Protokoll der Sitzung vom 20.10.2006

3. Es ist dabei beabsichtigt, die Zuschussbearbeitung in der Thüringer Aufbaubank zu bündeln. Das geschieht mit dem Ziel, den Zuwendungsempfängern einheitliche Bearbeitungssysteme und einheitliche Qualitätsstandards anzubieten.

Meine Damen und Herren, bis zum Ende des Jahres sollen für alle Bausteine der Wirtschaftsförderung, also GA-, Mittelstands- und Technologieförderung, die Richtlinien vorliegen und zum 1. Januar des nächsten Jahres planen wir, auf der Basis der neuen Richtlinien dann zu fördern. Ich bin sicher, die Wirtschaftspolitik der Landesregierung legt damit das Fundament für weitere Fortschritte beim wirtschaftlichen Aufbau.

Zum Ersten streben wir die erwähnte Prioritätensetzung bei der Verwendung der Strukturfondsmittel in der neuen Förderperiode an und zum Zweiten wollen wir die Wirtschafts- und Technologieförderung damit gezielt weiterentwickeln. Ich denke, unsere bisherigen Erfolge geben uns Recht, denn gegenwärtig liegen wir mit einem BIP-Wachstum von 2,5 Prozent auf Platz 3 aller Bundesländer im Wirtschaftswachstum. Des Weiteren ist Thüringen wie kein anderes neues Bundesland ein Standort der Industrie geworden und unsere Unternehmen steigern stetig ihre Exporte. Mittlerweile erzielt die Industrie in Thüringen 30 Prozent ihrer Umsätze im Ausland.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg und wir sind in der Lage, trotz knapper werdender Mittel mit der Weiterentwicklung unserer Förderinstrumente eine effektive und effiziente und vor allem ökonomisch sinnvolle Förderpolitik weiterhin im Freistaat Thüringen umzusetzen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. Ich frage jetzt, wer die Aussprache zum Sofortbericht wünscht. Die CDU-Fraktion, SPDFraktion und die Linkspartei.PDS-Fraktion. Dann eröffne ich hiermit die Aussprache und das Wort hat Abgeordneter Dr. Schubert, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die GA-Wirtschaftsförderung ist neben der Investitionszulage das vom finanziellen Umfang her wichtigste Förderprogramm für die Wirtschaft der neuen Bundesländer und damit natürlich auch insbesondere für Thüringen. Und trotz dieser Bedeutung der GA-Förderung für den Thüringer Standort klemmt hier in den letzten Jahren mächtig die Säge, nicht nur, dass aufgrund vom Versagen der Landesregierung oder bewusster Inkaufnahme der Wirtschaft seit dem Jahre 2000 nun mittlerweile 285,7 Mio. € GA-Fördermittel vorenthalten wurden. Man muss sich mal diese riesige Summe vorstellen, wie viel Investitionen, Innovationen und vor allen Dingen Arbeitsplätze damit hätten in diesen Jahren gefördert werden können. Es gingen in dieser Zeit auch insgesamt 142,85 Mio. € Bundesmittel in Thüringen verloren. Na gut, ganz verloren gegangen sind sie nicht, denn der jeweils amtierende Bundesfinanzminister hat sich darüber gefreut, weil er Geld einsparen konnte, und die Sachsen, die konnten sich natürlich vor allen Dingen darüber freuen, weil sie einen Teil der in Thüringen nicht verbrauchten Mittel für ihre Investitionsförderung einsetzen konnten.

