Protokoll der Sitzung vom 04.07.2006

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Ich bin da.)

Sie saßen nicht auf der Regierungsbank und waren zur Einbringung des Antrags nicht hier; Sie sind jetzt hier, weil es um die Abstimmung geht, Sie haben fraktionsinterne Regelungen, das ist schon klar -, daran wird deutlich, wie wenig Aufmerksamkeit Sie diesem Thema widmen. Dass der Ministerpräsident nicht da ist, das spricht zudem Bände.

(Zwischenruf Abgeordnete Tasch, CDU: Ihr habt doch keine Ahnung.)

Meine Damen und Herren, Herr von der Krone hat hier darauf verwiesen - ich achte Sie wirklich als Kommunalpolitiker, weil ich weiß, dass Sie in Ichtershausen durchaus eine erfolgreiche Entwicklung nachweisen können; umso bedauerlicher ist es, dass Sie aus diesen Erfahrungen hier nicht einmal ansatzweise schöpfen können, sondern manchmal hier Dinge erzählen, die weit weg von den Realitäten sind - ich darf zitieren, Frau Präsidentin: „Die Verabschiedung eines kommunalen Haushaltes sei immer möglich.“ Dann frage ich mich, warum ein Viertel der Thüringer Kommunen das nicht hat. Ich will Ihnen

das mal an drei Beispielen verdeutlichen. In Bad Blankenburg war der bisherige Präsident des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes, Herr Pabst von der CDU, Bürgermeister. Diese Stadt hatte weder 2004 einen Haushalt noch 2005 einen Haushalt, und das sicher nicht nur aus Jux und Tollerei, sondern offenbar - und wir haben uns das einmal angesehen -, weil diese Stadt tatsächlich finanziell handlungsunfähig ist. Da komme ich auf einen Verweis, den der Staatssekretär hier gegeben hat. Er hat gesagt, es ist im Wesentlichen auf das - ich sage mal - Versagen der Gemeinden zurückzuführen, indem die Investitionen getätigt haben und die hohen Tilgungs- und Zinszahlungen jetzt den kommunalen Haushalt überfordern. Also ich frage mich, wer denn diese Haushalte genehmigt oder gewürdigt hat? Nach meinem Kenntnisstand machen das immer die Kommunalaufsichten. Diese haben doch zu prüfen, ob die dauernde Leistungsfähigkeit tatsächlich durch Investitionen, durch Kreditaufnahmen gegeben ist. Hier ist Bad Blankenburg ein gutes Beispiel; dort hat man in den 90er-Jahren tatsächlich einen Kredit nach dem anderen aufgenommen, ohne offenbar zu prüfen, inwieweit die dauernde finanzielle Leistungsfähigkeit überhaupt gesichert ist. Jetzt haben wir den Salat, diese Stadt ist nahezu handlungsunfähig. Der Wähler hat das auch quittiert, indem man den Präsidenten des Gemeinde- und Städtebundes aus dem Amt gewählt hat und jetzt ein Bürgermeister mit dem Mandat der Linkspartei.PDS versuchen muss, diese Stadt aus der finanziellen Krise herauszuführen.

(Unruhe bei der CDU)

Fakten tun immer weh, das weiß ich aus persönlichen Erfahrungen. Das ist immer so und nicht einfach. Im Übrigen zeigen die Linkspartei.PDS-Bürgermeister - die immer in schwierigen Zeiten gewählt wurden, Hildburghausen war handlungsunfähig, Artern war handlungsunfähig -, dass sie sich bewährt haben, und insbesondere können wir dort schon auf einige Erfahrungen zurückgreifen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ein weiteres Beispiel will ich Ihnen benennen mit der Stadt Blankenhain. Der ehemalige Innenminister hat dort vor einigen Jahren eine Suspendierung vorgenommen und einen staatlichen Beauftragten eingesetzt, der hat sogar gewechselt. Der staatliche Beauftragte sollte dort die Finanzen wieder ordnen.

Abgeordneter Kuschel, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schwäblein zu?

