Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

(Beifall bei der CDU)

Eine Diktatur lebt bekanntlich von der politischen Auslese der anpassungsfähigsten Individuen. Ein tragendes Element der Demokratie dagegen sollte die Bildung einer politischen Elite im Kampf um Stimmen einer aufgeklärten Wählerschaft sein. Wir haben am 9. November hier erlebt, wie theoretisch das ist. Wer glaubt, sich profilieren zu können, indem er unsere Spielregeln bricht und dieses Handeln infantilisiert, der fügt dem parlamentarischen System langfristigen Schaden zu, leistet einen unabsehbaren Beitrag zur Delegitimation.

(Beifall bei der CDU)

Aber vielleicht ist das ja gewollt, vielleicht fehlt es in der Führung der Linksfraktion nicht nur aus Versäumnis an gewohnter scharfer Empörung - vielleicht deshalb gerade die Solidarisierung. Andrè Brie hat genau vor zehn Jahren im „Stern“ von der PDS verlangt: „Wir müssen endlich ein positives Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie und zum Grundgesetz finden.“ Er wandte sich damals gegen die Aussage im Parteiprogramm: „Die PDS hält den außerparlamentarischen Kampf um gesellschaftliche

Veränderungen für entscheidend. Parlamentarische Präsenz der PDS hat zur vorrangigen Aufgabe, emanzipatorische Bewegungen zu initiieren.“ Hat sich seitdem an diesem instrumentellen Verhältnis der Linken zum Parlament irgendetwas geändert?

Kollege Krause, Ihre Redezeit geht zu Ende.

Zwei Sätze noch. Die Vorkommnisse vom 9. November und die gelassene Reaktion der linken Fraktionsführung sprechen eher dagegen. Wir können uns vorerst nur mit Václav Havel trösten: „Ein natürlicher Nachteil der Demokratie ist, dass sie denen die Hände bindet, die es ernst mit ihr meinen.“ Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Abgeordneter Carius, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich vielleicht eins vorweg sagen: Ich denke, der Beitrag von Herrn Hausold hat eines deutlich gemacht, wir befinden uns weit oberhalb vom „Puddingentzug“ - uns geht es um die politische Kultur in diesem Landtag. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist das Fundament unserer politischen Kultur. Sie bedeutet Meinungsfreiheit und -vielfalt, streitbaren Diskurs ebenso wie Kompromissfähigkeit. Das Parlament lebt vom argumentativen Für und Wider und das schließt naturgemäß auch die leidenschaftliche Debatte nicht aus. Aber es heißt vor allem - wie Herr Hausold vor rund einem Jahr richtig bemerkt hat -, dass dies auch einer Kultur des Zuhörens bedarf, deswegen bin ich froh, dass die PDS, nachdem sie rausging, auch wieder hereingekommen ist.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das ist im- mer so, das hat schon Wehner gesagt.)

Diese Parlamentskultur suchte in der Vergangenheit auch ihren Schutz im rechtlichen Rahmen des Parlamentsrechts und leider bei den Ereignissen des 9. November auch den Schutz der Landtagsverwaltung, der Sicherheitskräfte und der Polizei, denen wir von dieser Stelle aus herzlich danken.

(Beifall bei der CDU)

Im deutschen Parlamentsrecht ist es bislang nicht vorgesehen, scharfe Sanktionen gegen einzelne Parlamentsmitglieder zu verhängen, denn das klas

sische Parlamentsrecht, die Indemnität, die Immunität etc. der Abgeordneten, soll vor allen Dingen vor unzulässiger Einflussnahme auf unsere Willensbildung durch die Exekutive schützen. Gedacht war dabei auch an Gewaltanwendung, Verhaftung, Drohung etc., wie wir sie aus manchen „Demokratien“ der Dritten Welt kennen. Doch dass wie hier ein einzelner Abgeordneter vorsätzlich die Sicherheit seiner Kollegen empfindlich gefährdet, und nicht nur das,

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das kann doch nicht wahr sein.)

sondern auch noch dazu aufruft - Frau Becker, hören Sie ruhig zu -, parlamentarische Beratungen zu stören, mit demagogischen Parolen versucht Kollegen einzuschüchtern,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Waren Sie denn dabei?)

das ist eine Pervertierung des parlamentarischen Umgangs miteinander, den wir aus Gründen der Selbstachtung nicht dulden können.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Sie waren doch gar nicht da.)

Deshalb sind wir dankbar, dass die PDS-Fraktion sich der Missbilligung im Ältestenrat angeschlossen hat. Unverständlich scheint uns hingegen, weshalb eine solche Missbilligung folgenlos sein soll, sondern eher noch Herr Bärwolff mit seinem Verbleiben im Amt des Sitzungsvorstands des Landtags belohnt werden sollte. Es ist für uns einfach eine Frage der politischen Hygiene,

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

(Beifall bei der CDU)

zumal dieser Vorfall auch eine ganz neue Qualität der Auseinandersetzung ist, wie wir sie in diesem Haus bislang nicht erlebt haben. Leider fügt sich dies auch in die Ergebnisse des Thüringen-Monitors von 2005 ein, nachdem 20 Prozent der 18- bis 20-Jährigen zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele auch Gewalt anwenden würden. Hier war es vor allem ein vorsätzliches Verstoßen gegen unsere Hausordnung, die bislang auch noch den Kollegen der PDS ein hohes Gut war. So wie wir von der Familie und Gesellschaft hierzu Erziehungsmaßnahmen erwarten, dürfen wir auch die PDS-Fraktion freundlich zu erzieherischen Maßnahmen ermuntern und ein Überdenken von verqueren politischen Vorstellungen

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das ist doch peinlich, Herr Carius.)