Aber ist es nun wirklich die Aufgabe des Thüringer Wirtschaftsministers, den Bundesfinanzminister und den Sächsischen Wirtschaftsminister glücklich zu machen? Ich denke nein. Herr Reinholz, Sie werden ja nicht müde, hier und bei anderer Gelegenheit immer die positiven Daten von Thüringen darzustellen und die Spitzenstellungen der Thüringer Wirtschaft gegenüber den anderen neuen Bundesländern zu dokumentieren. Wenn Sie sich mal die Zahlen und Wirtschaftsdaten der neuen Bundesländer anschauen, die jetzt ja Ihr Minister mittlerweile herausgibt - vor der letzten Bundestagswahl war das noch ein SPD-Minister, aber mit der jetzigen Bundesregierung ist das ein CDU-Minister -, dann werden Sie feststellen, dass

sicherlich Thüringen in einigen Bereichen Spitze ist, aber eben auch in vielen anderen Bereichen nicht Spitze ist. Jeder sucht sich natürlich immer die Zahlen heraus, die ihm gerade besonders passen, aber wenn ich mir zum Beispiel mal das wichtige Thema „Erwerbsquote“ ansehe, da ist Thüringen auf dem letzten Platz aller neuen Bundesländer mit 75,7 Prozent. Beim Bruttoinlandsprodukt in den absoluten Zahlen liegt Thüringen ebenfalls unter dem Durchschnitt der neuen Bundesländer. Oder die Industrieumsätze, da ist der Durchschnitt - Veränderung gegenüber 2004 zum Jahr 2005, weil das ja das letzte volle Jahr ist - der neuen Länder 7 Prozent Steigerung; Thüringen liegt bei 5,5 Prozent. Also, es ist bei Weitem nicht so, dass Thüringen nun hier der absolute Spitzenreiter ist. Die gute niedrige Arbeitslosigkeit hat natürlich vor allen Dingen damit zu tun, dass Thüringen die längste Grenze zu den alten Ländern hat und dass damit Thüringen mit Sicherheit die meisten Pendler hat.

Und wenn man sich dann Ihre ganzen Förderprogramme ansieht, ich habe ja vorhin schon zur GAFörderung gesagt, wie viel dort verlorengegangen ist. Wenn man sich dann die anderen Dinge ansieht wie Thüringen-Kapital, was Sie ja früher vielleicht so über zwei Jahre auch in jeder Rede immer erwähnt haben, heute sind Sie auch kurz darauf eingegangen, wenn man sich die Umfänge dann mal anschaut, die realisiert worden sind, oder auch solche groß angekündigten Programme wie das Thüringen-Stipendium, was zwar nicht Wirtschaftsförderung, aber im weitesten Sinne auch ist, oder Forschungsschecks, die laufen mehr als schlecht. Und eine Gebietsreform ist auch noch eine wichtige Sache, dass man der Wirtschaft ordentliche Verwaltungsstrukturen anbieten kann. Das ist nämlich das Wichtige, was gerade unsere kleinstrukturierte Wirtschaft in Thüringen brauchen würde,

(Beifall bei der SPD)

das kriegen Sie auch nicht zustande. Also man kann wirklich sagen, die Wirtschaft läuft halbwegs gut in Thüringen trotz dieser Landesregierung und nicht wegen dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Aber genauso schlimm wie das Verschenken von Bundesmitteln ist jedoch das Signal, das seit Jahren von Thüringen ausgeht, nämlich das Signal, Thüringen braucht gar nicht alles Geld. Thüringen ist nicht in der Lage, die zur Verfügung gestellten Gelder wachstumsfördernd zu investieren. Dann brauchen wir uns natürlich auch nicht darüber zu wundern, dass in den alten Ländern immer mehr Begehrlichkeiten entstehen, und so war es zwangsläufig, dass von den Geldern, die für die GA und eigentlich für die neuen

Länder vorgesehen gewesen sind, mittlerweile eben ein Siebentel der Mittel in die alten Länder fließt und das besteht natürlich noch bis heute fort. Ich denke, das ist auch ein Verdienst der Politik Ihrer Regierung und auch des Ministerpräsidenten Althaus, aber wer im Bundestagswahlkampf die Investitionszulage erst zur Disposition stellt und dann später noch die Beibehaltung der Investitionszulage als eigenen Erfolg feiert, von dem kann man sicher auch nicht viel mehr anderes erwarten.