Aber, Herr Schwäblein, natürlich, das ist mir immer ein Bedürfnis.

Bitte, Herr Abgeordneter Schwäblein.

Herr Abgeordneter Kuschel, als Sie eben betonten, die Linkspartei.PDS-Bürgermeister würden in schwierigen Zeiten gewählt: Ist Ihnen noch erinnerlich, dass die Zeiten mal viel schwieriger waren und nicht ein einziger PDS-Bürgermeister gewählt wurde, als nämlich nach dem Ende der DDR die kommunale Selbstverwaltung völlig am Boden lag?

Selbstverständlich. Ich war seit 1990 und davor auch aktiver Kommunalpolitiker und kann mich deshalb sehr gut an diese Zeit erinnern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiteres Beispiel also Blankenhain, staatlicher Beauftragter, der seit Jahren dort die städtischen Finanzen in Ordnung bringen soll. Jetzt muss der Landesrechnungshof im Rahmen der überörtlichen Prüfung einschätzen, dass das nicht mal ansatzweise gelungen ist, also nicht mal mit einem staatlichen Beauftragten. Jetzt müssen Sie sich mal die Zahl auf der Zunge zergehen lassen. Die Stadt Blankenhain, die nicht gerade klein ist, hat im freiwilligen Bereich noch einen Betrag von 1.600 € zur freien Verfügung, alle anderen Mittel sind in irgendeiner Art und Weise gebunden. Dann stellen Sie, Herr Innenstaatssekretär, sich hier hin und sagen, dass sind alles irgendwie Scheindiskussionen und die Lage in Thüringen sei in Ordnung.

Oder ein drittes Beispiel: Dort, Herr Baldus, wo Sie im Nebenamt ehrenamtlicher Kreisvorsitzender der CDU sind: Der Wartburgkreis, der nachweislich die geringste Verschuldung aller Landkreise in Thüringen aufweist, ist nicht in der Lage, gegenwärtig einen ordnungsgemäßen Haushalt aufzustellen. Also dort kann es nicht an ausufernden Kreditaufnahmen liegen, sondern daran, dass dieser Landkreis 50 Prozent seiner gesamten Ausgaben für den sozialen Bereich ausgeben muss, insbesondere im Zusammenhang mit den steigenden Unterkunftskosten. Das führt dazu, dass ein strukturelles Defizit von 2 Mio. € auftritt, das nur durch Entnahme aus der Rücklage gedeckt werden kann. Das kann man mal ein, zwei Jahre machen, aber irgendwann führt das eben auch zur völligen Handlungsunfähigkeit. Der Wartburgkreis, obwohl er kaum eine Verschuldung aufweist, es sind

noch 22 € pro Einwohner, ist eben nicht in der Lage, erforderliche Investitionen zu tätigen, weil eine Kreditaufnahme gegenwärtig ausscheidet. Das sind die Realitäten.

Herr von der Krone hat darauf verwiesen, bei einer Verschuldung des Landes von 1 Mrd. € sei es nicht möglich, den Kommunen mehr Geld zu geben. Die Auffassung teilen wir, das war überhaupt nicht Gegenstand unseres Antrags. Der Antrag war, dass die Landesregierung Maßnahmen vorlegt. Zum einen möchte ich hier auf die Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs hinweisen. Herr von der Krone, mir brauchen Sie keinen Glauben zu schenken, aber zumindest sollten die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs für Sie bindend sein und der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, die Kommunen haben Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung unabhängig von der Leistungskraft des Landes. Da muss das Land entweder im Zusammenhang mit dem Bund sich für eine Finanzverfassungsreform einsetzen oder muss überlegen, ob die übertragenen Aufgaben auf die Gemeinden noch sachgerecht sind. Darüber müssen wir diskutieren. Aber einfach zu sagen, das Land hat ein finanzielles Problem und die Kommunen müssen das eben ausbaden, das geht nicht.

