Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit einem letzten Komplex möchte ich abschließen: Uns wurde auch vorgehalten, dass der Einblick in die Jahresrechnung vor der örtlichen Prüfung - jetzt zitiere ich Herrn Baldus wörtlich mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin - „Unsinn“ wäre, diese Regelung wäre „Unsinn“. Herr Baldus, wir gehen davon aus, der Bürger hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie der Haushalt abgearbeitet wird. Er hat zurzeit in Thüringen nur den Anspruch, in den beschlossenen Haushalt reinzusehen, er hat aber nicht den Anspruch, wie denn die Jahresrechnung aussieht. Aber das ist ja gerade das Interessante, weil wir wissen, dass zwischen beschlossenem Haushaltsplan und der Jahresrechnung erhebliche Abweichungen bestehen. Die Verwaltung ist sowieso verpflichtet, diese Abweichungen zu erläutern. Deswegen sehen wir überhaupt auch keinen Mehrbedarf bei der Verwaltung, wenn ein solches Verfahren stattfindet. Zurzeit kann das freiwillig geschehen; auch die Kommunalaufsichten greifen sogar ein, wenn einzelne Kommunen zum Beispiel die Berichte der örtlichen Prüfung öffentlich
machen wollen. Uns hat die Kommunalaufsicht in Arnstadt im Stadtrat beispielsweise untersagt, den Prüfbericht zur Gemeinde Rudisleben zu veröffentlichen, weil sie sagt, das sieht das Gesetz nicht vor, dass der Bürger dort Einblick nehmen kann. Eine solche Intransparenz ist aus unserer Sicht nicht mehr hinnehmbar, sondern wir sind für die Offenlegung auch der Jahresrechnung und der Rechnungsprüfungsberichte. Danke.
Es liegen keine weiteren Redeanmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt vor. So werden wir direkt über den Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS in Drucksache 4/2279 in zweiter Beratung abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen.
Thüringer Ladenöffnungs- gesetz (ThürLadÖffG) Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2366 - ERSTE BERATUNG
Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Der Parlamentarische Geschäftsführer schüttelt mit dem Kopf. Ich eröffne nun die Aussprache und rufe als Ersten in dieser Aussprache für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Matschie auf.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, manche Entwicklung der letzten Jahre hat sicher sehr widersprüchliche Situationen geschaffen und das gilt auch für das Einkaufen. Ladenschluss auf der einen Seite, Einkaufen rund um die Uhr auf der anderen Seite. Wer sich im Internet auskennt, und das sind ja einige unter uns, kann seit Jahren einkaufen, wann er will. Onlinehändler kennen keinen Ladenschluss. Aber auch manche Tankstelle, und das wissen Sie, sieht inzwischen aus wie ein Supermarkt und hat Mitternacht noch geöffnet. Die regulären Supermärkte dagegen müssen am Abend schließen und viele Verbraucher fragen zu Recht: Warum ei
gentlich? Auch viele andere europäische Staaten haben deutlich freizügigere Ladenöffnungszeiten als wir. Die Interessen von Verbrauchern an weitergehenden Öffnungszeiten sollten wir ernst nehmen. Aber, und das will ich auch mit aller Klarheit sagen, es sind nicht die einzigen Interessen, die bei unserer Entscheidung eine Rolle spielen dürfen, denn der Ladenschluss, wie wir ihn bisher kennen, hat durchaus ebenfalls gute Gründe auf seiner Seite. Der Schutz der Arbeitnehmer ist einer dieser wichtigen guten Gründe, denn das Ladenschlussgesetz ist auch ein Arbeitsschutzgesetz und das hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2004 noch einmal klar bestätigt. Ein weiterer Wesenszug des Ladenschlusses ist der Schutz der Familie und des öffentlichen Lebens mit der traditionellen Sonntagsruhe.