(Beifall bei der SPD)

Warum hole ich jetzt so weit aus? Ich will es Ihnen erklären. Die GA-Mittel sind in der Vergangenheit nicht etwa an den Bund zurückgegeben worden, weil in Thüringen kein Bedarf gewesen wäre, es gibt vielmehr hausgemachte Gründe: Zum einen wurden trotz anders lautender Aussagen die GA-Mittel in Größenordnungen mit Haushaltssperren belegt, um in verschiedenen anderen Bereichen ebenfalls einzusparen. Sie hatten Globale Minderausgaben zu erbringen und nachdem zum Anfang immer... Also, es wurde erst als Globale Minderausgabe in Ihren Haushaltsbereich eingestellt und es war von vornherein sowieso klar, dass Sie die nur bei der GA letztendlich überhaupt kürzen können. Da hätten Sie ehrlich sein können und hätten gleich die GA-Ansätze nach unten fahren können, da wären keine Hoffnungen bei der Wirtschaft geweckt worden. Nein, es wurde die volle Höhe eingestellt und Globale Minderausgaben und es war von Anfang an klar, dass Sie das Geld sowieso nicht zur Verfügung haben. Das Ganze erfolgt dann entweder nach der Methode „Versuchsirrtum" oder ganz bewusst wurde die Förderrichtlinie im Jahr 2004 so geändert, dass viele Förderanträge von vornherein durch den Rost fallen mussten. Ich bin fest davon überzeugt, dass damit der Eindruck erweckt werden sollte, dass der Bedarf in der Wirtschaft ja gar nicht so groß sei und dass deshalb die Fördermittel teilweise zurückgegeben werden müssen. Aber scheinbar war die Rechnung der Landesregierung ohne den Wirt, die einheimische Wirtschaft, aufgemacht worden, denn gegen die damals 2004 neue Förderrichtlinie regte sich erbitterter Widerstand und deshalb musste wieder mal, wie so oft, nachgebessert werden. Jahrelang mussten wir uns hier in Plenarsitzungen und auch bei anderen Gelegenheiten Ihre ständigen Klagen über handwerkliche Fehler der rotgrünen Bundesregierung anhören. Die GA-Richtlinie liefert wieder einmal ein Beispiel handwerklichen Stückwerks Ihrer Landesregierung, genauso wie kürzlich erst das Thema „Lernmittelpauschale“ oder auch die Behördenstrukturreform. Nun ist der Fehler bereits seit langem erkannt. Ich erinnere an die Beantwortung meiner Mündlichen Anfrage vom 26.01.2006 zur Thematik, also zur GA-Förderung, in der Staatssekretär Dr. Aretz Fehler des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit bei

der Erstellung der Richtlinie im Jahre 2004 indirekt eingestanden hat. Trotzdem hat sich außer einer kleinen Korrektur an der Förderrichtlinie im Frühjahr dieses Jahres nichts geändert. Wie gesagt, das war am 26.01.06.

Seit dem späten Frühjahr wird nun an einer völlig neuen Förderrichtlinie, Herr Reinholz, das müssen Sie schon einmal zugeben, gearbeitet. Das, was jetzt da folgen soll, ist eigentlich eine ganz neue Förderrichtlinie, die von den Grundsätzen, die Sie jetzt und die Sie auch immer hier verteidigt haben, dass nämlich die schwachen Gebiete besonders gefördert werden sollen, also mit einem höheren Förderzuschlag belegt werden sollen gegenüber den Gebieten, die wirtschaftlich besser dastehen, eine völlige Kehrtwendung. Diese Sache ist damals eigentlich schon angekündigt worden vom Staatssekretär bei meiner Anfrage, dass man in diese Richtung denkt. Irgendwann im Frühjahr ist es auch von Ihnen noch einmal gesagt worden und letztmalig heute bei Ihrem Sofortbericht. Aber am 24.09. gab es dazu eine Regierungspressekonferenz, da haben Sie angekündet, was Sie ändern wollen, ohne natürlich auf die Einzelheiten einzugehen.

