Protokoll der Sitzung vom 20.10.2006

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auf ein paar Anmerkungen, die Herr Reinholz zu meinen Ausführungen gesagt hat, möchte ich doch noch einmal rückantworten. Erst einmal mit dem „Schnee von gestern“. Dass die nicht verbrauchten GA-Mittel Schnee von gestern sind, Herr Reinholz, darüber kann ich mich nur wundern - das ist aktuelle Politik Ihrer Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind einmal gespannt, wie das in diesem Jahr ausgeht; wahrscheinlich wird es wieder genauso sein, dass Sie die GA-Mittel nicht in vollem Umfang in die Wirtschaft transferieren können.

Zu den Wirtschaftszahlen noch einmal: Da haben Sie wieder Beispiele von Zahlen genannt, wo Thüringen gut dasteht. Ich habe vorhin schon einmal das Thema Beschäftigungsquote angesprochen, weil Sie immer so auf Mecklenburg rumhacken. Mecklenburg-Vorpommern hat eine Beschäftigungsquote von 77,2 Prozent und Thüringen hat eine von 75,2 Prozent. Das sind Tatsachen, die können Sie nicht aus der Welt schaffen, das sind genauso Zahlen, die man raussuchen kann, die etwas völlig anderes belegen, als Sie das darstellen.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Wir sind trotzdem besser als Mecklenburg-Vor- pommern.)

Thüringen hat doch viel bessere Voraussetzungen gehabt nach 1990 und eine ganz andere Kleinstruktur als z.B. Sachsen-Anhalt oder Sachsen mit Großstrukturen, die völlig weggebrochen sind, wie Braunkohle oder andere Dinge. Das ist doch eine völlig andere Ausgangslage gewesen.

(Unruhe bei der CDU)

Und Ihre Wirtschaftspolitik ist die, dass Sie GAMittel - das ist die wichtigste Wirtschaftsförderung, die es überhaupt gibt - nicht ausschöpfen und ansonsten Programme auflegen, die nichts bringen. Ich sage Ihnen eins noch, es ist schon wichtig, dass die Firmen ganz genau wissen, wie das in Zukunft aussehen soll. Denn es ist ein Unterschied, ob eine Firma im Altenburger Land z.B. in Zukunft vielleicht nur noch 10 Prozent GA-Mittel bekommen kann oder ob sie wie jetzt 27,5 Prozent höchstenfalls bekommen kann. Das ist ein gigantischer Unterschied. Deshalb sollten Sie nun bald die Richtlinie auf den Tisch legen, und von wegen, Herr Kretschmer, es war nicht genug Zeit. Ist das nicht genug Zeit? Seit Januar wird diese Richtlinie angekündigt und bis heute

liegt sie immer noch nicht auf dem Tisch. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache. Ich gehe davon aus, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist. Oder erhebt sich dagegen Widerspruch? Es gibt keinen Widerspruch, damit ist das Berichtsersuchen erfüllt. Die CDU-Fraktion hat die Weiterberatung des Berichts im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit beantragt. Dem müssen die anderen beiden Fraktionen zustimmen. Die SPD-Fraktion stimmt dem zu. Die Linkspartei.PDS-Fraktion, wird der Fortberatung des Berichts zugestimmt im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit? Dann lasse ich jetzt darüber abstimmen. Wer dem zustimmt, den Bericht im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit weiterzuberaten, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei 1 Enthaltung ist das damit beschlossen.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 12 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 13

a) Einführung der Kultur- raumfinanzierung im Frei- staat Thüringen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/2355 -

b) Erhalt des Theaters Nord- hausen/Sondershausen Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD - Drucksache 4/2356 -

c) Erhalt des Theaters Rudol- stadt/Saalfeld Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD - Drucksache 4/2357 -

d) Erhalt des Landesthea- ters Eisenach Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD - Drucksache 4/2358 -

e) Erhalt der Thüringen Phil- harmonie Gotha-Suhl Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD - Drucksache 4/2359 -

Wünscht jemand der Fraktionen der Linkspartei.PDS oder der SPD das Wort zur Begründung?

Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die gemeinsame Aussprache zu allen aufgelisteten und genannten Anträgen. Als erste Rednerin rufe ich auf Abgeordnete Lieberknecht, CDU-Fraktion.

... Es - jetzt geht es -, es lebe der Populismus! Ich wiederhole es noch einmal: Es lebe der Populismus!

(Beifall bei der CDU)

Ich sage es auch für den Punkt 13 d: Es lebe der Populismus! Und schließlich noch einmal für 13 e: Es lebe der Populismus!

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

„Jeder Parlamentarier, egal welcher Fraktion, sollte die Gelegenheit bekommen, nicht nur zu seinem Theater oder Orchester zu sprechen, sondern sich zu ihm auch zu bekennen“, heißt es in einer Pressemitteilung - Frau Dr. Klaubert nickt schon - der Linkspartei.PDS vom 10. Oktober. Ich sage, liebe Kolleginnen und Kollegen, da kommen einem fast die Tränen vor lauter Fürsorglichkeit.