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, bevor ich auf unsere konkreten Vorstellungen zu den Ladenöffnungszeiten eingehe, noch ein Gedanke vorweg. Die Föderalismusreform hat es möglich gemacht, dass wir heute dieses Thema bereden können. Die Kompetenzen der Landtage sind deutlich gestärkt worden durch die Föderalismusreform. Das ist gut so. Wir sollten verantwortlich damit umgehen und alle Aspekte, die zur Debatte um den Ladenschluss gehören, hier miteinander besprechen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich sage das ganz offen, in unserer Fraktion wird die Debatte zum Ladenschluss sehr intensiv und auch kontrovers geführt, so wie in der Öffentlichkeit auch. Es gibt da nicht in allen Punkten eine Meinung. Auch bei uns spiegelt sich die Auseinandersetzung wider, die in der Öffentlichkeit dazu geführt wird. Die Mehrheit bei uns sieht die Sache so: Wir sind für eine größere Freiheit der Läden und Geschäfte, über ihre Öffnungszeiten selbst zu entscheiden, und sagen, werktags soll es im Grundsatz keine Beschränkungen geben. 14 von 16 Bundesländern haben angekündigt, werktags den Ladenschluss aufzuheben, und ich bin überzeugt, der Zug wird sich nicht aufhalten lassen. Zum Zweiten, wir sind für den klaren Schutz des Sonntags. Wir wollen die bisherigen Regelungen aus dem Ladenschlussgesetz zum Sonntag beibehalten. Vier Sonntage im Jahr kann geöffnet werden. Die Festlegung der Termine erfolgt vor Ort. Der Dezember soll für uns ausgeschlossen bleiben, so wie das bisher auch der Fall ist. Wir sind der Überzeugung, wir brauchen keinen Verkaufsadvent. Noch etwas ist für uns wichtig: Sonntagsschutz beginnt nicht null Uhr. Wer samstags bis 24.00 Uhr arbeiten muss, der hat keinen wirklichen Sonntag mehr. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass die Geschäfte als Bestandteil des Sonntagsschutzes am Samstag spätestens um 20.00 Uhr schließen sollten. Unsere Nachbarn in Sachsen-Anhalt diskutieren im Moment auch eine Schließzeit am Samstag von 18.00 Uhr, auch das könnten wir uns vorstellen. Ich
bin dafür, dass wir hier im Parlament miteinander darüber reden, wie wir den Sonntagsschutz durch den Schutz des Samstagabends ausgestalten können. Für mich gehört der Samstagabend zum Sonntagsschutz dazu.
Ein für uns ganz entscheidender Punkt: Der Schutz von Arbeitnehmerrechten muss zwingend festgeschrieben werden. Unsere Zustimmung, und das will ich hier in aller Deutlichkeit und Klarheit sagen, kann es nur geben, wenn die Öffnung der Verkaufszeiten nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen wird, sondern wenn klare Schutzrechte gesetzlich festgeschrieben werden.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, Sie haben sich die Mühe gemacht, in Ihrem Gesetzentwurf sogar spezielle Regelungen für Schiffsanlegestellen aufzunehmen. Davon gibt es in Thüringen jetzt nicht ganz so viele. Aber die wenigen Standorte waren Ihnen ein Nachdenken wert. Aber so gut wie kein Wort verlieren Sie in Ihrem Gesetzentwurf über die Rechte der Beschäftigten im Einzelhandel.
Das sind 50.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, die im Thüringer Einzelhandel arbeiten, mehr als drei Viertel davon sind Frauen und nicht mitgerechnet sind dabei die geringfügig Beschäftigten oder diejenigen, die scheinselbstständig ihrer Arbeit dort nachgehen müssen. Wenn man diese Zahlen dazuaddiert - und Experten sagen, dass das im Einzelhandel rund 20 Prozent ausmacht -, dann reden wir über etwa 70.000 Menschen im Thüringer Einzelhandel. Wenn für eine derart große Zahl von Betroffenen mit neuen Öffnungszeiten die Arbeitsbedingungen massiv verändert werden, dann müssen gesetzliche Rahmenbedingungen auch für den Arbeitsschutz hier mit diskutiert werden. Wir brauchen in einem Ladenöffnungsgesetz sichere Schutzrechte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und klare Standards. Gesetzliche Regelungen zur Ladenöffnung und gesetzliche Bestimmungen zum Arbeitsschutz gehören zusammen. Das galt auch bisher im Ladenschlussgesetz und das muss weiterhin Gültigkeit haben. Das bisherige Bundesgesetz zum Ladenschluss hatte einen eigenen Abschnitt, der überschrieben war „Besonderer Schutz der Arbeitnehmer“. Diesen besonderen Schutz der Arbeitnehmer müssen jetzt die Länder garantieren. Mit der neuen Freiheit, den Ladenschluss zu regeln, haben die Länder auch die Verpflichtung übernommen, für den Schutz der betroffenen Arbeitnehmer zu sorgen. Darauf hat auch die Bundesregierung noch einmal ausdrücklich hingewiesen. Der Gesetzentwurf der CDU