Ich sage es noch einmal: Das, was wir fordern, heißt nicht zusätzliches Geld. Wir wollen bewusst nur, dass die Kommunen das Geld bekommen, was ihnen zusteht, und darüber hinaus sind Maßnahmen erforderlich. Die Maßnahmen orientieren sich an der Ursachenbenennung, die die Landesregierung vorgenommen hat. Die will ich noch mal kurz benennen und will dem Herrn Innenminister vielleicht immer eine Maßnahme vorschlagen, zumindest zum Nachdenken, damit er mal nachvollziehen kann, in welche Richtung unser Antrag geht.

Zunächst hat die Landesregierung selbst eingeschätzt, dass die Neufassung von Landesgesetzen eine Ursache für die verspätete Verabschiedung von Haushalten ist, zum Beispiel das Familienfördergesetz. Das ist eine Ursache. Das heißt, beim Gesetzgebungsverfahren müssen eben viel mehr die Auswirkungen auf die Kommunen abgewogen werden. Wer die Presse der letzten Tage verfolgt hat, dort wird bestätigt, dass die Familienoffensive die Kommunen richtig zusätzliches Geld kostet, richtig zusätzliches Geld. Da kann noch keine abschließende Einschätzung getroffen werden, aber eins steht fest: Wenn die Kommunen kein zusätzliches Geld in dieses System geben, ist das bisherige Niveau der Kindertagesstättenbetreuung in Thüringen eben nicht zu halten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das wäre genauso verantwortungslos, wenn dieses Niveau nicht zu halten wäre.

Die zweite Ursache - Herr Baldus, was die Landesregierung benannt hat, nicht die Linkspartei.PDS - für die zu späte Verabschiedung von Haushalten ist die fehlende Leistungsfähigkeit. Sie stellen sich hier an das Pult und sagen, es gäbe keinen kausalen Zusammenhang zwischen finanzieller Leistungsfähigkeit und Verabschiedung des Haushalts. Vielleicht hätten Sie Kreistagsmitglied im Wartburgkreis bleiben sollen, um zumindest aus der praktischen Schule das noch mitzuerleben, dort haben Sie Ihr Mandat niedergelegt. War Ihnen wahrscheinlich zu stressig.

Das Dritte - dort haben Sie darauf verwiesen - Probleme beim Haushaltsausgleich. Ja, was ist denn das - Probleme beim Haushaltsausgleich? Wenn Kommunen den Haushalt nicht mehr ausgleichen können, gibt es offenbar strukturelle Probleme und das hat auch etwas mit Leistungsfähigkeit zu tun. Dann haben Sie etwas ganz Interessantes gemacht, was dazu führt, einmal die Strukturfrage zu thematisieren. Sie haben darauf verwiesen, dass es insbesondere bei Gemeinden, die Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft sind, offenbar klemmt, und haben darauf verwiesen, weil eben in Verwaltungsgemeinschaften

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist doch vollkommen dummer Mist, was Sie erzählen.)

oftmals mehrere Haushalte verabschiedet werden müssen. Deshalb müssen Sie natürlich - das wird Ihnen die Präsidentin sicherlich bewerten, ich lasse mir jetzt schon einmal Zeit und nehme einen Schluck Wasser.

Dann können wir das direkt erledigen. Kollege Fiedler, für den von Ihnen verwendeten Begriff erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Es ist bis hier angekommen.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Was hat er denn gesagt?)

Vielleicht fragen Sie einfach den Kollegen, er wird es noch wissen.

Bisher dachte ich, nur in der CDU-Fraktion können manche etwas nicht verstehen, aber dass manche auch nicht hören können, ist etwas Neues.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung selbst hat eingeschätzt, dass wir in

den Verwaltungsgemeinschaften offenbar ein strukturelles Problem haben und dass das eine Ursache für den zu späten Haushaltsbeschluss darstellt. Da muss man doch reagieren, damit muss man sich doch beschäftigen. Da wäre es doch zulässig, dass die Landesregierung sagt, entweder man reformiert

(Unruhe bei der CDU)

die Verwaltungsgemeinschaften - das wäre zumindest ein Ansatz, den würden wir nicht mittragen, aber es wäre wenigstens ein Ansatz - oder man sagt, das Rechtsinstitut der Verwaltungsgemeinschaften ist nicht mehr zeitgemäß. Es war in den 90er-Jahren zeitgemäß, aber offenbar gibt es jetzt dort derartige Strukturprobleme und die muss man doch angreifen und darf sie nicht einfach so mit einer Hand wegwischen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nieder- geschmetterte Landrats....)