Ich darf daher auch das Präsidium dieses Hauses, Frau Präsidentin, freundlich ermuntern, zu prüfen, welche Möglichkeiten der Sanktionen hier im Rahmen gegebenenfalls auch einer Änderung der Geschäftsordnung und der Hausordnung bestehen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das kön- nen Sie ja machen mit Ihrer Mehrheit.)

Meine Damen und Herren, Herr Bärwolff hat sich in der Vergangenheit mehrfach zur Kommunistischen Plattform bekannt. Er machte aus der Ablehnung unseres Freiheitsverständnisses auch öffentlich bislang keinen Hehl. Nach seiner jüngsten Aktion stellt sich daher für uns, den Landtag insgesamt, die Frage, nicht nur, dass wir diese Aktion missbilligen, sondern es stellt sich grundsätzlich die Frage der sittlichen Reife.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Denn mit Ihrer Demonstration von zum Teil Angetrunkenen im Thüringer Landtag, meine Damen und Herren, haben Sie nicht nur die Würde dieses Hauses beschmutzt, sondern auch den zahlreichen rechtstreuen und ehrlichen Demonstranten einen Bärendienst erwiesen. Für uns stellt sich das nicht als ein einmaliger Ausrutscher dar, wie er jetzt gern dargestellt wird, sondern als ein systematisches Wühlen an den Grundpfeilern unserer demokratischen Grundordnung.

(Heiterkeit bei der SPD)

(Beifall bei der CDU)

Für uns steht deshalb eines fest: Die Unabhängigkeit des Parlaments muss nicht nur gegenüber der Straße, sondern auch gegenüber einzelnen Abgeordneten gelten. Herr Matschie, es wäre schön, wenn Sie sich für den Parlamentarismus ebenso einsetzen würden, wie Sie sich sonst für die Rechte von anderen einsetzen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist eben kein Beitrag gewesen!)

Skandalös, meine Damen und Herren, damit möchte ich schließen, ist dabei vor allen Dingen eines, dass die PDS-Abgeordneten ihr ungeklärtes Verhältnis zum Parlamentarismus an einem so schicksalhaften Tag wie dem 9. November ausleben mussten. Vielen

(Unruhe bei der SPD)

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf den heute zusätzlich auf die Tagesordnung aufgenommenen Tagesordnungspunkt 22

Wahl eines Mitglieds des Lan- desjugendhilfeausschusses Wahlvorschlag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2472 -

Ich möchte darauf hinweisen, der Landtag hat in seiner 16. Sitzung am 22. April 2005 Herrn Abgeordneten Henry Worm als Mitglied des Landesjugendhilfeausschusses gewählt. Da der Abgeordnete Worm sein Amt zur Verfügung stellt, ist ein neues Mitglied zu wählen. Dazu liegt Ihnen ein Wahlvorschlag der Fraktion der CDU in Drucksache 4/2472 vor, vorgeschlagen ist Frau Beate Meißner.

Wir können gemäß § 46 Abs. 2 der Geschäftsordnung durch Handzeichen abstimmen, wenn kein Mitglied des Landtags widerspricht. Gibt es Widerspruch? Es gibt Widerspruch. Dann werden wir zur Abstimmung kommen. Ich bitte die Wahlhelfer ihre Plätze einzunehmen und eröffne den Wahlgang.

Althaus, Dieter; Bärwolff, Matthias; Baumann, Rolf;

Ich bitte Herrn Rose als Wahlhelfer zu fungieren, da es der Abgeordneten Berninger schlecht geworden ist.

Becker, Dagmar; Bergemann, Gustav; Berninger, Sabine; Blechschmidt, André; Buse, Werner; Carius, Christian; Diezel, Birgit; Doht, Sabine; Döring, Hans-Jürgen; Eckardt, David-Christian; Ehrlich-Strathausen, Antje; Emde, Volker; Enders, Petra; Fiedler, Wolfgang; Dr. Fuchs, Ruth; Gentzel, Heiko; Gerstenberger, Michael; Prof. Dr. Goebel, Jens; Grob, Manfred; Groß, Evelin; Grüner, Günter; Gumprecht, Christian; Günther, Gerhard; Dr. Hahnemann, Roland; Hauboldt, Ralf; Hausold, Dieter; Heym, Michael; Höhn, Uwe; Holbe, Gudrun; Huster, Mike; Jaschke,

Siegfried; Jung, Margit; Kalich, Ralf; Dr. Kaschuba, Karin; Dr. Klaubert, Birgit; Köckert, Christian; Kölbel, Eckehard; Dr. Krapp, Michael; Dr. Krause, Peter; Krauße, Horst;