigkeit der kommunalen Investitionen zurückkommen. Jeder Euro, den die öffentliche Hand investiert und somit nach außen trägt, leistet einen Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplätzen und dient somit auch der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kommunen. Die Kommunen haben im Jahr 1993 für rund 1,77 Mrd. € Investitionen getätigt. Im Jahr 2003 haben die Kommunen noch rund 792 Mio. € investiert und 2004 nur noch 716 Mio. €. Im vergangenen Jahr wurde mit rund 610 Mio. € der historische Tiefstand erreicht. Damit haben auch die Kommunen einen geringeren Beitrag für die Wirtschaft und den Erhalt von Arbeitsplätzen leisten können - und ich betone: können. Ich muss noch einmal sagen, dass an dieser Entwicklung nicht den Kommunen die Schuld gegeben werden kann. Würden sie tatsächlich in der Lage sein, investieren zu können, dann würden

sie dies auch tun, denn jeder Kommunalpolitiker weiß um die Zustände vor Ort. Durch die Misere der kommunalen Haushalte wird ein neuer Investitionsstau aufgebaut, kommunale Infrastruktur verfällt, Potenziale für Wirtschaftswachstum, Ausbildungsstellen und Arbeitsplätze werden vernichtet und letztendlich durch die dadurch bedingten Steuerausfälle der Kommunen auch deren finanzielle Leistungsfähigkeit weiter nachhaltig beeinträchtigt. Wir, Die Linke.PDS werden einen Gesetzentwurf zur Stärkung der kommunalen Investitionskraft zur nächsten Landtagssitzung auf den Tisch legen, das Kommunen rentierliche Investitionen durch die Flexibilisierung des Haushaltsrechts ermöglichen soll. Damit - und das wissen wir - lösen wir nicht die Finanzprobleme des Landes oder der Kommunen, eröffnen aber Möglichkeiten, kostenneutral notwendige Investitionen zu tätigen. Es ist gut für die Kommunen, die Bürger und die Wirtschaft. Von Ihnen, von der Landesregierung, fordern wir zeitnah konsequente Handlungskonzepte zur Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit unserer Thüringer Kommunen. Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter von der Krone, CDU-Fraktion.

Werte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, kommunale Selbstverwaltung ist das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze nach eigenem Ermessen mit eigenen Mitteln und unter Mitwirkung eines demokratisch gewählten Gemeinderats zu regeln. Diese Form dezentralisierter politischer Entscheidungen und Verwaltung wird in Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz institutionell garantiert. Dass allein die Gemeinde sachlich zuständig ist für die örtlichen Angelegenheiten, begrenzt und schützt die kommunale Selbstverwaltung zugleich. Diese Selbstverwaltungsgarantie ist auch in den Verfassungen der Bundesländer und den jeweiligen Gemeindeordnungen verankert. Die kommunale Selbstverwaltung ist als Grundlage des Staatsaufbaus ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie. Sie gliedert unser demokratisches Gemeinwesen und ergänzt neben dem Föderalismus die Gewaltenteilung. Der Tendenz moderner Staaten, die gesamte Verwaltung zentral zu organisieren, wirkt die kommunale Selbstverwaltung entgegen. Sie trägt mit dazu bei, dass das Entstehen wasserkopfartiger Zentralen eingeschränkt wird. Eine Zentralisierung der Entscheidungsgewalt bläht nämlich zentrale Behörden so auf, dass sie kaum noch zu übersehen, geschweige

denn zu koordinieren sind. Die Fülle unterschiedlicher Voraussetzungen, Bedürfnisse und Wünsche überlastet eine zentrale Verwaltung mit politischen Konflikten derart, dass notwendige Entscheidungen unnötig verzögert oder gar unterlassen werden. Auch treffen zentrale Entscheidungen zugleich überall und alle, eine bis in Einzelheiten gehende Regelung kann aber nicht für jede Region oder jeden Ort passend sein. Es wird wenige Regelungen geben, die gleichermaßen für Hamburg passen wie für die Lüneburger Heide, für München, für den Bayerischen Wald, wie für Erfurt oder für Eisenach. Hinzu kommt, dass Zentralen ein Eigenleben entwickeln, sie neigen dazu, durch immer engere, genauere Bestimmungen möglichst jeden denkbaren Einzelfall zu erfassen. Bei der Vielfalt und dem Wandel der Lebensumstände ist das aber nie erreichbar. Im Gegenteil, der Versuch, durch zentrale Regelungen auch in Einzelfällen Gerechtigkeit zu erzielen, produziert immer neue Ungerechtigkeiten. Diese müssen dann wieder durch Gesetzesänderungen oder Ergänzungen, Durchführungsverordnungen, Erlasse, Verfügungen und Richtlinien behoben werden. Daraus ist inzwischen eine Regelungsdichte entstanden, die kaum noch von Fachleuten zu überschauen ist. Das hat dazu geführt, dass in der Praxis viele Regelungen nicht beachtet werden, weil der für den konkreten Fall zuständige Sachbearbeiter sie entweder nicht kennt oder weil er sich unbekümmert darüber hinwegsetzt, um das Verfahren zu vereinfachen oder um überhaupt zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuschel zu?

Nein, lasse ich nicht zu.

Lassen Sie nicht zu.