Ich denke, es wäre eigentlich notwendig, dass Sie die ganz konkreten Zahlen nennen. Sie haben zwar 12 Prozent und 12,5 Prozent genannt, aber wie diese 12,5 Prozent nun wirklich im Detail in Anspruch genommen werden können, dazu haben Sie nur vier Punkte genannt und wie Sie die ausgestalten wollen, das weiß bis heute immer noch keiner. Jetzt haben wir immerhin schon fast den 1. November 2006 und am 1. Januar 2007 soll das Ganze in Kraft treten. Da kann ich Ihnen nur sagen, es wäre wichtig, dass Sie so schnell wie möglich die Förderrichtlinie vorlegen, dass sich die Thüringer Wirtschaft daran orientieren kann.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Das ist doch Quatsch. Das ist mit der ganzen Thüringer Wirtschaft diskutiert worden.)

Das ist überhaupt kein Quatsch. Mit jedem einzelnen Betrieb haben Sie gesprochen?

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Mit den Kammern und Verbänden.)

Ja, das haben Sie sicher gemacht, aber die Förderrichtlinie kennt trotzdem noch niemand. Sie konnten heute keine Einzelpunkte zu den 12,5 Prozent nennen, nämlich dass etwas zur Basis dazukommt. Wie das ganz genau ausgestaltet werden soll, das haben Sie heute nicht darlegen können, Sie haben nur vier Punkte genannt. Allgemeinplätze haben Sie ge

nannt und keine konkreten Zahlen bzw. genauen Maßstäbe. Deshalb kann ich Sie nur auffordern, so schnell als möglich die konkrete Richtlinie auf den Tisch zu legen, denn der 1. Januar 2007 ist nicht mehr weit. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Abgeordneter Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist kein neues Thema, was hier vonseiten der SPD beantragt wird. Seit Monaten sind wir in der Ausschussdiskussion mit dem Problemkreis beschäftigt. Seit Jahren werden zu diesem Problemkreis vonseiten der Landesregierung Versprechungen gemacht, die dann nicht gehalten werden. Die Ergebnisse sind halt nicht so, Herr Minister Reinholz, dass sich euphorische Freude in Wirtschaftskreisen und in der Bevölkerung breitmacht ob der wirtschaftlichen Entwicklung.

Die Enquetekommission „Wirtschaftsförderung in Thüringen“ gab 2001 48 Empfehlungen an die Politik der Landesregierung. Viele von ihnen wurden gar nicht, einige mehr als zögerlich und völlig unzureichend umgesetzt. Es sei hier nur auf den sogenannten revolvierenden Fonds verwiesen, der von unserer Seite schon fast seit zehn Jahren gefordert wird. Vier Jahre nach Vorlage des Enqueteberichts, der diese Forderung unterstützt, gelang es erst der Landesregierung, mit „Thüringen-Kapital“ einen solchen Fonds zu bilden - Chancen für Thüringen, die über Jahre nicht genutzt wurden, denn Sie geben ja selber zu, dass mit dem Fonds ein vernünftiger Ansatz entstanden ist, der durchaus ausbaubar und weiterentwickelbar ist. Über Jahre wurde das von Ihrer Landesregierung verhindert.