kommt dieser Forderung nur in einem Punkt nach, nämlich mit Blick auf die Arbeit an Sonn- und Feiertagen verweisen Sie auf das Arbeitszeitgesetz. Damit verschlechtern Sie aber die Bedingungen der Beschäftigten gegenüber den jetzigen Regelungen. Ich glaube, das ist nicht akzeptabel. Wir verlangen den Beschäftigen mehr ab als bisher und gleichzeitig wollen Sie die Schutzregelungen für die Beschäftigten verschlechtern. Das ist aus unserer Sicht kein gangbarer Weg, das will ich deutlich sagen. Unsere Nachbarn in Sachsen-Anhalt schlagen dagegen einen arbeitnehmerfreundlicheren Weg ein mit ihrem Gesetzentwurf. Dort ist vorgesehen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mindestens 20 freie Sonntage im Jahr haben und damit mehr als nach dem bisherigen Ladenschlussgesetz. Ich denke, wir sollten uns eher in diese Richtung orientieren, als die Bedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verschlechtern. In Sachsen beispielsweise wird darüber hinaus diskutiert, den Anspruch auf einen freien Sonnabend pro Monat festzuschreiben. Damit soll ein Mindestschutz für Familien auf ein zusammenhängendes Wochenende garantiert sein. Auch das ist eine sinnvolle Regelung, die sich auch im bisherigen Ladenschlussgesetz in den Schutzbestimmungen fand, die aber im Arbeitszeitgesetz nicht zu finden ist. Ich glaube, wir müssen dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel auch zukünftig die Möglichkeit haben, für mindestens ein freies Wochenende im Monat sorgen zu können. Das sind wir den Beschäftigten und ihren Familien schuldig und das sollten wir klar regeln.
Solche Rechtsansprüche sind - ich habe die Beispiele Sachsen-Anhalt und Sachsen erwähnt - in den dortigen Ladenöffnungsgesetzen vorgesehen, in unserem Ladenöffnungsgesetz bisher nicht. Ich bin überzeugt, sie gehören dort hinein.
Es gibt einen weiteren Bereich, den wir bedenken müssen, nämlich den Bereich der Nachtarbeit. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vor zwei Jahren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Ladenschlussgesetz ein wirksames Instrument zum Schutz vor gesundheitgefährdender Nachtarbeit sei. Das Verfassungsgericht hat damals noch einmal festgestellt - ich zitiere -, „dass Nachtarbeit dem menschlichen Biorhythmus zuwiderläuft.“ Gleichzeitig würden „Nachtarbeiter aus dem Rhythmus des öffentlichen Lebens und der Freizeitgestaltung anderer“ herausfallen. So steht es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juni 2004. Das bedeutet, dass Nachtarbeit nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein soll, eben wegen dieser Gefährdungen durch Nachtarbeit. Dieses Thema ist in Ihrem Gesetzentwurf gar nicht angesprochen und aus un
serer Sicht reichen auch hier die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes nicht aus, um die neue Situation im Einzelhandel befriedigend zu regeln. Nach den bisherigen Regelungen, die es unter anderem in Tarifverträgen dazu gibt, ist beispielsweise eine andere Definition der Nachtarbeit für den Einzelhandel vorgesehen als die Definition, die wir im Arbeitszeitgesetz finden. Wir wollen - und das sage ich noch mal ausdrücklich - klare Regelungen zum Schutz der Beschäftigen im Ladenöffnungsgesetz, anderenfalls kann es unsere Zustimmung nicht geben.
Wir wollen auch, dass die Arbeitszeiten - so ist es beispielsweise im sächsischen Gesetzentwurf vorgesehen - ordentlich dokumentiert werden. Das geschieht zum Schutz der Arbeitnehmer, denn nur so ist auch eine wirksame Kontrolle von Arbeitszeiten möglich.
