Protokoll der Sitzung vom 14.07.2006

(Zwischenruf Abg. Kuschel, Die Links- partei.PDS: Bitte kein Neid.)

Um es vorwegzunehmen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Herr Kuschel, auch Sie werden es nicht schaffen, und schon gar nicht mit diesem Antrag, in den Augen der geneigten Öffentlichkeit tatsächliche Gerechtigkeit in dieser Frage herzustellen. Es wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Es ist bisher nicht gelungen und es wird auch dieses Mal nicht gelingen. Allen Veränderungen und Systemwechseln zum Trotz, es wird in dieser Debatte nur einen Verlierer geben und das sind wir Abgeordneten selbst. Wir verdienen immer zu viel und vor allem bekommen wir mehr, als wir verdienen. Dieses Klischee wird durch Ihren Antrag vollauf bedient.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hahnemann, Die Linkspartei.PDS: Nein, durch Ihre Rede.)

Ich frage mich ganz ernsthaft: Was ist denn eigentlich der Tenor Ihres Antrags, und vor allem ganz konkret gefragt, was setzen Sie eigentlich für Zahlen in die Welt? Sie wissen genau, welche ich meine. Die durch Ihre Fraktion im Vorfeld dieser Debatte veröffentlichten Zahlen, genauer gesagt, die eine unter dem dicken Strich, haben schon für Aufregung gesorgt. Ja, z.B. bei meiner Frau, sie meinte nämlich, ich hätte ihr vielleicht Einkommen verheimlicht.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Jeder Finanzbeamte des Freistaats müsste angesichts dieser Zahlen, die Sie den Abgeordneten als Einkommen unterstellen, eigentlich hellhörig werden. Sie wissen genau, welche ich meine, die Zahl. Das ist Ihre imaginäre oder - sollte ich vielleicht sagen, Herr Kollege Buse - virtuelle Berechnung der Beträge für die Altersversorgung, monatlich gesehen.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Hoffentlich!)

Ich habe versucht, diese Zahl nachzuvollziehen. Ich bin daran, das gebe ich offen zu, intellektuell gescheitert.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Das ist der Unterschied.)

Das liegt an mir. Ich habe versucht, diese Zahl durch eine Recherche auf diversen Internetseiten Ihrer Fraktion, Ihrer Partei erklärt zu bekommen. Da war nichts! Das liegt aber an Ihnen. Ich habe auch Ihren Chef gefragt, woher die Zahl kommt. Der wusste es auch nicht. Das liegt aber wiederum an ihm.

Meine Damen und Herren, Sie haben an dieser Stelle wirklich einen Popanz zum Leben erweckt, um Stimmung zu erzeugen oder - wie ich vernommen habe - das Thema zu besetzen. Das ist Ihnen wahrlich gelungen. Offensichtlich lassen Sie sich an dieser Stelle von dem allseits bekannten Mediamarkt-Prinzip leiten: „Wir sind die Besten.“ Und die Wirkung des Ganzen, das habe ich Ihnen eingangs schon beschrieben.