Ein weiterer Punkt: Als Minister Althaus sein neues Amt als Ministerpräsident übernahm, versprach er in seiner ersten Regierungserklärung die Evaluierung der Wirtschaftsförderprogramme und die Weiterentwicklung der Wirtschaftsförderstrukturen. Diese Forderung wiederholte er, als er zu Beginn dieser Legislaturperiode seine erste und gleichzeitig auch bisher letzte Regierungserklärung zu wirtschaftspolitischen Fragen in Thüringen hielt. Es war, wenn ich mich recht erinnere, sogar seine einzige und letzte Regierungserklärung dieser Legislaturperiode. Getan hat sich bis heute nur in einigen Einzelpunkten etwas. Im Großen und Ganzen fehlen die entsprechenden Erfolge. So ist es nicht verwunderlich, dass

im Bericht des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zur Evaluierung der Förderprogramme im Freistaat Thüringen unter anderem festgestellt wird, die Zahl der Förderprogramme ist nach Bereinigung und Zusammenfassung noch immer 267; 267 Förderprogramme für ein so kleines Bundesland wie Thüringen. In Thüringen ist die wirtschaftliche Entwicklung hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die negativen Folgen sind sichtbar: a) unterdurchschnittliche Entwicklung des Einkommens, b) überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit und c) starker Bevölkerungsrückgang. Ein Zitat hierzu: „Hierunter leidet auch die Versorgung mit öffentlichen Gütern, indem zum Beispiel notwendige Infrastrukturinvestitionen sowohl bei der wirtschaftsnahen als auch bei der haushaltsorientierten Infrastruktur unterbleiben müssen. Auch wünschenswerte Investitionen zur Verbesserung und Sicherung der natürlichen Umwelt finden nicht in dem gewünschten Maße statt. Es spricht vieles dafür, in der gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Situation und unter Beachtung umweltrelevanter Belange der wirtschaftlichen Entwicklung höhere Prioritäten einzuräumen und Umweltaspekte sowie soziale Belange als Nebenbedingungen einzuführen.“

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das scheint mir und meiner Fraktion, meine Damen und Herren, der völlig falsche Weg. Aus Geldknappheit auf Umweltschutz und soziale Fragen zu verzichten, das ist das Ergebnis Ihrer Politik und das schreiben Sie auch noch selber in Berichte. Hinterher wird festgestellt, diese Politik war erfolgreich und gut.

Zur Untersetzung allerdings, bevor ich zu Ansatzpunkten komme, noch einige weitere Fakten: Das Pro-Kopf-Einkommen in Thüringen im Jahr 2004 betrug 16.411 €, im EU-25-Durchschnitt waren es 22.471 €. Das heißt, Thüringen hat lediglich einen Anteil von 73 Prozent. Der ausdrückliche Hinweis sei mir hier gestattet, dass in diesem EU-25-Durchschnitt auch die osteuropäischen Länder mit ihren niedrigen Löhnen enthalten sind, und das dürfte immerhin auch Sie nachdenklich stimmen. Thüringen hat, das ist unbestritten, ein starkes Wachstum des produzierenden Gewerbes, aber eine negative Entwicklung im Bausektor und eine unterproportionale Entwicklung im Dienstleistungssektor. Der Beschäftigungsrückgang, Herr Minister, darauf sind Sie kurz im Halbsatz eingegangen, betrug in Thüringen in den Jahren 1999 bis 2004 17 Prozent der Erwerbstätigen. Im EU-25-Raum nahm zwischen 2000 und 2004 die Beschäftigung gleichzeitig um 2,2 Prozent zu. Thüringen ist das Bundesland mit den niedrigsten Löhnen in Deutschland. Niedrige Löhne werden ja vonseiten dieser Landesregierung immer wieder als ein Standortvorteil und als eine Voraussetzung für mehr Ar

beitsplätze genannt. Die vorher gemachte Aussage zum Beschäftigungsrückgang und diese Feststellung belegen etwas anderes.