Ich danke ausdrücklich Frau Taubert, die hier den Vorschlag unterbreitet hat, diesen Antrag weiter in den Ausschüssen zu beraten. Wir greifen diesen Vorschlag auf. Ich beantrage im Namen unserer Fraktion den Verweis dieses Antrags an den Innenausschuss.

Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend noch auf das Zahlenspiel des Innenstaatssekretärs hinsichtlich der Entwicklung der Steuereinnahmen eingehen. Herr Baldus, Sie haben zu Recht ausgeführt, die kommunalen Steuereinnahmen oder die Einnahmen der Kommunen in Thüringen insgesamt in 2005 sind um 110 Mio. € angestiegen. Dieser Fakt stimmt, ich bedaure nur, dass Sie nicht aus der gleichen Pressemitteilung des Landesamts für Statistik zitiert haben, wie sich Ausgaben entwickelt haben. Allein im sozialen Bereich, insbesondere durch die steigenden Kosten bei der Unterkunft, mussten die Thüringer Kommunen über 200 Mio. € mehr aufbringen. Das heißt, alle Steuermehreinnahmen werden überkompensiert durch die Ausgaben im sozialen Bereich. Da es sich dort um Pflichtausgaben handelt, heißt es natürlich, dass für die eigene Gestaltung der kommunalen Haushalte eben nicht mehr Geld zur Verfügung steht. Auch das ist eine Wahrheit und Sie haben heute des Öfteren auf diese Wahrheit verwiesen. Aber die Diskussion hier im Saal zeigt, es gibt Diskussionsbedarf, insofern noch mal die Erneuerung des Antrags, unseren Antrag an den Innenausschuss zu verweisen. Dort können wir alles Weitere diskutieren. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Weitere Wortmeldungen liegen noch vor. Abgeordnete Enders, Die Linkspartei.PDS-Fraktion.

Ich denke mal, mein Kollege Kuschel hat schon genügend gesagt. Eines

(Unruhe bei der CDU)

- nun freuen Sie sich mal nicht zu früh -

(Beifall bei der CDU)

vielleicht aber noch an Herrn Baldus gerichtet. Herr Baldus, ich muss Ihnen auch einmal mit aller Deutlichkeit sagen, aus meiner Sicht leben Sie hier auf einer Landtagsinsel unter absolutem Realitätsverlust. Ich muss Ihnen das einmal mit aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich will Ihnen auch einmal aus der Antwort der Landesregierung zu meiner Anfrage kurz zitieren. Da fange ich ganz vorn an, auch wahllos, so wie Sie. Da steht zum Beispiel „Landkreis Nordhausen“ zum damaligen Zeitpunkt: „Probleme bei der Deckung von Sollfehlbeträgen und beim Haushaltsausgleich“; „Unstrut-Hainich-Kreis“: zum damaligen Zeitpunkt „Probleme bei der Deckung von Sollfehlbeträgen und beim Haushaltsausgleich“; „Altenburg: Probleme beim Haushaltsausgleich“; „Heukewalde: Probleme beim Haushaltsausgleich“. Auf Seite 6, den 27 Gemeinden im Kyffhäuserkreis steht auch: Probleme beim Haushaltsausgleich. Ich denke, das zeigt eigentlich die finanzielle Lage der Thüringer Kommunen. Ich sage Ihnen auch noch eins. Die Thüringer Kommunen, das sind die tragenden Säulen unseres Landes. Wenn Sie weiterhin so mit den Thüringer Kommunen umgehen, dann sage ich Ihnen auch ganz klar, dann hat Thüringen keine Zukunft.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat Herr Staatssekretär Baldus.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, einige Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kuschel und möglicherweise auch von Frau Enders bedürfen