Abgeordnete sollen zu normalen Steuerbürgern werden, so ein Kernsatz Ihres Antrags. Was für ein inhaltsschwerer Satz. Im Übrigen, ich kenne keine normaleren Steuerbürger als Abgeordnete, wenn ich mir meine persönliche Steuererklärung allein anschaue. Was haben wir eigentlich für einen Erkenntnisgewinn, meine Damen und Herren, wenn wir unsere Abgeordneten, versorgungsrechtlich gesehen, nicht wie Beamte, sondern wie Angestellte behandeln? Beamte werden alimentiert aus Fürsorge des Staates für die Leute, die sozusagen als dessen Diener die hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen haben - in der Exekutive wohlgemerkt. Sie sind also mit Ihrem Antrag der Meinung, die gesetzgeberische Kompetenz von Abgeordneten des Landtags wäre keine wahrhaft hoheitliche Aufgabe. Wenn Sie konsequent wären an dieser Stelle, dann hätte Ihr Antrag auch eine Änderung des Ministergesetzes zum Inhalt haben müssen. Oder können Sie mir erklären, warum ein Minister a.D. einen anders abgesicherten Ruhestand haben soll als diejenigen, die vorher die Gesetze beschließen, die die Minister zu vollziehen haben? Solche Überlegungen sind Ihrem Antrag ganz offensichtlich fremd.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die PDS-Fraktion, Sie wollen also mit diesem Gesetz, mit diesem Antrag den großen Wurf. Sie wollen eine vollkommene Umstellung der Abgeordnetenbezüge in Thüringen nach Vorbild der Reform in Nordrhein-Westfalen. Dort wurde vor etwa 16 Monaten ziemlich genau im groben, ich beschreibe das jetzt holzschnittartig, Folgendes beschlossen:

1. eine Verdoppelung der Abgeordnetengrundentschädigung,

2. die Abschaffung aller Pauschalen für mandatsbedingte Aufwendungen,

3. die Einrichtung einer eigenen Versorgung für das Alter unter Zuhilfenahme eines eigens dafür gegründeten Versorgungswerks.

Im Detail könnte man das noch weiter ausführen. Das will ich mir an dieser Stelle ersparen. Diese in der Tat fundamentale Umstellung - das meine ich so, wie ich es sage - der Abgeordnetenentschädigung kam zustande in Nordrhein-Westfalen aufgrund einer Bürgerinitiative unter wohlwollender medialer Begleitung einer Zeitung mit den großen Buchstaben und des Bundes der Steuerzahler. Ähnliche Versuche in Schleswig-Holstein sind etwa ein Jahr zuvor an ziemlich genau den gleichen Protagonisten gescheitert. Zurzeit wird dort allerdings ein neuer, ein modifizierter Versuch für eine Reform unternommen. Auch das so genannte NRW-Modell hat seine Kritiker. Das sollte uns zunächst erst einmal nicht beunruhigen, das ist ganz normal. Aber, meine sehr verehrten Damen

und Herren, Herr Kollege Buse, es lohnt sich, die Argumente näher zu beleuchten und sich vor allem heute, nach ungefähr einem Jahr der Wirksamkeit der neuen Regelung, einmal unter den Abgeordneten in Nordrhein-Westfalen, unabhängig welcher Farbe sie angehören, umzuhören. Der Bundestag jedenfalls - und das ist eine Tatsache - und die Mehrheit der Konferenz der Landtagspräsidenten lehnen das NRWModell zur Übernahme in ihre jeweiligen Parlamente ab, das mit wirklich ernst zu nehmenden Argumenten.

Fangen wir einmal an, die Sache etwas auseinanderzunehmen. Fangen wir auch einmal mit der von Ihnen vorgeschlagenen in etwa Verdoppelung der Grundentschädigung bei gleichzeitiger Abschaffung aller Pauschalen für mandatsbedingte Aufwendungen an. Allein die Zahl, die in diesem Zusammenhang im Raume steht, meine Damen und Herren, die mutet so exorbitant an, dass hier schon die erste mediale Hürde entsteht. Alle anderen Kosten für das Mandat sollen aus dem Grundeinkommen bestritten werden, die am Ende eines Jahres wiederum beim Finanzamt als Werbungskosten geltend gemacht werden können je nach persönlicher Einkommenssituation.