Zur Arbeitsproduktivitätsentwicklung: Thüringen hat im Jahr 2004 68,2 Prozent des Westniveaus, Ostdeutschland jedoch 72 Prozent des Westniveaus. Auch hier liegen wir unter dem ostdeutschen Entwicklungsniveau. Wesentlich für das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft als die Möglichkeit, Einkommen und Beschäftigung zu schaffen, ist auch die Ausstattung mit dem produktiven Sachkapital, also dem Kapitalstock. Der Kapitalstock je Einwohner im Jahr 2002 betrug in Thüringen 88.478 €, das sind 66,4 Prozent des Westniveaus, in Ostdeutschland jedoch 94.440 €, also 70,1 Prozent des Westniveaus. Also auch hier ist Thüringen unterdurchschnittlich. Auf den Seiten 76 bis 79 fasst die Studie die Bewertung der Ergebnisse der Förderprogramme zusammen und stellt fest, die Wachstumsdynamik der ersten Jahre konnte nicht aufrechterhalten werden, die Erwerbstätigkeit ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau, das Wanderungssaldo ist negativ, die steuerliche Einnahmekraft ist begrenzt, die soziale Leistungsfähigkeit ist eingegrenzt, enger gewordene und werdende Finanzspielräume der öffentlichen Hand sind zu verzeichnen, abnehmende Zuweisungen im Rahmen des Solidarpakts II beschäftigen den Landeshaushalt und Rückgang der Fördermittel aus dem Europäischen Strukturfonds in der Förderperiode 2007 bis 2013 sind Realität. Da sei noch darauf verwiesen, dass der Bund jeweils 10 Prozent der Fondsmittel für sich einbehält, ohne bisher ein klares Konzept vorzulegen, was er eigentlich mit diesem Geld vor hat im Interesse des Bundes - ein für mich unverständlicher Vorgang. Eine Neubewertung und Neuausrichtung der Förderpolitik im Freistaat ist notwendig. Von den 270 Förderprogrammen wird eine Optimierung bei 120 Programmen gesehen, was Ausgestaltung und Fortführung dieser Programme betrifft.

Wir, meine Damen und Herren, hatten an die heutige Berichterstattung die Hoffnung geknüpft, einen klaren Zeitplan zu erfahren, bis zu dem uns eine sicher auch notwendige Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu Schwerpunktsetzungen auf wirtschaftspolitischem und arbeitsmarktpolitischem Gebiet und seine Visionen von den Zukunftsperspektiven Thüringens sowie seine konkreten Handlungsschritte erreichen. Gleichzeitig hatten wir allerdings auch gehofft, zu erfahren, welchen Zeitplan sich die Landesregierung nun vorgenommen hat, um a) die entsprechenden Förderprogramme zu optimieren - 120 von 270, b) die entsprechenden Strukturen zu vereinfachen, anzupassen und zu optimieren, so wie es uns in zwei Regierungserklärungen in 2002 und 2004 versprochen wurde, und c) notwendige Einzelschritte und ihre Zielvorstellungen und Wir

kungsweisen zur Veränderung und Verbesserung der Situation dargestellt wird.

Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Minister Reinholz, aber in diese Richtung halte ich Ihre Berichterstattung für eine ziemliche Fehlanzeige. Ich hätte schon erwartet, dass Sie feststellen, dass in Zukunft alle Förderprogramme mit klaren Zielkriterien versehen werden, in denen definiert ist, wann und mit welchen Mitteln welche Zielstellungen erreicht werden, denn das scheint das Hauptproblem der Förderprogramme zu sein, um sie in ihrer Wirksamkeit zu begleiten. Es ist nämlich in erster Linie notwendig zu wissen, was man mit diesen Programmen eigentlich als Ziel erreichen wollte und das stellt die Evaluierungsstudie auch fest. Sie als Landesregierung arbeiten allerdings nach dem Prinzip, wir haben gefördert, das war gut und richtig, die Ergebnisse sind positiv oder werden schöngeredet und die Landesregierung hat Recht. Vor einem solchen Argumentationshintergrund ist es allerdings tatsächlich, Herr Sklenar, und das ist im Bericht nachzulesen, schwierig, aus der Evaluierung konkrete Ergebnisse förderprogrammbezogen in Aussagen zu fassen. Das bestätigen Sie auch, denn bei dieser Ausgangsbasis kann man so etwas nicht. Es ist also dringend geboten, auch bei knapper werdenden Mitteln klar zu definieren, wohin die Reise geht und was mit den einzusetzenden Mitteln konkret erreicht werden soll. Dort gäbe es mehr als nur einen Ansatzpunkt.