Liebe Frau Kollegin Dr. Klaubert, ich hatte Sie kulturpolitisch eigentlich auf einem anderen Niveau verortet. Meinen Sie denn, die CDU-Abgeordneten, um jetzt meine Fraktion in den Blick zu nehmen, bekennen sich nicht zu ihren Theatern oder zu ihren Orchestern? An der Spitze der Bewegung stehen sie

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das wer- den wir ja sehen.)

- jawohl - ja in zahlreichen Stadträten, Kreistagen. Wer hat denn die Beschlüsse gefasst, zumeist einstimmig, vor Ort selbstverständlich? Unsere Leute, die auch die Wahlkreise vor Ort gewonnen haben, natürlich stehen sie dazu.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Die mo- geln sich durch.)

Natürlich, jeder, der seinen heimatlichen Einsatz betont, tut das auch hier in diesem Hohen Hause.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Lippen- bekenntnisse!)

Wir haben ausdrücklich gesagt, gegebenenfalls kann sogar für die heimatliche Presse hier vom Pult der Kreistagsbeschluss hoch gehalten werden und noch

ein kleines Foto dazu und dann in der Heimatpresse auch als Beleg dokumentiert werden, selbstverständlich und ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU)

Aber damit lösen wir doch kein Problem.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Vor allem die nicht, die Sie selber schaffen.)

Vor allen Dingen Sie nicht, die Sie so diese Anträge formuliert haben, denn Sie konterkarieren ja geradezu das, was tatsächlich diskussionswürdig ist. Das finde ich eigentlich ein bisschen - und ich sage ehrlich -, eigentlich nicht nur ein bisschen, sondern sehr schade, dass Sie mit Ihrem reinen Populismus der Anträge b bis e, den durchaus diskussionswürdigen Ansatz von 13 a selbst ad absurdum führen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das sehe ich aber nicht so.)

Bis zum - das können Sie auch noch erklären - 31. Dezember 2006 soll der Thüringer Kultusminister den Entwurf eines Thüringer Kulturraumgesetzes vorlegen. Verteilmasse sind mindestens 88 Mio. €. Davon sind aber mal schnell die Beträge für das Theater Nordhausen/Sondershausen, Rudolstadt/Saalfeld, das Landestheater Eisenach und die Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl schon vorab festgeschrieben, bevor es überhaupt losgeht. Dann kommen auch Weimar, Erfurt, Meiningen, Gera-Altenburg, die Jenaer Philharmonie, alle die, die Sie jetzt nicht genannt haben, natürlich dazu. Wer die Titel genau kennt, es stehen da auch Musikschulen, alle Museen, die die derzeitigen Beträge im Landeshaushalt wohl auch nicht gekürzt sehen wollen, wenn es ein solches Kulturraumgesetz gibt. Und die Melodie „Hände weg von...“, die haben wir ja bei der Beratung des letzten Doppelhaushalts nur noch allzu gut in Erinnerung.

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sand in die Augen streuen und ansonsten populistisch auf die Pauke hauen, das hilft am allerwenigsten.

(Beifall bei der CDU)

Dass es Ihnen im vorliegenden Fall offensichtlich um alles andere geht, als um ernsthaften Austausch neuer Fakten oder Argumente, zeigt eben schon leider diese Widersprüchlichkeit der Anträge, die Sie vorgelegt haben. Davon halten wir nichts. Deswegen sind wir einen anderen Weg gegangen und haben bereits in der Vorwoche, bevor Sie Ihre Anträge eingereicht haben - und vielleicht gibt es ja auch die eine oder andere Stelle, die Ihnen davon berichtet hat -, ein regierungsunabhängiges Gutachten

zu dem Gedanken, den wir halt schon für durchaus prüfenswert halten, nämlich zu einem Thüringer Kulturraumfinanzierungsgesetz oder Thüringer Kulturraumgesetz, an den Wissenschaftlichen Dienst der Landtagsverwaltung eingereicht, weil bei aller Skepsis, auf die ich noch zu sprechen komme, bei einer unabhängigen wissenschaftlichen Betrachtungsweise durchaus der eine oder andere interessante Gesichtspunkt aufgezeigt werden kann. Wie ein systematisch sauberes Kulturraumkonzept für Thüringen aussehen könnte, darüber sollten wir uns in der Tat intensiv Gedanken machen. Aber ob Sie das eben wirklich wollen, da bin ich mir sehr im Zweifel, wie gesagt, die Widersprüchlichkeit, einmal 13 a zu fordern, auch sehr definitiv, letztlich ohne Prüfung apodiktisch zu sagen, jawohl, bis zum 31. Dezember soll vorgelegt werden und dann eben die Anträge, mit denen Sie diese Vorwegbeträge schon einmal wieder rausziehen. Wir hingegen werden Wert darauf legen, dass die bisherige Verteilung der Lasten und der Finanzierung so wahrgenommen wird, wie die Realität in Thüringen ist.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Das ist aber jetzt sehr weit hergeholt.)