Ist Ihnen eigentlich schon mal bei der Formulierung Ihres Antrags der Gedanke gekommen, dass Abgeordnete, die legal - ich betone das ausdrücklich -, legal Nebeneinkünfte beziehen, also ein höheres Gesamteinkommen aufweisen, dann auch mehr Werbungskosten, z.B. dann, wie es in Nordrhein-Westfalen jetzt ist, auch Wahlkampfkosten absetzen können, was vorher bei der Gewährung von Pauschalen überhaupt nicht der Fall gewesen ist. Das Prinzip „Mehr Einkommen - höhere Steuerminderungsmöglichkeiten“ gilt auch hier, in diesem Fall für Abgeordnete. Wir sollen also in Zukunft dem Finanzbeamten plausibel erklären, welche Ausgaben mandatsbedingt sind und damit absetzbar und was zu unserer persönlichen Daseinsvorsorge gehört. Das heißt - mit anderen Worten formuliert: Über die Mandatstätigkeit eines Abgeordneten entscheidet indirekt in Zukunft das Finanzamt mit. Und abgesehen, meine Damen und Herren, von handfesten Bedenken von Verfassungsrechtlern bezüglich der freien Ausübung des Mandats und, Herr Kollege Hahnemann, der in der Verfassung beschriebenen besonderen Rechtsstellung von Abgeordneten, bleibt auch nach meiner Auffassung die eigentlich angestrebte Transparenz auf der Strecke.

Wissen Sie eigentlich, wie das in Nordrhein-Westfalen funktioniert? Um sowohl den Abgeordneten dort und auch dem Finanzamt die Handhabung dieses neuen Prinzips einigermaßen zu ermöglichen, gibt es in Nordrhein-Westfalen eine 130seitige schriftliche Vereinbarung zwischen dem Landtag und der Finanzverwaltung. So viel zur Transparenz - sonst wäre das nämlich gar nicht umsetzbar, meine Da

men und Herren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Und auch ist in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags von Rheinland-Pfalz, das Ihnen möglicherweise sogar zur Verfügung steht - ich hoffe es jedenfalls, mir liegt es vor - von hier noch nicht näher zu beleuchtenden - das können wir gern dann im Ausschuss tun - handfesten steuerrechtlichen und steuertechnischen Bedenken die Rede bei der Abschaffung der Pauschalen. Die entsprechenden Prozesse in NRW stehen momentan an.

Nun noch ein paar Sätze, meine Damen und Herren, zu dem von Ihnen angestrebten Versorgungswerk für die Altersversorgung der Abgeordneten: Von den derzeit 187 Abgeordneten des Landtags in Nordrhein-Westfalen zahlen ziemlich genau etwa die Hälfte in dieses Versorgungswerk den im Gesetz vorgeschriebenen Betrag von 1.500 € im Monat ein - also immerhin mehr Abgeordnete, als der gesamte Thüringer Landtag Abgeordnete hat. Nun weiß ich nicht genau - ich will da nichts unterstellen -, ob Sie wissen, wie ein Versorgungswerk funktioniert.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Ja, denn davon haben wir ja genug.)

Das ist kein Topf, in den paritätisch von Abgeordneten oder vielleicht vom Landtag eingezahlt wird oder aus dem nach einem sozialistischen Verteilungsprinzip ausgeschüttet wird.

(Beifall bei der CDU)

Das Ganze funktioniert wie ein am Kapitalmarkt gedeckter Fonds, der knallharten marktwirtschaftlichen Zusammenhängen unterworfen ist. Das Ding muss Gewinn abwerfen, sonst schauen die Einzahler irgendwann in den Mond.

(Beifall bei der CDU)

Und es ist einerseits interessant, dass ausgerechnet Sie von der PDS sich für eine solche Altersversorgung in erzkapitalistischer Manier erwärmen können, aber das sei dahingestellt. In Nordrhein-Westfalen jedenfalls - ganz konkret - wirft das Versorgungswerk momentan keinen ausreichenden Gewinn ab. Die Verwaltungskosten fressen die Rendite geradezu auf, abgesehen von einer mehr als deutlichen - das haben mir die Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich letzte Woche erst Gelegenheit hatte zu sprechen, noch einmal bestätigt - Schlechterstellung der neuen Abgeordneten; für die alten trifft das ohnehin nicht zu.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Man erwägt jetzt im Moment, ganz konkret in Nordrhein-Westfalen, den Einzahlbetrag für das Versorgungswerk um etwa 800 bis 1.000 € aufzustocken, was natürlich auf die Grundentschädigung zunächst erst mal aufgeschlagen werden muss, um es dann wieder verpflichtend in das Versorgungswerk einzahlen zu lassen. Das wiederum, diese neue Zahl, wird noch nicht mal von „Bild“ und Steuerzahlerbund momentan goutiert. Das heißt, dieses Versorgungswerk funktioniert bei allen hehren Absichten betriebswirtschaftlich gesehen überhaupt nicht.