Lassen Sie mich auf einige Problemkreise, für die klare Zielvorgaben und Zielvorstellungen erforderlich sind, eingehen. Das stellt die IHK in ihrer jüngsten Zeitschrift ebenfalls fest, dass Handlungsbedarf besteht. Dort wird die Politik aufgefordert, das kann jeder nachlesen, auf die Alarmsignale zu reagieren und ihren wirtschaftspolitischen Kurs zu überdenken, denn die Hoffnung auf einen dauerhaften Aufschwung hat im Frühjahr des Wahljahres 2006 einen unerwarteten Dämpfer erhalten - so in der IHK-Zeitschrift nachzulesen.

Zu den Zielvorgaben und Problemkreisen von unserer Seite:

1. Die Neuordnung der Landesgesellschaften - ein scheinbar zeitloses Thüringer Thema, was bereits der Vorgänger von Minister Reinholz auf seine Fahnen geschrieben hatte und nicht umsetzen konnte, ein Thema, was laut Regierungserklärung der Ministerpräsident 2004 bereits als geklärt für Ende 2004 zugesagt hatte. Jüngst machten sogar Zeitungsmeldungen die Runde, die GfAW würde in die TAB integriert. Wir erwarten hier, Herr Minister, konkrete Aussagen, sollte es denn irgendwann dazu tatsächlich mal einen Kabinettsbeschluss geben, wann diese Fusion passiert, was tatsächlich angestrebte Synergien sind, was die finanziellen Auswirkungen sind

und was die Konsequenzen des Zusammenschlusses von zwei Gesellschaften auf die dritte bedeutende Gesellschaft, die LEG, sind. Gleichzeitig erwarten wir in dem Zusammenhang natürlich Aussagen dazu, ob nun das von Herrn Ministerpräsident Althaus 2004 angekündigte Controlling für die Wirtschaftsförderung entsprechend umgesetzt wird oder nicht. Die von Herrn Schubert dargestellte Nichtausreichung von 285,7 Mio. € im Rahmen der GA hätte ein solches Controllinginstrument, wäre es denn tatsächlich eingerichtet und würde unabhängig von der Thüringer Finanzpolitik arbeiten, sicher merken und gegensteuern können. Offensichtlich wurde ein solches Instrument bisher nicht geschaffen und nicht eingesetzt.

2. Der Anspruch, die Thüringer Aufbaubank als zentrale Förderbank einzurichten, war durch den Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen leicht hingesagt. Seit mehreren Jahren wird allerdings ohne Erfolg an der Umsetzung gearbeitet. Was haben denn die zuständigen Beamten, Herr Minister, in den letzten Jahren als Begründung aufgeschrieben, dass die Aufbaubank nicht das Instrument und die zentrale Förderbank sein kann? Was geht denn nicht? Was hat der Ministerpräsident dazu gesagt, um die Einwände auszuräumen und entsprechende Lösungsansätze zu suchen? Oder haben diese Einwände nach wie vor Bestand und die Idee des Ministerpräsidenten ist nicht umsetzbar? Nichts Genaues weiß man an dieser Stelle nicht, aber eine Idee steht seit Jahren im Raum. Die Umsetzung der Idee bleibt Fehlanzeige. Ähnlich sieht es mit der Idee aus, Landesbeteiligungen durch den Freistaat Thüringen zu verkaufen, um auf diese Art und Weise Geld zusätzlich in die Kasse zu bekommen - auch hier Fehlanzeige.