Einen dritten Bereich will ich hier ansprechen, den wir bedenken müssen. Wir müssen uns nämlich Gedanken darüber machen, wie wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor zusätzlichen Gefahren schützen, die mit längeren Ladenöffnungszeiten verbunden sein können. Jeder kennt die Nachrichten von schweren Überfällen auf Läden und andere Verkaufseinrichtungen. In einigen Fällen in Deutschland hat es dabei Tote gegeben. Die Statistiken sagen uns, dass die Gewaltanwendung durch Menschen inzwischen die dritthäufigste Unfallursache bei neuen Unfallrenten bei Beschäftigten im Einzelhandel ist, und die Gefahr steigt, je länger die Läden nachts geöffnet sind. Auch solche Überlegungen müssen nach meiner Überzeugung im Zusammenhang mit einem Ladenöffnungsgesetz diskutiert werden. Welche technischen Schutzvorkehrungen müssen eingefordert werden? Welche organisatorischen Schutzvorkehrungen können wir treffen, beispielsweise bei der Frage, ab einer bestimmten Verkaufsfläche wie viele Beschäftigte in Nachtstunden anwesend sein müssen, damit im Gefahrenfall jemand auch schnell Hilfe herbeiholen kann? Ich sage es noch einmal: Mehr Freiheit bei den Öffnungszeiten verlangt nach besserem Schutz der Arbeitnehmerrechte, als es der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht. Wir sind der Überzeugung, dass erweiterte Öffnungszeiten und Schutz der Arbeitnehmer zusammengehören. Ohne Schutz für die Beschäftigten wollen wir keine erweiterten Öffnungszeiten. Die Gefahr wäre aus unserer Sicht zu groß, dass ohne verbesserte Schutzrechte Verkäuferinnen und Verkäufer einseitig die Lasten solcher erweiterten Öffnungszeiten zu tragen haben. Das wollen wir nicht. Deshalb sind wir auch dafür, die Gesetzgebung jetzt nicht übers Knie zu brechen, um möglichst zum 1. Advent damit fertig zu sein, sondern wir wollen eine sachgerechte Debatte in den Ausschüssen und wir werden auch eine öffentliche Anhörung dazu beantragen. So viel Sorgfalt sind wir den Beschäftigten schuldig.
Mir müssten dann zur Abstimmung noch die Ausschüsse benannt werden, in denen das Gesetz diskutiert werden soll. Für die Fraktion der Linkspartei.PDS rufe ich den Abgeordneten Gerstenberger auf.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, es ist schon interessant, da bringt eine Fraktion einen Gesetzentwurf ein und hält es noch nicht mal für notwendig, den Landtag über die Vorstellungen des Gesetzentwurfs und die inhaltlichen Diskussionen, die dazu geführt haben, zu informieren. So nach dem Motto: „Friss oder stirb, wir wollen mal schnell was über den Tisch reichen, uns interessiert das offensichtlich nicht so richtig“ wird hier die Diskussion eingeleitet. Das halte ich für ein Novum in der parlamentarischen Tätigkeit dieses Hauses.
Aber es ist Ihr Gesetzentwurf und es ist Ihre Handlungsweise, meine Damen und Herren der CDU. Sie müssen wissen, was Sie tun.
Interessant finde ich als Zweites, dass wir hier - Herr Matschie, und dafür bin ich Ihnen ganz dankbar - eine neue Sicht der SPD gehört haben. Im September hieß es ja noch „bedingungslose Öffnung“, wir sind auf der Linie der CDU. Heute klang das ja schon etwas differenzierter und Sie haben die Probleme aufgegriffen, die wir bereits im Septemberplenum als PDS hier an dieser Stelle genannt haben. Wir sind dort an vielen Stellen nicht so sehr weit auseinander. Aber es geht um die erste Lesung und ich will auch nicht die Diskussion, die wir im September mit Standpunktaustausch geführt haben, hier noch mal vollständig aufwärmen. Ich will unsere Positionen noch mal sagen, die zu dem Gesetzentwurf in nächster Zeit eine entsprechende Rolle spielen. Wir sind gegen die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten als Linkspartei.PDS-Fraktion und dort besteht Einhelligkeit. Die jetzt schon zulässigen Ladenöffnungszeiten an vier Sonntagen im Jahr aus besonderem Anlass sollten unserer Meinung nach erhalten bleiben. Die Anzeigepflicht, die dort allerdings nicht besteht, wird von unserer Seite als ausreichend betrachtet. Dort sollten unnötige bürokratische Antragstellungen entfallen und Vereinfachungen festgestellt werden. Wir sind allerdings auch dagegen, dass bei diesen vier Sonntagen einzelne Firmenjubiläen die Möglichkeit bieten, die Ladenöffnungen vorzunehmen. Es
sollten abgestimmte, von Einzelhandelsverbänden oder Innenstadtorganisationen beantragte Termine die Grundlage und die Ausgangsbasis bilden. Dort sollten also nur Verbände und Vereine die Möglichkeit des Anzeigerechts bekommen. Und, Herr Matschie, das, was wir das letzte Mal gesagt haben, es ist ein Arbeitsschutzgesetz, auch da sind wir nicht sehr weit auseinander und Ihre Diskussionen der letzten Wochen haben Sie da offensichtlich wieder etwas näher an die Probleme der Beschäftigten herangeführt.