Meine Damen und Herren, zum Schluss, ich will Ihnen nicht vorenthalten, welche Positionen die SPDFraktion insgesamt zur Frage der Abgeordnetenvergütung hat, und ich will das in einigen Punkten verdeutlichen.

Erstens: Das bisherige Grundprinzip, bestehend aus Grundentschädigung, Pauschalen für mandatsbedingte Aufwendungen und eine beamtenähnlich alimentierte Altersversorgung, soll nach unserer Auffassung erhalten werden.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Das sieht im Übrigen auch der Bundestag so.

Zweitens: Die in der Verfassung in Artikel 54 verankerte so genannte Indexregelung soll nach unserer Auffassung weiterhin Gültigkeit behalten.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Sie wollen sie ja jetzt abschaffen. Der Landtag in Brandenburg hat sie vor zwei Monaten eingeführt. Andere Landtage spielen momentan ebenfalls mit dem Gedanken, sich diesem System anzuschließen.

Drittens: Offenlegung aller Einkünfte und Nebeneinkommen - uneingeschränkt ein Ja, wobei das jetzt schon zum Ehrenkodex eines jeden Landtagsabgeordneten in diesem Hause gehören sollte.

Viertens: Wir halten eine Anpassung an die reale Arbeitswelt in Bezug auf die Altersversorgung unserer Abgeordneten hier im Thüringer Landtag, sowohl was die Höhe, die Steigerungsraten nach dem Erreichen der Eingangsvoraussetzungen als auch das Eintrittsalter in die Versorgung angeht, für äußerst geboten.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Deswegen machen Sie auch die Renten ab 67.)

An dieser Stelle gehen wir mit. Aber wir plädieren nach wie vor für die Beibehaltung des Grundprinzips

bei der Altersversorgung. Und wie gesagt, was die einzelnen Höhen betrifft, da, denke ich, hat der Thüringer Landtag Handlungsbedarf, das ganz klar zum Ausdruck gebracht. Dass dazu eine Arbeitsgruppe des Landtags unseretwegen auch unter Zuhilfenahme von externem Sachverstand eingerichtet werden soll, das haben wir in der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht, dazu stehen wir auch weiterhin. Ob man allerdings dazu ein solch aufwändiges Verfahren braucht, wie Sie das in Ihrem Antrag beschrieben haben, das sei mal dahingestellt. Aber darüber kann man sicher im Ausschuss reden.

Meine Damen und Herren, mein Fazit: Dass es in diesem Hause Unterschiede in den moralischen Ansprüchen bei den Abgeordneten in den einzelnen Fraktionen bei dem einen oder anderen fachlichen Thema gibt, davon konnte ich mich in den letzten sieben Jahren hinreichend überzeugen. Dass sich dabei immer - regelmäßig - eine Fraktion ausgerechnet bei der Frage, die uns nun alle gleichstellt, als Moralapostel für alle anderen darstellt, diese Erkenntnis wird uns wohl leider noch eine ganze Weile begleiten. Ich gebe meiner Hoffnung Ausdruck, meine Damen und Herren, dass die wirklichen Sachargumente in dieser Diskussion die Oberhand behalten und nicht billiger Populismus. Danke schön.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich der Abgeordnete Buse zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das würde ich nicht machen; nach dem Vortrag kannst du dich doch nur blamie- ren.)