3. Die Schaffung eines revolvierenden Fonds „Thüringen-Kapital“ war ein überfälliger Schritt - ich sagte es schon. Ein zweiter revolvierender Fonds sollte hoffentlich in Vorbereitung sein. Ich habe das vorhin so gedeutet, was Sie an Aussagen dazu gebracht haben. Aber damit ein echtes zukunftsfähiges Konzept der Wirtschaftsförderung für die nächsten Jahre über die beiden Fonds gestaltet werden kann, bedürfen beide einer nennenswerten Finanzausstattung. Wir halten dafür sowohl die GA- als auch die EFRE-Mittel für möglich und erwarten dringend Aussagen, in welcher Endausstattungshöhe diese Fonds ausgestaltet werden sollen und wie ihre Zielstellung und die konkreten Arbeitskriterien lauten sollen.

4. Das Ausbildungsproblem schreit zum Himmel. Trotz Ausbildungspakt und Erfüllungsmeldungen von IHK und Handwerkskammer ist die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze dramatisch zurückgegangen. Wir haben es bei ständig knapper werdenden Mitteln im Freistaat mit steigenden Kosten für überbetriebliche Ausbildung zu tun. Die Zahl der in der Warteschleife geparkten Jugendlichen wird

nicht geringer und ein Weiterso im Rahmen des Ausbildungspakts ist unseres Erachtens nicht möglich und der Sache nicht dienlich, ja sogar kontraproduktiv. Den Weg des Weiterso geht allerdings die Landesregierung beharrlich seit über zehn Jahren. Wir erwarten hier konkrete Vorschläge. Wenn es schon von Ihrer Seite nicht die Umlagefinanzierung sein sollte, so wenigstens Alternativen, aber bitte Alternativen, die greifen und nicht das Weiterso, mit dem Sie versuchen, die Situation schönzureden.

5. Es muss endlich möglich werden, ressortübergreifende Programme mit weniger Bürokratie zu entwickeln. Wir könnten uns z.B. vorstellen, dass insbesondere im Bereich des Denkmalschutzes nachhaltig am Substanzerhalt der Kulturlandschaft gearbeitet werden könnte und damit auch verstärkt Mittel der Wirtschaftsförderung eingesetzt werden könnten. Der dringende Investitionsbedarf an dieser Stelle ist ein beredtes Zeugnis und Einzelbeispiele zeigen, dass das Land hier riesige Handlungsreserven hat.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Verwiesen sei nur auf die Eulenspiegelei, wenn man es gesamtwirtschaftlich betrachtet, die in Pößneck stattfand. Dort prüfte das Finanzministerium die Kosten für den Einzug in eine Industriebrache und baute anschließend ein nagelneues Verwaltungsgebäude nur 100 m neben dieser Industriebrache, die seit vielen Jahren mit zusätzlichen Mitteln saniert wird, ohne dass eine konkrete Nnutzung für dieses Gebäude besteht. Da sehen wir Handlungsspielräume und Handlungsreserven und gleichzeitig ein Riesenbetätigungsfeld, was angefasst werden sollte, aber interministerielle Arbeit wäre dort zu leisten und das scheint ein Problem zu sein.

6. Wir brauchen eine neue Schwerpunktsetzung bei der Infrastrukturentwicklung, insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des Landesentwicklungsprogramms, der geringer werdenden Mittel und der ständig schlechter werdenden Finanzausstattung der Vermögenshaushalte der Kommunen und der Landkreise. Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen, dass das Geld an dieser Stelle nachhaltig weniger werden soll. Deshalb ist es unserer Meinung nach notwendig, in den nächsten Jahren die Darlehensfonds zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft massiv aufzustocken, um bei geringer werdendem Geld wieder Handlungsspielräume für die Förderung der Infrastrukturentwicklung in den darauffolgenden Jahren zu gewinnen.