Es darf keine Abstriche am Arbeitszeitgesetz geben und es muss die Sicherung des Arbeitsschutzes für die Betroffenen in jedem Falle gewährleistet und gesichert sein - das ist die Grundvoraussetzung. Für Touristenzentren und Kurorte sind Sonderregelungen zu diskutieren; auch dort sind wir als Fraktion - das sage ich auch ganz ehrlich - noch nicht am Ende. Wir sind auch der Meinung - das wiederhole ich hier noch mal -, dass zu dem Problemkreis Videotheken noch mal die Diskussion geführt werden sollte. Aber fest steht, Ladenöffnungszeiten bis maximal 22.00 Uhr halten wir für ausreichend, und dies auch nicht als Zwang, sondern auf freiwilliger Basis.
Es ist interessant festzustellen, was der betroffene Verband Thüringens in dem Zusammenhang zu sagen hat. Da gibt es ein interessantes Interview mit dem Präsidenten des Einzelhandelsverbands des Freistaats Thüringen im Wirtschaftsmagazin der IHK Erfurt in der Nr. 10/2006 und dort stellt Herr Seibt fest,
Herr Senft fest: „Wir als Einzelhandelsverband vertreten die Ansicht, den Händlern die Möglichkeit zu geben, werktäglich von montags bis samstags die Geschäfte bis 22.00 Uhr zu öffnen. Weiterhin haben wir einen Rechtsanspruch auf vier Sonntage im Jahr nach Entscheidung von Handels- und Gewerbevereinen und Werberingen formuliert. Antragspflicht und Gebührenpflicht sollten wegfallen.“
Meine Damen und Herren, das ist der betroffene Verband und Mitglieder dieses Verbandes werden zitiert, dass mit längeren Ladenöffnungszeiten nicht mehr Kaufkraft entsteht und außerdem der Verdrängungswettbewerb zulasten der kleinen Händler weiter in Thüringen forciert wird. Das Gesetz geht also weit über die Kernforderungen des Verbandes hinaus und blendet die bestehenden Probleme der Reduzierung von Vollzeitbeschäftigten-Verhältnissen und die verstärkte Nutzung von Teilzeit- und Stundenjobs im
Einzelhandelsbereich völlig aus. Hier will offensichtlich auch der uns vorliegende Gesetzentwurf der CDU nicht gegensteuern. Zwischenzeitlich waren ja sogar Begründungen für diesen Entwurf in der Richtung zu hören, dass man sich nicht als Schiedsrichter in Zukunft aufführen möchte zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerrechten und deshalb doch alles und jedes freigegeben werden sollte. Solches Denken, meine Damen und Herren, lehnen wir als PDSFraktion ab. Das hilft dem Handel nicht wirklich und das löst nicht seine Probleme. Das löst auch nicht das Problem, aus einem Ladenschlussgesetz als Arbeitsschutzgesetz mit der Begrifflichkeit einen neuen Ladenöffnungszustand herbeizuführen und ein Ladenöffnungsgesetz zu formulieren; das verwirrt und das macht allerdings Ihre politische Zielrichtung deutlich. Deshalb halten wir es ebenfalls für zwingend notwendig, ein mündliches Anhörungsverfahren mit den betroffenen Verbänden und Organisationen durchzuführen, uns dort die nötige Zeit zu lassen, um die Gesamtproblematik vernünftig und dem Inhalt angemessen zu beraten und auch den Vereinen und Verbänden in einem mündlichen Diskurs die Möglichkeit zu geben, mit den Einreichern des Gesetzes und der Opposition die Standpunkte auszutauschen. Das ist zwingend notwendig und unserer Meinung nach unerlässlich und dafür werden wir plädieren. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte meine Ausführungen mit einem Zitat von Ludwig Erhard aus seinem Buch „Wohlstand für alle“ beginnen. Ludwig Erhard schreibt: „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren. Ich will das Risiko des Lebens selber tragen. Ich will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.“
Herr Kollege Gerstenberger, ich will mich aus eigener Kraft bewähren. Ich hatte Sie eingeschätzt, dass Sie in der Lage sind, die Begründung des Gesetzes zu lesen. Deshalb wollte ich sie nicht noch einmal namens meiner Fraktion vortragen. Das Gesetz ist natürlich ordentlich mit einer Begründung und auch mit einer Erläuterung gefertigt.