Mit Verlaub, lieber Herr Döring, was Sie in Ihrer Pressemeldung vom 11. Oktober 2006 verbreitet haben und vielleicht auch heute wieder vortragen werden - ich weiß es noch nicht -, kann um der schlichten Wahrheit willen eben auch nicht unwidersprochen bleiben. Ich will es noch einmal zitieren, Sie sagen: „Mit dem Übergang zur Kulturraumfinanzierung erreichen wir endlich eine faire Verteilung der finanziellen Lasten, die die kommunalen Kulturträger zu stemmen haben“. Ich denke, es ist eine etwas kurzsichtige Darstellung, die zum Teil auch die Tatsachen ignoriert, die wir bereits heute in der Landesförderung auch von Theatern und Orchestern haben, nämlich schon heute sind sie nicht im Einzelplan des Kultusministers, sondern im Einzelplan 17 und dort im Kommunalen Finanzausgleich enthalten.

Das führt doch nun wirklich, denke ich, für alle sichtbar dazu, dass die Verteilung der Lasten auf alle Kommunen eben auch jetzt schon gegeben ist. Das gilt auch für die Landkreise, die sich abseits der kulturellen Zentren befinden. Wobei ich fragen muss: Wo gibt es die überhaupt in Thüringen? Das ist ja gerade ein Thema auch für uns, dass wir letztlich kaum einen Raum haben, der nun noch mehr für andere Räume mit herangezogen werden kann, weil in jedem Raum sich natürlich auch entsprechende Einrichtungen befinden, dass also die schon jetzt einbezogen sind auch ohne Kulturraumkonzept. Da denke ich, kann man nicht so tun, als ginge das alles nach bislang gültigen Regelungen an diesen Kommunen vorbei. Es ist auch schon heute so, dass

das Eichsfeld bei dieser Haushaltsverankerung der Theaterförderung genauso betroffen ist wie die Kulturstadt Weimar. Der Kyffhäuserkreis genauso wie die Landeshauptstadt und Hildburghausen genauso wie die Nachbarstadt Meiningen. Noch eine ganze Reihe anderer Dinge sollten wir debattieren, bevor wir uns auf einen Paradigmenwechsel einlassen, wie Sie ihn - ich sage es noch einmal - ungeprüft vorschlagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Sächsischen Kulturraumgesetz gibt es drei urbane und acht ländliche Kulturräume. Die drei urbanen Räume sind die im Gesetz so definierten Kulturstädte Chemnitz, Dresden und Leipzig. Chemnitz mit rund einer viertel Million Einwohner, Dresden und Leipzig mit rund jeweils einer halben Million Einwohner. Das macht schon mehr als die Hälfte der Einwohner des Freistaates Thüringen aus. Da frage ich: Wo sind in Thüringen die Kulturstädte von dieser Größe und Leistungskraft, die eben in diesem Sinne wie Leipzig oder Dresden als urbane Kulturräume gelten können? Wenn sich Sachsen mit seiner doppelten Größe des Landes nun acht ländliche Kulturräume gegeben hat, ist es ja wahrscheinlich nicht ganz weltfremd, wenn ich einmal annehme, dass Sie vielleicht dann entsprechend für Thüringen eine Zahl von drei oder vier Kulturräumen für angemessen halten würden. Da kann ich wieder sagen, sind Sie gemeinsam mit der Linkspartei.PDS möglicherweise bei den alten Bezirksstrukturen, über die Sie ja auch in anderen Zusammenhängen immer wieder hier die Debatte zu führen suchen? Oder nach welchen Kriterien wollen Sie die Grenzen zwischen den Kulturräumen in Thüringen eigentlich ziehen?

In Sachsen hat man sich vor allem an gewachsenen Sprach- und Traditionsräumen orientiert und dabei auch strukturelle Überlegungen und finanzielle Gesichtspunkte berücksichtigt. Wo ziehen Sie in Thüringen die Grenze zwischen gewachsenen Kulturräumen? Wollen wir uns im Freistaat noch einmal auf die alten Fürstentümer besinnen und uns von dorther helfen lassen? Was halten Sie von einem Kulturraum Thüringisch-Preußen? Oder da kommen die Reußen in den verschiedenen Linien, die Henneberger. Wie wollen wir das machen? Aber überlegenswert ist es schon. Das Experiment sollten wir durchaus auch einmal gedanklich mit allem Sachverstand - auch mit historischem Sachverstand - durchspielen.

Egal, letztlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie den Zuschnitt vornehmen wollen. Sofern die Zahl der von Ihnen angestrebten Kulturräume kleiner als 23 ist, heißt das, dass Sie per Landesgesetz die betroffenen Landkreise oder kreisfreien Städte in einen kommunalen Pflichtzweckverband - das klingt dann alles andere als kulturpolitisch, aber es