In der Drucksache 4/2366 legt die CDU-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Regelung der Ladenöffnungszeiten in Thüringen vor. Ich betone, die CDU-Fraktion, weil ich heute früh in den Nachrichten im Ra
dio hörte, die Landesregierung will die Ladenöffnungszeiten freigeben. Natürlich gehe ich davon aus, dass die Landesregierung das auch will, aber der Gesetzentwurf ist eine Arbeit der Fraktion. Wir ersetzen damit das alte Ladenschlussgesetz bewusst durch ein Ladenöffnungsgesetz. Wir vollziehen damit einen Paradigmenwechsel. Aus dem Verbotsgesetz wird ein Angebotsgesetz ganz im Sinne von Liberalisierung und Deregulierung. Wir passen den Ordnungsrahmen der Ladenöffnung den veränderten Arbeits-, Lebens- und Konsumgewohnheiten an.
Herr Kollege Matschie hat uns vorhin schon gesagt, der Versandhandel, das Internet, die Mobilitätsbedürfnisse der Bürger mit den Einkaufsmöglichkeiten an Tankstellen, Bahnhöfen und Flughäfen haben die alten Ladenschlussvorschriften durchlöchert wie einen Schweizer Käse. Die veränderten Lebensumstände moderner Haushalte haben sich in zentralen Punkten verändert. Die traditionellen Familienstrukturen sind aufgebrochen und Rollenverteilungen wurden und werden verändert. Familie und Hausarbeit muss vor dem Hintergrund der Berufstätigkeit beider Elternteile neu verteilt werden. Eine Vielzahl berufstätiger Menschen lebt in Ein-Personen-Haushalten. Eine Umsetzung der liberalisierten Öffnungszeiten bedeutet daher für eine Vielzahl von Menschen die Möglichkeit, sowohl Güter des täglichen Bedarfs als auch Anschaffungen im Bereich der längerfristigen Bedarfe, also Investitionsgüter des Haushalts wie Möbel, Kfz und auch Bekleidung, unter erheblich weniger Zeitdruck und angepasst an die eigene Arbeit und Freizeit zu erwerben.
Meine Damen und Herren, jede staatliche Regelung des Ladenschlusses ist ein Eingriff in die Berufsfreiheit. Eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ist also keine Abweichung vom grundrechtlichen Normalzustand, sondern dessen Wiederherstellung. Das Verbot der Ladenöffnung zu bestimmten Zeiten ist ein fortbestehender und rechtfertigungsbedürftiger Eingriff des Staates in die Berufsfreiheit. Unser Gesetzesvorschlag: Freigabe der Ladenöffnungszeiten an den Werktagen; 6 x 24 ist eine Formel, die deutlich macht, dass der Staat dem werktäglichen Verkauf nicht regeln will und muss. Das bedeutet im Übrigen nicht, dass die Geschäfte von nun an rund um die Uhr zu öffnen sind. Das Gesetz enthält Möglichkeiten der Anpassung der Öffnungszeiten an die Bedürfnisse der Nachfrage und enthält in keinem Fall die Verpflichtung für den örtlichen Handel zur Ausweitung der Ladenöffnungszeiten.
Herr Kollege Matschie, ich habe den Eindruck, man führt hier auch eine Phantomdiskussion, als ob nun mit Inkraftsetzen dieses Gesetzes an jedem Ort, in jeder Straße die Geschäfte rund um die Uhr geöff
net werden. Man baut damit auch einen Popanz auf und ich glaube auch, mit Tausenden Nebenbedingungen will man eigentlich die Öffnung, die das Gesetz hervorbringen könnte, schon wieder blockieren, so dass ich sage, die Arbeitsschutzrechte und die Sicherheit und die Busverkehre und was weiß ich nicht alles, das sind alles Dinge, die sicher richtig und wichtig sind, wenn ich ständig rund um die Uhr geöffnet habe. Aber Sie werden sehen, so hat es bisher immer die Erweiterung der Öffnungszeiten gegeben, es ist, wenn überhaupt, ein maximal kleiner Kreis und dann auch nur vereinzelt, der diese neuen Möglichkeiten in Anspruch nimmt.